Leitsatz (amtlich)

Die Anzeige von witterungsbedingtem Arbeitsausfall iS der § 84 Abs 1, § 88 Abs 1 AFG ist kein Antrag auf Sozialleistungen iS des § 16 SGB 1. Ihre wirksame Erstattung setzt deshalb den rechtzeitigen Eingang bei dem vom AFG dafür allein für zuständig erklärten Arbeitsamt voraus.

 

Orientierungssatz

1. Unverzüglich erstattet ist eine Einzelanzeige grundsätzlich nur, wenn sie noch am Tage des Arbeitsausfalles zur Post gegeben wird, eine Sammelanzeige nur wenn sie so rechtzeitig aufgegeben wird, daß sie unter normalen Verhältnissen am Montag der folgenden Woche beim Adressaten (= zuständigen Arbeitsamt) eingeht (vgl BSG 1979-06-19 7 RAr 7/78 = DBlR 2459, AFG/§ 84 und BSG 1981-11-12 7 RAr 83/80 = DBlR 2707, AFG/§ 84). Zum Begriff der Unverzüglichkeit gehört auch, daß die Anzeige an den richtigen Adressaten gerichtet ist.

2. Geht eine Anzeige aufgrund fehlerhafter Adressierung bei einem unzuständigen Arbeitsamt zwar rechtzeitig, infolge der erforderlichen Weiterleitung beim zuständigen Arbeitsamt jedoch verspätet ein, ist sie, da nicht unverzüglich (§ 84 Abs 1 Nr 3 AFG), nicht wirksam erstattet.

 

Normenkette

SGB 1 § 16 Fassung: 1975-12-11; AFG § 84 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1972-05-19, § 88 Abs 1 S 1 Fassung: 1972-05-19; WinterbauAnO § 15

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.12.1981; Aktenzeichen L 7 Ar 103/81)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 12.03.1981; Aktenzeichen 4a Ar 47/79)

 

Tatbestand

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Versagung von Schlechtwettergeld (SWG).

Sie sind Bauunternehmen in O. Im Winter 1978/79 betrieb die Klägerin zu 2) - allein - eine Baustelle im Bezirk des Arbeitsamtes H und zusammen mit der Klägerin zu 1) eine Baustelle im Bezirk des Arbeitsamtes B (Baustelle V). Wegen witterungsbedingter Arbeitsausfälle erstatteten die Klägerinnen für beide Baustellen zunächst Einzelanzeigen gem § 84 Abs 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an die jeweils zuständigen Arbeitsämter. Durch ein an die Adresse der Klägerin zu 2) in O. gerichtetes Schreiben vom 28. November 1978 teilte das Arbeitsamt H. mit, daß es für die Zeit vom 4. Dezember 1978 bis 31. März 1979 auf die tägliche Anzeige eines Arbeitsausfalles verzichte und stattdessen am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche eine sog Sammelanzeige zu erstatten sei. In einem Stempelaufdruck zu diesem Schreiben heißt es: "Zuständig ist die Außenstelle des Arbeitsamtes H, A straße 40a." Das Schreiben enthält ferner den vorgedruckten Hinweis, daß die Entscheidung nur für Baustellen im Bezirk des Arbeitsamtes gelte, das den Bescheid erteilt habe. - Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hat das Arbeitsamt B. auf die Erstattung von Einzelanzeigen nicht verzichtet.

Die Lohnstelle der Klägerin zu 2) in O. übersandte das Schreiben vom 28. November 1978 an die mit der Klägerin zu 1) in Arbeitsgemeinschaft betriebene Baustelle in V. Der dortige Baustellenleiter N. entnahm dem eine Weisung, SWG-Anzeigen für diese Baustelle an das Arbeitsamt H. zu senden. Er übersandte deshalb Sammelanzeigen der Klägerinnen zu 1) und 2) über witterungsbedingte Arbeitsausfälle in der Woche vom 11. bis 16. Dezember 1978 auf der Baustelle V. dem Arbeitsamt H., wo sie am Montag, dem 18. Dezember 1978 eingingen.

Das Arbeitsamt H. leitete diese Anzeigen an das Arbeitsamt B. weiter; die Anzeige der Klägerin zu 1) ging dort am 27. Dezember 1978 ein, die der Klägerin zu 2) am 10. Januar 1979.

Das Arbeitsamt B. lehnte daraufhin gegenüber beiden Klägerinnen die Zahlung von SWG für Arbeitsausfälle in der Woche vom 11. bis 16. Dezember 1978 wegen verspäteter Anzeige des Arbeitsausfalles ab (Bescheide vom 28. Dezember 1979 - Klägerin zu 1) - und 12. Januar 1979 - Klägerin zu 2) -; Widerspruchsbescheide vom 21. Februar 1979).

Durch Urteil vom 12. März 1981 hat das Sozialgericht (SG) nach Klageverbindung die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen für die angezeigten Arbeitsausfälle in der Zeit vom 11. bis 15. Dezember 1978 auf der Baustelle V. SWG in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 11. Dezember 1981). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Ablehnung der Gewährung von SWG in den angefochtenen Bescheiden sei zu Recht erfolgt; denn die Klägerinnen hätten insoweit keinen Anspruch auf SWG, weil sie die dafür erforderlichen Anzeigen nicht rechtzeitig erstattet hätten. Voraussetzung für den Anspruch auf SWG sei die unverzügliche Anzeige des Arbeitsausfalles an das Arbeitsamt, in dessen Bezirk die Baustelle liege, und zwar grundsätzlich in Form täglicher Einzelanzeige (§§ 84 Abs 1 Nr 3, 88 Abs 1 Satz 1 AFG). Nach § 15 Abs 3 der Winterbau-Anordnung (Winterbau-AnO) vom 4. Juli 1972 (ANBA S 511) könne auf die Einzelanzeige verzichtet und eine Sammelanzeige zugelassen werden, die am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zu erstatten sei. Vorliegend habe das für die Baustelle V. zuständige Arbeitsamt B. gegenüber den Klägerinnen eine solche Sammelanzeige überhaupt nicht zugelassen. Sie hätten deshalb Arbeitsausfälle an dieser Baustelle dem zuständigen Arbeitsamt B. täglich anzeigen müssen (§ 84 Abs 1 Nr 3 AFG). Demgegenüber könnten sich die Klägerinnen nicht auf das Schreiben des Arbeitsamtes H. vom 28. November 1978 berufen. Die Klägerin zu 1) schon deshalb nicht, weil es nicht an sie, sondern nur an die Klägerin zu 2) gerichtet gewesen sei. Aber auch gegenüber der Klägerin zu 2) habe das Arbeitsamt H. auf Einzelanzeigen nur für Baustellen in seinem Bezirk verzichtet, wie sich aus dem Inhalt des Schreibens ergebe. Damit sei auch die Klägerin zu 2) nicht von der Pflicht zu Einzelanzeigen im Bezirk des Arbeitsamtes B. befreit gewesen. Die Anzeigen der Klägerinnen über Arbeitsausfälle vom 11. bis 14. Dezember 1978 (Montag bis Donnerstag) auf der Baustelle V. seien folglich nicht unverzüglich iSd § 84 Abs 1 Nr 3 AFG erstattet worden, da sie erst am 15. Dezember 1978 abgefaßt worden seien, sie jedoch an jedem Tag des Arbeitsausfalles an das zuständige Arbeitsamt B. hätte abgesandt werden müssen.

Die Klägerinnen könnten sich insoweit nicht darauf berufen, daß das Arbeitsamt B. auch später nicht ausdrücklich auf Einzelanzeigen verzichtet, jedoch Sammelanzeigen über nach dem 15. Dezember 1978 eingetretene Arbeitsausfälle unbeanstandet entgegengenommen und daraufhin SWG gezahlt habe. Mit Rücksicht darauf, daß sie vor dem 11. Dezember 1978 dem Arbeitsamt B. Einzelanzeige erstattet hätten, habe für die Klägerinnen für die streitige Zeit nicht ein schutzwürdiges Vertrauen bestehen können, das Arbeitsamt B. werde sich mit Sammelanzeigen begnügen.

Allenfalls für die Arbeitsausfälle am 15. Dezember 1978 hätte die an diesem Tage verfaßte und abgesandte Sammelanzeige als rechtzeitig erstattet angesehen werden können, wenn das Arbeitsamt H. das zuständige Arbeitsamt gewesen wäre. Da dies nicht der Fall sei und die Anzeigen folglich der Weiterleitung an das zuständige Arbeitsamt B. bedurft hätten, könnten sie nicht als unverzüglich erstattet gelten. Eine telefonische Übermittlung des Inhalts der Anzeigen noch am 18. Dezember 1978 an das zuständige Arbeitsamt sei dem Arbeitsamt H. zwar möglich gewesen, hätte aber die Wirksamkeit der rechtzeitigen Anzeige nicht begründet, da dafür nach § 89 Satz 1 AFG iVm § 14 Abs 3 Winterbau-AnO Schriftform vorgeschrieben sei. Eine postalische Weiterleitung noch am gleichen Tage hätte den Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt B. frühestens für den 19. Dezember 1978 bewirkt; das wäre ebenfalls verspätet gewesen.

Der § 88 Abs 1 AFG sei nicht lediglich eine verzichtbare Ordnungsvorschrift; vielmehr werde nur durch die hiernach erforderliche rechtzeitige Anzeige die mit diesem Verfahren beabsichtigte Prüfungspflicht des Arbeitsamtes hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse gewährleistet. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sei § 16 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) im Rahmen des § 88 Abs 1 AFG weder unmittelbar noch analog anwendbar; denn diese Vorschrift bestimme nur die Wirksamkeit von Anträgen, die bei an sich unzuständigen Leistungsträgern oder Behörden angebracht werden.

Schließlich könnten sich die Klägerinnen auch nicht auf fehlendes Verschulden für die Anzeigenerstattung beim Arbeitsamt H. und damit für die eingetretene Säumnis berufen. Die Beklagte habe zwar durch Verwaltungsregelung (Runderlaß 349/78 Teilziffer 30.12) zugelassen, eine Anzeige zum unzuständigen Arbeitsamt als rechtzeitig erstattet anzuerkennen, wenn kein Verschulden des Anzeigenden vorliege. Das könne - wie im Erlaß ausgeführt sei - insbesondere dann der Fall sein, wenn die politischen Grenzen eines Bezirks nicht mit den Grenzen des Bezirks des Arbeitsamtes übereinstimmten oder wenn infolge grenznaher Lage einer Baustelle Zweifel darüber bestünden, welches Arbeitsamt für die Entgegennahme der Anzeige zuständig sei. Die Baustelle V. liege jedoch nicht in grenznahem Bereich zwischen den Arbeitsämtern H. und B., sondern näher zu den Arbeitsamt-Bezirken O und M. Den Klägerinnen seien die Grenzen der Arbeitsämter in Nordrhein-Westfalen auch durchaus vertraut, wie sich aus der richtigen Erstattung der Anzeigen vor dem 11. Dezember 1978 durch den Baustellenleiter N. an das Arbeitsamt B. beweise. Schon bei geringer Aufmerksamkeit hätten sowohl die Lohnstelle der Klägerin zu 2) als auch N. dem Schreiben des Arbeitsamtes H. vom 28. November 1978 entnehmen können, daß der dort ausgesprochene Verzicht auf Einzelanzeigen nur für Baustellen im Bezirk dieses Arbeitsamtes gelte. Nur so hätten sie auch den Stempelaufdruck hinsichtlich der Zuständigkeit der Außenstelle des Arbeitsamtes H. verstehen können. Da die Klägerin zu 1) den dem Betrieb der Klägerin zu 2) angehörenden Baustellenleiter N. mit der Erstattung der SWG-Anzeigen betraut habe, müsse sie sich dessen Verschulden gem § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurechnen lassen.

Mit den Revisionen rügen die Klägerinnen sinngemäß eine Verletzung der §§ 88 AFG, 16 SGB 1. Sie tragen unter Berufung auf die Gründe des SG-Urteils insbesondere vor: Da es sich bei der Baustelle in V. nur um eine Arbeitsgemeinschafts-Baustelle gehandelt habe, bei der durch die Vertragspartner der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft ein gleichartiges Verhalten von vornherein vorgegeben gewesen sei, habe das an die Klägerin zu 2) gerichtete Schreiben des Arbeitsamtes H. vom 28. November 1978 durchaus auch Auswirkungen auf das Verhalten der Klägerin zu 1) gehabt. Seinem Inhalt nach hätten die Klägerinnen annehmen dürfen, daß die dort getroffene Zuständigkeitsregelung (Außenstelle Arbeitsamt H.) auch die bisher nach B. gesandten Anzeigen umfasse. Im übrigen habe sich das Arbeitsamt B. weder im Erst- noch im Widerspruchsbescheid darauf berufen, daß weiterhin die Verpflichtung zu Einzelanzeigen bestanden habe. Begnüge es sich also mit der Sammelanzeige, könne das Fehlen von Einzelanzeigen den Klägerinnen nicht entgegengehalten werden.

Zum Arbeitsamt H. sei die Anzeige durch Eingang am 18. Dezember 1978 rechtzeitig erstattet worden. Es hätte deren Bedeutung erkennen und ihren Inhalt unverzüglich fernmündlich weitergeben müssen. Der Bürger müsse auf ein derart sachgerechtes Verhalten innerhalb einer Behördenorganisation vertrauen dürfen. Hätte das Arbeitsamt H. so gehandelt und die Anzeigen nicht lange Zeit liegen gelassen, wäre auch für das Arbeitsamt B. die mit der rechtzeitigen Anzeige verfolgte Prüfungsmöglichkeit eröffnet gewesen. Im übrigen sei es jedenfalls innerhalb der Arbeitsamtsorganisation üblich, beim unzuständigen Arbeitsamt eingehende SWG-Anzeigen als rechtzeitig erstattet anzusehen. Dieses Verfahren rechtfertige sich im übrigen aus dem Gedanken des § 16 Abs 2 SGB 1, dessen wenigstens analoge Anwendung das LSG zu Unrecht verneint habe.

Schließlich fehle es an dem vom LSG angenommenen Verschulden des Baustellenleiters N. Dieser habe sowohl nach dem Inhalt des Schreibens vom 28. November 1978 als auch wegen der grenznahen Lage der Baustelle V. zumindest Zweifel darüber haben dürfen, welches Arbeitsamt für die Entgegennahme der Anzeige zuständig sei, jedenfall annehmen dürfen, daß das Arbeitsamt H. hier zuständig sei.

Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 12. März 1981 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revisionen der Klägerinnen zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet.

Die Klägerinnen haben für witterungsbedingte Arbeitsausfälle in der Woche vom 11. bis 16. Dezember 1978 keinen Anspruch auf SWG, weil sie diese Arbeitsausfälle dem Arbeitsamt nicht unverzüglich angezeigt haben.

Nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG ist die unverzügliche Anzeige des Arbeitsausfalles Voraussetzung für den Anspruch auf SWG. Die Anzeige ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die ihre gesetzliche Wirkung grundsätzlich erst dann entfalten kann, wenn sie dem Adressaten zugegangen ist (ständige Rechtsprechung, vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 5 mwN). Gemäß § 88 Abs 1 Satz 1 AFG ist die Anzeige nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG vom Arbeitgeber dem Arbeitsamt zu erstatten, in dessen Bezirk die Baustelle liegt. Von der grundsätzlich erforderlichen täglichen Anzeige darf die Beklagte aufgrund der Ermächtigung in § 89 Nr 1 AFG Ausnahmen zulassen. Sie hat hiervon in § 15 Winterbau-AnO Gebrauch gemacht. Hiernach darf das Arbeitsamt ua auf die Einzelanzeige verzichten. Geschieht dies, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche eine sog Sammelanzeige über die Arbeitsausfälle zu erstatten (§ 15 Abs 3 Winterbau-AnO). Auch diese Sammelanzeige hat unverzüglich iSd § 84 Abs 1 Nr 3 AFG zu erfolgen, wofür grundsätzlich dasselbe gilt, wie für die tägliche Einzelanzeige; dies hat der Senat ebenfalls bereits mehrfach entschieden (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nrn 5, 6, 7).

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) sind hinsichtlich der streitigen Arbeitsausfälle in der Woche vom 11. bis 16. Dezember 1978 auf der Baustelle V. für die Klägerinnen lediglich die schriftlichen Sammelanzeigen vom 16. Dezember 1978 erstattet worden, die am 18. Dezember 1978 im Arbeitsamt H. eingingen. Ob diese Anzeigen schon deshalb als Sammelanzeigen für alle Arbeitsausfälle in der betreffenden Kalenderwoche unwirksam waren, weil das zuständige Arbeitsamt B. auf die Erstattung von täglichen Einzelanzeigen weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet hatte - wie das LSG angenommen hat -, kann offen bleiben. Ebenso kann unentschieden bleiben, ob der vom Arbeitsamt H. gegenüber der Klägerin zu 2) im Schreiben vom 28. November 1978 erklärte Verzicht auf Einzelanzeigen Rechtswirkungen für die Klägerin zu 1) auslösen konnte, bzw ausgelöst hat. Es steht nämlich fest, daß hinsichtlich des streitigen Arbeitsausfalles nur die am 18. Dezember 1978 im Arbeitsamt H. eingegangenen Anzeigen erstattet worden sind. Diese Anzeigen sind aber nicht iS von § 84 Abs 1 Nr 3 AFG unverzüglich erstattet worden, und zwar auch nicht als Einzelanzeigen für den Arbeitsausfall am 15. Dezember 1978.

Unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erstattet ist eine Einzelanzeige grundsätzlich nur, wenn sie noch am Tage des Arbeitsausfalles zur Post gegeben wird, als Sammelanzeige, wenn sie so rechtzeitig aufgegeben wird, daß sie unter normalen Verhältnissen am Montag der folgenden Woche beim Adressaten eingeht (vgl zB BSG SozR 4100 § 84 Nrn 6, 7). Ferner gehört zu diesem Begriff, daß die Anzeige an den richtigen Adressaten gerichtet ist; denn nur damit tut der Absender das Erforderliche, um den rechtzeitigen Zugang zu gewährleisten. Der richtige Adressat ist das gem § 88 Abs 1 Satz 1 AFG für die Entgegennahme der Anzeige zuständige Arbeitsamt. Zuständiges Arbeitsamt war hier das Arbeitsamt B.; denn nach den Feststellungen des LSG lag die Baustelle V. der Klägerinnen im Bezirk dieses Arbeitsamtes. Am 18. Dezember 1978 als dem maßgeblichen Empfangstage ist eine Anzeige beim Arbeitsamt B. jedoch nicht eingegangen. Die von dem Baustellenleiter N. aufgegebenen Anzeigen haben zwar an diesem Tage bestimmungsgemäß das Arbeitsamt H. erreicht. Dadurch wurde jedoch der für die Erfüllung des Begriffs der Unverzüglichkeit nötige zeitgerechte Eingang der Anzeigen im zuständigen Arbeitsamt B. nicht ersetzt. Sie sind dort nach Weiterleitung erst verspätet eingegangen, für die Klägerin zu 1) am 27. Dezember 1978, für die Klägerin zu 2) am 10. Januar 1979.

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Anzeigen über witterungsbedingte Arbeitsausfälle als Voraussetzung für einen dadurch begründeten Anspruch auf SWG trifft § 88 Abs 1 Satz 1 AFG eine eindeutige und abschließende Regelung. Er kennzeichnet als empfangsberechtigt lediglich das Arbeitsamt, in dessen Bezirk die Baustelle liegt, auf der die anzuzeigenden Arbeitsausfälle eingetreten sind. Bevor die Anzeige nicht beim zuständigen Arbeitsamt eingeht, ist sie folglich nicht wirksam erstattet.

Diese strenge Bindung der Wirksamkeit einer Anzeige nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG - als Einzel- oder als Sammelanzeige - an ein bestimmtes Arbeitsamt als Anzeigeempfänger entspricht dem Sinn und Zweck des Anzeigeverfahrens, wie das LSG zutreffend erkannt hat. Es geht auf die Regelung in §§ 143e, 143 l des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zurück und soll die umgehende Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen des SWG-Anspruchs durch das Arbeitsamt gewährleisten, es nämlich in die Lage versetzen, ggf sofort an Ort und Stelle festzustellen, ob tatsächlich Witterungsverhältnisse vorlagen, die die Fortsetzung der begonnenen Bauarbeiten ausschlossen und ob die Witterungsverhältnisse die einzige Ursache für den Arbeitsausfall auf der fraglichen Baustelle waren (vgl BSGE 22, 187 = SozR Nr 1 zu § 143e AVAVG mwN). Weil aber der witterungsbedingte Arbeitsausfall an eine bestimmte Baustelle gebunden ist (vgl BSGE 24, 58 = SozR Nr 2 zu § 143e AVAVG; BSGE 28, 153 = SozR Nr 4 zu § 143e AVAVG), aus deren örtlicher Lage sich für die Wahrnehmung der mit der Anzeige bezweckten Prüfung zwanglos ein konkretes Arbeitsamt ermitteln läßt, war es sachgerecht, dieses auch als allein zuständig für die Entgegennahme der Anzeige zu bestimmen, wie es in § 88 Nr 1 Satz 1 AFG geschehen ist. Der Senat hat deshalb nicht nur bereits die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung beim zuständigen Arbeitsamt bejaht, sondern auch entschieden, daß die zutreffende Bezeichnung des Baustelle Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anzeige iS der Unverzüglichkeit ist (BSG SozR 4100 § 84 Nr 8). Ebenso wie eine spätere Vervollständigung der Anzeige hinsichtlich fehlender Angaben über die Baustelle nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige zurückwirkt, heilt die Weitergabe einer an das unzuständige Arbeitsamt gerichteten Anzeige an das zuständige Arbeitsamt und deren Eingang dort nicht den Mangel der nicht rechtzeitigen, weil nicht unverzüglichen Anzeigeerstattung. Auch in diesem Falle erfüllt die Anzeige den ihr vom Gesetz zugewiesenen Zweck nicht, weil das zuständige Arbeitsamt nicht zu dem Zeitpunkt, den das Gesetz hierfür vorgesehen hat, in der Lage ist, sich ein zutreffendes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen an der Baustelle zu machen (BSG aaO). Mit Rücksicht auf den Charakter der Anzeige als einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für den SWG-Anspruch kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der angezeigte Arbeitsausfall tatsächlich und unzweifelhaft allein witterungsbedingt eingetreten ist (BSG aaO).

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist es nicht deshalb entbehrlich, die Anzeige an das zuständige Arbeitsamt zu richten, um das Merkmal der Unverzüglichkeit zu erfüllen, weil die Arbeitsämter Teil einer einheitlichen Behördenorganisation im Rahmen des Bundesanstalt für Arbeit sind (§ 189 Abs 2 AFG). Insoweit hat das Gesetz in § 88 Abs 1 Satz 1 AFG eine zweckentsprechende abschließende Regelung in Form der sachlichen Kompetenz eines jeweils konkret bestimmten Arbeitsamtes getroffen, die zu beachten ist. Zu Recht hat das LSG darauf hingewiesen, daß es den dargestellten Zweck der unverzüglichen Anzeige verfehlen würde, wenn die Anzeige wirksam an jedes beliebige Arbeitsamt erstattet werden dürfte, möglicherweise also auch an ein vom zuständigen Arbeitsamt weit entferntes Arbeitsamt. Die Erstattung der Anzeige an das vom Gesetz dafür allein für zuständig erklärte Arbeitsamt als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit besitzt somit sowohl vom Wortlaut des Gesetzes als auch von seinem Sinn und Zweck her Geltung. Ob die Beklagte berechtigt war, hiervon für Zweifelsfälle Ausnahmen im Wege der Verwaltungsregelung zu treffen, kann dahinstehen (vgl dazu BSG SozR 4100 § 84 Nrn 4 und 6); denn nach den Feststellungen des LSG, die die Klägerinnen substantiiert nicht angegriffen haben, so daß sie für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), lagen die Voraussetzungen für die Anwendung einer derartigen Verwaltungsregelung nicht vor, weil das zuständige Arbeitsamt für die Klägerinnen objektiv nicht zweifelhaft sein konnte.

Der rechtzeitige Eingang der Anzeige im unzuständigen Arbeitsamt H. gilt auch nicht gem § 16 Abs 2 SGB 1 als im gleichen Zeitpunkt beim zuständigen Arbeitsamt B. erfolgte Anzeigeerstattung. Nach § 16 Abs 2 Satz 2 SGB 1 gelten ua bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellte Anträge auf Sozialleistungen als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem sie bei dem unzuständigen Leistungsträger eingehen.

Die Anzeige von witterungsbedingtem Arbeitsausfall iSd §§ 84 Abs 1 Nr 3, 88 Abs 1 AFG ist kein Antrag auf Sozialleistungen iSd § 16 SGB 1. Sie enthält zwar, wie schon ausgeführt, eine Willenserklärung und hat als Voraussetzung für den SWG-Anspruch materiell-rechtliche Bedeutung. Der Inhalt erschöpft sich aber in dem vom Arbeitgeber angestrebten Rechtserfolg, die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen und sich hierdurch die Aussicht auf SWG zu sichern, für dessen Begründung jedoch weiterhin ein eigener und ausdrücklicher Antrag erforderlich ist (§ 88 Abs 2 Satz 1 AFG; vgl BSGE 22, 187, 192 = SozR AVAVG Nr 1 zu § 143e). Nur in bezug auf einen solchen Antrag auf SWG könnte § 16 SGB 1 gelten, nicht aber für Anzeigen und Mitteilungen, die rechtlich etwas anderes bedeuten, als Anträge auf Sozialleistungen iS § 11 SGB 1 (vgl Hauck/Haines, Komm z SGB 1, Stand Oktober 1980, RdNr 3 zu § 16; Grüner, Komm z SGB 1, 7. ErgLfg, Anm II zu § 16; Schmidt in Gemeinschaftskomm-AFG RdNr 7 zu § 88).

Eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens aus § 16 Abs 2 SGB 1 verbietet der mit dem Anzeigeerfordernis untrennbar verbundene Begriff ihrer Unverzüglichkeit (aA offenbar Schmidt aaO, der jedoch nur den Eingang bei einem unzuständigen Arbeitsamt, nicht bei einer anderen Behörde iS § 16 Abs 2 SGB 1 gelten lassen will). Mit der Zulassung einer bei einem unzuständigen Arbeitsamt eingegangenen Anzeige nach § 84 Abs 1 Nr 3 iVm § 88 Abs 1 Satz 1 AFG als in diesem Zeitpunkt wirksam erstatteter Anzeige würde nicht mehr der mit ihrer unverzüglichen Erstattung beim zuständigen Arbeitsamt beabsichtigte Rechtserfolg gewährleistet sein; denn dieser Erfolg könnte selbst nicht durch die postwendende Weiterleitung an das zuständige Arbeitsamt bewirkt werden, wenn dadurch der Eingang dort am selben Tage nicht gewährleistet ist, wie im vorliegenden Falle vom LSG festgestellt. Daß insoweit eine am Eingangstag mögliche telefonische Weitergabe an das zuständige Arbeitsamt das wirksam aufgestellte Gebot der Schriftlichkeit (§ 14 Abs 3 Winterbau-AnO) nicht wahren und damit ebenfalls nicht die Wirksamkeit der Anzeige im Rechtssinne herbeiführen würde, hat das LSG zutreffend ausgeführt (vgl dazu auch BSG SozR 4100 § 84 Nrn 4 und 6).

Die Verspätung des Eingangs der fraglichen Anzeigen im zuständigen Arbeitsamt B. brauchten sich die Klägerinnen allerdings nicht entgegenhalten zu lassen, wenn sie diese nicht verursacht hätten oder sie hieran kein Verschulden träfe (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 7). Das LSG hat dazu festgestellt, daß die Anzeigen von dem Baustellenleiter N. an das unzuständige Arbeitsamt H. adressiert waren und hierin der Grund für den verspäteten Eingang im zuständigen Arbeitsamt B. lag. Dieses für die Verspätung kausale Verhalten des Baustellenleiters N. müssen sich die Klägerinnen zurechnen lassen; denn er war, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt, mit der Erstattung der SWG-Anzeigen für beide Klägerinnen für Arbeitsausfälle auf der Baustelle V. rechtsgeschäftlich betraut (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 2).

Das LSG hat ferner festgestellt, daß die Zuständigkeit des Arbeitsamtes B. für die Baustelle V. dem Baustellenleiter weder von der örtlichen Lage dieser Baustelle her zu anderen Arbeitsamts-Bezirken noch vom Inhalt des Schreibens des Arbeitsamtes H. vom 28. November 1978 zweifelhaft, jedenfalls bei gebotener Sorgfalt erkennbar sein konnte. Auch gegen diese Feststellungen haben die Klägerinnen keine wirksamen Revisionsrügen iSd § 163 SGG erhoben. Die daraus gezogene Schlußfolgerung des LSG, daß die unrichtige Adressierung der Anzeigen an das Arbeitsamt H. folglich auf einem vorwerfbaren Fehlverhalten von N. und damit der Klägerinnen beruhte, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Es mag sein, daß N. wegen des Stempelaufdrucks auf dem Schreiben des Arbeitsamtes H. vom 28. November 1978 wegen des zuständigen Arbeitsamtes einem Irrtum erlegen ist. Das entschuldigt ihn (und damit die Klägerinnen) aber nicht, wenn er - wie hier - aus dem übrigen Inhalt des Schreibens erkennen konnte, welche Bewandtnis es damit in Wahrheit hatte. Den Arbeitgeber trifft im Rahmen des von strengen formalen Regeln beherrschten Anzeigeverfahrens wegen SWG eine besondere Sorgfaltspflicht, für deren vorwerfbare Verletzung er mit dem Nachteil der Nichterfüllung einer Anspruchsvoraussetzung eintreten muß.

Die Revision der Klägerinnen kann nach allem keinen Erfolg haben und muß zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1658581

Breith. 1983, 820

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