Leitsatz (amtlich)
Die nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 50 % bemessene Rente eines Verletzten erhöht sich, wenn sie gemäß RVO § 587 Abs 1 auf die Vollrente erhöht wird, nicht auch um die Kinderzulage nach RVO § 583 Abs 1.
Normenkette
RVO § 587 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 583 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Urteile des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Juni 1967 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1967 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger erlitt am 22. Mai 1964 einen Arbeitsunfall. Er war bis zum 18. Mai 1965 arbeitsunfähig. Das Arbeitsamt, bei dem er seit dem 22. Juni 1965 als Arbeitsuchender gemeldet war, konnte ihm eine geeignete Tätigkeit nicht vermitteln. Die Beklagte gewährte für die Zeit ab 19. Mai 1965 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. und stellte die Rente durch Bescheid vom 23. Februar 1966 mit Wirkung vom 1. März 1966 an in derselben Höhe als Dauerrente fest.
Durch schriftliche Mitteilungen vom 20. Januar 1966, 23. Februar 1966 und 26. Mai 1966 erhöhte die Beklagte die Teilrente - jeweils für begrenzte Zeiträume - vom 22. Juni 1965 an bis zum 31. Mai 1966 gemäß § 587 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf die Vollrente, weil der Kläger nach ihren Feststellungen während dieser Zeit infolge des Arbeitsunfalls ohne Arbeitseinkommen gewesen sei; in den Mitteilungen ist jeweils darauf hingewiesen, es bleibe einer späteren Nachprüfung vorbehalten, ob die Voraussetzungen des § 587 Abs. 1 RVO über den Gewährungszeitraum hinaus weiterbestünden. Für die Zeit bis zum 31. Mai 1966 erhöhte die Beklagte gemäß § 583 Abs. 1 RVO für das im Jahre 1956 geborene Kind des Klägers die Vollrente jeweils um 10 v. H. (Kinderzulage).
Durch weitere Mitteilungen vom 5. Juli 1966 und 12. August 1966 erhöhte die Beklagte die Teilrente zunächst für Juni 1966, sodann für Juli 1966 auf die Vollrente. Für diese Zeiträume gewährte sie keine Kinderzulage. Auf eine schriftliche Anmahnung des Klägers vom 10. Juli 1966 berief sich die Beklagte in der Mitteilung vom 12. August 1966 darauf, daß nach den neuesten für die Berufsgenossenschaften verbindlichen Richtlinien die Kinderzulage nicht gewährt werden könne, weil es sich bei den Berechtigten nach § 587 RVO, deren MdE weniger als 50 v. H. betrage, nicht um echte Schwerverletzte mit Anspruch auf eine Kinderzulage gemäß § 583 RVO handele.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat auf Klage durch Urteil vom 23. Juni 1967 die Beklagte unter Änderung der Verwaltungsakte vom 5. Juli 1966 und 12. August 1966 verurteilt, dem Kläger für die Monate Juni und Juli 1966 neben der Vollrente die Kinderzulage zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 21. November 1967 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt:
Die Rechtswidrigkeit der beiden Verwaltungsakte vom 5. Juli 1966 und 12. August 1966 könne zwar nicht schon daraus hergeleitet werden, daß dem Kläger durch die voraufgegangenen Verwaltungsakte bis zum 31. Mai 1966 die Kinderzulage neben der Vollrente gewährt worden sei. Da die Beklagte in den voraufgegangenen Verwaltungsakten jeweils zum Ausdruck gebracht habe, daß die Vollrente nebst Kinderzulage nur bis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt gewährt werde und es späteren Nachprüfungen vorbehalten bleibe, ob über den Gewährungszeitraum hinaus die Voraussetzungen der §§ 587, 583 RVO noch vorlägen, sei sie zu einer derartigen Prüfung für den hier streitigen Zeitraum berechtigt gewesen. Die Rechtsauffassung der Beklagten, nach § 583 RVO könne der Empfänger einer Vollrente nach § 587 RVO die Kinderzulage nur erhalten, wenn die MdE auf Grund der unmittelbaren Verletzungsfolgen 50 oder mehr v. H. betrage, sei jedoch irrig. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 583 Abs. 1 RVO und aus der Gegenüberstellung der in dieser Bestimmung enthaltenen Legaldefinition des Schwerverletzten mit dem Begriff des Schwerbeschädigten i. S. des § 1 Abs. 1 Buchst. d des Schwerbeschädigtengesetzes (SchwBG). Das zur Begründung der Schwerbeschädigteneigenschaft im SchwBG aufgestellte Erfordernis einer nicht nur vorübergehenden MdE um wenigstens 50 v. H. sei in § 583 Abs. 1 RVO für die Begriffsbestimmung des Schwerverletzten nicht enthalten. Schwerverletzter sei nach dem Wortlaut dieser Bestimmung deshalb jeder Verletzte, der - wenn auch nur vorübergehend - eine Rente von 50 oder mehr v. H. aus der Unfallversicherung beziehe, und zwar unabhängig von der Höhe der MdE; nur auf den Bezug einer Rente nach einem Vomhundertsatz von 50 oder mehr, nicht auf den ärztlich festgestellten Grad der MdE komme es für die Gewährung der Kinderzulage nach § 583 Abs. 1 RVO an. Den infolge eines Arbeitsunfalls einkommenslosen Verletzten für die Dauer der Einkommenslosigkeit durch die Gewährung der Vollrente einem infolge eines Arbeitsunfalls Erwerbsunfähigen in allen Belangen gleichzustellen, entspreche dem sozialen Grundgedanken des § 587 RVO. Sinn und Zweck dieser Bestimmung wären wesentlich ausgehöhlt, würde man den vorübergehend Einkommenslosen auf das umständliche Verfahren der Gleichstellung nach § 2 des SchwBG verweisen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet: Die Frage, an welche Voraussetzungen der Anspruch auf die Kinderzulage in § 583 Abs. 1 RVO geknüpft sei, könne entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung beantwortet werden. Das Wort Schwerverletzter bezeichne eindeutig einen besonderen Grad des Verletzungszustandes; die dem in Klammer gesetzten Wort vorausgehende Beschreibung treffe jedoch sowohl auf den Verletzten zu, der eine entsprechende Rente ausschließlich wegen des besonderen Grades seines Verletzungszustandes beziehe, als auch auf denjenigen, der unabhängig von einem solchen Verletzungszustand die Vollrente nach § 587 Abs. 1 RVO erhalte. Welcher dieser möglichen Wortinhalte für § 583 Abs. 1 RVO in Betracht komme, sei nach Auslegungsregeln zu beurteilen. In der gesetzlichen Unfallversicherung werde der Schaden grundsätzlich nach dem in Prozentsätzen auszudrückenden Grad der unfallbedingten MdE, nicht der konkreten Erwerbseinbuße bemessen. Die jeweilige Höhe der Rente entspreche dem Verletzungsgrad, der seinerseits im Prozentsatz der MdE festgelegt sei. Das Wort Schwerverletzter füge sich somit in den Sinn des vorangehenden Textes widerspruchslos ein. § 587 Abs. 1 RVO bilde unter dem Gesichtspunkt der geschützten Risiken eine Ausnahme, indem der konkrete Verlust eines Arbeitseinkommens erfaßt werde. Diese Regelung enthalte ein dem System der gesetzlichen Unfallversicherung fremdes Element. Der Ausnahmecharakter des § 587 RVO zwinge zu einer eingeschränkten, durch seinen Zweck begrenzten Auslegung. Diese Bestimmung bezwecke nicht - wie §§ 582, 583 RVO - die Gewährung von Zulagen, die an einen Schwerverletztenzustand gebunden seien, sondern einen Ausgleich für den individuellen unfallbedingten Ausfall an Arbeitseinkommen ohne Rücksicht auf den Grad der MdE. Der Bezug einer Vollrente nach § 587 RVO erfülle daher nicht automatisch die Voraussetzungen des § 583 Abs. 1 RVO. Diese Auslegung füge sich in den Zweck und die Systematik ein, die in den Vorschriften der §§ 600, 601 RVO zum Ausdruck kämen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision hatte Erfolg.
Das LSG hat mit Recht den Anspruch auf die Kinderzulage nach § 583 Abs. 1 RVO nicht bereits deshalb für gegeben erachtet, weil die Beklagte dem Kläger diese Leistung in den zurückliegenden Zeiträumen bei der Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente (§ 587 Abs. 1 RVO) jeweils gewährt hatte. Es ist zutreffend der Auffassung, daß die Bindungswirkung der voraufgegangenen Verwaltungsakte den Anspruch auf die Kinderzulage für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Juni 1966 bis 31. Juli 1966 nicht erfaßt. Ob dies auch aus dem jeweils ausgesprochenen Vorbehalt zu folgern ist, es bleibe einer späteren Nachprüfung vorbehalten, ob die Voraussetzungen des § 587 Abs. 1 RVO für den Anspruch auf die Vollrente - nicht auch des § 583 Abs. 1 RVO, wie das LSG in den Entscheidungsgründen unrichtig ausgeführt hat - über den Gewährungszeitraum hinaus weiterbestünden, kann offenbleiben. Denn jedenfalls schließt die in den früheren Verwaltungsakten enthaltene zeitliche Begrenzung der zugebilligten Leistungen eine Bindungswirkung für spätere Zeiträume aus (vgl. auch BSG 24, 162, 166; 9, 196, 197).
Der rechtlichen Schlußfolgerung des LSG, die Voraussetzungen des Anspruchs auf die Kinderzulage (§ 583 Abs. 1 RVO) seien erfüllt, weil die nach einer MdE um 40 v. H. festgestellte Teilrente des Klägers für die streitige Zeit nach § 587 Abs. 1 RVO auf die Vollrente erhöht war, ist jedoch nicht beizupflichten. Dem Verletzten, der nur eine Teilrente nach einer MdE um weniger als 50 v. H. bezieht, steht bei Aufstockung dieser Rente auf die Vollrente nach § 587 RVO die Kinderzulage nicht zu.
Nach § 583 Abs. 1 RVO erhöht sich, solange der Verletzte eine Rente von 50 oder mehr v. H. der Vollrente oder mehrere Verletztenrenten aus der Unfallversicherung bezieht, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen (Schwerverletzter), die Verletztenrente für jedes Kind um 10 v. H. (Kinderzulage). Nach § 587 Abs. 1 RVO ist die Teilrente, solange der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls ohne Arbeitseinkommen ist, auf die Vollrente zu erhöhen. Der Wortlaut dieser Vorschriften - ohne Berücksichtigung des Klammerzusatzes "Schwerverletzter" - steht zwar der Rechtsauffassung des LSG insofern nicht entgegen, als die nach § 587 Abs. 1 RVO gewährte Leistung unabhängig von dem der Teilrente zugrundeliegenden Grad der MdE der Höhe nach eine "Rente von 50 oder mehr v. H." ist. Indessen spricht schon die Verwendung des zum Text des § 583 Abs. 1 RVO gehörenden, in Klammern gesetzten Wortes "Schwerverletzter", das nach allgemeinem Sprachgebrauch auf das Erfordernis eines bestimmten Ausmaßes der Verletzung hinweist, mehr für die Auffassung, daß der Anspruch auf die Kinderzulage einen entsprechend hohen Grad der MdE voraussetzt. Für seinen gegenteiligen Standpunkt kann das LSG sich auf den Wortlaut des § 583 Abs. 1 RVO nicht insoweit stützen, als die Begründung der Schwerverletzteneigenschaft davon abhängig gemacht ist, daß der Verletzte eine oder mehrere Renten von 50 oder mehr v. H. "bezieht". Der aus dieser Textfassung vom LSG gefolgerte Schluß, für die Gewährung der Kinderzulage komme es allein auf den Bezug einer Rente nach einem Hundertsatz von 50 oder mehr, nicht jedoch auf den ärztlich festgestellten Grad der MdE an, so daß der Bezieher einer Vollrente nach § 587 RVO unabhängig von dem seiner Teilrente zugrunde liegenden MdE-Grad stets Anspruch auf die Kinderzulage habe, ist nicht gerechtfertigt. Das Abstellen auf den Bezug der Rente (§ 583 Abs. 1 RVO) bedeutet vielmehr einerseits, daß eine durch mehrere Arbeitsunfälle verursachte MdE nur dann bei der Addition zu berücksichtigen ist, wenn der Verletzte hierfür Renten auch tatsächlich erhält, und andererseits, daß im Falle des Rentenbezugs der bescheidmäßig festgestellte Hundertsatz bei der Prüfung des Anspruchs auf die Kinderzulage zu übernehmen ist und nicht durch eine andere Schätzung ersetzt werden kann. Eine darüber hinausgehende Bedeutung in dem vom LSG gemeinten Sinn kann dem Wort "beziehen" in § 583 Abs. 1 RVO nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht beigelegt werden.
Die dem Wortlaut des § 583 Abs. 1 RVO jedenfalls nicht entgegenstehende Auffassung, nur Verletztenrenten nach einer MdE um - gegebenenfalls zusammen - wenigstens 50 v. H. seien für jedes Kind um 10 v. H. zu erhöhen, findet in dem rechtssystematischen Zusammenhang, in den diese Vorschrift gestellt ist, eine wesentliche Stütze. Ihr Standort im Abschnitt "Renten an Verletzte" (§§ 580 bis 588 RVO) bedingt eine enge Beziehung zu der für Verletztenrenten grundlegenden Vorschrift des § 581 RVO. Indem § 583 Abs. 1 RVO die Voraussetzungen für die Erhöhung der "Verletztenrente" bestimmt, wird auf § 581 Bezug genommen. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift werden als Verletztenrente bei unfallbedingtem Verlust der Erwerbsfähigkeit die Vollrente - zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes -, bei unfallbedingter Minderung der Erwerbsfähigkeit der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der MdE entspricht (Teilrente). Die in § 583 Abs. 1 RVO angesprochenen "Verletztenrenten aus der Unfallversicherung, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen", sind somit nach der Gesetzesterminologie Teilrenten nach einem entsprechenden Grad der MdE.
Bei der Auslegung des § 583 Abs. 1 RVO ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß diese Vorschrift mit den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährungen der Kinderzulage zugleich die gesetzliche Begriffsbestimmung des Schwerverletzten enthält, wie sich aus dem Klammerzusatz und den Hinweisen in §§ 582 und 600 Abs. 1 RVO - "... Schwerverletzter (§ 583 Abs. 1)" - ergibt. Die vom 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 30.1.1969 (BSG 29, 126, 128 = SozR Nr. 1 zu § 583 RVO) ausdrücklich offen gelassene Frage, ob eine Rentenerhöhung nach § 587 RVO die Schwerverletzteneigenschaft begründet, hat das LSG bejaht und diese Auffassung auf die von § 1 des Schwerbeschädigtengesetzes (Begriffsbestimmung des Schwerbeschädigten, vgl. auch § 10 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes) abweichende Wortfassung des § 583 Abs. 1 RVO gestützt. Eine solche Auslegung ist jedoch, wie ausgeführt, nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zwingend. Sie berücksichtigt nicht die besondere Struktur der in § 587 Abs. 1 RVO normierten Leistung und den Ausnahmecharakter, der ihr gegenüber § 581 RVO zukommt. Die nach § 587 Abs. 1 RVO zu gewährende Vollrente ist zwar schon wegen ihrer Einreihung in den Abschnitt "Renten an Verletzte" eine Verletztenrente (vgl. Urteil des 5. Senats des BSG aaO; Urteil des erkennenden Senats in BSG 30, 64, 67 = SozR Nr. 5 zu § 587 RVO). Es handelt sich jedoch, wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (SozR Nr. 18 zu § 145 SGG), nicht um eine auf ein und demselben Rechtsgrund beruhende einheitliche Leistung. Sie setzt sich vielmehr aus zwei Bestandteilen zusammen, denen unterschiedliche Schadenstatbestände zugrunde liegen. Es muß ein Anspruch auf Verletztenrente wegen einer MdE des Verletzten in einem zum Bezug einer Teilrente berechtigenden Grad bestehen (§ 581 RVO). Wird diese Rente bei Vorliegen der besonderen Erfordernisse des § 587 RVO auf die Vollrente erhöht, ist dieser Teil der Leistung zwar von dem Anspruch auf eine Teilrente abhängig; er stellt jedoch, da er teilweise auf anderen Tatsachen und rechtlichen Voraussetzungen als die nach § 581 RVO gewährte Rente beruht, einen rechtlich gesondert zu beurteilenden Bestandteil der nach § 587 RVO als Vollrente zu gewährenden Leistung dar; er hat - vergleichbar der Erhöhung der Rente nach § 583 Abs. 1 RVO - einen zulageähnlichen Charakter. Wie der erkennende Senat ferner entschieden hat (BSG 30, 64 ff), ist die Anwendung des § 587 Abs. 1 RVO auf Fälle beschränkt, in denen der Verletzte nur für vorübergehende Zeit unfallbedingt ohne Arbeitseinkommen ist. Es handelt sich also bei dem Aufstockungsbetrag - anders als bei dem nach § 581 RVO festgestellten Bestandteil - um eine nicht auf Dauer gerichtete Leistung.
Die somit nach Voraussetzung und Zweckbestimmung verschiedenen Bestandteile der Vollrente nach § 587 RVO unterliegen nicht in jedem Fall rechtlich demselben Schicksal. So hat der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.2.1968 (BSG 27, 297, 298 = SozR Nr. 1 zu § 587 RVO) ausgesprochen, daß von der Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfe nach § 587 Abs. 2 RVO nur der Aufstockungsbetrag, nicht aber die Unfallteilrente des Verletzten ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall ist nicht zu entscheiden, wie die einem Schwerverletzten zustehende Kinderzulage (§ 583 Abs. 1 RVO) für die Zeit zu berechnen ist, während der seine Teilrente auf die Vollrente erhöht wird. Es kann deshalb dahinstehen, ob dem 5. Senat des BSG, der eine Unterscheidung zwischen dem nach der MdE festgestellten und dem aufgestockten Teil der nach § 587 RVO gewährten Leistung nicht für geboten hält, in seiner Auffassung zu folgen ist, daß bei einem Schwerverletzten die Kinderzulage aus der nach § 587 RVO gewährten Vollrente zu berechnen ist (BSG 29, 126 ff). Da die in § 583 Abs. 1 RVO für die Begründung der Schwerverletzteneigenschaft und damit zugleich für den Anspruch auf die Kinderzulage aufgestellten Voraussetzungen auf die gemäß § 581 RVO nach der MdE bemessenen Renten bezogen sind, kommt es nach der Auffassung des erkennenden Senats für die Frage, ob der Verletzte Schwerverletzter mit Anspruch auf die Kinderzulage ist, allein auf den nach der MdE bemessenen Rentenbestandteil der Gesamtleistung nach § 587 Abs. 1 RVO an. Die nach einer MdE um weniger als 50 v. H. bemessene Rente eines Verletzten erhöht sich daher, wenn sie gemäß § 587 Abs. 1 RVO auf die Vollrente erhöht wird, nicht auch um die Kinderzulage nach § 583 Abs. 1 RVO (so auch Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 d zu § 583 RVO, anders jedoch - widersprüchlich - in Anm. 3 zu § 600 RVO a. A. Vollmar in BG 1966, 111, 112, der meint, für die Dauer des Vollrentenbezugs nach § 587 RVO sei die Schwerverletzteneigenschaft zu unterstellen.
Dieses Ergebnis steht mit dem Sinn und Zweck des § 587 RVO in Einklang. Aus der gesetzlichen Regelung ist entgegen der Auffassung des LSG nicht zu entnehmen, daß der infolge des Arbeitsunfalls einkommenslose Verletzte für die Dauer der Einkommenslosigkeit in jeder Beziehung einem infolge des Arbeitsunfalls Erwerbsunfähigen gleichgestellt werden sollte. Der durch den nur vorübergehenden Verlust des Arbeitseinkommens eingetretene Schaden wird vielmehr nach § 587 RVO ausschließlich durch die Erhöhung der u. U. nach einer nur geringen MdE bemessenen Teilrente auf die Vollrente ausgeglichen. Diese Leistung ist dementsprechend in ihrem Bestand dadurch besonders gesichert, daß sie auf das Arbeitslosengeld und die Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe nicht anzurechnen ist (§ 587 Abs. 2 RVO). Sie ist ferner unabhängig von der Höhe des fehlenden Arbeitseinkommens und wird - anders als z. B. die Leistung nach § 582 RVO - durch einen anderweitigen Rentenbezug nicht berührt.
Die Revision ist hiernach begründet. Die Klage mußte daher unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1669867 |
BSGE, 161 |