Leitsatz (amtlich)
Eine deutsche Frau, die einen Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland geheiratet hat, diesem mit ihren nichtehelichen Kindern in die USA gefolgt und später mit ihrem Ehemann und den Kindern zurückgekehrt ist, hat als "Angehörige" iS von Art 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld (Weiterentwicklung von BSG 1977-12-15 8 RKg 3/77 = SozR 6180 Art 13 Nr 1).
Normenkette
BKGG §§ 1, 2 Abs 1 S 1 Nr 4; NATOTrStatZAbk Art 13; NATOTrStat Art 1 Abs 1 Buchst a; NATOTrStat Art 1 Abs 1 Buchst c; GG Art 6 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
SG Fulda (Entscheidung vom 20.03.1980; Aktenzeichen S 3b Kg 11/79) |
Tatbestand
Streitig ist der Kindergeldanspruch der mit einem Angehörigen der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten amerikanischen NATO-Streitkräfte verheirateten Klägerin.
Die Klägerin ist die Mutter von drei nichtehelichen Kindern (T, geboren am 22. Juni 1966; C, geboren am 31. Januar 1970), und P, geboren am 22. Dezember 1975). Die Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin heiratete am 30. April 1976 einen amerikanischen Staatsangehörigen (L B), der den Kindern seinen Namen gab, sie aber nicht adoptierte. Im Sommer 1977 ging die Klägerin mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie kehrte im März 1979 mit ihren Kindern und ihrem Ehemann, der Angehöriger der US-Streitkräfte ist, in die Bundesrepublik Deutschland zurück.
Ihr Ehemann erhält für die Kinder keine Leistungen.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom 26. März 1979, ihr erneut Kindergeld zu gewähren, ab (Bescheid vom 7. Juni 1979) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. September 1979).
Das Sozialgericht Fulda (SG) hat beide Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Kindergeld für ihre Kinder T, C und P B zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 20. März 1980).
Die Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) iVm Art 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG vom 20. März 1980 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Klägerin ist die Mutter ihrer drei nichtehelichen Kinder; sie hat ebenso wie die Kinder auch ihren Wohnsitz seit März 1979 wieder im Geltungsbereich des BKGG, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland (§§ 1 Nr 1; 2 Abs 1 Nr 4, Abs 5 BKGG). Sie ist aber seit dem 30. April 1976 mit einem Angehörigen der NATO-Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika verheiratet, der die Kinder nicht adoptiert, ihnen aber seinen Namen gegeben hat und für sie keine Leistungen erhält. Die Klägerin ist daher "Angehörige eines Mitgliedes einer Truppe im Sinne von Art 1 Abs 1 a und c des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (BGBl II 1961, 1190). Nach Art 13 Abs 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl II 1961, 1218) - beide am 1. Juli 1963 in Kraft getreten (BGBl II 1963, 745) - finden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf derartige Angehörige aber keine Anwendung.
Allerdings hat das Bundessozialgericht -BSG- (SozR 6180 Art 13 Nr 1) entschieden, Art 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sei nicht auf den Kindergeldanspruch einer deutschen Frau für ihr nichteheliches Kind anwendbar, wenn sie bei fortdauerndem Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG einen mit dem Kind weder verwandten noch ihm aus sonstigen Gründen unterhaltspflichtigen NATO-Soldaten heiratet (vgl auch den Runderlaß des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit 375/74 Nr 191.2 idF des Runderlasses vom 21. Juni 1978 im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit 182/78).
Der Sachverhalt des vorliegenden Rechtsstreits unterscheidet sich jedoch von dem seinerzeitigen dadurch, daß die Klägerin mit ihren Kindern nach der Eheschließung in der Bundesrepublik Deutschland ihrem Ehemann in die Vereinigten Staaten von Amerika gefolgt ist. Sie hat damit ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG aufgegeben und auch hier keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr gehabt. Dasselbe gilt für ihre Kinder. Die entscheidenden Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1 Nr 1 und 2 Abs 5 BKGG waren damit weggefallen. Ihr Status hatte sich nämlich nicht nur dadurch geändert, daß sie geheiratet hatte. Anhaltspunkte dafür, daß sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland während ihres Aufenthaltes in den USA nicht aufgegeben hatte, fehlen (vgl SozR 5870 § 1 Nr 4).
Als die Klägerin mit ihren Kindern und ihrem Ehemann im März 1979 in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrte, erlangte sie ihre frühere Rechtsstellung in bezug auf den Kindergeldanspruch nicht wieder. Sie war jetzt "Angehörige" im Sinne von § 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut ebenso wie andere Angehörige von Soldaten der US-Streitkräfte, die mit diesen aus den Vereinigten Staaten von Amerika in die Bundesrepublik Deutschland kommen.
Es ist dabei rechtlich unerheblich, daß sowohl die Klägerin als auch ihre Kinder weiterhin deutsche Staatsangehörige sind, weil das BKGG nach dem Territorialitätsprinzip den Kindergeldanspruch grundsätzlich nicht an die Staatsangehörigkeit knüpft und auch das NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen insoweit keine Unterscheidung treffen. Mit der Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland hatte die Klägerin sich endgültig aus der Bindung an den Rechtsbereich des BKGG gelöst und war "nur noch" Angehörige im Sinne des § 13 des Zusatzabkommens. Eine wirtschaftliche Diskriminierung nur infolge einer Eheschließung, wie sie das BSG (aaO) angenommen hat, ist nach der Rückkehr der Klägerin nicht mehr eingetreten, denn sie war schon verheiratet, als sie erneut ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründete. Wollte man der Klägerin erneut einen Kindergeldanspruch zubilligen, so wäre das eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen Angehörigen von US-Soldaten, die schon vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verheiratet waren, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit sie haben und wo die Eheschließung stattgefunden hat.
Andere Tatsachen, aus denen sich gegebenenfalls ein Kindergeldanspruch der Klägerin ergeben könnte, etwa eine versicherungspflichtige Beschäftigung, hat das SG nicht festgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen