Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Die Revisionsbegründungsfrist beginnt nach SGG § 164 Abs 1 S 1 erst mit dem Ablauf der Revisionsfrist von einem Monat.
2. Ist eine bei einem OVG anhängige Streitsache nach SGG § 215 Abs 8 auf das LSG übergegangen, so hat dieses nicht nachzuprüfen, ob die Anrufung des VG im Hinblick auf den Zeitpunkt der Errichtung der allgemeinen VG statthaft war.
3. Eine unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Invalidität (RVO § 1254) liegt auch dann vor, wenn das Berufungsgericht den Kreis der für den versicherten in Betracht kommenden zumutbaren Arbeiten zu eng begrenzt hat.
4. Bei der Beurteilung der für Schwerbeschädigte noch in Betracht kommenden Tätigkeiten (RVO § 1254) ist die durch das Schwerbeschädigtengesetz begründete bevorzugte Stellung der Schwerbeschädigten bei Einstellung und Beschäftigung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
Leitsatz (redaktionell)
ZPO § 554 Abs 2 S 2 kann auch nicht auf Grund des SGG § 202 entsprechend angewendet werden.
Normenkette
RVO § 1254 Fassung: 1949-06-17; SGG § 215 Abs. 8 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03; SchwbG; ZPO § 554 Abs. 2 S. 2; SGG § 202 Fassung: 1953-09-03
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 2. Juli 1954 aufgehoben, soweit es die Beklagte für verpflichtet erklärt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1953 einen neuen Rentenbescheid mit der Feststellung des Bestehens von Invalidität zu erteilen. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Schleswig zurückverwiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der im Jahre 1910 geborene Kläger ist von Beruf Landwirt. Nach einer Granatsplitterverletzung, die er im Oktober 1943 als Soldat erlitt, mußte ihm der linke Arm im Oberarm amputiert werden. Wegen dieses Körperschadens erhält er eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v.H.. Seit Mai 1944 bezog der Kläger von der beklagten Landesversicherungsanstalt eine Invalidenrente, die ihm auf Grund eines Gutachtens des chirurgischen Sachverständigen Dr. ... durch Bescheid vom 24. April 1948 mit Wirkung vom 1. Mai 1948 entzogen wurde. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger rechtzeitig Berufung beim Oberversicherungsamt (O.V.A.) ... ein und machte geltend, daß er infolge des Verlustes des linken Arms nicht mehr in der Lage sei, in seinem Beruf als Landwirt das gesetzliche Lohndrittel zu verdienen. Das O.V.A. wies die Berufung des Klägers durch Urteil vom 13. Juli 1948 zurück. Die Ausfertigung des Urteils, das keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, wurde am 31. Juli 1948 zur Post gegeben. Am 8. Februar 1949 erklärte der Kläger in einer vor dem Bürgermeister der Gemeinde ... aufgenommenen Niederschrift, daß er gegen das Urteil des O.V.A. Revision einlege. Mit Schreiben vom 22. März 1949 wies das O.V.A. den Kläger darauf hin, daß es an einer Revisionsinstanz fehle, das Verfahren mußte daher ruhen, bis eine höhere Instanz gebildet sei. In einem weiteren Schreiben vom 3. Juli 1951 teilte das O.V.A. dem Kläger mit, durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (O.Verw.Ger.) in ... - insbesondere durch Urteil vom 25. April 1951 - II O.Verw.Ger. A 590/50 - sei nunmehr klargestellt worden, daß die Entscheidungen der Oberversicherungsämter in Sachen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung in allen Fällen mit der Berufung an das O.Verw.Ger. in ... anfechtbar seien; diese höchstrichterliche Entscheidung sei für die jetzige Rechtslage in Schleswig-Holstein und Niedersachsen endgültig; daraus - in Verbindung mit § 27 der Militärregierungsverordnung (MilRegVO) Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone - folge, daß die in der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgesehenen Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Oberversicherungsämter gegenwärtig nicht mehr gegeben seien. Der Kläger wurde aufgefordert, dem O.V.A. binnen eines Monats mitzuteilen, ob das von ihm eingelegte Rechtsmittel als Berufung an das O.Verw.Ger. in ... angesehen werden solle; diese Mitteilung gelte als Rechtsmittelbelehrung im Sinne des § 35 der MilRegVO Nr. 165, die in Ergänzung der angefochtenen Entscheidung erteilt werde. Der Kläger beantragte nunmehr innerhalb der ihm gesetzten Frist beim O.V.A. ... - ... die Überprüfung der Entscheidung vom 13. Juli 1948 und ihre Aufhebung durch das Oberverwaltungsgericht. Mit Verfügung vom 16. August 1951 wies das O.V.A. den Kläger darauf hin, daß das O.Verw.Ger. ... die Vorgänge an das O.V.A. zurückgesandt und hierbei die Rechtsauffassung vertreten habe, daß eine Berufung gegen Urteile der Oberversicherungsämter, die vor dem 1. April 1949 zugestellt seien, nicht zulässig sei. Der Kläger wurde um Mitteilung ersucht, ob er seinen Antrag auf Entscheidung durch das O.Verw.Ger. trotzdem aufrechterhalte; wenn er dies verneine oder keine Erklärung abgebe, so werde das Rechtsmittelverfahren weiterhin als ruhend angesehen; nach Errichtung des künftigen Bundessozialgerichts würden die Vorgänge alsdann an dieses Gericht zur Entscheidung über die von ihm nach den Bestimmungen der RVO eingelegte Revision abgegeben werden. Mit Schreiben vom 15. Juli 1952 fragte der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers beim O.Verw.Ger. ... nach dem Stand des Verfahrens an und brachte hierbei zum Ausdruck, daß nach den neueren Vorschriften Invalidenrente bereits bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mehr als die Hälfte vorliege. Das O.Verw.Ger. ... eröffnete dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers daraufhin durch Verfügung vom 13. November 1952, daß nach der grundsätzlichen Entscheidung des IV. Senats des O.Verw.Ger. vom 16. Oktober 1951 - IV O.Verw.Ger. A 337/51 -, an der in ständiger Rechtsprechung festgehalten werde, Urteile der Oberversicherungsämter in den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die vor dem 1. April 1949 - dem Tage der Errichtung des O.Verw.Ger. - ergangen seien, mit der (weiteren) Berufung nicht angefochten werden könnten, so daß die Berufung gegen das Urteil des O.V.A. ... vom 13. Juli 1948 nicht zulässig wäre.
Der Kläger wurde aufgefordert, binnen zwei Wochen zu erklären, ob er zur Kostenersparnis die (weitere) Berufung an das O.Verw.Ger. zurücknehme. Ihm wurde ferner mitgeteilt, daß das von ihm ursprünglich beantragte Revisionsverfahren vor einem künftigen Landes- oder Bundessozialgericht davon unberührt bleibe, sofern er nicht gleichzeitig auch die Revision zurücknehme; über die Frage, ob trotz der Stilllegung des Reichsversicherungsamts (R.V.A.) das in der RVO vorgesehene Rechtsmittel der Revision noch zugelassen sei, könne nur der Gesetzgeber oder das künftige Bundessozialgericht entscheiden. Der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers teilte daraufhin dem O.Verw.Ger. mit, daß der Kläger entweder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das O.Verw.Ger. begehre.
Nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wurde die Sache - ohne daß das O.Verw.Ger. eine Entscheidung gefällt hatte - an das Landessozialgericht (L.S.Ger.) Schleswig abgegeben. Dieses erklärte nach Anhörung des ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. ... durch Urteil vom 2. Juli 1954 die Beklagte für verpflichtet, "dem Kläger einen neuen Rentenbescheid zu erteilen mit der Maßgabe, daß er seit dem 1. Januar 1953 invalide ist." Insoweit hob es den Bescheid der Beklagten vom 24. April 1948 und das Urteil des O.V.A. Schleswig vom 13. Juli 1948 auf. Im übrigen wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung führte das Landessozialgericht aus, die Berufung sei nach § 215 Abs. 8 in Verbindung mit § 146 SGG statthaft und zulässig. In sachlicher Hinsicht ging das L.S.Ger., auf dessen Urteil im übrigen Bezug genommen wird, im wesentlichen von folgenden Feststellungen und Erwägungen aus:
Der Kläger sei bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst im Jahre 1942 als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig gewesen, allenfalls als gehobener landwirtschaftlicher Arbeiter (Wirtschafter). Bis zu diesem Zeitpunkt habe er auch nur Beiträge zur Invalidenversicherung geleistet, auf Grund derer er nach seiner schweren Kriegsverletzung bisher die Rente bezogen habe. Der Kläger bewirtschafte zur Zeit einen etwa 75 ha großen Hof mit mehreren Hilfskräften. Er sei nach dem Urteil des medizinischen Sachverständigen in seiner Erwerbsfähigkeit ausschließlich durch den Verlust seines linken Armes eingeschränkt; im übrigen befinde er sich im guten Kräfte- und Ernährungszustand. Die Voraussetzungen zur Rentenentziehung hätten im Jahre 1947 vorgelegen; die selbst heute noch nachweisbare erhebliche Schwielenbildung in der rechten Handinnenfläche lasse eindeutig erkennen, daß der Kläger bisher in einem immerhin nicht unerheblichen Umfange körperliche Arbeiten verrichtet habe, so daß er damals wie jetzt wieder in der Lage sei, ein Drittel des ortsüblichen Lohnes zu verdienen, den ein Landarbeiter zu erzielen pflege. Seine Tätigkeit erstrecke sich heute im wesentlichen nur darauf, den landwirtschaftlichen Betrieb der nach dem Tode des ersten Ehemannes seiner jetzigen Frau auf einen bisher noch nicht herangewachsenen Hoferben übergegangen sei, zu leiten. Nur diesem Umstand habe er es zu verdanken, daß er mit ihm unterstehenden Hilfskräften ein angemessenes Einkommen erzielen könne, ohne vorwiegend körperliche Arbeiten zu leisten, zu denen er im Hinblick auf seinen Armverlust kaum noch in der Lage sei. Es sei zu erwarten, daß der Kläger sich im Laufe der Zeit auch ohne theoretische Vorbildung durch die Praxis in der Landwirtschaft Kenntnisse angeeignet habe, die es ihm jetzt ermöglichten, unter den bei ihm gegebenen familienhaften Verhältnissen als selbständiger Landwirt tätig zu sein. Hierauf komme es aber nicht entscheidend an, da er auf diesen Beruf, den er nur unter besonders günstigen Voraussetzungen zur Zeit ausübe, nicht verwiesen werden könne. Auf eine entsprechende Tätigkeit in abhängiger versicherungspflichtiger Stellung, also etwa als landwirtschaftlicher Inspektor, könne er nicht verwiesen werden, weil ihm die dazu in der heutigen Zeit als unerläßlich anzusehende Vorbildung fehle. Der Kläger habe nicht einmal eine landwirtschaftliche Winterschule besucht. Die dem Kläger verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermögliche es ihm jedoch nicht, die jetzt maßgebende Lohnhälfte zu verdienen. Selbst wenn der höchste Grad der Anpassung erreicht sei, überschreite der oberarmamputierte Versicherte beträchtlich die Grenze der Invalidität nach neuem Recht. Nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen werde von dieser Regel abgewichen und festgestellt werden können, daß ein solcher Versicherter fähig sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Hälfte des vergleichbaren Lohnes eines körperlich und geistig Gesunden zu verdienen. Nach der Aufhebung der Vorschrift des § 21 Abs. 4 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) durch § 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SVAG vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 846) sei der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Invalidenrente vom 1. Januar 1953 an gerechtfertigt, weil von diesem Zeitpunkt an der neue Invaliditätsbegriff auf ihn anzuwenden sei. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das Landessozialgericht die Revision zugelassen.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 14. September 1954 zugestellt wurde, hat die beklagte Landesversicherungsanstalt mit einem am 25. September 1954 beim Bundessozialgericht eingegangenen Schreiben Revision eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des L. S. Ger. ... vom 2. Juli 1954 und des O.V.A. ... vom 13. Juli 1948 die Klage abzuweisen. In der am 3. November 1954 eingegangenen Revisionsbegründung hat die Beklagte geltend gemacht, das L.S.Ger. habe die Vorschrift des § 1254 RVO unrichtig angewendet. Das Berufungsgericht habe sich mit der dem Kläger verbliebenen Einsatzfähigkeit zumindest nicht erschöpfend auseinandergesetzt. Auch die Feststellung des Berufungsgerichts über den vor Eintritt der Invalidität ausgeübten Beruf sei nicht eindeutig. Zwischen der Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Arbeiters und eines Wirtschafters bestehe im Hinblick auf die Art der auszuführenden Arbeiten ein wesentlicher Unterschied. Während der landwirtschaftliche Arbeiter ausgesprochene Handarbeiten zu verrichten habe, übe der Wirtschafter im wesentlichen eine leitende Tätigkeit aus, er habe u.a. die Bücher zu führen und die Arbeit einzuteilen, jedenfalls Tätigkeiten auszuführen, die nach einer Zeit der Anpassung und Gewöhnung auch ein linksseitig Armamputierter verrichten könne. Dem Kläger sei es im Laufe der Jahre gelungen, die körperliche Beeinträchtigung durch Fortbildung von Erfahrungen und Kenntnissen auf dem Gebiet der Leitung, Planung und Aufsichtsführung weitgehend auszugleichen und so wirtschaftlich erhebliche und wertvolle Arbeiten zu leisten.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Er macht geltend, der Kläger sei immer auf die Arbeit beider Hände angewiesen gewesen, er habe als landwirtschaftlicher Gehilfe stets in bäuerlichen Betrieben gearbeitet und sei niemals in einer gehobenen landwirtschaftlichen Stellung tätig gewesen. Nachdem er die Witwe eines Hofbesitzers geheiratet hätte, arbeite er auf deren Hof als abhängiger Wirtschafter der Erbengemeinschaft. Ohne diese Heirat hätte er schon lange seine Stellung eingebüßt. Im übrigen leide er seit mehreren Jahren noch an einer rezidivierenden asthmoiden Bronchitis und an einer Kranzgefäßstörung des Herzens.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 1. November 1954, 18. Januar und 17. Februar 1955 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist statthaft, weil sie das Landessozialgericht, auf das die Sache nach § 215 Abs. 8 SGG übergegangen war, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Die Revision ist auch rechtzeitig eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Nach § 164 Abs. 1 SGG ist die Revision binnen eines Monats nach Zustellung schriftlich beim Bundessozialgericht einzulegen und "binnen eines weiteren Monats" zu begründen. Schon der Wortlaut dieser Vorschrift spricht dafür, daß sich an die für die Einlegung der Revision bestimmte Frist von einem Monat ein weiterer Monat anschließt, dessen Ablauf erst das Ende der Revisionsbegründungsfrist bestimmt. Es sollen also dem Revisionskläger vom Zeitpunkt der wirksamen Zustellung des mit der Revision angefochtenen Urteils insgesamt zwei Monate zur Verfügung stehen, bis zu deren Ablauf die Revisionsbegründung dem Revisionsgericht zugehen muß. Der im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Peters-Sautte-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 zu § 164 SGG), daß die Revisionsbegründungsfrist mit der Einlegung der Revision zu laufen beginne, vermag sich der Senat jedenfalls in den Fällen, in denen die Revisionsfrist einen Monat beträgt, nicht anzuschließen. Ob eine andere Beurteilung der Rechtslage stattzufinden hat, wenn die Revisionsfrist etwa infolge unrichtiger Rechtsmittelbelehrung mehr als einen Monat dauert (§ 66 Abs. 2 SGG), kann hier dahingestellt bleiben. Es müssen jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut des § 164 Abs. 1 SGG Revisionsfrist und Revisionsbegründungsfrist zusammen mindestens zwei Monate betragen. Demgegenüber greift der Hinweis auf die Vorschrift des § 554 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht durch, weil dort im 2. Halbsatz ausdrücklich bestimmt ist, daß die Frist für die Revisionsbegründung mit der Einlegung der Revision beginnt. § 164 Abs. 1 SGG spricht dagegen von einem "weiteren Monat", innerhalb dessen die Revision zu begründen ist. Der Begriff "weiterer Monat" setzt aber voraus, daß diesem Monat ein anderer Monat vorausgegangen ist, nämlich der für die Einlegung der Revision zur Verfügung stehende Monat. Würde die Frist für die Revisionsbegründung bereits mit der Einlegung der Revision beginnen, so würde der Revisionsbegründungsfrist in der Mehrzahl der Fälle kein voller Monat vorangegangen sein. Die Vorschrift des § 554 Abs. 1 Satz 2 ZPO kann auch nicht auf Grund von § 202 SGG entsprechend angewendet werden, weil § 164 SGG die Einlegung und Begründung der Revision erschöpfend regelt. Es muß also davon ausgegangen werden, daß jedenfalls in den Regelfällen, in denen die Revisionsfrist einen Monat beträgt, die Frist für die Revisionsbegründung nicht vom Zeitpunkt der Einlegung der Revision abhängt, sondern daß sie erst mit dem Ablauf der Revisionsfrist von einem Monat beginnt. Zu dem gleichen Ergebnis ist auch das Bundesverwaltungsgericht bei der Auslegung der inhaltlich gleichartigen Vorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes gelangt (vgl. N.J.W. 1955, Seite 567). Diese Regelung hat auch den Vorteil, daß der Revisionskläger schon am Tage der Zustellung des Urteils den Zeitpunkt des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist genau berechnen kann, während er im anderen Fall eine solche Berechnung erst dann mit Sicherheit vornehmen könnte, wenn ihm das Revisionsgericht den Zeitpunkt des Eingangs der Revisionsschrift mitgeteilt hat.
Ist demnach im vorliegenden Rechtsstreit die Revision rechtzeitig eingelegt und begründet, so hatte der Senat weiter von Amts wegen zu prüfen, ob das Landessozialgericht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zu einer sachlichen Nachprüfung des Urteils des O.V.A. befugt war; denn es erscheint nicht ausgeschlossen, daß - entsprechend der von mehreren Verwaltungsgerichten vertretenen Auffassung - das schon vor Errichtung der allgemeinen Verwaltungsgerichte ergangene Urteil des O.V.A. jedenfalls im Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten nicht hätte angefochten werden können. Es fragt sich daher, ob in einem nach § 215 Abs. 8 SGG auf das Landessozialgericht übergegangenen Verfahren die sachliche Nachprüfung eines solchen Urteils auch dann stattfinden konnte, wenn zu der Zeit, als das Urteil des O.V.A. erging, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten noch nicht gegeben war.
Die RVO sah in Sachen der Invalidenversicherung gegen die Urteile der Oberversicherungsämter das Rechtsmittel der Revision vor (§ 1694 RVO), über die das Reichsversicherungsamt zu entscheiden hatte. Dieses war mit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 außer Funktion getreten. Damit entfiel die Möglichkeit, die Entscheidungen der Oberversicherungsämter richterlich zu überprüfen. Nur das Land Bayern und das frühere Land Württemberg-Baden errichteten Landesversicherungsämter, welche die Spruchtätigkeit des früherer Reichsversicherungsamts übernahmen (Gesetz Nr. 56 über die Errichtung eines Bayer. Landesversicherungsamts vom 2. September 1946, Bayer. GVOBl. 1947, Seite 11 und Gesetz Nr. 714 über Zuständigkeiten und Verfahren in der Sozialversicherung vom 26. Januar 1948, Reg.Bl. der Regierung Württemberg-Baden, Seite 40). In der britischen Zone vertrat das Zentralamt für Arbeit den Standpunkt, daß die in der RVO vorgesehenen Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Oberversicherungsämter eingelegt werden könnten und zur Wahrung der Frist eingelegt werden müßten, daß das Verfahren jedoch vorläufig ruhe, weil es praktisch nicht durchführbar sei (vgl. Erlaß vom 15. August 1947, Arbeitsblatt für die britische Zone, Seite 306). In vielen Fällen wurde Revision oder Rekurs eingelegt, dagegen nahmen andere Beteiligte davon Abstand, weil keine Aussicht auf baldige Entscheidung bestand. Das Land Bremen schrieb schließlich durch Landesgesetz vor, daß die Entscheidungen der Oberversicherungsämter endgültig sind (vgl. Bundestagsdrucksache, 1. Wahlperiode, Nr. 4357, Begründung zu § 153 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung). Unter Berücksichtigung dieser uneinheitlichen und unsicheren Rechtslage der Jahre nach 1945 sind die Übergangsvorschriften der §§ 214 ff SGG auszulegen.
Das Sozialgerichtsgesetz regelt die Fälle, in denen bis zu seinem Inkrafttreten ein abschließendes Urteil eines O.V.A. oder eines Versorgungsgerichts ergangen war, in § 214 dahin, daß es in beschränktem Umfang die Möglichkeit einer Anfechtung beim Landessozialgericht eröffnet, das alsdann endgültig entscheidet, sofern es nicht die Sache an das Sozialgericht zurückverweist (§ 214 Abs. 5 SGG).
Von den in § 214 SGG behandelten sogenannten Altfällen sind die Übergangsfälle zu unterscheiden, die in § 215 SGG geregelt sind. Während Abs. 1 dieser Vorschrift den Übergang von Sachen betrifft, die beim Inkrafttreten des SGG noch nicht bei einem Gericht anhängig waren, schreibt Abs. 2 den Übergang der beim Inkrafttreten des Gesetzes bei den Versicherungsämtern, Oberversicherungsämtern und den Versorgungsgerichten rechtshängigen Sachen auf das zuständige Sozialgericht und Abs. 3 den Übergang der bei den Landesversicherungsämtern Bayern und Württemberg-Baden rechtshängigen Sachen auf das zuständige Landessozialgericht vor. Der Übergang der beim Inkrafttreten des SGG in Angelegenheiten des § 51 bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängigen Sachen auf die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist in § 215 Abs. 6 bis 9 besonders geregelt. Wie in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt ist (vgl. Bundestagsdrucksache Nr. 4357, Begründung zu § 154 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung), tragen diese Vorschriften dem Umstand Rechnung, daß die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit teilweise die Oberversicherungsämter und Versorgungsgerichte als besondere Verwaltungsgerichte anerkannt haben, teilweise aber diesen Stellen den Charakter von Verwaltungsbehörden zuerkannten (vgl. Sammlung der Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg, Bd. 4, Seite 11 - O.Verw.Ger. Münster -; Bd. 5, Seite 266, 276, 277, 359 - O.Verw.Ger. Lüneburg).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um keinen Rechtsstreit, in dem das Landessozialgericht nach § 214 SGG zu einer Entscheidung berufen war. Der Kläger hatte zwar zunächst - und zwar nach Ablauf der in der Reichsversicherungsordnung vorgesehenen Rechtsmittelfrist - gegen das Urteil des O.V.A. vom 13. Juli 1948 Revision eingelegt, über die jedoch mangels einer hierfür vorgesehenen Instanz nicht entschieden werden konnte. Der Rechtsstreit ist aber dann, nachdem der Kläger auf Grund der ihm vom O.V.A. mit Schreiben vom 3. Juli 1951 erteilten Belehrung erklärt hatte, daß er eine Überprüfung durch das O.Verw.Ger. ... begehre, an dieses Gericht abgegeben und dort rechtshängig geworden. Die Sache war auch beim Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes noch beim O.Verw.Ger. Lüneburg rechtshängig, weil der Kläger trotz der seinem Prozeßbevollmächtigten erteilten Belehrung vom 13. November 1952 die (weitere) Berufung nicht zurückgenommen, sondern mit Schreiben vom 10. März 1953 ausdrücklich eine Entscheidung des O.Verw.Ger. begehrt hat. Da das O.Verw.Ger. eine solche Entscheidung jedoch bis zum Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes nicht gefällt hatte, ist die Sache nach § 215 Abs. 8 auf das Landessozialgericht übergegangen, und zwar als Berufung. Das Landessozialgericht hat daher das Rechtsmittel des Klägers nicht als Revision im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 2 SGG behandeln können, sondern ist zutreffend als Berufungsgericht tätig geworden. Es hat die Berufung auch mit Recht als zulässig angesehen.
Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich in den Fällen des § 215 Abs. 7 und 8 SGG "nach diesem Gesetz", d.h. nach dem Sozialgerichtsgesetz. Unter den hiernach anzuwendenden Vorschriften können nur die allgemeinen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über die Berufung, nämlich die §§ 143 ff verstanden werden, nicht dagegen die für "Altfälle" geltenden besonderen Vorschriften des § 214 SGG über die beschränkt zulässige Einlegung von Rechtsmitteln. Eine Prüfung der Übergangsfälle des § 215 SGG unter Mitberücksichtigung der für "Altfälle" geltenden einschränkenden Vorschriften des § 214 SGG würden dem Sinn der gesetzlichen Regelung widersprechen. §§ 214 und 215 SGG ordnen unterschiedliche Gruppen von Fällen nach verschiedenen Gesichtspunkten; mit dieser unterschiedlichen Ordnung der beiden Gruppen wäre es nicht vereinbar, "rechtshängige Sachen" i.S. des § 215 hinsichtlich der Zulässigkeit eines Rechtsmittels in Fällen der vorliegenden Art nach den ganz anderen Grundsätzen des § 214 zu behandeln. War in diesen Fällen ein Rechtsmittel eingelegt und die Sache z.Zt. des Inkrafttretens des SGG bei einem der in §§ 215 Abs. 2, 3 und 6 bis 9 genannten Gerichte rechtshängig, so ist diese Rechtshängigkeit für das weitere Verfahren bestimmend; dieses richtet sich somit allein nach § 215 SGG, nicht aber nach § 214 SGG. In den Übergangsfällen des § 215 Abs. 7 und 8 erscheint im übrigen bei Streitigkeiten aus der Rentenversicherung die Vorschrift des § 214 schon allein deshalb nicht anwendbar, weil das Landessozialgericht hier als Revisionsgericht nach den früheren §§ 1696, 1697 Nr. 1 der RVO entscheiden müßte, während es nach Übergang einer Sache, die bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängig war, als Berufungsgericht zu entscheiden hat. Da im vorliegenden Fall die Berufung nach den allgemeinen Vorschriften des SGG über die Berufung zulässig ist (vgl. §§ 143, 146), hat sie das Landessozialgericht somit zu Recht als zulässig angesehen.
Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, daß die MilRegVO Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone erst am 15. September 1948, also nach der Verkündung und Zustellung des Urteils des Oberversicherungsamts vom 13. Juli 1948, in Kraft getreten (§ 120 a.a.O.) und das O.Verw.Ger. ... erst am 1. April 1949 errichtet worden ist. Wenn das Sozialgerichtsgesetz vorschreibt, daß die bei seinem Inkrafttreten in Angelegenheiten des § 51 SGG bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängigen Sachen auf die Landessozialgerichte "als Berufung" übergehen - dies ist in § 215 Abs. 7 SGG ausdrücklich hervorgehoben, gilt aber auch in den Fällen des Abs. 8, wie dem 2. Halbsatz zu entnehmen ist -, so sollte damit nach Auffassung des Senats klargestellt werden, daß alle diese nunmehr zur Zuständigkeit der Sozialgerichte gehörenden Streitigkeiten ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit des Verfahrens vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten im Sinne einer vereinfachenden Regelung als Berufungsverfahren i.S. des Sozialgerichtsgesetzes anzusehen sind. Die Landessozialgerichte sind also der Prüfung enthoben, ob die Anrufung des Verwaltungsgerichts nach den besonderen Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrens überhaupt zulässig war. Wegen der von einander abweichenden Beurteilung des rechtlichen Charakters der Tätigkeit der Oberversicherungsämter durch die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und im Hinblick darauf, daß diese innerhalb des Bundesgebiets nach dem Zusammenbruch ihre Tätigkeit auch zu ganz verschiedenen Zeitpunkten aufnahmen, soll es im Interesse einer einheitlichen Behandlung aller Sachen, die Angelegenheiten des § 51 SGG betreffen, und die bei Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit noch anhängig waren, für deren Weiterführung vor den Sozialgerichten nicht darauf ankommen, ob der Rechtsweg zur allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit überhaupt gegeben war. Die Statthaftigkeit des Verfahrens vor dem Landessozialgericht richtet sich in den Übergangsfällen des § 215 Abs. 7 und 8 vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes. Deshalb hat das Landessozialgericht mit Recht nicht nachgeprüft, ob im vorliegenden Fall der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf den Zeitpunkt der Errichtung der allgemeinen Verwaltungsgerichte statthaft war. - Die Anwendung der Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens braucht allerdings nicht auszuschließen, daß im übrigen im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht die Rechtsmäßigkeit von Prozeßhandlungen, die im vorhergehenden Verwaltungsgerichtsverfahren vorgenommen worden sind, etwa die rechtzeitige Einlegung der Berufung, nach den für diese Prozeßhandlungen maßgebenden Vorschriften des Verwaltungsprozesses nachgeprüft werden. Der vorliegende Fall bietet indessen keinen Anlaß, auf diese Frage einzugehen.
II. Da der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts keine Revision eingelegt hat, ist die Frage, ob ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt die Invalidenrente für die Zeit vom 1. Mai 1948 bis zum 31. Dezember 1952 zu Recht entzogen hat, nicht mehr im Streit befangen. Das Revisionsgericht hat daher in materiell-rechtlicher Hinsicht nur zu prüfen, ob das Landessozialgericht die Invalidität des Klägers vom 1. Januar 1953 an mit Recht bejaht hat. Hierbei ist von der Vorschrift des § 1254 RVO in der Fassung des § 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949 (WiGBl. Seite 99) auszugehen, die nach §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SVAG vom 4. August 1953 (BGBl. I Seite 846) mit Wirkung vom 1. Januar 1953 auch dann anzuwenden ist, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Juni 1949 eingetreten war. Hiernach gilt als invalide der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte nicht imstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufs zugemutet werden kann, die Hälfte dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. Bei Beurteilung der Invalidität des Klägers ist hiernach von wesentlicher Bedeutung, welche Tätigkeit er als Versicherter vor Verlust seines Armes ausgeübt hat, denn diese frühere berufliche Tätigkeit ist nicht nur maßgebend für die Ermittlung des vergleichbaren Arbeitseinkommens, sondern auch für die Beantwortung der Frage, welche Arbeiten ihm billigerweise noch zugemutet werden können. Die Feststellung des O.V.A., der Kläger sei vor seiner Einberufung zum Wehrdienst "als landwirtschaftlicher Arbeiter, allenfalls als gehobener landwirtschaftlicher Arbeiter (Wirtschafter)" tätig gewesen, ist nicht eindeutig, sie läßt besonders nicht klar ersehen, ob es sich um eine mehr aufsichtführende Tätigkeit oder - was wohl näher liegt - um eine Tätigkeit gehandelt hat, der die körperliche Arbeit das Gepräge gab.
Im Anschluß an die Rechtsprechung des R.V.A. (vergl. vor allem die Grundsätzliche Entscheidung Nr. 2647 vom 26. Mai 1921 - A.N. 21, S. 334 -) ist das L.S.Ger. zutreffend davon ausgegangen, daß auch bei schweren Kriegsverletzungen (z.B. Verlust oder dauernde Gebrauchsunfähigkeit eines Armes oder Beines) die Annahme einer Anpassung an diesen Körperschaden nicht grundsätzlich auszuschließen ist, daß es jedoch bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit einer besonders sorgfältigen Prüfung aller Umstände des einzelnen Falles bedarf und daß Verallgemeinerungen nicht zulässig sind. Dem L.S.Ger. ist auch darin beizutreten, daß die Verweisung eines Versicherten auf einen selbständigen Beruf grundsätzlich nicht in Betracht kommt, daß vielmehr zu prüfen ist, ob der Versicherte in der Lage ist, in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine Tätigkeit auszuüben, die ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines Berufs zugemutet werden kann, und ob er hierdurch die gesetzliche Lohnhälfte erwerben kann. Das wertvollste Mittel bei dieser Prüfung ist die tatsächliche Arbeitsleistung des Verletzten und der Nachweis eines Arbeitslohnes, der die Mindestverdienstgrenze übersteigt. Es genügt allerdings nicht, daß der Versicherte eine besonders günstige Gelegenheit gefunden hat, die ihm verbliebene geistige und körperliche Leistungsfähigkeit auszunutzen; maßgebend ist vielmehr allein der Umstand, ob er unter den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herrschenden Bedingungen noch eine ihm zumutbare Lohnarbeit mit entsprechendem Verdienst verrichten kann. Deshalb kann bei der Beurteilung der für einen Schwerbeschädigten nach § 1254 RVG noch in Betracht kommenden Tätigkeiten die durch das Schwerbeschädigtengesetz begründete bevorzugte Stellung des Schwerbeschädigten bei der Einstellung und bei der Beschäftigung grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die für die Schwerbeschädigten durch dieses Gesetz geschaffene besondere Rechtsstellung beruht im wesentlichen auf fürsorgerischen Erwägungen. Dem Schwerbeschädigtengesetz vom 16. Juni 1953 (BGBl. I S. 389) liegt - wie schon dem Schwerbeschädigtengesetz von 1920/23 - die Anschauung zugrunde, daß es Pflicht des Staates ist, Menschen, die im Dienst für die Allgemeinheit schwere gesundheitliche Schäden davongetragen haben, eine wirksame Hilfe in ihrem Lebenskampf zu gewähren (vergl. Ziff. 2 der Begründung zur Regierungsvorlage eines Schwerbeschädigtengesetzes - Bundestagsdrucksache, 1. Wahlperiode, Nr. 3430). Die Hilfe und der Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes kommen auch solchen Beschädigten zugute, die nach den Vorschriften der Rentenversicherungen invalide oder berufsunfähig sind, sofern sie nur überhaupt noch in der Lage sind, ein Mindestmaß an nutzbringender Arbeit zu leisten. Deshalb kann die Beschäftigung auf Grund des Schwerbeschädigtengesetzes für die Frage der Invalidität nicht von entscheidender Bedeutung sein, vielmehr ist in jedem Falle zu prüfen, ob der Schwerbeschädigte auch ohne die Hilfe und den Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes imstande wäre, eine ihm zuzumutende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten und mindestens die Hälfte des für ihn nach § 1254 RVO in Betracht kommenden Vergleichslohn zu verdienen.
Die Feststellung des Landessozialgerichts, daß der Kläger als Armamputierter nicht mehr imstande ist durch die Ausübung rein körperlicher Tätigkeiten als Landarbeiter die gesetzliche Lohnhälfte zu verdienen, ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß der Kläger keine landwirtschaftliche Schule besucht hat, durfte das Berufungsgericht auch ohne Rechtsverstoß annehmen, daß für den Kläger eine Verweisung auf den Beruf eines landwirtschaftlichen Inspektors nicht in Betracht kommt. Der Kläger hat aber, wie den Feststellungen des Berufungsgerichts zu entnehmen ist, durch die langjährige Bewirtschaftung eines etwa 75 ha großen landwirtschaftlichen Betriebes auch ohne theoretische Vorbildung Kenntnisse in der Landwirtschaft erworben, die es ihm ermöglichen, unter den gegebenen familienhaften Verhältnissen als selbständiger Landwirt tätig zu sein. Er kann zwar, wie dargelegt wurde, nicht auf den Beruf eines selbständigen Landwirts verwiesen werden. Das Berufungsgericht hat aber den Kreis der für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplätze zu eng begrenzt, wenn es allein seine Verwendung als landwirtschaftlicher Arbeiter oder als Inspektor in Betracht gezogen hat. Es gibt innerhalb der landwirtschaftlichen Berufe eine Reihe anderer Tätigkeiten, die hinsichtlich der in körperlicher und geistiger Beziehung zu stellenden Anforderungen zwischen dem Beruf des Landarbeiters und dem des landwirtschaftlichen Inspektors liegen. Es erscheint möglich und bedarf daher näherer Prüfung, ob solche Arbeiten auch von einem Armamputierten ausgeführt werden können, der jahrelang als Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebes tätig gewesen ist und sich hierdurch beachtliche Kenntnisse für die Bewirtschaftung eines solchen Betriebes angeeignet hat. Zwar scheiden für einen Armamputierten Berufe, die eine wesentliche körperliche Mitarbeit verlangen, von vornherein aus. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, daß der Kläger imstande ist, in der Landwirtschaft eine im wesentlichen aufsichtführende Tätigkeit auszuüben, z.B. als Vogt oder als Wirtschafter in einem größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Die Frage, ob in dem für den Kläger in Betracht kommenden Wirtschaftsgebiet Arbeitsplätze dieser oder ähnlicher Art vorhanden sind, und ob er mit der ihm verbliebenen Arbeitskraft eine solche Tätigkeit ausüben und hierdurch die sog. gesetzliche Lohnhälfte verdienen kann, hätte das Berufungsgericht, gegebenenfalls nach Anhörung geeigneter Sachverständiger aus dem Kreise der Landwirtschaft und im Benehmen mit den Arbeitsbehörden, prüfen müssen.
Da das Berufungsgericht den Kreis der für den Kläger in Betracht kommenden zumutbaren Tätigkeiten zu eng begrenzt und damit die Vorschriften über die Invalidität unrichtig angewandt hat, die Entscheidung aber eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich macht, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).
Fundstellen