Verfahrensgang
SG Detmold (Urteil vom 06.11.1969) |
Tenor
Auf die Sprungrevision der beklagten Krankenkasse wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 6. November 1969 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger beansprucht von der beklagten Krankenkasse noch Krankengeld für fünf Tage des Jahres 1968.
Nach Feststellung des Sozialgerichts (SG) war er vom 27. Oktober 1968 (richtig wohl: 21. Oktober 1968, vgl. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Verwaltungsakten der Beklagten und deren Revisionsbegründung) bis zum 10. Januar 1969 arbeitsunfähig krank und bezog von der Beklagten für jeden Arbeitstag und bezahlten Feiertag (§ 182 Abs. 5 letzter Satz der Reichsversicherungsordnung –RVO–) ein Krankengeld von zunächst 23,10 DM, später – von der siebten Woche an – in Höhe von 35,50 DM. Für fünf Tage der Weihnachtswoche (Montag, den 23. Dezember, Dienstag, den 24. Dezember, Freitag, den 27. Dezember, Montag, den 30. Dezember und Dienstag, den 31. Dezember 1968) zahlte die Beklagte kein Krankengeld, da diese Tage nach einer Betriebsvereinbarung arbeitsfrei waren. Die ausgefallenen 34 Arbeitsstunden wurden auf die Zeit vom 1. November 1968 bis zum 20. Dezember 1968 in der Weise verlegt, daß die Betriebsangehörigen an jedem der 34 Arbeitstage (der 20. November war als Bußtag arbeitsfrei) neun anstatt der sonst üblichen acht Stunden arbeiteten.
Diese „stundenweise Vorarbeit” kann nach Ansicht der Beklagten – anders als die Verlegung ganzer Arbeitstage – bei der Krankengeldberechnung nicht durch eine entsprechende Erhöhung des auf die Tage der Vorarbeit entfallenden arbeitstäglichen Krankengeldes berücksichtigt werden. Der Kläger glaubt demgegenüber für die ausgefallenen fünf Arbeitstage Anspruch auf Krankengeld von fünf mal 35,50 DM = 177,50 DM zu haben.
Das SG ist seiner Auffassung im Ergebnis beigetreten und hat die Beklagte zur Zahlung von 177,50 DM verurteilt: Während der „Vorarbeitszeit” habe die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aufgrund der genannten Betriebsvereinbarung nicht 40, sondern 45 Stunden betragen; demgemäß sei für die Berechnung des täglichen Regellohnes der durchschnittliche Stundenlohn nicht mit acht, sondern mit neun Stunden zu vervielfachen, wodurch sich das Krankengeld entsprechend erhöhe. Eine stundenweise Vorarbeit könne nicht anders wie die Verlegung ganzer Arbeitstage behandelt werden, in beiden Fällen büße der während der Vorarbeitszeit arbeitsunfähig erkrankte Versicherte die Möglichkeit ein, durch Vorarbeit sein regelmäßiges Arbeitseinkommen zu erwerben. Zum Ausgleich müsse ihm ein „erweitertes” Krankengeld gezahlt werden (Urteil vom 6. November 1969, in dem das SG die Berufung zugelassen hat).
Die beklagte Krankenkasse hat mit Einwilligung des Klägers Sprungrevision eingelegt. Ihrer Ansicht nach hat das SG nicht beachtet, daß nach § 182 Abs. 5 und Abs. 7 RVO das Krankengeld bestimmte Höchstbeträge je Arbeitstag nicht überschreiten dürfe. Berücksichtige man diese Höchstbeträge, dann hätte das SG sie allenfalls zu einer Nachzahlung von 3,20 DM an den Kläger verurteilen können. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision der beklagten Krankenkasse ist zulässig (§ 161 des Sozialgerichtsgesetzes) und insofern begründet, als der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß. Die Feststellungen des SG reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus.
Wie der Senat für Betriebe, in denen regelmäßig nur an fünf Tagen in der Woche gearbeitet und das Krankengeld entsprechend berechnet wird (§ 182 Abs. 5 Satz 7 RVO), schon entschieden hat, ist bei einer aus besonderem Anlaß erfolgten Verlegung der Arbeitszeit von einem Tage, an dem an sich hätte gearbeitet werden müssen, auf einen anderen Tag der nunmehr arbeitsfrei gewordene Tag kein Arbeitstag im Sinne des § 182 Abs. 5 letzter Satz RVO, für diesen Tag steht daher einem arbeitsunfähigen Versicherten kein Krankengeld zu (SozR Nr. 20 zu § 182 RVO; vgl. ferner Nr. 27 ebenda und BAG in DOK 1967, 570). Im vorliegenden Fall hatte deshalb der Kläger, der in einem Betrieb mit einer fünftägigen Arbeitswoche tätig ist, für die nach einer Betriebsvereinbarung arbeitsfrei gewordenen fünf Tage der Weihnachtswoche (23., 24., 27., 30. und 31. Dezember 1968) keinen Krankengeldanspruch.
Auf der anderen Seite hat der Senat für Betriebe mit Fünf-Tage-Woche auch schon entschieden, daß bei Verlegung der Arbeitszeit auf einen anderen, an sich arbeitsfreien Tag dieser zum Arbeitstag im Sinne des § 182 Abs. 5 letzter Satz RVO wird; einem an diesem Tage arbeitsunfähigen Versicherten steht daher Krankengeld zu (SozR Nr. 22 zu § 182 RVO). Diese Entscheidung betrifft allerdings nur den Fall, daß die Arbeitszeit eines Tages als Ganzes auf einen anderen, an sich arbeitsfreien Tag (zB. einen Sonnabend) verlegt wird. Entsprechendes muß indessen nach dem Grundgedanken der Entscheidung, daß die Versicherten durch eine Verlegung der Arbeitszeit hinsichtlich ihres Krankengeldanspruchs grundsätzlich weder besser noch schlechter gestellt werden dürfen, für die Fälle gelten, in denen die Arbeitszeit nicht als Ganzes auf einen einzigen anderen Tag, sondern in Teilen auf mehrere andere Tage verlegt wird, wobei es unerheblich ist, ob diese Tage an sich arbeitsfreie Tage oder aber Arbeitstage sind, deren Arbeitszeit sich dann entsprechend verlängert. Ist zB. die achtstündige Arbeitszeit eines Tages der Weihnachtswoche je zur Hälfte auf zwei an sich arbeitsfreie Sonnabende der Vorweihnachtszeit verlegt worden, und ist der Versicherte an beiden „Vorarbeitstagen” arbeitsunfähig krank, so wäre es offenbar unbillig, wenn ihm nicht für diese beiden Tage je ein „halbes”, zusammen also ein volles Krankengeld gezahlt würde. Ist er dagegen nur an einem der beiden „Vorarbeitstage” krank, kann er auch nur ein „halbes” Krankengeld beanspruchen. Entsprechend hat er, wenn die achtstündige Arbeitszeit mit je einer Stunde auf acht andere Tage verlegt wird und er an sämtlichen acht „Vorarbeitstagen” krank ist, Anspruch auf ein volles Krankengeld, wenn er dagegen nur an einem der „Vorarbeitstage” krank ist, Anspruch auf ein Achtel des Krankengeldes; dabei kann es, wie ausgeführt, keinen Unterschied machen, ob die Arbeitszeit auf an sich arbeitsfreie Tage oder aber auf die arbeitsfreie Zeit von Arbeitstagen verlegt, d. h. an die normale Arbeitszeit „angehängt” wird. Wird mithin in einem Betrieb mit Fünf-Tage-Woche die Arbeitszeit eines Arbeitstages aus besonderem Anlaß (zB. Weihnachtswoche) auf die arbeitsfreie Zeit mehrerer anderer Arbeitstage verlegt, so steht einem arbeitsunfähigen Versicherten für jeden dieser Tage außer einem Krankengeld für die normale Arbeitszeit ein „Teilkrankengeld” im Verhältnis der verlegten Arbeitszeit zu.
Im vorliegenden Fall hat deshalb die Beklagte dem Kläger für jede Vorarbeitsstunde, die in die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit fiel, ein Achtel des nach § 182 Abs. 4 RVO berechneten täglichen Krankengeldes, für die folgende Zeit, d. h. „vom Beginn der siebenten Woche der Arbeitsunfähigkeit an”, für jede Vorarbeitsstunde ein Achtel des nach § 182 Abs. 4a RVO berechneten täglichen Krankengeldes zu zahlen. Da dieses „Teilkrankengeld” neben dem Krankengeld für die normale Arbeitszeit zu gewähren ist, gilt für den Regellohn, nach dem sich das Teilkrankengeld bemißt, auch ein eigener Höchstbetrag, der sich hier je Vorarbeitsstunde auf ein Achtel des damals maßgebenden „vollen” Höchstbetrages von 42,– bzw. 30,80 DM belief (§ 182 Abs. 5 vorletzter Satz, Abs. 7 RVO aF).
Um die Höhe des Krankengeldes zu berechnen, das dem Kläger hiernach noch zusteht, hat der Senat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das SG wird zunächst klären müssen, an wieviel Tagen der Monate November und Dezember 1968 im Betriebe des Klägers vorgearbeitet worden ist (nach der Klageschrift soll dies erst ab 4. November 1968 geschehen sein), ferner welche Tage davon auf die ersten sechs Wochen und welche in die spätere Zeit der Arbeitsunfähigkeit entfielen. Erst danach wird sich die Höhe des insgesamt nachzuzahlenden Krankengeldes ermitteln lassen. Das SG wird schließlich Gelegenheit haben, dem Vorbringen der Beklagten nachzugehen, der Kläger habe sich während der Zeit vom 16. bis 19. Dezember 1968 im Krankenhaus befunden und deshalb nur Hausgeld beanspruchen können.
Die abschließende Kostenentscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, bleibt dem SG vorbehalten.
Unterschriften
Dr. Langkeit, Dr. Krebs, Spielmeyer
Fundstellen