Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorierung von Notfallbehandlung sowie Rechtsweg bei Streit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhaus über die Honorierung. öffentlich-rechtliches Auftragsangebot und Übernahme der Notfallbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Zur Abrechnung von Notfallbehandlungen durch Nichtkassenärzte (Krankenhausambulanzen), insbesondere zur Anwendung der Abrechnungs- und Verwirkungsvorschriften der KÄV.
Leitsatz (redaktionell)
1. Streitsachen zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhaus über die Honorierung der im Krankenhaus durchgeführten ambulanten Notfallbehandlungen gehören vor die Sozialgerichte.
2. Dem Kassenarztrecht ist ein öffentlich-rechtliches Auftragsangebot an den nicht kassenärztlich tätigen Arzt zu entnehmen, im Notfall wie ein Kassenarzt tätig zu werden; das gilt auch für die ambulante Notfallbehandlung in Krankenhäusern.
3. Mit Übernahme der Notfallbehandlung werden der Arzt bzw das Krankenhaus in einem gesetzlichen Leistungssystem tätig, das durch vertragliche und autonome Regelungen näher ausgestaltet ist; diese vertraglichen oder autonomen Regelungen haben der Notfallarzt bzw das ambulant tätig werdende Notfallkrankenhaus jedenfalls insoweit zu beachten, wie ihnen diese Regelungen bekannt sind oder bekannt sein müßten.
4. Welche Regelungen des Kassenarztrechts der Notfallarzt bzw das ambulant tätig werdende Notfallkrankenhaus gegen sich gelten lassen müssen, hängt vor allem von der Art der jeweiligen Vorschrift und von den Umständen des Einzelfalles ab.
5. Obwohl der Honorarverteilungsmaßstab nur für die Kassenärzte gilt, hat sich die Höhe des Honorars für den Notfallarzt im Rahmen der kassenärztlichen Vergütung zu halten; die Vergütung für ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus hat sich an der gesetzlichen Regelung über die Vergütung für die von den poliklinischen Einrichtungen erbrachten Leistungen auszurichten.
6. Die Kenntnis oder das Kennenmüssen der vertraglichen bzw der autonomen Regelungen über das Abrechnungsverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung kann nicht ohne weiteres einem Nichtkassenarzt entgegengehalten werden, wohl aber einem Krankenhaus mit zahlreichen Abrechnungsfällen für ambulante Notfallbehandlungen im Quartal; das gilt ua auch für die Regelung über die Verwirkung.
Normenkette
RVO § 368d Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 368f Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EKV-Ä §§ 4, 12; BMV-Ä § 2 Abs. 2; SGG § 51 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 14.03.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 1130/81) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.07.1981; Aktenzeichen S 5 Ka 25/80) |
Tatbestand
Umstritten ist die Honorierung von im Städtischen Krankenhaus H durchgeführten (ambulanten) Notfallbehandlungen. Die Klägerin, die Trägerin des Krankenhauses, teilte der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) am 10. August 1978 mit, die Abrechnung der Notfallbehandlungen bis Juni 1977, mit der sie aus personellen und organisatorischen Gründen im Rückstand sei, werde noch nachgeholt. Am 29. September 1978 legte sie dann der Beklagten die Abrechnungen der Quartale I und II/1977 vor (344 Behandlungsfälle der gesetzlichen Krankenkassen und 100 Behandlungsfälle der Ersatzkassen). Die Beklagte lehnte die Honorierung ab, weil der Anspruch nach § 9 Abs 2 des Rahmengesamtvertrages und § 8 Leitzahl (LZ) 804 der Honorarverteilungsgrundsätze (HVG) verwirkt sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Klage und Berufung blieben ebenfalls ohne Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt: Bei der erhobenen Honorarklage handele es sich um eine die Zuständigkeit der Sozialgerichte begründende öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Die gesamten Rechtsbeziehungen, die bei den Notfallbehandlungen zwischen dem Nichtkassenarzt und der KÄV entstünden, gründeten im öffentlichen Recht. Gleiches gelte, wenn der Anspruch von dem Träger des Krankenhauses geltend gemacht werde, in dessen Dienst der behandelnde Arzt stehe. Ob der Honoraranspruch dem Krankenhaus oder dem Arzt selbst zustehe, sei keine Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges, sondern der Aktivlegitimation. Der Anspruch des Krankenhausträgers auf Vergütung der im Krankenhaus gewährten ärztlichen Leistungen beruhe darauf, daß die Behandlung im Rahmen eines abhängigen Dienstverhältnisses vorgenommen werde und daher nach allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts dem Arbeitgeber zuzurechnen sei (Recht am Arbeitsergebnis). Danach habe die Klägerin zwar einen Anspruch auf Honorierung der streitbefangenen Notfallbehandlungen gehabt, dieser Anspruch sei aber verwirkt. Nach § 8 LZ 804 HVG seien Honorarforderungen verwirkt, wenn die Abrechnungsunterlagen nicht innerhalb von 12 Monaten nach den vorgeschriebenen Einreichungsterminen (15. bzw 10. nach Ende des Quartals) vorlägen. Diese Fristenregelung sei auch für die Klägerin verbindlich. Die HVG seien allerdings in erster Linie für die Honorarabrechnungen der Kassenärzte gedacht. Bei den Notfallbehandlungen nähmen jedoch auch die Nichtkassenärzte an der kassenärztlichen Versorgung teil (§ 368 Abs 1, § 368d Abs 1 Satz 2, § 368f Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Alle an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte könnten einen Vergütungsanspruch nur auf die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der KÄV stützen, die ärztliche Versorgung der Versicherten auch in Notfällen sicherzustellen und die ärztlichen Leistungen aus der Gesamtvergütung zu honorieren. Nach den genannten Vorschriften müsse für Notfallbehandlungen ein öffentlich-rechtliches Auftragsangebot an den Nichtkassenarzt angenommen werden, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung wie ein Kassenarzt tätig zu werden. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben könne sich die Klägerin nicht berufen. Gerade bei einer Behörde könne erwartet werden, daß das Vertrautsein mit Fristen und Normen größer ist als beim einzelnen Kassenarzt.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das LSG habe verkannt, daß die HVG nicht alle Ansprüche aus der Gesamtvergütung regelten, sondern nur den Verteilungsmaßstab für die kassenärztliche Tätigkeit. Zum einen handele es sich bei dieser Normierung um autonomes Recht, das sich nur auf die Mitglieder des Verbandes beziehen könne; zum anderen sei in § 368n Abs 3 Satz 2 iVm Satz 1 RVO klargestellt, daß die Vergütung der Notfallbehandlung außerhalb des Verteilungsmaßstabs zu erfolgen habe. Hinsichtlich der Notfallbehandlung bestehe auch keine vertragliche Vereinbarung iS der LZ 804 HVG. Eine solche könne nicht allein aus der faktischen Übernahme der Notfallbehandlung geschlossen werden. Auch hätten Geschäftsbedingungen der Beklagten nur Vertragsinhalt werden können, wenn sie ihr (der Klägerin) bekannt gewesen wären. Es sei daher Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 679 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) zu unterstellen. Die Beklagte erspare rechtsgrundlos Aufwendungen, indem sie die Präsenz von Krankenhäusern und deren Inanspruchnahme in Notfällen in ihre Kapazitätsplanungen langfristig einbeziehe. Hieraus ergebe sich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, für den die Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB) und allgemeine Rechtsprinzipien heranzuziehen seien. Ihre personellen und organisatorischen Schwierigkeiten beruhten zudem auf einem von der Beklagten ab 1977 plötzlich und einseitig festgelegten aufwendigen Abrechnungsmodus. Jedenfalls unterlägen die Bestimmungen der Beklagten der gerichtlichen Inhalts- und Billigkeitskontrolle. Hierbei wären der Grundsatz der Ermächtigungsbeschränkung (BSG 6 RKa 13/77) sowie die Rechtsgedanken des § 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) und der §§ 242, 315 BGB heranzuziehen (BAG NJW 1982, 1416 und 1773). Es stehe der Beklagten anheim, mit den häufig in Anspruch genommenen Krankenhäusern vertragliches Einvernehmen herbeizuführen. Die Beklagte könne sich jedenfalls nicht dadurch ihren gesetzlichen Verpflichtungen entziehen, daß sie auf die weitgehende Erledigung der Notfallbehandlung durch bestehende Krankenhäuser vertraue, andererseits ihre Erstattungspflichten hinsichtlich der Höhe und der Bedingungen einseitig verkürze.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 1984 -L 7 Ka 1130/81-, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Juli 1981 -S 5 Ka 25/80- sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die nach den eingereichten Abrechnungen in den Quartalen I und II/1977 durchgeführten Notfallbehandlungen zu honorieren und 4 % Zinsen aus diesem Honorar seit Klageerhebung zu zahlen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil zumindest im Ergebnis für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage als zulässig, aber in der Sache als unbegründet angesehen.
Der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben. Der Klageanspruch wird aus dem öffentlich-rechtlichen Kassenarztrecht hergeleitet (§ 51 Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Die Klägerin nimmt für die Honorierung der in ihrem Krankenhaus an Versicherten durchgeführten Notfallbehandlungen die beklagte KÄV in Anspruch. Sie stützt sich dabei auf Regelungen des Kassenarztrechts, wonach die KÄV die an sich den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen und die ärztlichen Leistungen aus der von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung entrichteten Gesamtvergütung zu honorieren hat (§ 368n Abs 1, § 368f Abs 1 Satz 1 RVO). Soweit sich die Klägerin auch auf zivilrechtliche Regelungen beruft (Geschäftsführung ohne Auftrag), verzichtet sie nicht auf die öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage. Sie wehrt sich damit lediglich dagegen, daß satzungsrechtliche Vorschriften der KÄV und Vorschriften des zwischen den Krankenversicherungsträgern und der KÄV geschlossenen Rahmengesamtvertrages, die nur für die Kassenärzte verbindlich seien, auch auf sie angewendet oder entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen ihr und der KÄV unterstellt werden. Die von ihr herangezogenen zivilrechtlichen Regelungen enthalten allgemeine Rechtsgrundsätze, die auch im öffentlichen Recht, soweit spezielle Regelungen fehlen, Anwendung finden (Palandt, BGB, Kurzkommentar, 45. Aufl, Anm 5 vor § 677; BSGE 40, 221, 224 = SozR 3900 § 31 Nr 1 und BSGE 50, 203, 205 = SozR 2200 § 1241 Nr 16 mwN). Schließlich verweist sie auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, für den Vorschriften des SGB und allgemeine Rechtsprinzipien heranzuziehen seien.
In der Sache kommt das LSG ohne Verletzung revisiblen Rechts wie schon das SG zu dem Ergebnis, daß die Klägerin zwar einen Anspruch gegen die Beklagte auf Honorierung der in den streitbefangenen Quartalen durchgeführten Notfallbehandlungen erworben hat, dieser Anspruch jedoch verwirkt ist.
Für die hier umstrittene Frage der Verwirkung ist von Bedeutung, daß der von der Klägerin erhobene Anspruch seine Rechtsgrundlage im Kassenarztrecht bzw Ersatzkassenrecht hat. Das LSG folgt der im Schrifttum und auch vom Senat vertretenen Auffassung, daß dem Kassenarztrecht (§§ 368 ff RVO) ein öffentlich-rechtliches Auftragsangebot an den im allgemeinen nicht kassenärztlich tätigen Arzt zu entnehmen ist, in einem Notfall wie ein Kassenarzt tätig zu werden (Hess/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, 1955, S 172; Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 1. September 1985, § 368d Anm 8d S 17/1615; BSGE 15, 169, 174 = SozR § 368d RVO Nr 1). Die KÄV erfüllt ihren Sicherstellungsauftrag in der Regel durch die zugelassenen und beteiligten Ärzte sowie durch ermächtigte Ärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen (§ 368a Abs 1, § 368d Abs 1 Satz 1 RVO). Nur in einem Notfall darf der Versicherte auch einen Arzt in Anspruch nehmen, der nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt (§ 368d Abs 1 Satz 2 RVO). Diese dem Versicherten eingeräumte Befugnis beinhaltet eine korrespondierende Behandlungsbefugnis des Arztes. Ein Nichtkassenarzt, der von dieser Befugnis Gebrauch macht - eventuell Gebrauch machen muß (§ 323c des Strafgesetzbuches -StGB-) -, hat dem Versicherten die nach dem Kassenarztrecht zu gewährenden Leistungen zu erbringen (§ 368e RVO) und kann deshalb auch eine entsprechende Honorierung aus der Gesamtvergütung verlangen. Für Krankenanstalten gilt nichts anderes.
Die Honorierung aus der Gesamtvergütung erfolgt nach dem satzungsrechtlichen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KÄV, sie ist aber auch abhängig von Regelungen des Bundesmantelvertrages (BMV) - vom einheitlichen Bewertungsmaßstab (§ 368g Abs 4 RVO) - und von gesamtvertraglichen Regelungen - über die Höhe der Gesamtvergütung (§ 368f Abs 2 RVO) -. Allerdings gelten diese Rechtsvorschriften nicht unmittelbar für den Nichtkassenarzt. Die satzungsrechtlichen Vorschriften, die die KÄV als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Erfüllung ihrer Aufgaben beschließt (§ 368k Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 368n Abs 1 und Abs 4 RVO), sind verbindlich für ihre Mitglieder. Die normativen Vorschriften der Verträge sind verbindlich für die zugelassenen, beteiligten und ermächtigten Ärzte (§ 368a Abs 4 Halbsatz 2, § 368a Abs 8 Satz 3 und § 368m Abs 2 RVO, § 18 BMV). Das Satzungs- und Vertragsrecht spricht also die Nichtkassenärzte, soweit sie keine freiwilligen Mitglieder der KÄV sind, nicht direkt an. Dennoch beeinflußt dieses Recht auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem in einem Notfall kassenärztlich tätigen Nichtkassenarzt und der KÄV. Mit der Übernahme der Behandlung eines Versicherten wird der Nichtkassenarzt in einem gesetzlichen Leistungssystem tätig, das durch vertragliche und autonome Regelungen näher ausgestaltet ist. Die gesetzliche Ermächtigung, in einem Notfall kassenärztlich tätig zu werden, enthält die Maßgabe, die Tätigkeit im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems auszuüben. Der Arzt, der von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, ist daher gehalten, die das gesetzliche Leistungssystem ausfüllenden normativen Regelungen der Verträge und des Satzungsrechts zu beachten. Da jedoch diese Regelungen für ihn nicht unmittelbar gelten, kann ihre Beachtung von ihm nur verlangt werden, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müßten.
Diesem Ergebnis stehen die von der Klägerin für anwendbar gehaltenen allgemeinen Rechtsgrundsätze der im Zivilrecht gesetzlich geregelten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen. Abgesehen davon, daß eine Geschäftsführung ohne Auftrag nur vorliegt, wenn der Geschäftsführer ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung handelt (Palandt, aaO § 677 Anm 4), für die kassenärztliche Notfallversorgung aber, wie oben dargelegt, dem § 368d Abs 1 Satz 2 RVO eine Behandlungsbefugnis des Nichtkassenarztes zu entnehmen ist, hat der auftragslose Geschäftsführer das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert (§ 677 BGB). Bei der Übernahme einer an sich dem Kassenarzt vorbehaltenen ärztlichen Behandlung erstreckt sich die "Führung des Geschäfts" auch auf die ordnungsgemäße Abrechnung, auf die die KÄV zur Erfüllung ihrer Aufgaben (Abrechnung mit den Krankenkassen, Verteilung der Gesamtvergütung) angewiesen ist.
Welche Regelungen des Kassenarztrechts der im Notfall kassenärztlich tätige Nichtkassenarzt gegen sich gelten lassen muß, wird, da es bei ihm auf das Kennen oder Kennenmüssen der Vorschriften ankommt, vor allem von der Art der jeweiligen Vorschrift (zB allgemein übliche Regelung oder Sonderregelung einer KÄV) und von Umständen des Einzelfalles abhängen (zB regelmäßige Notfallbehandlung durch den Arzt bzw das Krankenhaus oder nur ausnahmsweise). Für die Höhe des Honorars ist von Bedeutung, daß die vertraglichen Regelungen über die Gesamtvergütung die der KÄV für die Honorierung der ärztlichen Leistungen zur Verfügung stehenden Finanzmittel begrenzen. Daraus ergibt sich, daß, obwohl der HVM (die HVG der Beklagten) nur für die Kassenärzte gilt (§ 368f Abs 1 Sätze 2 bis 5 RVO), die Honorierung der vom Nichtkassenarzt erbrachten Leistungen sich im Rahmen der kassenärztlichen Vergütung zu halten hat. Für Notfallbehandlungen in einem Krankenhaus hat sich der Senat in einer Entscheidung über die Höhe der Vergütung (SozR 2200 § 368n Nr 23) ua an der gesetzlichen Regelung über die Vergütung der von poliklinischen Einrichtungen erbrachten Leistungen orientiert (§ 368n Abs 3 RVO).
Gesamtvertragliche und satzungsrechtliche Vorschriften, die das Abrechnungsverfahren einer KÄV betreffen, können einem Arzt, der nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt und nur vereinzelt Notfallbehandlungen an Versicherten durchführt, nicht ohne weiteres entgegengehalten werden. Daß ein solcher Arzt über das Abrechnungsverfahren der KÄV, mit der er sonst keine Beziehungen unterhält, hinreichend genau informiert ist oder sein müßte, kann jedenfalls nicht generell unterstellt werden. Anders verhält es sich, wenn ein Krankenhaus, wie im vorliegenden Fall das Krankenhaus der Klägerin, regelmäßig und in erheblichem Umfang Notfallbehandlungen für eine bestimmte KÄV durchführt und in der üblichen Weise abrechnet. Hier kann gefordert werden, daß das Krankenhaus das Abrechnungsverfahren der KÄV, insbesondere die Abrechnungsfristen einhält. Ein solches Krankenhaus muß wissen, daß die Entrichtung und Verteilung der Gesamtvergütung quartalsbezogen vorgenommen wird, die KÄV in ihrem Abrechnungsverkehr mit den Krankenkassen auf eine pünktliche Vorlage der Abrechnungsunterlagen der Ärzte angewiesen ist und auch die Ärzte von der KÄV eine zeitgerechte Verteilung der Gesamtvergütung verlangen können. Das Krankenhaus muß ferner damit rechnen, daß bei Nichteinhaltung der Fristen die Honoraransprüche verwirken; denn wenn die KÄV von den Krankenkassen für die zu spät abgerechneten Leistungen keine Vergütung mehr erhält, kann sie für diese Leistungen auch keine Vergütung weitergeben. Müßte sie trotzdem die Leistungen dem säumigen Krankenhaus vergüten, wären die Vergütungen der anderen Leistungserbringer, vor allem also der Kassenärzte, entsprechend zu kürzen. Die Folgen der verspäteten Abrechnung hätten dann die Ärzte zu tragen, die selbst fristgerecht abgerechnet haben.
Die Beklagte beruft sich daher der Klägerin gegenüber zu Recht auf die in ihrem Abrechnungsverkehr mit den Ärzten und den Krankenkassen geltenden Fristen. Die Klägerin kann nicht mit ihrem Einwand durchdringen, ihr seien die Fristen nicht bekannt gewesen. Da in ihrem Krankenhaus ständig und in erheblichem Umfange Versicherte in Notfällen kassenärztlich behandelt werden (in den beiden streitbefangenen Abrechnungsquartalen waren es für die gesetzlichen Krankenkassen 344 und für die Ersatzkassen 100 Behandlungsfälle), ergibt sich aus der Verpflichtung, die übernommene Aufgabe im Rahmen des geltenden Rechts durchzuführen, die Notwendigkeit, sich Kenntnis von den Abrechnungsbestimmungen zu verschaffen. Die Klägerin hat die streitigen Abrechnungen, die die Quartale I und II/1977 betreffen, erst nach Ablauf der Verwirkungsfristen, und zwar am 29. September 1978 eingereicht. Wie das LSG festgestellt hat, sind gemäß § 8 LZ 804 HVG (HVM der Beklagten) Honorarforderungen verwirkt, wenn die Abrechnungsunterlagen nicht innerhalb von 12 Monaten nach den vorgeschriebenen Einreichungsterminen vorgelegt werden; in der hier fraglichen Zeit mußten die Abrechnungen für die gesetzlichen Krankenkassen bis zum 15. nach Beendigung des Quartals (hier also am 15. April und 15. Juli 1977) eingereicht werden. Bei dieser Regelung handelt es sich um nichtrevisibles Recht, ihre Auslegung durch das LSG entzieht sich daher der Überprüfung durch den Senat (§ 163 SGG, § 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung).
Für den Ersatzkassenbereich gelten im wesentlichen die gleichen Regelungen und so sind die gleichen Konsequenzen zu ziehen. Zwar erfolgt hier die Honorierung der ärztlichen Leistungen nicht über die Verteilung einer Gesamtvergütung, sondern nach Maßgabe der für die Ersatzkassenpraxis geltenden Gebührenordnung (§ 9 LZ 83 des Arzt-Ersatzkassenvertrages -EKV-). Die Vorschrift über die Notfallbehandlung (§ 4 LZ 32 EKV) entspricht aber der für den Bereich der gesetzlichen Krankenkassen geltenden Vorschrift (§ 368d Abs 1 Satz 2 RVO). Hinsichtlich des Abrechnungsverkehrs ist ua bestimmt, daß auf die verspätet eingereichten Abrechnungen die bei den KÄVen geltenden Ordnungsvorschriften angewendet werden und die Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen nach Ablauf eines Jahres, vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden sind, ausgeschlossen ist (§ 12 LZ 117 EKV).
Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, sondern es wird durch dieses noch zusätzlich gerechtfertigt, unter den gegebenen Umständen die für die kassen- und vertragsärztliche Versorgung geltenden Abrechnungs- und Verwirkungsvorschriften auch auf die Klägerin anzuwenden. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch für die Sozialversicherung anerkannt. Als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung setzt die Verwirkung voraus, daß der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 mwN; BSGE 50, 227, 230 = SozR 5070 § 10 Nr 14; BSG vom 16. April 1985 -12 RK 69/82- SozR 2200 § 520 RVO Nr 3 S 7). Der Zeitablauf allein genügt also nicht, vielmehr muß hinzukommen, daß der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerfGE 32, 305, 308). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die oben dargelegten Besonderheiten des kassen- und vertragsärztlichen Versorgungssystems rechtfertigen es, die Abrechnungs- und Verwirkungsfristen kurz zu bemessen. Wer, wie das Krankenhaus der Klägerin, wenn auch nur in Notfällen, so doch regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wird vernünftigerweise die in diesem Versorgungssystem geltenden Abrechnungsfristen beachten. Hält er den Abrechnungstermin nicht ein und läßt er auch noch die daran anschließende Jahresfrist verstreichen, bleibt der KÄV gar keine andere Möglichkeit, als sich darauf einzurichten, daß Vergütungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Folgerung ist für sie zwingend, weil sie ihrerseits die Krankenkassen insoweit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
Da der Anspruch auf Vergütung der kassen- und vertragsärztlichen Leistungen seine Rechtsgrundlage im Kassenarztrecht und Ersatzkassenrecht hat, ist auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht zurückzugreifen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob er für Rechtsverhältnisse vorliegender Art überhaupt in Betracht kommt. Es ist auch nicht zu entscheiden, ob die Vorschriften des SGB X über die Zusammenarbeit der Leistungsträger mit Dritten (§§ 97 ff) auf Leistungserbringer im Rahmen der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung Anwendung finden, denn diese Vorschriften haben in der hier fraglichen Zeit noch nicht gegolten; sie sind, von einigen Ausnahmen abgesehen, erst am 1. Juli 1983 in Kraft getreten (Art 2 § 25 SGB X - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 -BGBl I 1450-). Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren geltend macht, die verspätete Abrechnung sei auf einen von der Beklagten ab 1977 plötzlich und einseitig festgelegten aufwendigen Abrechnungsmodus zurückzuführen, handelt es sich um ein neues Tatsachenvorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden darf. Abgesehen davon läßt es sich nicht mit ihrem Vorbringen in den vorangegangenen Verfahrensabschnitten vereinbaren. Ferner räumt die Klägerin damit ein, daß sie den von der Beklagten festgelegten Abrechnungsmodus einhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen