Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmung des Landesversorgungsamts nach KOV-VfG § 41 Abs 2 muß vor dem Erlaß des "Berichtigungsbescheides" erteilt sein.
Leitsatz (redaktionell)
Auch für Verwaltungsakte, die nach Inkrafttreten des KOV-VfG (1955-04-01), aber vor Verkündung dieses Gesetzes (1955-05-02) erlassen worden sind, ist die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsakte nach KOV-VfG § 41 zu beurteilen. Es ist nicht darauf angekommen, daß die Verwaltung zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheides die Vorschrift des KOV-VfG § 41 Abs 2 nicht hat beachten können, weil das Gesetz zu dieser Zeit noch nicht verkündet gewesen ist.
Wenn KOV-VfG § 41 Abs 2 bestimmt, das Versorgungsamt bedürfe zum Erlass eines Rücknahmebescheides iS des KOV-VfG § 41 Abs 2 der Zustimmung des Landesversorgungsamtes, so ist damit nicht gesagt, daß das Landesversorgungsamt nur "behördenintern" mitzuwirken hat; die Vorschrift bedeutet nicht, daß das Versorgungsamt nur innerdienstlich gehalten ist, die Mitwirkung des Landesversorgungsamtes herbei zuführen; sie hat vielmehr eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung, weil sie - anders als im Falle des KOV-VfG § 40 Abs 1 S 2 - ersichtlich jedenfalls überwiegend dem Interesse des Betroffenen dient; sie hat die Funktion, besonders einschneidende belastende Maßnahmen der Verwaltung dadurch zu erschweren, daß ihr Erlass von dem Zusammenwirken des Versorgungsamtes und des ihm übergeordneten Landesversorgungsamtes abhängig gemacht ist. Die Nichtbeachtung der Vorschrift greift daher unmittelbar in das rechtlich geschützte Interesse des Betroffenen ein.
Dem Erfordernis des KOV-VfG § 41 Abs 2 ist nicht genügt, wenn das Landesversorgungsamt durch die Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid zum Ausdruck bringt, daß es den Rücknahmebescheid des Versorgungsamtes billigt. Die Schutzfunktion des KOV-VfG § 41 Abs 2 wäre erheblich eingeschränkt, wenn nicht überhaupt in Frage gestellt, wenn die Zustimmung des Landesversorgungsamtes im Widerspruchsbescheid oder im Instanzenzug der Sozialgerichtsbarkeit "nachgeschoben" werden könnte.
Normenkette
KOVVfG § 40 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1955-05-02, § 41 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02, Abs. 2 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. März 1961 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Das Versorgungsamt (VersorgA) Regensburg stellte mit Bescheid vom 18. Mai 1954 bei dem Kläger "chronische Mittelohrentzündung rechts" als Schädigungsfolge "durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) hervorgerufen" fest; es bewilligte ihm jedoch keine Rente, weil er durch die als Schädigungsfolge festgestellte (anerkannte) Gesundheitsstörung nicht um mindestens 25 v.H. in der Erwerbsfähigkeit gemindert sei.
Mit dem Widerspruch vom 30. Mai 1954 machte der Kläger geltend, daß auch seine weiteren Gesundheitsstörungen - chronische Stirnhöhleneiterung, Kopfschmerzen, Ischias - Schädigungsfolgen seien.
Am 7. April 1955 erließ das VersorgA einen neuen Bescheid ("Zuungunstenbescheid"); es heißt darin, "der Bescheid vom 18. Mai 1954 wird dahin abgeändert, daß die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung - chronische Mittelohrentzündung - durch schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes nicht hervorgerufen, sondern nur verschlimmert worden ist"; aus dem erst jetzt beigezogenen Gesundheitsbuch des Klägers gehe hervor, daß der Kläger bereits vor seinem Wehrdienst eine Mittelohrerkrankung durchgemacht habe, der Bescheid vom 18. Mai 1954 sei daher schon im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen. Das VersorgA stützte den Bescheid vom 7. April 1955 auf Art. 30 Abs. 4 des Bayerischen Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) i.V.m. § 84 Abs. 3 BVG.
Der Kläger legte auch gegen den Bescheid vom 7. April 1955 Widerspruch ein.
Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Bayern wies die Widersprüche mit Bescheid vom 5. Oktober 1955 zurück; zu dem Bescheid vom 7. April 1955 führte es aus: Die Anerkennung der Schädigungsfolge in dem den Rentenantrag ablehnenden Bescheid vom 18. Mai 1954 habe nur die rechtliche Bedeutung eines Zugeständnisses, der Widerruf eines derartigen Zugeständnisses unterliege nicht den erschwerten Voraussetzungen für den Widerruf einer Leistung nach Art. 30 Abs. 4 KBLG bzw. § 41 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG), sondern den leichteren Bedingungen des § 290 der Zivilprozeßordnung (ZPO); der Widerruf könne aber auch in der Form eines auf Art. 30 Abs. 4 KBLG gestützten sog. Zuungunstenbescheides ergehen, ein Zugeständnis könne jedenfalls dann widerrufen werden, wenn seine tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit außer Zweifel stehe, diese Voraussetzungen habe das VersorgA zu Recht bejaht. Die Klage, mit der der Kläger Änderung des Bescheides vom 18. Mai 1954 - Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge und die Gewährung einer Rente - sowie die Aufhebung des Bescheides vom 7. April 1955 - des Zuungunstenbescheides - begehrte, wies das Sozialgericht (SG) Regensburg mit Urteil vom 11. April 1957 ab.
Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erklärte der Kläger, daß er sich durch den Bescheid des VersorgA vom 18. Mai 1954 nicht mehr beschwert fühle; er beantragte nur noch, den Bescheid vom 7. April 1955 - den Zuungunstenbescheid - aufzuheben.
Das Bayerische LSG änderte das Urteil des SG vom 11. April 1957 ab und hob den Zuungunstenbescheid des VersorgA vom 7. April 1955 auf (Urteil vom 22. März 1961). Das LSG führte aus, das VersorgA habe den Bescheid vom 7. April 1955 nicht mehr auf Art. 30 Abs. 4 KBLG stützen dürfen, da diese Vorschrift durch das VerwVG vom 2. Mai 1955 bereits mit Wirkung vom 1. April 1955 außer Kraft gesetzt worden sei. Der Bescheid vom 7. April 1955 könne auch nicht in einen "Berichtigungsbescheid" nach § 41 VerwVG umgedeutet werden, weil die nach § 41 Abs. 2 VerwVG erforderliche Zustimmung des LVersorgA fehle; dieser Mangel sei auch nicht dadurch geheilt worden, daß das LVersorgA am 5. Oktober 1955 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. April 1955 zurückgewiesen habe; die Schutzfunktion des § 41 Abs. 2 VerwVG wäre in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn die Genehmigung des LVersorgA zu einem Bescheid nach § 41 Abs. 1 VerwVG im Vorverfahren oder im Instanzenzug der Sozialgerichtsbarkeit nachgeschoben werden könnte; der Bescheid vom 7. April 1955 sei daher nicht rechtmäßig.
Das LSG ließ die Revision zu.
Das Urteil des LSG wurde dem Beklagten am 14. April 1961 zugestellt. Der Beklagte legte am 6. Mai 1961 Revision ein und beantragte, das Urteil des Bayerischen LSG vom 22. März 1961 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Regensburg vom 11. April 1957 zurückzuweisen.
Er begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist - am 12. Juli 1961. Er führte aus, das LSG habe die Vorschriften des Art. 30 Abs. 4 KBLG und des § 41 VerwVG unrichtig angewandt. Das VerwVG sei zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch nicht verkündet gewesen; die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides sei daher nach Art. 30 Abs. 4 KBLG zu beurteilen; nach dieser Vorschrift habe es aber einer Zustimmung des LVersorgA zum Erlaß eines sog. Zuungunstenbescheides nicht bedurft.
Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; der Beklagte hat sie frist- und formgerecht eingelegt, sie ist daher zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Streitig ist, ob der Bescheid des VersorgA Regensburg vom 7. April 1955 ("Zuungunstenbescheid") rechtmäßig ist: in diesem Bescheid hat das VersorgA seinen Bescheid vom 18. Mai 1954 insoweit zurückgenommen, als es darin die "chronische Mittelohrentzündung" des Klägers als Schädigungsfolge "durch schädigende Einwirkungen i.S. des § 1 BVG hervorgerufen" festgestellt (anerkannt) hat; es hat gleichzeitig festgestellt, die chronische Mittelohrentzündung sei (nur) Schädigungsfolge i.S. der Verschlimmerung. Das VersorgA hat angenommen, der Bescheid vom 18. Mai 1954 sei insoweit von Anfang an rechtswidrig; er habe nicht der wahren Sach- und Rechtslage entsprochen. Der Bescheid vom 18. Mai 1954 ist ein begünstigender Verwaltungsakt, er ist für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG); das VersorgA hat ihn mit dem angefochtenen Bescheid nur dann zurücknehmen dürfen, wenn es durch Gesetz (§ 77 SGG, 2. Halbsatz) hierzu ermächtigt gewesen ist. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid vom 7. April 1955 (Rücknahmebescheid) zu Recht für rechtswidrig gehalten.
Das VersorgA hat den Rücknahmebescheid nicht mehr auf Art. 30 Abs. 4 KBLG stützen dürfen, weil diese Vorschrift zur Zeit des Erlasses des Bescheides nicht mehr gegolten hat; sie ist mit dem Inkrafttreten des VerwVG vom 2. Mai 1955, also am 1. April 1955, außer Kraft getreten (§ 51 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 VerwVG). Das VerwVG hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung einen von Anfang an rechtswidrigen Bescheid über die Feststellung einer Schädigungsfolge oder die Bewilligung einer Rente zurücknehmen darf, ausdrücklich und abschließend geregelt. Die Rechtslage, die das VerwVG geschaffen hat, gilt ab 1. April 1955, da sich das Gesetz bis zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich rückwirkende Kraft beigelegt hat. Das VersorgA hat daher nach dem 1. April 1955 den Bescheid vom 18. Mai 1954 nur dann zurücknehmen dürfen, wenn die Voraussetzungen vorgelegen haben, von denen die Rechtmäßigkeit der Rücknahme nach § 41 VerwVG abhängig gewesen ist. Das ist aber hier nicht der Fall gewesen; nach § 41 Abs. 2 VerwVG bedarf das VersorgA zum Erlaß eines Rücknahmebescheides ("Berichtigungsbescheides") der Zustimmung des LVersorgA; diese Zustimmung des LVersorgA hat bei Erlaß des angefochtenen Bescheides nicht vorgelegen. Die Auffassung des Beklagten, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sei nur unter dem Gesichtspunkt des Art. 30 Abs. 4 KBLG zu prüfen, sie werde nicht durch die Aufhebung dieser Vorschrift in dem VerwVG berührt, trifft nicht zu (a.M. BMA Erl. vom 3. August 1955 - BVBl 1956 S. 74 -); aus dem "zeitlichen Geltungswillen" des VerwVG ist zu entnehmen, daß die Vorschriften dieses Gesetzes, die normieren, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung ermächtigt ist, einen von Anfang an rechtswidrigen begünstigenden Bescheid zurückzunehmen, auch für Verwaltungsakte gelten, die nach Inkrafttreten des VerwVG (1. April 1955), aber vor Verkündung dieses Gesetzes (2. Mai 1955) erlassen worden sind; auch die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsakte ist nach § 41 VerwVG zu beurteilen. Es ist nicht darauf angekommen, daß die Verwaltung zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheides die Vorschrift des § 41 Abs. 2 VerwVG nicht hat beachten können, weil das Gesetz zu dieser Zeit noch nicht verkündet gewesen ist; maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ist die Rechtslage, die zur Zeit des Erlasses des Bescheides in Wirklichkeit bestanden hat; dies ist die Rechtslage, die das VerwVG geschaffen hat. Ein nach dem 1. April 1955 erlassener Rücknahmebescheid des VersorgA ist daher nur dann rechtmäßig, wenn - außer den sonstigen Voraussetzungen des § 41 VerwVG - auch die Zustimmung des LVersorgA vorgelegen hat. Diese Zustimmung ist hier nicht - wie der Beklagte unter Berufung auf § 52 VerwVG meint - entbehrlich gewesen, weil mit dem Bescheid vom 7. April 1955 der "Bescheiderteilungsvorgang" verfahrensrechtlich abgeschlossen gewesen sei und ein weiteres Verfahren, etwa die Zustimmung des LVersorgA nach altem Recht (Art. 30 Abs. 4 KBLG), nicht habe stattfinden müssen. Abgesehen davon, daß die Vorschriften, die normieren, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung einen begünstigenden Bescheid zurücknehmen darf, jedenfalls nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung haben, sind - wie § 52 VerwVG ausdrücklich bestimmt - vom 1. April 1955 an auch verfahrensrechtliche Vorschriften des VerwVG anzuwenden gewesen.
Der Bescheid vom 7. April 1955 ist daher nicht rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 41 VerwVG insofern nicht voll erfüllt sind, als die Zustimmung des LVersorgA zu seinem Erlaß gefehlt hat. Dieser Mangel des Bescheides ist auch nicht dadurch behoben worden, daß das LVersorgA mit dem Bescheid vom 5. Oktober 1955 den Widerspruch des Klägers gegen den Rücknahmebescheid zurückgewiesen hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Widerspruchsbescheid, in dem das LVersorgA - rechtsirrtümlich (vgl. BSG 9, 80; 12, 25) - die Auffassung vertreten hat, die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge sei kein begünstigender Verwaltungsakt, "der nur unter den erschwerten Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 4 KBLG bzw. § 41 VerwVG widerrufen" werden könne, überhaupt dahin auszulegen ist, daß das LVersorgA - nachträglich - die Zustimmung zu einem Bescheid nach § 41 Abs. 1 VerwVG erteilt habe; auch wenn dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen ist, das LVersorgA habe den Erlaß des Bescheides billigen und nachträglich genehmigen wollen, ist der angefochtene Rücknahmebescheid damit nicht rechtmäßig geworden. Wenn nämlich das Gesetz in § 41 Abs. 2 VerwVG bestimmt, das VersorgA bedürfe zum Erlaß eines Rücknahmebescheides i.S. des § 41 Abs. 1 VerwVG der Zustimmung des LVersorgA so ist damit nicht gesagt, daß das LVersorgA nur "behördenintern" mitzuwirken hat; die Vorschrift bedeutet nicht, daß das VersorgA nur innerdienstlich gehalten ist, die Mitwirkung des LVersorgA herbeizuführen; sie hat vielmehr eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung, weil sie - anders als im Falle des § 40 Abs. 1 Satz 2 VerwVG - ersichtlich jedenfalls überwiegend dem Interesse des Betroffenen dient; sie hat die Funktion, besonders einschneidende belastende Maßnahmen der Verwaltung dadurch zu erschweren, daß ihr Erlaß von dem Zusammenwirken des VersorgA und des ihm übergeordneten LVersorgA abhängig gemacht ist. Die Nichtbeachtung der Vorschrift greift daher unmittelbar in das rechtlich geschützte Interesse des Betroffenen ein; der Betroffene hat ein Recht darauf, daß das LVersorgA vor dem Erlaß des Rücknahmebescheides erklärt, ob es zustimmt. Der Sinn der Beteiligung des LVersorgA nach § 41 Abs. 2 VerwVG liegt gerade darin, das Zustandekommen des Rücknahmebescheides zu beeinflussen, bevor das VersorgA nach außen hin tätig wird (vgl. auch Heinze, Das Zusammenwirken von Behörden beim Erlaß von Verwaltungsakten, Verw.Arch. Bd 52 S. 159 und S. 275 [295]). Dem tragen übrigens auch die Verwaltungsvorschriften Rechnung, indem sie in Nr. 8 zu § 41 VerwVG sagen: "Der Entwurf eines Berichtigungsbescheids ist vor seiner Vollziehung dem vorgesetzten LVersorgA zur Zustimmung vorzulegen, auch wenn dieses die Erteilung des Berichtigungsbescheids angeordnet hat".
Die Regelung des § 41 Abs. 2 VerwVG führt dazu, daß das LVersorgA in einem Verwaltungsverfahren, das den Erlaß eines Rücknahmebescheides zum Gegenstand hat, unter Umständen in doppelter Funktion tätig wird; einmal als die Stelle, deren Zustimmung zum Erlaß des Rücknahmebescheides nach § 41 Abs. 2 VerwVG erforderlich ist, zum anderen als die "nächsthöhere Behörde", die - auf Widerspruch des Betroffenen - den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid (Widerspruchsbescheid) zu treffen hat (§ 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß dem Erfordernis des § 41 Abs. 2 VerwVG genügt sei, wenn das LVersorgA durch die Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid zum Ausdruck bringe, daß es den Rücknahmebescheid des VersorgA billige; wenn das VerwVG vom 2. Mai 1955 die Zustimmung des LVersorgA zum Erlaß eines Rücknahmebescheides "eingerührt" hat, obgleich das LVersorgA nach dem SGG vom 3. September 1953 ohnehin - auf Widerspruch - die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung zu treffen hat, so muß angenommen werden, daß es dem Willen des Gesetzes entspricht, die doppelte Funktion des LVersorgA als "Zustimmungsbehörde" einerseits und als "Widerspruchsbehörde" andererseits zu trennen. Es ist in der Tat auch vom Standpunkt des Betroffenen nicht das gleiche, ob das LVersorgA als Zustimmungsbehörde oder als Widerspruchsbehörde tätig wird; es ist nicht zu unterstellen, daß das LVersorgA den Sachverhalt in beiden Funktionen immer gleich beurteilen müsse. Es ist rechtlich und auch im praktischen Ergebnis etwas anderes, ob eine Aufsichtsbehörde im Verwaltungsverfahren in der Weise mitwirkt, daß sie den Verwaltungsakt einer nachgeordneten Behörde vor seinem Erlaß in eigener Verantwortung vorzuprüfen hat, oder ob sie auf einen Rechtsbehelf des Betroffenen den bereits erlassenen Verwaltungsakt der nachgeordneten Behörde nach Prüfung der Einwendungen des Betroffenen zu bestätigen oder zu beanstanden hat. Daraus, daß die später im Widerspruchsbescheid dargelegte Auffassung des LVersorgA in einem Einzelfall mit der Auffassung, von der in dem Rücknahmebescheid des VersorgA ausgegangen ist, übereinstimmt, darf nicht gefolgert werden, es habe schon deshalb keine Notwendigkeit bestanden, die Zustimmung des LVersorgA vorher einzuholen; es ist nicht zu übersehen, daß es auch viele Fälle gibt, in denen der Betroffene gegen den Rücknahmebescheid keinen Widerspruch eingelegt, in denen es deshalb zu einer weiteren Mitwirkung des LVersorgA überhaupt nicht kommt, und daß auch in diesen Fällen das Recht des Betroffenen gewahrt sein muß, daß solche Bescheide nur ergehen dürfen, wenn die Zustimmung des LVersorgA vorliegt. Die Schutzfunktion des § 41 Abs. 2 VerwVG wäre erheblich eingeschränkt, wenn nicht überhaupt in Frage gestellt, wenn die Zustimmung des LVersorgA im Widerspruchsbescheid oder im Instanzenzug der Sozialgerichtsbarkeit "nachgeschoben" werden könnte.
Hat die Verwaltung den Rücknahmebescheid ohne die vorherige Zustimmung des LVersorgA erlassen, so hat sie zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt. Da die Zustimmung nicht nachgeholt werden kann, ist es ohne Bedeutung, ob das LVersorgA im Widerspruchsbescheid seine Zustimmung zum Ausdruck bringt, es sei denn, daß nach dieser Zustimmung und unter Berufung auf diese Zustimmung ein neuer Rücknahmebescheid ergeht. Die Nichtbeachtung gesetzlich zwingend vorgeschriebener Formen der Mitwirkung ist der Nichtbeachtung der Mitwirkung grundsätzlich gleichzustellen. Eine Zustimmung des LVersorgA im Sinne des § 41 Abs. 2 VerwVG ist deshalb nicht erfolgt, wenn sie nicht beim Erlaß des Rücknahmebescheides vorgelegen hat (vgl. auch Urteil des BVerwG vom 8. Juli 1959, Sammel- und Nachschlagewerk 4a Nr. 3 zu § 35 Schwerbeschädigtengesetz).
Der Bescheid vom 7. Mai 1955 ist deshalb rechtswidrig. Der Kläger ist durch diesen Bescheid in seinen Rechten schon deshalb beeinträchtigt, weil das LVersorgA dem Bescheid nicht zugestimmt hat; das Fehlen dieser Zustimmung hat allerdings nicht - wie das Fehlen einer gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung des Betroffenen - die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge (vgl. BSG 12, 265, 268); der rechtswidrige Bescheid ist aber auf Klage aufzuheben (vgl. auch Urt. des 3. Senats vom 21.11.1961, 3 RK 35/60); dies hat das LSG auch zutreffend getan.
Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen