Leitsatz (amtlich)
War der Überweisungsbetrag an die Allgemeine Pensionsanstalt in Prag (APA) höher als der Betrag, der zur Anrechnung der Vorversicherungszeit nach den für die APA maßgebenden Bedingungen erforderlich war, und wurde er zum Abschluß einer auf dieser "Einmalprämie" beruhenden Versicherung auf eine "feste" Jahresrente verwendet, so liegt eine Zusatzversicherung im Sinne des FRG § 18 Abs 1 vor.
Normenkette
FRG § 18 Abs. 1
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 1973 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der am 30. August 1902 geborene Kläger ist heimatvertriebener Sudetendeutscher aus der Tschechoslowakei (CSSR). Von Juli 1920 bis Dezember 1926 war er im Rahmen eines sog. Ersatzvertrages bei der Mährischen Landesversicherungsanstalt, einer privatwirtschaftlichen Versicherungsgesellschaft, versichert. Als er im Jahre 1927 ein neues Beschäftigungsverhältnis antrat, überwies die Mährische Landesversicherungsanstalt gemäß § 68 des Gesetzes vom 16. Dezember 1906 betr. die Pensionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in öffentlichen Diensten Angestellten in der damals gültigen Fassung (PVG aF) die Deckungsmittel für die bis Dezember 1926 erworbenen Anwartschaften an die zuständig gewordene Allgemeine Pensionsanstalt (APA) in P. Da die Überweisungsbeträge höher waren als der Betrag, der zur Anrechnung der Vorversicherungszeit nach den für die APA maßgeblichen Bedingungen erforderlich war, stand ein sog. Mehrbetrag zur Verfügung, der zum Abschluß einer auf einer "Einmalprämie" beruhenden Zusatzversicherung auf eine "feste" Jahresrente verwendet wurde. Hierüber liegt die Versicherungsurkunde Nr. 849781/Pm der APA, Abteilung für Zusatzversicherung, Amtsstelle B in B vom 18. November 1932 vor. Danach versicherte die APA im Sinne der Bestimmungen des § 123 Abs. 1 lit. c des Gesetzes Nr. 26 vom 21. Februar 1929 betr. die Pensionsversicherung der Privatangestellten in höheren Diensten (PVG nF) den Anspruch des Klägers auf eine feste Invaliditäts-(Alters-)rente im Jahresausmaße von Kc 518.- nebst einigen Zusatzleistungen an Hinterbliebene im Falle seines Todes. Am Ende dieser Urkunde heißt es:
"Die Einmalprämie für diese Versicherung stellt der von d. (M.Landes-Vers.Anst.), Abt. Z zum 2.5.1927 gemäß § 68 des P.V.G. überwiesene Mehrbetrag (erhöht nach § 68, Abs. 5, des P.V.G. Nr. 89/20 um die bis zum 31.12.1928 entfallenen Zinsen) von Kc 1528.30 dar."
Seit dem 1. September 1967 bezieht der Kläger Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1970 berechnete die Beklagte die Rente von ihrem Beginn an neu unter Berücksichtigung der EWG-VOen Nr. 3 und 4 und des Art. 2 § 54 Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG). Dabei wurden Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach den §§ 15 und 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) berücksichtigt. Mit einem Nachtragsbescheid vom 21. Oktober 1970 ergänzte die Beklagte ihren vorangegangenen Bescheid vom 15. Oktober 1970 mit einem Zusatz, wonach es sich bei dem von der APA in der genannten Versicherungsurkunde für den Zeitpunkt des Versicherungsfalles, d.h. zum 65. Lebensjahr, anerkannten Leistungsanspruch um eine aufgrund einer Einmalprämie erworbene Zusatzleistung handele, die nach § 18 Abs. 1 FRG nicht gewährt werden könne.
Hiergegen erhob der Kläger Klage mit dem Antrage,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Ergänzungsbescheides vom 21. Oktober 1970 zur Gewährung eines höheren Altersruhegeldes unter Berücksichtigung der in der CSSR abgeschlossenen Zusatzversicherung, hilfsweise zur Zahlung einer einmaligen Ablösungssumme zu verurteilen.
Diese Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Darmstadt durch Urteil vom 7. März 1972 abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung blieb erfolglos. In seinem Urteil vom 20. September 1973 war das Hessische Landessozialgericht (LSG) ebenfalls der Auffassung, dem Kläger stehe kein im sozialgerichtlichen Verfahren verfolgbarer Anspruch aus seiner früheren Zusatzversicherung zu. Zwar seien nach § 15 FRG grundsätzlich auch die dort näher bezeichneten Beitragszeiten zu berücksichtigen, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind. Hiervon mache jedoch § 18 Abs. 1 FRG eine Ausnahme, der die Anwendbarkeit des § 15 ausschließe, wenn die Beiträge als einmalige Einlage oder als laufende Beiträge zur Versicherung anderer als der Pflichtleistungen (Zusatzversicherung) entrichtet sind. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger vor. Dieser Ausschluß sei wohl deshalb erfolgt, weil diese Zusatzversicherungen nicht als Höherversicherung im Sinne der Sozialversicherung zu betrachten seien, sondern vielmehr den Rechtscharakter einer Privatversicherung gehabt hätten.
Die in § 18 Abs. 1 FRG getroffene Regelung verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG), insbesondere nicht gegen Art. 3 und 14, weil es letzten Endes dem Gesetzgeber überlassen bleibe, wie er derartige Entschädigungsansprüche mit privatrechtlichem Charakter regele.
Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, daß die ehemalige Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) die Vermögenswerte der APA übernommen habe und damit die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der RfA verpflichtet sein müsse, die begehrte Leistung zu gewähren.
Die Beklagte sei lediglich im Rahmen der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Leistungen verpflichtet. Hierzu gehöre aber auch § 18 Abs. 1 FRG.
Da weitere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kämen, hätte somit die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG als unbegründet zurückgewiesen werden müssen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrage,
das Urteil des Hessischen LSG vom 20. September 1973 und das Urteil des SG Darmstadt vom 7. März 1972 sowie den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 21. Oktober 1970 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm neben dem gewährten Altersruhegeld vom 1. September 1967 an auch die Zusatzleistung aus den zur APA, Abteilung für Zusatzversicherung, nach der Versicherungsurkunde vom 18. November 1932 geleisteten freiwilligen Beiträge zu zahlen.
Gerügt wird unrichtige Anwendung der §§ 15, 18 FRG. Die Zusatzversicherung sei eine Beitragszeit nach § 15 Abs. 1 FRG. § 18 Abs. 1 FRG schließe ihre Berücksichtigung nicht aus. Diese Vorschrift enthalte keine näheren Angaben darüber, welche Beträge im einzelnen erfaßt werden sollen, sie sei daher auslegungsfähig und bedürftig. Sie lasse insbesondere keineswegs den Schluß zu, daß grundsätzlich alle Zusatzversicherungen unberücksichtigt bleiben müßten. Würden die Zusatzversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt, stelle dies eine unbillige Härte für den Kläger dar. Zur Abgeltung der bis zum 30. September 1938 erworbenen Anwartschaften hätten nach § 47 der Sudeten-VO vom 27. Juni 1970 (RGBl I 957) in Verbindung mit den Bestimmungen des Reichsversicherungsamtes (RVA) vom 5. Februar 1943 (AN 1943 II 66) Zusatzleistungen gewährt werden müssen, während bereits festgestellte Leistungen nach § 48 der Sudeten-VO zu übernehmen waren. Auch § 3 Abs. 3 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FANG) vom 7. August 1953 (BGBl I 884) in Verbindung mit Abschnitt V der Ersten Verordnung zur Durchführung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 31. Juli 1954 (BGBl I 254) hätte Leistungen aus der Zusatzversicherung ermöglicht, die, soweit sie bereits zur Anrechnung gekommen waren, nach den Übergangsvorschriften Besitzstandsschutz erhalten hätten und daher weiter zu gewähren seien. Er, der Kläger, fühle sich benachteiligt und geschädigt, weil seine Zusatzleistung nur deswegen keine Berücksichtigung mehr finden solle, weil bei ihm der Versicherungsfall erst später eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
Mit längeren grundsätzlichen Ausführungen legt sie dar, daß das angefochtene Urteil in vollem Umfang richtig sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Aufgrund des Revisionsantrages geht es in der Revisionsinstanz allein um die Klage auf Aufhebung des Ergänzungsbescheides der Beklagten vom 21. Oktober 1970 (vgl. hierzu § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und deren Verurteilung zur Zahlung eines höheren Altersruhegeldes aufgrund der in der Versicherungsurkunde vom 18. November 1932 verbrieften Zusatzversicherung. Hierfür hat das LSG zu Recht den Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit als gegeben erachtet. Weiter ist es zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte nur nach den im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Leistungen verpflichtet sein kann. Das erkennt auch der Kläger an, indem er unrichtige Anwendung der §§ 15, 18 FRG rügt und dazu die Auffassung vertritt, für ihn schließe § 18 Abs. 1 FRG die Berücksichtigung der Zusatzversicherung nach der Grundvorschrift des § 15 Abs. 1 FRG nicht aus. Seiner Auffassung, daß § 18 Abs. 1 FRG mehrdeutig sei und eine ihm günstige Auslegung zulasse, kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr ergibt die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift eindeutig das Gegenteil; § 18 Abs. 1 FRG wollte gerade auch Ansprüche aus Zusatzversicherungen der hier vorliegenden Art bei der APA ausschließen.
Bereits in dem von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (BT-Drucks. III/1109) wird in der Begründung zu dem vorgeschlagenen § 18 Abs. 1 FRG die Zusatzversicherung bei der APA in Prag als eine von dieser Vorschrift erfaßte Zusatzleistung erwähnt. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich dann nochmals eingehend mit der Frage der zusätzlichen Honorierung von Zeiten befaßt, die aufgrund der sog. Zusatzversicherung in der CSSR zurückgelegt sind. In seinem schriftlichen Bericht über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines FANG (zu Drucks. III/1532 S. 3) heißt es, das Eingliederungsprinzip des neuen Gesetzes ermögliche es, dieses Problem für die weitaus überwiegende Mehrzahl der Betroffenen, nämlich die Brüxer Zusatzversicherten, durch die Einbeziehung in die knappschaftliche Rentenversicherung befriedigend zu lösen. Bezüglich der relativ sehr kleinen Gruppe, die noch übriggeblieben sei, habe zur Erörterung gestanden, ob die Zusatzversicherung einer Höherversicherung nach deutschem Recht gleichzustellen sei. Ein Antrag aus den Kreisen der Versicherten sei dahin gegangen, dies in den Fällen zu tun, in welchen die Zusatzversicherung neben einer Pflicht- oder freiwilligen Versicherung durchgeführt worden sei. Obwohl es sich um ein Problem handele, das nur für eine kleine Gruppe von Vertriebenen von Bedeutung sei, habe ihm der Ausschuß grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Die Betroffenen seien neben ihrer gesetzlichen Versicherung um eine zusätzliche Sicherung bemüht gewesen und hätten hierfür einen zusätzlichen Beitrag entrichtet. Ein Vergleich mit der Höherversicherung nach deutschem Recht liege daher sehr nahe. Die eingehende Gegenüberstellung zeige jedoch auf der anderen Seite so tiefgreifenden Unterschiede, daß nach Meinung des Ausschusses überwiegende Gründe für die Beibehaltung des § 18 Abs. 1 der Regierungsvorlage sprächen.
Der Ausschuß erörtert sodann die Merkmale der deutschen Höherversicherung und die Merkmale der Zusatzversicherung in der CSSR im einzelnen, vergleicht sie miteinander und kommt hinsichtlich der Zusatzversicherung im wesentlichen zu folgendem Ergebnis:
"Die Merkmale der tschechoslowakischen Zusatzversicherung liegen demgegenüber im folgenden:
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1. |
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Träger der Versicherung ist der gesetzliche Versicherungsträger nur in einem formalen Sinne; die Zusatzversicherung wurde in einer besonderen Abteilung mit getrennter Buch- und Rechnungsführung durchgeführt. |
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2. |
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Zur Zusatzversicherung waren alle Erwerbstätigen berechtigt, ohne Rücksicht darauf, ob sie gesetzlich pflicht- oder freiwillig versichert waren, ferner Rentenbezieher. |
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3. |
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Das Versicherungsverhältnis wurde nach Abschluß eines Vertrages begründet. Der Versicherte erhielt nach Art der Versicherungspolice eine Versicherungsurkunde. |
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4. |
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Die Prämien (Beiträge), die Art und Höhe der Zusatzversicherung unterlagen im Rahmen der Versicherungsbedingungen der freien Vereinbarung. So gab es auf laufender Prämienzahlung oder Einmalprämie beruhende Zusatzversicherungen, ferner Individual- und Kollektivversicherungen." |
Abschließend führt der Ausschuß aus, wie sich aus dieser Gegenüberstellung ergebe, handele es sich bei der Zusatzversicherung um eine Einrichtung der Privatversicherung mit der Besonderheit, daß sie von einem gesetzlichen Versicherungsträger durchgeführt worden sei.
Die Richtigkeit dieser Auffassungen des Gesetzgebers im einzelnen braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Der Wille des Gesetzgebers war damit jedenfalls eindeutig darauf gerichtet, den Betroffenen keine Rechte aus einer früheren Zusatzversicherung der hier vorliegenden Art gegen die Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik zu gewähren, und er hat dies auch unzweideutig in § 18 Abs. 1 FRG ausgesprochen. Hieran sind die Gerichte gebunden.
Der Hinweis der Revision auf die sog. "statutarische Mehrversicherung" geht fehl. Sie ist in § 24 FRG geregelt. Danach richtet sich für Beitragszeiten, die nach dem Recht der CSSR oder dem Recht des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren bei einem Ersatzinstitut (§ 15 Abs. 2 Satz 2) oder nach entsprechenden Grundsätzen bei einer anderen Einrichtung zurückgelegt sind, die Zuordnung der Tabellenwerte grundsätzlich nach der höchsten Leistungsgruppe, in die der Versicherte nach der Anlage 1 zu § 22 FRG einzuordnen ist. Die Versicherten der Ersatzinstitute waren nämlich nicht mit ihrem jeweiligen Gehalt versichert, sondern für die gesamte Zeit des Versicherungsverhältnisses einheitlich mit dem letzten Gehalt, vgl. Jindrich/Podlipsky, Die Pensionsversicherung der Privatangestellten, Reichenberg 1935, S. 114 ff. Deshalb ist die in § 24 Abs. 1 FRG vorgesehene besondere Regelung erfolgt. Eine solche statutarische Mehrversicherung hat der Kläger aber gerade nicht aufzuweisen. Deshalb kommt für ihn auch die Entscheidung des Senats 1 RA 175/63 vom 23. März 1966 (SozR Nr. 1 zu § 24 FRG) nicht in Betracht, so daß dahingestellt bleiben kann, inwieweit an diesem Urteil aufgrund der von der Beklagten dagegen geäußerten Bedenken noch festzuhalten ist. Denn dort lag eines der in der Anlage 7 B zur Ersten Verordnung zur Durchführung des FAG aufgeführten Ersatzinstitute vor, nämlich das Pensionsinstitut der P Eisenindustriegesellschaft, während die M Landesversicherungsanstalt dort nicht erwähnt ist.
Unerheblich ist, daß bei einem früheren Eintritt des Versicherungsfalles dem Kläger eine Leistung aus der Zusatzversicherung nach den von ihm angeführten Vorschriften hätte zukommen können. Weder Art. 14 des GG noch andere Grundsätze des Verfassungsrechts gewähren dem einzelnen Berechtigten den Anspruch auf die Durchführung oder die Beibehaltung einer bestimmten Art der Rentenberechnung (BVerfG 20, 52, 54).
Somit erweist sich das angefochtene Urteil in vollem Umfang als zutreffend, so daß die Revision als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen