Leitsatz (amtlich)
1. Zur Rechtsgültigkeit der Verordnung über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen (BeitragsnachentrichtungsV) vom 1930-10 -04.
2. Zur Rechtsgültigkeit der nachträglichen Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs der BeitragsnachentrichtungsV vom 1930-10-04 auf die Zeit vom 1923-10-01 bis zum 1927-03-31 durch die 2. Verordnung über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen vom 1932-02-05 (RGBl 1 1932, 64).
3.Zur konstitutiven Wirkung der Aufschubentscheidung nach BeitragsnachentrichtungsV § 11 in Verbindung mit AVG § 18 Abs 6 (Fassung: 1928-03-29) in den Fällen des BeitragsnachentrichtungsV § 12 Abs 3.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Nachversicherung eines "Anwärterdienstes" im hessischen Schuldienst in den Jahren 1922 bis 1925.
Normenkette
BeitrNachentrV § 8 Fassung: 1930-10-04, § 11 Fassung: 1930-10-04, § 12 Abs. 3 Fassung: 1932-02-05; AVG § 18 Abs. 6 Fassung: 1928-03-29
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die im Jahre 1899 geborene Klägerin hatte 1917 das Examen als Handarbeitslehrerin und 1918 die Prüfung als Hauswirtschaftslehrerin abgelegt. Anschließend trat sie in den hessischen Schuldienst ein. Nach einigen vorübergehenden Aushilfsbeschäftigungen wurde sie vom 1. Juni 1922 an in den Anwärterdienst übernommen. Ihre Personalakte ist noch vorhanden, läßt aber den Grund für die Nichtabführung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung (AnV) für ihre "Anwärtertätigkeit" nicht erkennen. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1925 wurde sie auf ihren Antrag wegen Heirat entlassen. Die beantragte Gewährung einer Abfindung wurde abgelehnt, weil nach den gesetzlichen Bestimmungen nur endgültig angestellte Lehrerinnen, die aufgrund des Art. 14 der Personalabbauverordnung vom 27. Oktober 1923 ausgeschieden sind oder ausscheiden, eine solche erhalten könnten. Auch unterblieb eine Nachversicherung. Der Grund hierfür ist ebenfalls aus der Personalakte nicht zu erkennen.
Seit 1945 war die Klägerin wiederum im hessischen Schuldienst tätig, und zwar als versicherungspflichtige Angestellte. Die erforderlichen Beiträge zur AnV sind entrichtet worden. Später hat sie sich freiwillig weiterversichert. Seit dem 1. Juli 1964 erhält sie Altersruhegeld. Dabei sind nur Versicherungszeiten seit 1945 berücksichtigt.
Anfang 1965 beantragte die Klägerin, sie für die Zeit vom 1. Juni 1922 bis 30. November 1925 nachzuversichern. Durch Bescheid vom 29. Juli 1965 lehnte die Beklagte dies ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob in der strittigen Zeit ein gemäß §§ 11, 12 Abs. 1 Nr. 1 oder 17 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Der Regierungspräsident in Darmstadt habe diese Nachversicherungsvoraussetzung nicht mit Sicherheit bestätigen können. Eine Nachversicherung sei jedenfalls aufgrund des § 8 der sogen. Aufschub=VO - Verordnung (VO) über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen vom 4. Oktober 1930 (RGBl I 459) idF der 2. VO über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen vom 5. Februar 1932 (RGBl I 64) nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Nachdem das bisher fehlende Vorverfahren nachgeholt war, beantragte sie,
den Bescheid vom 29. Juli 1965 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 1966 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für sie die Nachversicherung für die Zeit vom 1. Juni 1922 bis 30. November 1925 durchzuführen.
Dieser Klage gab das Sozialgericht (SG) Darmstadt statt. Es führte dazu aus, das Rechtsinstitut der Nachversicherung sei durch die VO über den Übertritt aus versicherungsfreier in versicherungspflichtige Beschäftigung und umgekehrt vom 13. Februar 1924 (RGBl I 62) erstmalig (mit Wirkung vom 1. Oktober 1923) in die Sozialversicherung eingeführt und in der Folgezeit mehrfach verändert worden. Zur Zeit des Ausscheidens der Klägerin Ende 1925 habe § 18 AVG idF des Gesetzes über den Ausbau der Angestellten- und Invalidenversicherung und über Gesundheitsfürsorge in der Reichsversicherung vom 28. Juli 1925 (RGBl I 157) gegolten. Danach hätte sie damals nachversichert werden müssen. Die ersten Aufschubgründe habe das Gesetz zur Änderung der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes vom 29. März 1928 (RGBl I 117) gebracht. Es habe aber, wie sich aus seinem Art. 5 ergebe, nur für Personen gegolten, die nach dem 31. März 1927 ausgeschieden seien. Erst die VO vom 4. Oktober 1930 habe allgemein die Nachentrichtung von Beiträgen ua für den Fall aufgeschoben, daß eine aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheidende Frau einen nach § 11 AVG allein oder in Verbindung mit § 17 AVG versicherungsfreien Mann heiratet. Diese VO sei grundsätzlich mit Wirkung vom 1. April 1928 an in Kraft getreten. Der § 12 Abs. 2 habe allerdings die Nachentrichtung von Beiträgen, soweit sie noch nicht erfolgt war, auch für Personen aufgeschoben, die nach dem 31. März 1927 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden waren. Gleichwohl sei die Klägerin auch von dieser VO noch nicht betroffen worden, da sie schon 1925 ausgeschieden sei. Erst die 2. VO vom 5. Februar 1932 sei dann weitergegangen und habe die Klägerin erfaßt, weil die VO vom 4. Oktober 1930 insofern geändert worden sei, als in § 12 der Abs. 3 eingefügt wurde. Danach konnte auch für Personen, die in der Zeit vom 1. Oktober 1923 bis zum 31. März 1927 ausgeschieden sind und für die Beiträge bisher noch nicht nachentrichtet waren, die Nachentrichtung unterbleiben oder aufgeschoben werden, wenn sie nach dieser VO zu unterbleiben hatte oder aufgeschoben wurde. Diese Regelung habe sich indes, so meint das SG weiter, nicht mehr im Rahmen der Ermächtigung des § 18 Abs. 7 AVG idF des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928 gehalten und sei somit nichtig, weil sie ihren Anwendungsbereich ohne gesetzliche Grundlage auch auf die Zeit vor dem 1. April 1927 bis zurück zum 1. Oktober 1923 erstreckt habe. Abschließend war das SG der Auffassung, daß die Klägerin nachversichert werden müsse, da die VO vom 4. Oktober 1930 den Zeitpunkt ihres Ausscheidens nicht erfasse, dieser aber für die Frage der Nachversicherung maßgebend sei, und die VO vom 5. Februar 1932 nicht anwendbar sei, weil ihr die rechtliche Grundlage gefehlt habe.
Auf die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 5. Juli 1973 das Urteil des SG vom 14. Juli 1969 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG hat im Anschluß und in Fortbildung des Urteils des Senats 1 RA 175/71 vom 18. Oktober 1972 (SozR Beitragsnachentrichtungs-VO vom 4. Oktober 1930, Allg., Nr. 2) die Verordnungen vom 4. Oktober 1930 und 5. Februar 1932 im Gegensatz zur Auffassung des SG in vollem Umfang für gültig angesehen. Selbst die nachträglichen und rückwirkenden Regelungen der VO vom 5. Februar 1932 seien zulässig gewesen. Abschließend war das Berufungsgericht der Meinung, die Klägerin könne schon wegen der genannten Verordnungen eine Nachversicherung für die Zeit vom 1. Juni 1922 bis 30. November 1925 zur Zeit nicht verlangen. Die Voraussetzungen hierfür seien bisher nicht eingetreten, da ihre Ehe noch bestehe, so daß weiterhin eine Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ihres Ehemannes gewährleistet sei. Damit erübrige sich eine Untersuchung, ob die Klägerin in der streitigen Zeit überhaupt versicherungsfrei gewesen sei und weshalb im einzelnen eine Versicherung nicht erfolgt sei. Selbst wenn sie versicherungsfrei gewesen wäre, sei der Fall der Nachversicherung - noch - nicht eingetreten.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrage,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 14. Juli 1969 zurückzuweisen.
Gerügt wird Verletzung der intertemporalen Regelungen des Nachversicherungsrechts. Zur Zeit des Ausscheidens der Klägerin habe es keine gesetzlichen Vorschriften gegeben, die es erlaubt hätten, ihre Nachversicherung zu unterlassen. Der VO vom 5. Februar 1932 habe die gesetzliche Grundlage gefehlt. Darüber hinaus habe sie ebenso wie die VO vom 4. Oktober 1930 in mehrfacher Hinsicht gegen die Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 verstoßen.
Vor allem jedoch sei die Rückwirkungsanordnung der VO vom 5. Februar 1932 mit dem elementaren, das ganze Recht beherrschenden Vertrauensgrundsatz und mit den Prinzipien des Rechtsstaats unvereinbar.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
da dem angefochtenen Urteil zuzustimmen sei. Die erhobenen Bedenken gegen die Gültigkeit der VO vom 5. Februar 1932 seien unbegründet.
Das beigeladene Land hat davon abgesehen, zur Revision Stellung zu nehmen, sich jedoch bereit erklärt, Beiträge für die streitige Zeit nachzuentrichten, falls die Beklagte zur Entgegennahme bereit ist.
Die Beklagte lehnt weiterhin die Annahme von Beiträgen ab. Dazu müßte feststehen, daß alle Nachversicherungsvoraussetzungen erfüllt seien. Es lasse sich schon nicht feststellen, daß die Klägerin seinerzeit überhaupt nach den allein in Betracht kommenden §§ 11 oder 12 Abs. 1 Nr. 1 AVG aF versicherungsfrei gewesen sei, so daß sie nach ihrem Ausscheiden an sich hätte nachversichert werden müssen. Selbst wenn das aber der Fall gewesen wäre, müsse die Nachversicherung jedenfalls durch § 8 der Aufschub=VO aufgeschoben gewesen sein. Die sonst erforderlichen besonderen Bescheinigungen nach § 18 Abs. 6 AVG aF seien in den Fällen der §§ 2 und 8 der Aufschub=VO nicht zu erteilen gewesen. Jedenfalls fehle in § 8 aaO eine entsprechende Verweisung auf § 18 Abs. 6 AVG aF wie etwa in den §§ 7 und 9 der Aufschub=VO. Der Versicherungsträger habe also beim Ausscheiden einer Lehrerin wegen Heirat mit einem Beamten keine Mitteilung darüber erhalten, daß ein Fall nach § 8 der Aufschub=VO eingetreten sei. Soweit im Einzelfall trotz eindeutiger Rechtslage eine Entscheidung der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde nach § 11 der Aufschub=VO und § 11 Abs. 3 AVG beantragt und erteilt worden sei, dürfte sie bei den Personalakten verblieben sein.
Im übrigen sei anzunehmen, daß es bei klaren Sachverhalten, also insbesondere bei Heirat mit einem Beamten, überhaupt nicht zu solchen Einzelentscheidungen gekommen sei, was dann auch später offiziell sanktioniert worden sei (vgl. RAM-Erlaß vom 16. Juni 1937, AN 1934, 312). Der Erlaß des RAM vom 31. März 1934 (AN 1934, 130) an die Pensionskasse für Beamte Deutscher Privateisenbahnen zeige ebenfalls, daß die Dienstherren damals in eindeutigen Fällen eine besondere Aufschubentscheidung nicht für notwendig gehalten hätten. Das hätte aber bei den nach § 17 AVG aF gleichgestellten privaten Arbeitgebern und deren versicherungsfreien "Privatbeamten" zu Fehlentscheidungen führen können. Deshalb habe der an die genannte Pensionskasse gerichtete Erlaß unter Klarstellung der Rechtslage darauf hingewiesen, daß die Entscheidungsbefugnis der obersten Verwaltungsbehörden nicht ohne weiteres übertragbar sei. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes seien dagegen allgemeine Entscheidungen ergangen mit der Maßgabe, Einzelentscheidungen nur noch in Zweifelsfällen anzuordnen, wie der Erlaß vom 16. Juni 1937 ergebe. Diese damals getroffene gesetzliche pauschale Regelung, insbesondere der Aufschub wegen Heirat mit einem Beamten, dürfe nicht unbeachtet bleiben. Eine früher zu Recht aufgeschobene Nachversicherung könne jetzt nicht nach Belieben des Dienstherrn nachgeholt werden.
Zudem sei im Hinblick auf die Ausführungen des beigeladenen Landes im Schriftsatz vom 10. April 1974 nicht auszuschließen, daß eine Entscheidung für die Klägerin ausdrücklich ergangen oder nachgeholt worden sei. Wenn eine derartige Entscheidung nicht vorliege, sei das kein Beweis dafür, daß der Einzelfall nicht doch geregelt worden sei. Selbst das Fehlen dieser Entscheidung in der Personalakte lasse keine entsprechenden Schlußfolgerungen zu. Die dienstrechtlichen Unterlagen seien auch in anderer Hinsicht nicht vollständig. So sei insbesondere bisher vom Dienstherrn nicht nachgewiesen, daß und nach welchen Gewährleistungsentscheidungen die Klägerin damals nach § 11 oder aber nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 AVG aF versicherungsfrei gewesen sei. Fehlten die Unterlagen hierüber in der Personalakte, so bestehe auch die Möglichkeit, daß eine Entscheidung nach den §§ 8, 11 und 12 der Aufschub=VO nicht zum Inhalt der Personalakten gemacht worden sei.
Abschließend sei nochmals darauf hinzuweisen, daß bisher die Frage des Grundes der Versicherungsfreiheit während der Anwärterdienstzeit als bedeutungslos angesehen worden sei, weil stets davon ausgegangen worden sei, daß eine Nachversicherung ohnehin aufgrund der Aufschub=VO zu unterbleiben habe.
II
Die Revision muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz führen. Dem LSG kann nur zum Teil gefolgt werden.
Die Gültigkeit der VO vom 4. Oktober 1930 ist nicht zu bezweifeln (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 19. Juni 1962-1 RA 164/60 - Breithaupt 1963, 41 und vom 18. Oktober 1972). Sie fand ihre gesetzliche Grundlage in § 18 Abs. 7 AVG idF des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928. Selbst die Regelung in § 8 über den Aufschub der Nachversicherung bei Heirat war unbedenklich. Dieser Regelung standen auch nicht Art. 109 Abs. 2 und Art. 128 Abs. 2 WRV entgegen. Danach hatten zwar Männer und Frauen grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten; alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte wurden beseitigt und verboten (vgl. G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 128 RVerf Anm. 4). Die genannten Artikel untersagten jedoch nicht jede unterschiedliche Behandlung der beiden Geschlechter (Anschütz aaO Art. 128 Anm. 5 und Art. 109 Anm. 3). Vor allem erstreckte Art. 109 Abs. 2 die Gleichberechtigung nur auf den Kreis der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, und Art. 128 Abs. 2 bezog sich nur auf Frauen, die Beamtinnen waren, also nicht auf solche, die dies erst werden wollten oder nicht mehr waren. Mit ihrer Entlassung aber war die Klägerin keine Beamtin mehr, so daß der Aufschub nach § 8 der VO vom 4. Oktober 1930 keine Ausnahmebestimmung gegen weibliche "Beamte" war, vielmehr eine solche gegen Ehefrauen zur Vermeidung einer Doppelversorgung.
Desgleichen schied hier ein Verstoß gegen Art. 129 und Art. 153 WRV aus. Das Recht der Nachversicherung der ausscheidenden Beamten und der ihnen sozialversicherungsrechtlich gleichstehenden Personen ist sozialversicherungsrechtlicher Natur. Die dadurch erworbenen Rechte sind keine "wohl erworbenen Rechte der Beamten" im Sinne des Art. 129 Abs. 1 Satz 2 WRV, sondern solche in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber war im Hinblick auf die im allgemeinen als gefestigt anzusehende Stellung des Beamten bei der Schaffung der Vorschriften über ihre Versicherungsfreiheit davon ausgegangen, daß sie und die ihnen versicherungsrechtlich gleichgestellten Personen tatsächlich in den Genuß dieser Versorgung gelangen würden. In ernste Bedrängnis mußten damit diejenigen Beamten und deren Familien geraten, bei denen das Beamtenverhältnis aufgrund eines Disziplinarverfahrens oder aus anderen Gründen gelöst wurde und die zugesicherte Versorgung entfiel. Diese Beamten waren jahrzehntelang schutzlos und konnten lediglich, wenn sie noch arbeitsfähig waren und eine andere Beschäftigung fanden, aufgrund einer dann einsetzenden Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung hoffen, daß ihnen und ihren Hinterbliebenen später eine Rente gezahlt werden würde, falls es ihnen gelingen sollte, bis zum Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit zu erfüllen. Dabei waren sie jedoch gegenüber den gleichaltrigen Arbeitnehmern, die nicht versicherungsfrei waren, einmal dadurch benachteiligt, daß ihre Rente um die Steigerungsbeträge für die während ihrer Beamtentätigkeit unterbliebene Beitragsentrichtung niedriger war. Außerdem konnten diese Beamten aus etwaigen früheren Beiträgen nur dann Rechte herleiten, wenn sie während ihrer Beamtentätigkeit Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft entrichtet hatten. Diese Rechtslage war von Anfang an unbefriedigend und ihre weitere Aufrechterhaltung stellte sich als kaum durchführbar heraus, als in den Jahren nach dem ersten Weltkriege wegen des Zusammenbruchs des Reiches und des verhängnisvollen Währungsverfalls Tausende von Beamtenstellen des Reichs, der Länder und der Gemeinden abgebaut werden mußten. Nunmehr sah man sich veranlaßt, die ohne Versorgung ausscheidenden Beamten nicht schlechter zu stellen als die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, die ihre Stellungen verloren hatten, vgl. u.a. Mitteilungen der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA), 1924 Mitteilung Nr. 3 S. 7. Durch die schon erwähnte VO vom 13. Februar 1924 wurden mit Wirkung vom 1. Oktober 1923 erste versicherungsrechtliche Folgen gezogen, die sich aber sehr bald als verbesserungsbedürftig erwiesen und in der Folgezeit laufend geändert und ergänzt wurden. Mit Rücksicht auf diese historische Entwicklung kann insbesondere die alsdann eingeführte Einrichtung des Aufschubs der Nachversicherung in bestimmten Fällen nicht als Verletzung des Art. 129 oder der Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV gewertet werden, sondern nur als Einschränkungen einer neu eingeführten Verbesserung der sozialen Sicherheit. Außerdem stellte Art. 153 WRV nur private Vermögensrechte unter den Schutz und die Garantie der Verfassung, nicht aber subjektive öffentliche Rechte (vgl. u.a. RGZ 129, 250) und erst recht nicht öffentlich-rechtliche sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften, bei denen zudem noch zu ihrer Erhaltung laufend weitere Beiträge entrichtet werden mußten.
Aber auch die vom SG gegen die VO vom 5. Februar 1932 geäußerten Bedenken konnten behoben werden. Die VO fand ihre rechtliche Grundlage in der 4. VO des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 18. Dezember 1931 (RGBl I 699, 724), 5. Teil Kapitel IV Abschn. 2 § 4. Dadurch war Art. 5 des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928 anders gefaßt worden. Nunmehr konnte auch für Personen, die nach dem 30. September 1923 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden waren, die Nachversicherung unterbleiben oder aufgeschoben werden, wenn sie nach § 1242 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder nach § 18 AVG in der damals neuen Fassung zu unterbleiben hatte oder aufgeschoben wurde. Damit war zugleich die im letzten Absatz des genannten Paragraphen der Reichsregierung eingeräumte Befugnis zur näheren Regelung im einzelnen entsprechend ausgedehnt worden. Die zunächst vorhandenen Bedenken gegen eine Erstreckung der Rückwirkung des Aufschubs auf alle seit dem 1. Oktober 1923 eingetretenen Fälle (vgl. Wankelmuth, Zur Verordnung über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen, Die Reichsversicherung 1930, 288 ff, insbes. S. 292) waren damit gegenstandslos (vgl. die Begründung zum Entwurf einer zweiten VO über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen, Reichsrats-Drucks. Nr. 150 der Tagung 1931). Diese Rückwirkung war verfassungsrechtlich ebenfalls unbedenklich. Ein Verstoß gegen die Art. 129 und 153 WRV kam aus den bereits genannten Gründen nicht in Betracht. Das heutige Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip mit seinem weitgehenden Verbot rückwirkender Gesetze bestand damals ohnehin noch nicht. Dementsprechend sind auch keine Abhandlungen aus der damaligen Zeit zu finden, in denen Bedenken gegen die getroffenen Regelungen geäußert worden wären. Stattdessen hat die spätere Rechtsentwicklung, wie sie im einzelnen im Urteil des Senats vom 18. Oktober 1972 wiedergegeben worden ist, die damalige Rechtslage bestätigt.
Entgegen der Auffassung der Revision konnte somit nach § 12 Abs. 3 und 4 der VO vom 4. Oktober 1930 idF der VO vom 5. Februar 1932 sehr wohl die Nachentrichtung von Beiträgen für die Klägerin aufgeschoben worden sein, obwohl sie bereits in der Zeit vom 1. Oktober 1923 bis zum 31. März 1927, nämlich zum 30. November 1925, ihre frühere Tätigkeit als Lehrerin beendet hatte. Voraussetzung war allerdings, daß überhaupt ein Nachversicherungsfall eingetreten war, weil sie aus einer nach § 11 oder § 12 Nr. 1 bis 3 AVG aF versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden war. Dagegen wäre eine Nachversicherung nicht in Betracht gekommen, wenn sie versicherungspflichtig gewesen wäre und daher zu Unrecht nicht versichert worden sein sollte, oder wenn sie z.B. nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 AVG aF versicherungsfrei gewesen sein sollte, weil sie noch während einer wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf gegen Entgelt arbeitete - nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 (RGBl S. 989) war diese Versicherungsfreiheit ursprünglich sogar nur für Personen vorgesehen, die "unterrichten"; erst das Gesetz über Änderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte und der Reichsversicherungsordnung vom 10. November 1922 (RGBl I 849) brachte die erwähnte Regelung -. Außerdem mußte, sofern an sich ein Nachversicherungsfall gegeben war, eine allgemeine Entscheidung der zuständigen Stelle für bestimmte Gruppen vorgelegen haben, unter die sie fiel, oder eine individuelle Aufschubentscheidung (vgl. die Verweisung in § 12 Abs. 4 der Aufschub=VO auf ihren § 11 sowie weiter auf § 11 Abs. 3 AVG damaliger Fassung). Diese hätte hier sogar, was die Beklagte nicht genügend berücksichtigt, konstitutive Wirkung und nicht nur deklaratorische Bedeutung gehabt, da nach dem eindeutigen Wortlaut in § 12 Abs. 2 und 3 der Aufschub=VO in zurückliegenden Fällen die Nachversicherung nur unterbleiben "konnte", also nicht "mußte". Entgegen der Auffassung des LSG war somit die etwaige Nachversicherungspflicht für die Klägerin nicht schon kraft Gesetzes aufgeschoben.
Ein Anspruch der Beklagten gegen das beigeladene Land auf Abführung von Nachversicherungsbeiträgen wäre allerdings inzwischen längst verjährt (§ 213 Abs. 1 AVG aF, § 29 Abs. 1 RVO; BSG 22, 173). Das beigeladene Land kann jedoch noch und es hat dies auch getan, der Beklagten die Nachentrichtung anbieten, was von jener auch nicht abgelehnt werden darf (AN 1933, 405; 1937, 352; BSG 12, 179), wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen sollten. Das setzt jedoch voraus, daß nachzuweisen ist, daß die Klägerin damals an sich überhaupt nachzuversichern war, und daß damals und in der darauf folgenden maßgebenden Zeit die Nachversicherung zu Unrecht, insbesondere etwa wegen Fehlens der erforderlichen Aufschubentscheidung, unterblieben ist.
Daß dies alles nicht mehr festzustellen sei, kann nicht anerkannt werden. Das beigeladene Land will zwar schon bisher nicht einmal die Rechtsnatur des früheren Dienstverhältnisses der Klägerin im einzelnen und den Grund ihrer damaligen Versicherungsfreiheit klären können. Das überzeugt nicht. Es müßte z.B. mit genügendem Aufwand möglich sein, die Rechtsstellung der Klägerin während ihrer Schultätigkeit in der Zeit vom 1. Juni 1922 bis 30. November 1925 genauer zu erfassen und insbesondere festzustellen, ob sie Beamtin oder nur "Anwärterin" gewesen ist. Die Beigeladene hat im Revisionsverfahren erneut vorgetragen, daß, soweit feststellbar, kein Fall bekannt sei, in dem in der damaligen Zeit eine offizielle Aufschubentscheidung hinsichtlich der Nachversicherung ergangen sei; tatsächlich sei sie jedenfalls nicht durchgeführt worden; aus welchen Gründen dies unterblieben sei, sei nicht mehr aufzuklären. Bisher ist jedoch nicht einmal versucht worden, die damals maßgebenden Vorschriften zu ermitteln (vgl. z.B. das Gesetz, die Besoldungen, Ruhegehalte und die Hinterbliebenenversorgung der Volksschullehrer betreffend, vom 14. Oktober 1921, Hessisches Regierungsblatt für das Jahr 1921 Nr. 26 S. 268 ff). Ebensowenig ist nach entsprechender Literatur aus der damaligen Zeit zu den hier maßgebenden Rechtsfragen geforscht worden. Dabei könnte sich herausstellen, daß die Klägerin entgegen einer ausdrücklichen Anordnung nicht nachversichert worden ist. Daß bei vor dem 1. April 1928 wegen Heirat ausgeschiedenen Lehrerinnen Nachversicherungen stattgefunden haben, beweist ua die Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 4. Dezember 1929 in Entscheidungen und Mitteilungen des RVA Bd. 26 S. 437; ferner der Bescheid des Direktoriums der RfA in Mitteilungen der RfA 1927 Nr. 7 S. 29 und 30.
Schwieriger dürfte möglicherweise lediglich der Nachweis werden, daß eine etwa notwendige Aufschubentscheidung fehlte. Eine entsprechende allgemeine Verfügung konnte sich insbesondere in den Generalakten oder bei den Akten der Besoldungsdienststellen befunden haben. Gleichwohl läßt sich nicht ausschließen, daß der Nachweis gelingt, die Nachversicherung der Klägerin ist bis zum Ende des Krieges zu Unrecht - vielleicht sogar entgegen einer ausdrücklichen Allgemeinverfügung - unterblieben.
In diesem Falle wäre die Beklagte aufgrund des Angebotes des beigeladenen Landes verpflichtet, für die Klägerin noch Beiträge für eine Nachversicherung entgegenzunehmen. Das LSG wird unter diesen Gesichtspunkten den Sachverhalt erneut zu prüfen haben.
Somit war nach § 170 Abs. 2 Satz 2 zu verfahren. Bei seiner abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen