Orientierungssatz

Der 7. BSG-Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 vom Hundert in vollem Umfang auf den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe anzurechnen ist (§ 138 AFG iVm § 11 Nr 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung)

 

Normenkette

AFG § 138 Abs 3; AlhiV § 11 Nr 4 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.05.1981; Aktenzeichen L 9 Ar 89/80)

SG Duisburg (Entscheidung vom 14.07.1980; Aktenzeichen S 6 Ar 52/80)

 

Tatbestand

Der Kläger bezog vom 12. Juli bis 20. November 1977 und danach mit Unterbrechungen ab 16. September 1978 bis 30. Juni 1979 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im Juli 1979 bewilligte ihm die Berufsgenossenschaft (BG) rückwirkend eine Verletztenteilrente, und zwar für die Zeit vom 12. Juli 1977 bis 31. Mai 1978 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH (monatlich 180,-- DM) und für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 30. Juni 1979 nach einer MdE um 20 vH (monatlich 120,-- DM).

Als die Beklagte hiervon erfuhr, zeigte sie unter Berufung auf § 140 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Juni 1979 der BG die Gewährung von Alhi an. Durch einen an die BG und an den Kläger gerichteten Bescheid vom 23. August 1979 machte sie einen Anspruchsübergang wegen infolge Nichtberücksichtigung der Verletztenteilrente überzahlter Alhi in Höhe von 1.668,40 DM geltend. Die BG überwies der Beklagten aus der Rentennachzahlung 1.480,-- DM.

Auf den Widerspruch des Klägers ermäßigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1980 den "Rückforderungsanspruch" auf 1.133,70 DM; im übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

Mit seiner Klage wandte sich der Kläger nur gegen die Anrechnung der Verletztenteilrente nach einer MdE um 20 vH auf die in der Zeit vom 16. September 1978 bis 30. Juni 1979 gezahlte Alhi und beantragte die Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung des entsprechenden Kürzungsbetrages in Höhe von 886,05 DM. Die "Rückforderung" der Beklagten für die Zeit vom 12. Juli 1977 bis 31. Mai 1978 in Höhe von 247,65 DM hielt er wegen der Höhe der ihm in dieser Zeit zustehenden Verletztenrente (30 vH) ausdrücklich für berechtigt.

Durch Urteil vom 14. Juli 1980 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid vom 23. August 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1980 insoweit aufgehoben, als die Beklagte in Gewährszeiträumen nach dem 1. Juni 1978 bei der Alhi des Klägers die Unfallrente als Einkommen angerechnet und eine entsprechende Rückforderung ausgesprochen hat.

Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. Mai 1981 zurückgewiesen und die Beklagte auf die Anschlußberufung des Klägers verurteilt, dem Kläger ab 15. Februar 1980 vier Prozent Zinsen zu zahlen; die weitergehende Anschlußberufung des Klägers (auf Zinszahlung ab 1. November 1979) hat das LSG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Alhi nicht in Betracht komme, wenn ihr - wie hier - eine geringere MdE zugrunde liege, als sie für den Anspruch auf eine Grundrente aus der Kriegsopferversorgung (mindestens 25 vH) erforderlich sei. Dies folge aus § 11 Nr 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl I 1929 - Alhi-VO), wonach die Verletztenrente bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE als Grundrente gewährt würde, nicht als auf die Alhi anrechenbares Einkommen gelte. § 11 Nr 4 Alhi-VO treffe insoweit eine stets zu beachtende Begrenzung der Nichtanrechnung auf einen bestimmten Betrag ohne Rücksicht darauf, ob die festgestellte MdE in der Kriegsopferversorgung einen Anspruch auf Grundrente auslöse. Dies folge nicht zuletzt aus dem Hinweis in § 11 Nr 4 Alhi-VO auf § 587 der Reichsversicherungsordnung (RVO); denn daraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber die von der Beklagten geltend gemachte völlige Gleichstellung zwischen Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung im Leistungsbezug nicht beabsichtigt habe. Werde demnach die niedrigste Versorgungsgrundrente, die in einem Falle wie dem des Klägers für den streitigen Zeitraum 123,-- DM monatlich betragen hätte, nicht erreicht, bleibe es beim Grundsatz der Nichtanrechnung der Unfallrente auf die Alhi. Eine andere Auffassung würde im übrigen zu sachlich nicht vertretbaren Ergebnissen führen, nämlich der Vollanrechnung einer niedrigen Unfallrente im Verhältnis zur bloßen Teilanrechnung einer höheren Rente.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 11 Nr 4 Alhi-VO. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 21. Juli 1981 - 7 RAr 43/80 - trägt sie vor, daß danach die Verletztenrente in vollem Umfange auf die Alhi anzurechnen sei, wenn die ihr zugrunde liegende MdE wegen ihrer geringen Höhe in der Kriegsopferversorgung nicht zur Gewährung einer Grundrente führe.

Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlußberufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er sich die Rechtsauffassung des LSG zu eigen; die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Senats sei nicht einschlägig, da es sich dort um die Anrechnung einer Verletztenrente auf Ausbildungsgeld nach §§ 40, 58 AFG iVm §§ 24, 25 der Rehabilitations-Anordnung gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und der Anschlußberufung des Klägers stattgegeben hat. Soweit das LSG die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen hat, ist das Berufungsurteil mangels Anfechtung von Seiten des Klägers rechtskräftig geworden.

Die Entscheidung des LSG ist nicht wegen Unterlassung einer notwendigen Beiladung der BG nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fehlerhaft, eine Frage, die auch bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen ist (BSG SozR 1500 § 75 Nr 37 mwN). Der Kläger wendet sich nicht gegen die Wirksamkeit der in den angefochtenen Verwaltungsakten enthaltenen Überleitung seiner Rentenansprüche als solche. Er macht lediglich geltend, daß die Beklagte aufgrund der Überleitung mehr erhalten habe, als ihr zustehe, und begehrt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs die Auszahlung des Mehrbetrages an sich. An dem insoweit lediglich zwischen dem Kläger und der Beklagten streitigen Rechtsverhältnis ist die BG nicht iS von § 75 Abs 2 SGG beteiligt.

Der Kläger kann sich für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht darauf berufen, das die ihm von der BG zugebilligte Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH auf seine Alhi-Ansprüche in der - allein noch streitigen - Zeit vom 16. September 1978 bis 30. Juni 1979 dem Grunde nach nicht anzurechnen sei. Auch diese Rentenleistungen haben vielmehr im Rahmen der §§ 137, 138 AFG Einfluß auf die Höhe der Alhi.

Der Anspruch auf Alhi setzt Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG); er besteht nur in dem Umfange, in dem ua berücksichtigungsfähiges Einkommen die nach § 136 AFG zu berechnende Alhi nicht erreicht (§ 137 Abs 1 AFG). Nach § 138 AFG, der hier in der vor dem 1. August 1979 geltenden Fassung durch das 5. Änderungsgesetz zum AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) anzuwenden ist, ist bei der Gewährung von Alhi im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen zu berücksichtigen ua Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht nach § 115 anzurechnen ist (§ 138 Abs 1 Nr 1 AFG). Danach ist bei den Alhi-Ansprüchen des Klägers in der Zeit vom 16. September 1978 bis 30. Juni 1979 auch die ihm gewährte Verletztenteilrente in Höhe von monatlich 120,-- DM zu berücksichtigen. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist Einkommen. Als Einkommen gelten nämlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, Sozialaufwendungen und Werbungskosten (§ 138 Abs 2 AFG). Nicht als Einkommen gelten allerdings die in § 138 Abs 3 AFG aufgeführten Leistungen sowie sonstige Leistungen, soweit sie nach anderen Rechtsvorschriften, insbesondere dem hier einschlägigen § 11 Nr 4 der Alhi-VO, nicht als Einkommen gelten oder - wie die Leistungen des § 587 RVO - ausdrücklich nicht als auf die Alhi anrechenbar bezeichnet werden; jedoch ist die Verletztenrente des Klägers, um die es hier allein geht, nach keiner dieser Bestimmungen privilegiert; sie ist vielmehr, wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang dieser Bestimmungen entnehmen läßt, auf die Alhi anzurechnen (so schon Urteil des Senats vom 9. Dezember 1981 - 7 RAr 109/81 -).

Die Verletztenteilrente wird nicht bereits von der Privilegierung des § 138 Abs 3 Nr 1 AFG erfaßt. Danach gelten nicht als Einkommen Leistungen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften gewährt werden, um einen Mehrbedarf zu decken, der durch einen Körperschaden verursacht ist. Anrechnungsfrei sind hiernach nur Einkünfte des Arbeitslosen, die nicht zur Deckung des normalen Lebensbedarfs bestimmt sind, sondern speziell zu dem Zweck gewährt werden, die individuellen Folgen eines Körperschadens zu beheben oder zu mindern, zB Pflegegeld nach § 558 Abs 3 RVO, Pflegezulage nach § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Deshalb werden von § 138 Abs 3 Nr 1 AFG nicht Leistungen erfaßt, die, wie die Verletztenrente des § 581 RVO und die Beschädigtenrente des BVG vor allem dazu bestimmt sind, die mit dem Körperschaden verbundene Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auf dem gesamten Bereich des Erwerbslebens auszugleichen. Beide Rentenarten werden grundsätzlich nach dem Grad der MdE im allgemeinen Erwerbsleben bemessen und der hierdurch entstandene Schaden abstrakt berechnet; sie sind demgemäß im allgemeinen dazu bestimmt, als Lohnersatz den allgemeinen normalen Lebensunterhalt des Empfängers und seiner Angehörigen sicherzustellen. Es kann hierbei offenbleiben, ob die Verletztenrente des § 581 RVO - wie es für die Grundrenten des BVG zutrifft - wenigstens teilweise auch dazu bestimmt ist, einen Mehraufwand abzugelten, der dem Beschädigten als Folge der - individuellen - Schädigung erwächst. Auch wenn dies der Fall wäre, würden die genannten Rentenarten nicht bereits von § 138 Abs 3 Nr 1 AFG erfaßt; sonst hätte es nicht der speziellen Regelung des § 138 Abs 3 Nr 5 AFG bedurft, wonach von den Beschädigten-Leistungen des BVG die Grundrenten und die Schwerstbeschädigtenzulage sowie vergleichbare Leistungen anrechnungsfrei bleiben, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG über die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage gewährt werden. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß die Grundrenten des Versorgungsrechts, obwohl auch sie nach dem Grad der MdE nach Pauschalsätzen gewährt werden, ebenso wie die Schwerstbeschädigtenzulage in besonderem Maße dazu bestimmt sind, den Verlust der körperlichen Unversehrtheit auszugleichen und damit auch einen Mehraufwand abzugelten, der dem Beschädigten als Folge der Schädigung in allen Lebenslagen erwächst (zur Funktion der Grundrente vgl BSGE 30, 21, 25; 33, 112, 117). Deshalb wird sie ohne Rücksicht auf sonstiges Einkommen gewährt und bleibt bei Bemessung anderer Leistungen unberücksichtigt (BT-Drucks III/1239 S 21; BSGE 33, 112, 117). Die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung, die - anders als das BVG - einen derart verselbständigten Grundrentenanteil nicht kennt und die weder unmittelbar noch mittelbar dem § 138 Abs 3 Nr 5 AFG unterfällt, ist daher wie die sonstigen - einkommensabhängigen - Rentenleistungen der Beschädigtenversorgung nach dem BVG (Ausgleichsrente, Berufsschadensausgleich) nicht von der Privilegierung des § 138 Abs 3 Nr 1 AFG erfaßt. Sie gehört auch nicht zu den anrechnungsfreien Schadensersatzleistungen des § 138 Abs 1 Nr 6 AFG.

Daß die Verletztenrente des § 581 RVO nicht bereits nach § 138 Abs 3 AFG privilegiert ist, ergibt sich auch aus dem Umstand, daß für sie aufgrund des § 138 Abs 4 AFG in § 11 Nr 4 der Alhi-VO eine Sonderregelung getroffen worden ist. Danach gelten außer den in § 138 Abs 3 AFG genannten Einkünften nicht als Einkommen auch die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE als Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage gewährt würde, im Falle des § 587 RVO jedoch mindestens der danach nicht zu berücksichtigende Betrag. Entgegen der Auffassung des Klägers wird aber seine Teilrente nicht von § 11 Nr 4 der Alhi-VO begünstigt. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Bezieher von Verletztenrente bei der Gewährung von Alhi den Beschädigten des BVG gleichzustellen, dh auch bei ihnen einen Rentenanteil anrechnungsfrei zu lassen, der bei den Beschädigten nach dem BVG bei gleicher MdE als Grundrente (§ 31 Abs 1 BVG) und Schwerstbeschädigtenzulagen (§ 31 Abs 5 BVG) gewährt würde. Nach § 31 Abs 1 BVG wird aber eine Grundrente nur für erhebliche Körperschäden, nämlich erst bei einer MdE um 30 vH, gewährt, wobei von diesem Durchschnittssatz gem § 31 Abs 2 BVG eine um 5 vH geringere MdE (25 vH) mitumfaßt wird. Nach § 31 Abs 5 BVG wird eine Schwerstbeschädigtenzulage nur an erwerbsunfähige Beschädigte gezahlt, also an Beschädigte, deren Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vH gemindert ist (§ 31 Abs 3 BVG). Wenn § 11 Nr 4 Alhi-VO die Anrechnungsfreiheit auf die Höhe des Betrages begrenzt, der in der Kriegsopferversorgung "bei gleicher MdE" als Grundrente - also bei einer MdE von wenigstens 25 vH - und als Schwerstbeschädigtenzulage - also bei einer MdE von mehr als 90 vH - gewährt würde, so kann dies nur so verstanden werden, daß eine Verletztenrente, die nach einer MdE von weniger als 25 vH berechnet wird, bei der Bemessung der Alhi nicht außer Ansatz bleiben kann. Für sie ist mangels Vorhandensein einer "vergleichbaren" Grundrente nach dem BVG eine Privilegierung überhaupt nicht vorgesehen. Augenfällig wird dies auch bei wörtlicher Anwendung des § 11 Nr 4 Alhi-VO. Ergibt sich nämlich bei einer MdE von unter 25 vH keine Grundrente nach dem BVG, so bedeutet dies rechnerisch nichts anderes als einen anrechnungsfreien "Grundrentenbetrag" von Null DM. Entspricht aber eine Verletztenrente nach einer MdE von unter 25 vH "bei gleicher MdE" einem anrechnungsfreien Grundrentenbetrag von Null DM, ist diese Verletztenrente voll auf die Alhi anzurechnen.

Eine andere Auslegung würde im übrigen dazu führen, daß ein Verletzter, der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von unter 25 vH bezieht, günstiger gestellt wäre als ein Beschädigter, der durch Schädigungsfolgen in gleichem Maße erwerbsgemindert ist. Während dieser bei gleich hoher MdE (unter 25 vH) keine Grundrente erhalten würde und folglich allein mit der Alhi auskommen müßte, würde jenem neben der Verletztenteilrente noch zusätzlich die ungekürzte Alhi zur Verfügung stehen. Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit der Anrechnung der Verletztenrente auf das Ausbildungsgeld (§§ 58, 40 AFG) ausgeführt hat, erfordert gerade die Wahrung der Gleichbehandlung beider Gruppen von Leistungsbeziehern (hier Alhi-Berechtigten) die Anrechnung der Verletztenrente auf die Alhi in diesen Fällen (vgl Urteil vom 21. Juli 1981 - 7 RAr 43/80 -; BSG SozR 4480 § 27 Nr 4).

Entgegen der Auffassung des LSG kann auch aus dem Hinweis in § 11 Nr 4 Alhi-VO auf § 587 RVO nichts anderes entnommen werden. Nach § 587 Abs 1 RVO (hier in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung) hat der Träger der Unfallversicherung die Teilrente auf die Vollrente zu erhöhen, solange der Versicherte infolge des Arbeitsunfalls ohne Arbeitseinkommen ist. Die Leistungen werden nach § 587 Abs 2 RVO auf das Alg oder die Unterstützung aus der Alhi nicht angerechnet. Dieses Anrechnungsverbot bezieht sich nur auf die Leistungen nach Abs 1, also auf den Aufstockungsbetrag, nicht aber auf die der Aufstockung zugrunde liegende Teilrente. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und ihrer systematischen Stellung innerhalb der Regelungen über die Renten an Verletzte in §§ 580 ff RVO, sondern insbesondere auch aus ihrer Entstehungsgeschichte. Danach soll die Vorschrift des Abs 2 bewirken, daß die Leistungen des Abs 1 voll den Verletzten zugute kommen; sie sollen nicht dazu führen, daß die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gekürzt werden (vgl BT-Drucks IV/938 zu § 586, S 14). Wie der Senat bereits zu § 587 RVO entschieden hat (BSGE 27, 297, 299 = SozR § 587 RVO Nr 1), entspricht es Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die Anrechnungsfreiheit insoweit nur auf den Aufstockungsbetrag zu beschränken. Wird dem Verletzten nicht nur die Teilrente, sondern die Vollrente gewährt, weil er wegen seiner Arbeitslosigkeit einem erwerbsunfähigen Verletzten gleichsteht, ist es gerechtfertigt, ihn hinsichtlich der aufgestockten Leistung wie einen Beschädigten zu privilegieren, der bei einer MdE von mehr als 90 vH eine wesentlich höhere Grundrente erhielte. Der Gesetzgeber hat hingegen mit dieser Bestimmung nicht beabsichtigt, dem Verletzten darüber hinaus, also noch neben der Vollrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die volle Alhi zukommen zu lassen. Dieses Ergebnis wird auch durch § 11 Nr 4 Alhi-VO bestätigt, wonach in Fällen des § 587 RVO der Aufstockungsbetrag - als Mindestbetrag - anrechnungsfrei bleibt, während dies für die darüber hinausgehende Rente - die der Aufstockung zugrunde liegende Teilrente - nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen gilt, daß sie nicht höher ist als der Betrag, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE als Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage gewährt würde.

Demgegenüber kann die Erwägung des LSG nicht durchgreifen, eine Gleichstellung zwischen Leistungen der Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung sei nicht beabsichtigt gewesen, weil es in der Kriegsopferversorgung keine Leistung gebe, die der nach § 587 Abs 1 RVO vergleichbar sei. Vielmehr lassen die einschlägigen Vorschriften im Zusammenhang nach Auffassung des Senats deutlich die Absicht des Gesetzgebers erkennen, eine gleichartige Behandlung beider Leistungsarten zu gewährleisten, wobei als Maßstab für eine Privilegierung der Unfallrente das Modell für Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage in der Kriegsopferversorgung mit seiner Abhängigkeit von einem bestimmten MdE-Wert zugrunde gelegt worden ist. Von dieser Ausgangslage her kann es dann auch nicht als sachwidrig angesehen werden, daß eine Verletztenrente nach einer MdE von weniger als 25 vH voll auf die Alhi angerechnet wird, wenn dies bei einer höheren MdE-Grundlage lediglich als Folge der Gleichstellung mit Grundrentenberechtigten nach dem BVG nicht der Fall ist.

Die dem Kläger nach einer MdE um 20 vH bewilligte Verletztenrente war demnach bei der Berechnung der Alhi für den in Rede stehenden Zeitraum gem § 138 Abs 2 AFG als Einkommen anzurechnen. Als Folge ihrer rückwirkenden Bewilligung konnte dies seitens der Beklagten erst nachträglich geschehen. Bis dahin hatte sie dem Kläger gem § 140 Satz 1 AFG die Alhi ungekürzt zu gewähren. Infolgedessen war sie berechtigt, den Renten-Nachzahlungsanspruch des Klägers durch Anzeige der Alhi-Gewährung im Umfang der durch die bisherige Nichtanrechnung entstandenen Überzahlung von Alhi auf sich überzuleiten (§ 140 Satz 2 AFG) mit der Folge des entsprechenden Anspruchsüberganges auf sie (§ 140 Satz 3 AFG). Nach den Feststellungen des LSG hierzu ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Forderungsüberganges.

Das Urteil des LSG muß deshalb in dem Umfange aufgehoben werden, als es mit der Revision der Beklagten angefochten worden ist. Der Senat kann allerdings in der Sache nicht abschließend entscheiden. Von seinem rechtlichen Standpunkt her zutreffend hat das LSG nämlich keine Feststellungen dazu getroffen, ob der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf die Renten-Nachzahlung des Klägers der Höhe nach richtig berechnet worden ist. Die Sache muß deshalb in dem angefochtenen Umfange an das LSG zurückverwiesen werden, damit dies noch nachgeholt werden kann. Das LSG wird sodann auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658655

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