Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschiedenenwitwenrente. Einstweilige Anordnung als sonstiger Grund
Orientierungssatz
Eine einstweilige Anordnung gemäß § 627b ZPO ist jedenfalls dann nicht als sonstiger Grund iS des § 1265 RVO anzusehen, wenn der Versicherte (Fürsorgeempfänger) die Wirkung der Anordnung zur Zeit seines Todes hätte beseitigen können (vgl BSG 1963-06-27 GS 5/61 = BSGE 20, 1).
Normenkette
RVO § 1265 Fassung: 1957-02-23; ZPO § 627b
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 28.03.1962) |
SG Speyer (Entscheidung vom 24.03.1960) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 28. März 1962, in dem die Revision zugelassen ist, hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24. März 1960 zurückzuweisen.
Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts, und zwar des § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der nach § 627 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) ergangene Beschluß des Landgerichts Mainz vom 15. November 1951 ein "sonstiger Grund" im Sinne des § 1265 RVO sei und diese Eigenschaft, da eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO nicht erhoben worden sei, auch bis zum Tode des Versicherten behalten habe.
Die Beklagte hat sich auf die Urteile des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. November 1959 - 4 RJ 167/58 - und vom 30. Juni 1960 - 4 RJ 199/58 - bezogen, wonach ein "sonstiger Grund" im Sinne des § 1265 RVO nur ein materieller Anspruchsgrund sein könne. Auch eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Klägerin nach dem Ehegesetz habe nicht vorgelegen, da der Versicherte zur Zeit seines Todes kein eigenes Einkommen gehabt habe und daher nicht imstande gewesen sei, einen Unterhaltsbeitrag zu leisten; auch sei die Klägerin wegen der Einkünfte aus ihrer Erwerbstätigkeit nicht unterhaltsbedürftig gewesen. Endlich für eine tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tode ergebe sich kein Anhalt.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß die Streitsache ohne mündliche Verhandlung entschieden werde (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Einer früheren Ehefrau eines Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden ist, wird nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (§ 1265 RVO).
Da der Versicherte seiner geschiedenen Frau, der Klägerin, im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt nicht geleistet hat und nach dem EheG von 1946 nicht verpflichtet war, als Fürsorgeempfänger an die selbstverdienende Klägerin Unterhalt zu leisten (§ 59 Satz 1 EheG - 1946 -), geht es allein darum, ob der Versicherte zur Zeit seines Todes aus einem "sonstigen Grunde" der Klägerin Unterhalt zu leisten hatte. Als ein solcher "sonstiger Grund" kommt im vorliegenden Falle die einstweilige Anordnung des Landgerichts vom 15. November 1951 in Betracht, die für die Zeit nach der Scheidung den Unterhalt der Klägerin zu regeln bestimmt war. Ob eine solche Anordnung, die gemäß § 627 b ZPO ergeht und nur eine einstweilige Regelung enthält, ein "sonstiger Grund" für die Unterhaltspflicht im Sinne des § 1265 RVO ist oder ob sie wegen ihres nur vorläufigen Charakters als ein solcher nicht angesehen werden kann, kann im vorliegenden Falle dahinstehen. Auch wenn man grundsätzlich das erstere annimmt, so kann doch im vorliegenden Falle nicht unbeachtet bleiben, daß der Versicherte Fürsorgeempfänger war, während die Klägerin regelmäßiges Arbeitseinkommen hatte, so daß der Versicherte die Wirkung der Anordnung vom 15. November 1951 hätte beseitigen können, sei es auf Grund der §§ 936, 927 ZPO, sei es auf dem in § 627 b Abs. 4 ZPO vorgezeichneten Wege (Baumbach/Lauterbach, ZPO 28. Aufl., Anm. 4 zu § 627 b). Daß der Versicherte solche Schritte nicht unternommen hat, mag darauf zurückzuführen sein, daß die Klägerin einen Vollstreckungsversuch nicht machte oder dem Versicherten bewußt war, daß gegen ihn nicht mit Erfolg vollstreckt werden konnte. Doch kann der Beweggrund des Versicherten für seine Untätigkeit dahingestellt bleiben. Da er die gerichtliche Anordnung vom 15. November 1951 noch vor seinem Tode hätte beseitigen können, war diese schon aus diesem Grunde kein "sonstiger Grund", weil nach Sinn und Zweck des § 1265 RVO kein Anlaß besteht, die nur noch formal weiter gültige Anordnung durch Bewilligung einer Rente zu ersetzen (zu vgl. BSG 20, 1). Demgemäß konnte die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben, sie war vielmehr als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen