Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichsgesetzliche Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten einer Alt-Österreicherin. Wartezeit. Versicherungslast
Leitsatz (amtlich)
Reichsgesetzliche Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten, die eine als Vertriebene anerkannte sogenannte Alt-Österreicherin zwischen dem 1.1.1939 und dem 10.4.1945 in Österreich zurückgelegt hat, können auf die deutsche Wartezeit grundsätzlich nicht angerechnet werden, ebensowenig Kindererziehungszeiten in Österreich nach dem 10.4.1945, wenn kein sogenannter Entsendungsfall vorgelegen hat (zT Anschluß an BSG vom 23.4.1990 - 5 RJ 55/89 = SozR 3 - 5050 § 28b Nr 1).
Orientierungssatz
1. Der Ausschluß von Zeiten der Kindererziehung, die nach einer völkerrechtlichen Regelung in die Versicherungslast eines anderen Staates fallen, ist nicht verfassungswidrig.
2. Eine pauschale Ersatzzeit iS von RVO § 1251 Abs 1 Nr 6 (§ 28 Abs 1 Nr 6 AVG) kann auf die Wartezeit nicht angerechnet werden, wenn ua keine nach deutschem innerstaatlichen Recht zu berücksichtigende Vorversicherungszeit vorliegt.
Normenkette
SVAbk AUT Art 24 Abs 1 Nr 2 Buchst b; SozSichAbk AUT Art 26 Abs 1 S 1; SozSichAbkSchlProt AUT Nr 19 Buchst b; AVG § 27 Abs 1, § 28 Abs 1 Nr 6, § 28 Abs 2, § 28a Abs 1a S 2; RVO § 1250 Abs 1, § 1251 Abs 1 Nr 6, § 1251 Abs 2, § 1251a Abs 1a S 2; FRG § 2 Buchst b, § 28b Abs 1; SVAbk AUT Art 24 Abs 2; AVG § 28a Abs 3 S 1; RVO § 1251a Abs 3 S 1; GG Art 3 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 16.01.1990; Aktenzeichen L 6 An 889/88) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 11.01.1988; Aktenzeichen S 6 An 555/87) |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Altersruhegeld (ARG) wegen Vollendung des 65. Lebensjahres.
Die im April 1921 als österreichische Staatsbürgerin in Wien geborene und dort bis Dezember 1946 wohnhafte Klägerin war von Juni 1939 bis Februar 1943 sowie von Mai bis November 1943 angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt und bezog vom 8. August bis zum 18. November 1943 Wochengeld. Die Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte in Wien erkennt dafür nach österreichischem Recht insgesamt 52 Versicherungsmonate ohne Rentenanspruch an. Im Mai 1943 heiratete die Klägerin einen 1916 geborenen deutschen Staatsangehörigen. Aus der Ehe gingen die Söhne Dieter (D. - geboren am 23. September 1943) und Manfred (M. - geboren am 7. August 1944) hervor, welche die Klägerin in Wien erzog, bis sie im Dezember 1946 mit ihnen in den späteren Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) umsiedelte. Hier erhielt sie den Flüchtlingsausweis und den Vertriebenenausweis A. Ihr Ehemann hatte bis März 1937 Pflichtbeiträge zur deutschen Angestelltenversicherung entrichtet und war anschließend bis 1947 Soldat bzw ab 1943 in Kriegsgefangenschaft.
Den Antrag auf Gewährung von ARG ab 1. Mai 1986 lehnte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit dem streitigen Bescheid vom 13. August 1986, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 1987, ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Nach dem Abkommen über soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 22. Dezember 1966 idF des Dritten Zusatzabkommens vom 29. August 1980 einschließlich der Nr 19 des Schlußprotokolls hierzu seien keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden. Dies gelte auch für die Zeiten der Kindererziehung.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Stuttgart vom 11. Januar 1988; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Baden-Württemberg vom 16. Januar 1990). Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die von der Klägerin, einer sog Altösterreicherin, von 1939 bis 1945 im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegten Beitrags- und Kindererziehungszeiten seien in die österreichische Versicherungslast gefallen. Deswegen könne eine pauschale Ersatzzeit wegen Vertreibung nicht auf die Wartezeit angerechnet werden. Die erforderliche Wartezeit sei also nicht erfüllt. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Übernahme der Versicherungslast für die og Versicherungszeiten durch die Republik Österreich bestünden nicht.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin, die in Österreich zurückgelegten Beitragszeiten müßten gemäß § 25 Abs 7 Satz 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) auf die Wartezeit angerechnet werden, ebenso die Zeit der Kindererziehung, weil Versicherungslastregelungen für sie bedeutungslos seien; es handele sich nämlich um versicherungsrechtlich eingekleidete Leistungen des Familienlastenausgleichs. Jedenfalls müßten die Kindererziehungszeiten nach § 28b Abs 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) angerechnet werden. Die Nichtanrechnung verstoße gegen das Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG, weil sie ohne sachlichen Grund verglichen mit Übersiedlern aus der DDR und Empfängern von Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG) benachteiligt werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Januar 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Januar 1988 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 1987 zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 1986 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG- SozR 6685 Art 24 Nr 1; SozR 6678 Nr 19, Nr 6).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts ist richtig: Die Klägerin hat ARG ab 1. Mai 1986 nicht zu beanspruchen.
Gemäß § 25 Abs 5 AVG erhält ARG der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 erfüllt hat. Die Klägerin hat zwar im April 1986 das 65. Lebensjahr vollendet, jedoch die erforderliche Wartezeit, eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten (Abs 7 Satz 3 aaO), nicht erfüllt.
Zwar sind die 52 Monate, die in der österreichischen Versicherung als Versicherungszeiten anerkannt sind, nach Art 26 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit (DÖSVA) vom 22. Dezember 1966 (BGBl II 1969 S 1235) idF des Dritten Zusatzabkommens zum DÖSVA vom 29. August 1980 (BGBl II 1982 S 415) für die Erfüllung der Wartezeit grundsätzlich zu berücksichtigen. Danach werden Versicherungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten zurückgelegt sind, ua für den Erwerb eines Leistungsanspruchs zusammengerechnet, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen und ua mehr als 12 Monate umfassen (Abs 4 aaO - Ausschluß von sog Minizeiten). Art 26 Abs 1 DÖSVA greift aber zugunsten der Klägerin nicht ein, weil sie nach deutschem Versicherungsrecht keine auf die Wartezeit anzurechnenden Zeiten zurückgelegt hat.
Auf die Wartezeit anrechnungsfähige Versicherungszeiten sind nach § 27 Abs 1 Buchst a bis c AVG Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten), ferner Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 28 AVG (Ersatzzeiten) und Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 nach § 28a AVG. Für die Anrechnung dieser Zeiten ist das im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (hier: April 1986) geltende Recht maßgeblich (vgl § 104 Abs 3 Satz 2 AVG, § 11 der Versicherungsunterlagen-Verordnung - VuVO).
Die auf dem Gebiet der Republik Österreich von 1939 bis 1943 zurückgelegten Zeiten, in denen für sie Beiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) entrichtet worden sind (§ 27 Abs 1 Buchst a Regelung 2 AVG), sind in die österreichische Versicherungslast gefallen und nur dort anzurechnen. Dies folgt aus Art 24 Abs 1 Nr 2 Buchst b und Abs 2 des Ersten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung (Erstes Abkommen) vom 21. April 1951 (BGBl II 1952 S 318) idF des Zweiten Abkommens hierzu vom 11. Juli 1953 (BGBl II 1954 S 774). Dieses Abkommen ist zwar mit Inkrafttreten des DÖSVA gemäß Art 53 DÖSVA außer Kraft getreten, jedoch nur "unbeschadet der Nrn 18 und 19 des Schlußprotokolls" (SP) zum DÖSVA, das nach Art 49 DÖSVA Bestandteil dieses Abkommens ist. Gemäß Nr 19 Buchst b 1. a SP hat es - grundsätzlich - auch für die Zeit vom Inkrafttreten des DÖSVA an bei der in den Art 23 und 24 des Ersten Abkommens festgelegten Verteilung der Versicherungslast sein Bewenden. Nach Art 24 Abs 1 Nr 2 Buchst b des Ersten Abkommens übernehmen die Versicherungsträger in der Republik Österreich von den Leistungsansprüchen und den Anwartschaften diejenigen, die vor dem 10. April 1945 in den deutschen Rentenversicherungen entstanden sind, soweit sie auf Versicherungszeiten beruhen, die nach Einführung der deutschen Rentenversicherungen in Österreich (1. Januar 1939) im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegt worden sind. Keiner Darlegung bedarf, daß die von der Klägerin zurückgelegten Beitragszeiten von Juni 1939 bis November 1943 hiervon gegenständlich erfaßt werden und deswegen in die österreichische Versicherungslast gefallen sind.
Gegenteiliges, nämlich die Anrechenbarkeit der og Beitragszeiten in der deutschen Angestelltenversicherung, ergibt sich nicht aus Nr 19b 2d SP. Nach dieser Vorschrift berührt die in Art 24 aaO festgelegte Zuordnung der Versicherungslast (hier: zu Österreich) nicht die sich aus den innerstaatlichen deutschen Rechtsvorschriften ergebenden Leistungsverpflichtungen der deutschen Träger hinsichtlich der Versicherungszeiten, die nach früheren Vorschriften ua der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung von Personen zurückgelegt worden sind, die nicht die in Art 24 Abs 2 aaO geforderten Voraussetzungen erfüllen, die also keine Versicherte österreichischer Staatsangehörigkeit (nebst weiteren Voraussetzungen) oder keine Versicherte sind, die am 13. März 1938 und am 10. April 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und unmittelbar vor dem 13. März 1938 durch fünf Jahre den Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatten. Dazu bestimmt Art 2 des Ersten Zusatzabkommens zum DÖSVA vom 10. April 1969 (BGBl II S 1261), daß für die Anwendung der Nr 19 SP der deutschen Staatsangehörigkeit ua eine andere Staatsangehörigkeit gleichsteht. Somit ist die Versicherungslastregelung des Art 24 Abs 1 aaO auf die Klägerin als sog Altösterreicherin anzuwenden, weil sie - unabhängig davon, ob sie am 13. März 1938 die deutsche oder die österreichische Staatsangehörigkeit gehabt hat - vor dem 13. März 1938 durch fünf Jahre den Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte, wie das Berufungsgericht bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) festgestellt hat (vgl zu den vorstehenden Ausführungen schon BSG SozR 6685 Art 24 Nr 1; SozR 6678 Nr 19, Nr 6).
Die vorgenannten Zeiten der angestelltenversicherungspflichtigen Beschäftigung in Österreich sind ferner nicht als Zeiten anrechenbar, für die Beiträge als entrichtet gelten (§ 27 Abs 1 Buchst a Regelung 3 AVG). Nr 19b 2a Satz 1 SP, nach der das Erste Abkommen für die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über Fremdrenten nicht als Abkommen iS dieser Rechtsvorschrift gilt, ermöglicht es nicht, diese in Österreich zurückgelegten Zeiten der Beitragsleistung zur RfA in entsprechender Anwendung von §§ 15, 16 FRG im deutschen Rentenversicherungsrecht anzurechnen. Zwar ist das deutsche Fremdrentenrecht nach § 1 Buchst a FRG (persönlicher Anwendungsbereich) auf die Klägerin als anerkannte Vertriebene anwendbar. Jedoch muß bei sog Altösterreichern trotz des vorgenannten Grundsatzes, daß die Versicherungslastregelung des Art 24 Abs 1 aaO die Begünstigungen nach dem FRG nicht hintanhält, das FRG außer Betracht bleiben. Denn Nr 19b 2c SP bestimmt, daß Nr 19b 2a Satz 1 SP ua nicht für Versicherungszeiten gilt, die im Gebiet der Republik Österreich vor dem 1. Januar 1939 oder nach dem 10. April 1945 oder die von den in Art 24 Abs 2 aaO genannten Personen, zu denen - wie ausgeführt - die Klägerin gehört, zwischen dem 31. Dezember 1938 und dem 11. April 1945 zurückgelegt worden sind. Deswegen ist § 2 Buchst b FRG maßgeblich (st Rspr; BSG SozR 6685 Art 24 Nr 1; SozR 6678 Nr 19, Nr 6; Urteile des 5. Senats des BSG vom 23. April 1990 - 5 RJ 55/89, zur Veröffentlichung vorgesehen, und vom 26. Juni 1990 - 5 RJ 93/89, beide im Blick auf Zeiten der Kindererziehung iS von § 28a AVG). Danach gilt dieses Gesetz ua nicht für Versicherungszeiten, die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Staates, für den ein auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindliches allgemeines Abkommen über Sozialversicherung wirksam ist, in einer Rentenversicherung des anderen Staates anrechnungsfähig sind ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall der Berechnung der Leistungen zugrunde gelegt werden. Nach den bindenden (§ 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung - ZPO) Feststellungen des LSG sind die von der Klägerin in Österreich zurückgelegten Beitragszeiten nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) anrechnungsfähig, wie von der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte in Wien auch mitgeteilt worden ist. Darauf, daß der Klägerin nach österreichischem Recht eine Pension aus diesen Zeiten nicht gewährt wird, kommt es nach § 2 FRG nicht an. Dies ist - wie der erkennende Senat (SozR 6685 Art 24 Nr 1) mit Zustimmung des 1. Senats des BSG (SozR 6678 Nr 19, Nr 6) dargelegt hat - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl auch Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 2200 § 1279 Nr 6). Nach alledem hat die Klägerin keine auf die Wartezeit anzurechnenden Beitragszeiten iS von § 27 Abs 1 Buchst a AVG zurückgelegt.
Ebensowenig liegen auf die Wartezeit anrechenbare Kindererziehungszeiten iS von § 28a AVG vor. Nach dieser Vorschrift idF des Art 2 Nr 8 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) wurden ua Müttern Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten 12 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder in dem jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten hatten. Durch Art 7 Nr 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) ist rückwirkend zum 1. Januar 1986 (Art 85 Abs 2 RRG 1992) der Text des § 28a AVG durch Einfügung des Abs 1a klarstellend geändert worden. In Satz 1 aaO werden (wie bisher nach Abs 1 Satz 1) die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG gleichgestellt. Nach Abs 1a Satz 2 aaO gilt dies nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraumes aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden. Der 5. Senat des BSG (Urteil vom 23. April 1990 - 5 RJ 55/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat deshalb bereits entschieden, daß die im DÖSVA iVm Art 24 des Ersten Abkommens enthaltene Versicherungslastregelung die Anrechnung von in Österreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten in der deutschen Rentenversicherung ausschließt, soweit Beitragszeiten während desselben Zeitraumes in die österreichische Versicherungslast gefallen wären. Er hat offengelassen, ob § 28a Abs 1a Satz 2 AVG lediglich eine Klarstellung des ohnehin bereits geltenden Rechts oder aber eine klärende Änderung der Rechtslage enthält, weil auch im letztgenannten Fall jedenfalls eine zulässige Rückwirkung des Gesetzes vorliege; denn es sei eine zumindest unklare Gesetzeslage klargestellt worden. Der erkennende Senat hat zur vergleichbaren Rechtslage bei der Kindererziehungsleistung nach Art 2 § 61 Abs 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Art 8 Nr 1 RRG 1992 entschieden, bei der Neufassung des Gesetzes habe es sich nur um eine Klarstellung des bisher schon geltenden Rechts gehandelt (Urteil vom 28. Juni 1990 - 4 RA 26/90). Dies kann hier dahingestellt bleiben, weil auch der erkennende Senat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Änderung des Gesetzestextes hat. Hätte die Klägerin aber in der Zeit, in der sie ihre Söhne bis zum 10. April 1945 in Wien erzogen hat, dort eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt, wären - wie ausgeführt - die dadurch zurückgelegten Beitragszeiten in die österreichische Versicherungslast gefallen. Gleiches gilt für die Zeit der Erziehung des Sohnes M. vom 11. April 1945 bis zum 30. September 1945 in Österreich. Da in dieser Zeit die Reichsversicherungsgesetze in Österreich nicht mehr galten, könnte sie als Zeit der Erziehung im Ausland nur nach § 28a Abs 3 iVm § 2a Abs 5 AVG angerechnet werden. Voraussetzung wäre danach, daß die Klägerin, die ihr Kind außerhalb des Geltungsbereichs des AVG in Wien erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten hat, wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in Österreich während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG hat oder daß sie sich mit ihrem Ehemann und dem Kind während der Erziehung in Österreich gewöhnlich aufgehalten hat und ihr Ehemann wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in Österreich während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 6 AVG genannten versicherungsfreien Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten und dem eigenen Vorbringen der Klägerin besteht kein Anhalt dafür, die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen sog Entsendungsfalles (dazu: BSGE 63, 282, 284 = SozR 2200 § 1251a Nr 2; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1990 - 4 RA 26/90) könnten vorliegen.
Der erkennende Senat schließt sich dem erwähnten Urteil des 5. Senats im Ergebnis auch darin an, daß Zeiten der Kindererziehung in Österreich nach § 28b Abs 1 Satz 1 FRG iVm § 28a Abs 1 AVG nicht angerechnet werden können. Nach § 28b Abs 1 Satz 1 FRG stehen bei anerkannten Vertriebenen ua für die Anrechnung von Versicherungszeiten wegen Kindererziehung die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Herkunftsgebiet der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes (FRG) gleich. Es kann offenbleiben, ob Österreich überhaupt ein "Herkunftsgebiet" iS von § 28b FRG ist. Diese Bestimmung greift nämlich schon deswegen nicht ein, weil § 2 Buchst b FRG den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes auch für Kindererziehungszeiten einschränkt. Nach dem DÖSVA, das - wie ausgeführt - ein Abkommen iS dieser Vorschrift ist, sind die Versicherungszeiten vor dem 1. Januar 1939, der Einführung der reichsgesetzlichen Vorschriften in Österreich, und nach dem 10. April 1945, als die Republik Österreich wiederhergestellt war, generell dem österreichischen Rechtskreis zuzuordnen, wenn sie - wie hier die Zeiten der Erziehung des Sohnes M. ab 11. April 1945 - im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegt worden sind. Für sog Altösterreicher - wie die Klägerin - trifft das DÖSVA im Blick auch auf Kindererziehungszeiten zwischen dem 31. Dezember 1938 und dem 11. April 1945 eine spezielle Regelung, weil auch sie nach Maßgabe ausschließlich des österreichischen Rechts jedenfalls dann zu beurteilen sind, wenn sie dort ihrer Art nach anrechnungsfähig sind. Der 5. Senat des BSG hat in diesem Zusammenhang offengelassen, ob nicht auch bei der Auslegung von § 2 Buchst b FRG in bezug auf Kindererziehungszeiten die jetzt in § 28a Abs 1a Satz 2 AVG (= § 1251a Abs 1a Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO) ausdrücklich getroffene Regelung im Blick auf Versicherungslasten zu beachten sei, weil § 2 Buchst b FRG jedenfalls dann eingreife, wenn Kindererziehungszeiten nach dem ASVG berücksichtigt werden. Der erkennende Senat hält dafür, daß Zeiten der Kindererziehung außerhalb des derzeitigen Geltungsbereichs des AVG vor dem 1. Januar 1986 bereits tatbestandlich nicht gegeben, also keine Versicherungszeiten iS von § 28a AVG iVm § 28b Abs 1 und § 2 Buchst b FRG sind, wenn Beitragszeiten, die während der Zeit der Erziehung der Kinder zurückgelegt worden wären, in die Versicherungslast eines anderen Staates gefallen wären. Darauf muß hier nicht weiter eingegangen werden, weil der erkennende Senat dem 5. Senat des BSG jedenfalls darin beipflichtet, daß in Fällen der vorliegenden Art nach österreichischem Recht Kindererziehungszeiten iS von § 2 FRG ihrer Art nach anrechnungsfähig sind. Nach den bindenden Feststellungen des LSG werden nämlich Kindererziehungszeiten in der österreichischen Pensionsversicherung der Mutter als ein die Bemessungsgrundlage erhöhender Kinderzuschlag nach § 261a ASVG gutgebracht (Steigerungsbetrag in Höhe von 3 vH der Rente).
Aus alledem folgt, daß Kindererziehungszeiten der Klägerin für die Wartezeit nicht berücksichtigt werden können.
Schließlich kann keine pauschale Ersatzzeit iS von § 28 Abs 1 Nr 6 AVG auf die Wartezeit angerechnet werden. Nach dieser Vorschrift werden bei anerkannten Vertriebenen für die Erfüllung der Wartezeit zwar grundsätzlich als Ersatzzeiten die Zeit vom 1. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1946 angerechnet, dies aber nach Abs 2 aaO nur, wenn - unter weiteren Voraussetzungen - eine Versicherung vorher bestanden hat oder eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nach Beendigung der Ersatzzeit aufgenommen wurde. Eine nach deutschem innerstaatlichen Recht zu berücksichtigende Vorversicherungszeit liegt - wie ausgeführt - nicht vor. Ferner hat das LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß die Klägerin - wie sie auch selbst angibt - seit der Geburt ihrer Söhne nicht mehr rentenversicherungspflichtig erwerbstätig gewesen ist. Art 26 Abs 1 Satz 1 DÖSVA (s.o.) greift nicht zugunsten der Klägerin ein, weil dort nur die Zusammenrechnung von nach den Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten für den Erwerb eines Leistungsanspruchs anrechenbaren Versicherungszeiten angeordnet wird, die im Falle der Klägerin tatbestandlich vorliegende sog pauschale Ersatzzeit aber schon nach deutschem Recht für den Erwerb des Rentenanspruches nicht angerechnet werden kann.
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere im Blick auf die Nichtanrechnung von Kindererziehungszeiten, die den Senat zwängen, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG einzuholen, bestehen nicht. Daß das Gesetz zum DÖSVA vom 3. Juli 1969 (BGBl II S 1233) dem GG nicht widerspricht, hat der erkennende Senat (SozR 6685 Art 24 Nr 1) bereits dargelegt; der 1. Senat des BSG (SozR 6678 Nr 19, Nr 6) hat diese Auffassung geteilt. Daran ist auch wegen der Rechtsprechung des BVerfG (SozR 2200 § 1279 Nr 6) festzuhalten. Die Rüge der Klägerin, die Nichtanrechnung von Kindererziehungszeiten verletze das Willkürverbot (Art 3 Abs 1 GG), überzeugt nicht. Entgegen der Auffassung der Revision werden Mütter, die vor oder nach 1921 geboren sind, im Blick auf den Ausgleich eines erziehungszeitbedingten Nachteils in der Alterssicherung im wesentlichen gleichbehandelt. Mütter, die vor 1921 geboren sind und ihr Kind in einem Gebiet geboren haben, in dem zum Zeitpunkt der Geburt die Reichsversicherungsgesetze galten, erhalten die Kindererziehungsleistung ebensowenig wie die Klägerin die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, wenn aufgrund einer völkerrechtlichen Versicherungslastregelung zum Zeitpunkt der Geburt geleistete Beiträge später in die Versicherungslast eines anderen Staates gefallen wären (Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1990 - 4 RA 26/90). Eine willkürliche Ungleichbehandlung im Blick auf Mütter oder Väter, denen Kindererziehungszeiten nach § 28b FRG angerechnet werden können, liegt schon deswegen nicht vor, weil eine solche Anrechnung nur möglich ist, wenn eine völkerrechtliche Versicherungslastregelung iS von § 2 Buchst b FRG mit dem Staat, in dem das Kind erzogen worden ist, nicht getroffen wurde. Ist dies aber - wie im Verhältnis zu Österreich - der Fall, sind also die im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten für den im Geltungsbereich des AVG wohnenden Versicherten nicht schlechthin verloren, sondern nach Maßgabe des ausländischen Versicherungsrechts weiterhin für seine Alterssicherung beachtlich, liegt ein sachlicher Grund dafür vor, die inländische Rentenversicherung mit derartigen nur im Ausland erworbenen Versicherungszeiten nicht zu belasten. § 28a Abs 1a Satz 2 AVG grenzt daher ua auch zur Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen den Rentenanspruch aus Kindererziehungszeiten aus gutem Grund auf solche Zeiten ein, die - wären in ihnen Beiträge entrichtet worden - in der deutschen Angestelltenversicherung als Beitragszeiten zu berücksichtigen wären. Das trägt auch dem Sinn und Zweck der Versicherungszeiten wegen Kindererziehung Rechnung. Wie der Senat bereits ausgeführt hat (BSGE 63, 282, 291 = SozR 2200 § 1251a Nr 2), ist Ziel der Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung, eine individuelle Einbuße beim Erwerb von Anwartschaften in der deutschen Rentenversicherung während der Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr bis zu einer bestimmten Obergrenze auszugleichen, dh, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten soll eine Lücke beim Aufbau von Rentenanwartschaften in der deutschen Sozialversicherung schließen, die sich auftut, wenn während und - vom Gesetzgeber vermutet - wegen der Erziehung von Kindern im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten oder stattdessen bewertete Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten in einem Mindestumfang (§ 32a Abs 5 AVG) nicht erworben worden sind. Kindererziehungszeiten haben also vor allem den Zweck, wegen der Kindererziehung entgangene Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung zu ersetzen. Es ist daher nicht willkürlich, daß Kindererziehungszeiten nicht anerkannt werden, wenn während derselben Zeit zurückgelegte Beitragszeiten nach deutschem Recht im Leistungsfall nicht anrechenbar wären.
Nach alledem war die Revision der Klägerin gegen das zutreffende Urteil des Berufungsgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1666806 |
BB 1990, 2123 |