Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

1. …, 2. …

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Streitig ist die Nachversicherung für Zeiten nach Eintritt in den einstweiligen Ruhestand.

Der im Jahre 1930 geborene Kläger war seit 1965 als Beamter auf Zeit Stadtdirektor der Stadt M. Er wurde mit Ablauf des 30. Juni 1975 in den einstweiligen und ab 4. Mai 1977 in den endgültigen Ruhestand versetzt. Dienstbezüge wurden bis zum 30. September 1975 gezahlt. Dem Kläger wurden seine Versorgungsbezüge aufgrund einer dienstrechtlichen Entscheidung mit Wirkung vom 1. Mai 1981 aberkannt. Die Beklagte führte die Nachversicherung durch und lehnte hierbei den Antrag des Klägers ab, die Zeit vom 1. Juli 1975 bis zum 30. April 1981 in die Nachversicherung einzubeziehen (Bescheid vom 28. Januar 1983; Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1983).

Die hiergegen unter Hinweis auf das besondere Versorgungsbedürfnis eines Zeitbeamten erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 29. Oktober 1984; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 14. Februar 1986). Das LSG meint, nach § 9 Abs 4 iVm Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) sei nur die Zeit der aktiven Beamtentätigkeit nachzuversichern. Diese habe mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zum 30. Juni 1975 geendet, auch wenn dem Kläger Dienstbezüge bis zum 30. September 1975 aufgrund des § 4 Abs 1 und Abs 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) gezahlt worden seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 9 AVG. Der § 9 Abs 4 AVG regele mit der Verweisung auf Abs 1 nicht ausdrücklich, für welchen Zeitraum ein Beamter bei Verlust seiner Versorgungsbezüge nachzuversichern sei. Nach der Zielsetzung der Vorschrift müsse zumindest bei Wahlbeamten auch die Zeit des Ruhestandes bis zum Erreichen der Altersgrenze nachversichert werden. Die Nachversicherung solle verhindern, daß es für diese Personen keine soziale Sicherung ihres Alters und ihrer Hinterbliebenen gebe, daß sie jeden Schutzes beraubt seien (BSGE 24, 108). Eine Versicherung nur der aktiven Dienstzeit würde zu einer unzureichenden Versorgung führen, insbesondere im Hinblick auf den eingebüßten beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch.

Der Kläger beantragt,die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, die Nachversicherung auch für die Zeit vom 1. Juli 1975 bis zum 30. April 1981 durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers war zurückzuweisen. Die Beklagte hat die Nachversicherung für die streitige Zeit zu Recht abgelehnt.

Die Durchführung der Nachversicherung richtet sich nach dem bei Eintritt des Nachversicherungsfalles mit dem unversorgten Ausscheiden oder dem Verlust der Versorgungsbezüge geltenden Recht. Da dem Kläger der Versorgungsanspruch zum 1. Mai 1981 aberkannt wurde, ist § 9 Abs 4 iVm Abs 1 AVG idF des Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (RVÄndG) anzuwenden. Spätere Änderungen des § 9 durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 betreffend Abs 5 und 6 und durch das Gesetz vom 11. Juli 1985 betreffend Abs 6 sind hier ohnehin nicht von Bedeutung.

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs 4 AVG ist dessen Abs 1 uneingeschränkt und nicht, wie dies der Kläger fordert, nur sinngemäß anzuwenden. Damit wird lediglich der Verlust der Versorgungsbezüge dem unversorgten Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis gleichgestellt. Die in Abs 1 angeordnete Rechtsfolge, daß die nachzuversichernden Personen für die Zeit nachzuversichern sind, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären, gilt für das unversorgte Ausscheiden und den Verlust der Versorgungsbezüge in gleicher Weise. Die Nachversicherung wird damit auf diejenigen Beschäftigungszeiten beschränkt, die in der Rentenversicherung an sich versicherungspflichtig und nur infolge einer der in § 9 Abs 1 AVG genannten Ausnahmevorschriften (§ 6 Abs 1 Nr 2 bis 5 oder § 8 Abs 1) versicherungsfrei waren (BSGE 50, 289, 291 = SozR 2200 Nr 9 mwN). Die Stellung der Vorschrift im Gesetz im Anschluß an die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit der Beamten bestätigt, daß nur Nachteile der Versicherungsfreiheit ausgeglichen werden sollen.

In der streitigen Zeit ab Juli 1975 stand der Kläger nicht in einer sonst versicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Kläger ist mit Ablauf des 30. Juni 1975 in den einstweiligen Ruhestand getreten. Er hatte zwar im Widerspruchsverfahren behauptet, am 6. August 1975 mit Zustellung der Urkunde an die von ihm beauftragten Rechtsanwälte in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden zu sein. Der Kläger hat jedoch in der Berufungsbegründung selbst ausgeführt, er sei mit Ablauf des 30. Juni 1975 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, und er hat gegen die entsprechende Feststellung des LSG keine Verfahrensrügen erhoben. Der Senat hatte daher unabhängig von einer Bindung an die Feststellung der dienstrechtlichen Voraussetzungen der Nachversicherung durch den Dienstherrn von diesem Datum auszugehen. Während des Ruhestandes bestand zwischen dem Kläger und der beigeladenen Stadt kein Beschäftigungsverhältnis, was nur für die Zeit des einstweiligen Ruhestandes von Juli 1975 bis zum 4. Mai 1977 der Begründung bedarf.

Zwar sieht § 42 des Landesbeamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) auch für Beamte auf Zeit im einstweiligen Ruhestand die erneute Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit entsprechend der in § 39 Bundesbeamtengesetz (BBG) getroffenen Regelung vor. Nach § 14 Abs 2 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) beträgt das Ruhegehalt bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten während der ersten fünf Jahre des einstweiligen Ruhestandes 75% der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der erreichten Besoldungsgruppe. Das allein kann es jedoch nicht rechtfertigen, den einstweiligen Ruhestand als ein sonst versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anzusehen.

Das sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnis ist im Unterschied zur Tätigkeit eines Selbständigen dadurch gekennzeichnet, daß der Beschäftigte bei seiner Tätigkeit entweder an Weisungen des Beschäftigenden gebunden ist oder aufgrund einer ihrem Inhalt nach freigestalteten Tätigkeit (Dienste höherer Art) funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozeß des Beschäftigenden teil hat und damit auch ohne Weisungsgebundenheit in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr 45 mwN). Das weitere Erfordernis der Entgeltlichkeit hat nicht dieselbe umfassende Bedeutung, da es für den Personenkreis der Lehrlinge oder sonst zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten außer Betracht bleibt (BSGE 37, 10, 14).

Der Senat sieht deshalb davon ab, die Entgeltlichkeit abschließend zu beurteilen. Als Entgelt könnte nur der Teil des Ruhegehalts angesehen werden, der gemäß § 14 Abs 2 BeamtVG über das normale Ruhegehalt hinausgeht. Das normale Ruhegehalt selbst ist kein Arbeitsentgelt, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. August 1984 (SozR 5420 § 2 Nr 31) bereits ausgeführt hat. Ob die Bemessung des Ruhegehalts nach § 14 Abs 2 BeamtVG im Falle des Klägers zu einer Erhöhung des Ruhegehalts geführt hat, und ob eine solche Erhöhung auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung als Entgelt angesehen werden könnte, kann jedoch dahinstehen.

Während der Zeit des einstweiligen Ruhestandes fehlte es jedenfalls an einer ausreichenden Eingliederung in den Betrieb. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein Beschäftigungsverhältnis auch in Zeiten fortdauert, in denen tatsächlich nicht gearbeitet wird, sofern nur der Arbeitsvertrag rechtlich weiterbesteht und der Arbeitnehmer zur Fortsetzung der übernommenen Arbeit unter den bisherigen Bedingungen bereit ist, wie bereits der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden hat (BSGE 37, 10, 13). Dabei wurde die zeitliche Ausdehnung der Arbeitsunterbrechung nur insofern als bedeutsam angesehen, als es bei längerer Dauer eines Streiks eher zur lösenden Abwehraussperrung oder zur Abkehr von Arbeitnehmern kommen könne (BSGE 37, 10, 15). Diese Rechtsprechung ist dahin fortzusetzen, daß eine Unterbrechung der Arbeitsleistung bei gleichzeitiger Auflösung des Arbeitsvertrages auch dann das Beschäftigungsverhältnis beendet, wenn sich der Arbeitnehmer vorvertraglich verpflichtet, auf eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers erneut ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Die aufgrund einer solchen Bindung bestehende Eingliederung in den Betrieb ist nicht stärker als bei einem Vorvertrag ohne vorangegangene Beschäftigung. Ein solcher Vorvertrag ermöglicht es dem Arbeitgeber zwar, einseitig einen Arbeitsvertrag und damit sein Direktionsrecht zu begründen, begründet aber nicht unmittelbar die erforderliche Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Das bedeutet in der entsprechenden Anwendung auf das Beschäftigungsverhältnis eines Beamten, daß dieses mit dem Eintritt in den einstweiligen Ruhestand endet, da die Möglichkeit der Reaktivierung der für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht ausreichenden vorvertraglichen Bindung entspricht. Auch zu dem vor 1945 geltenden Beamtenrecht ist entschieden worden, daß der Wartegeldempfänger mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aus der versicherungsfreien Beschäftigung im Sinne des § 18 AVG ausscheide (RVA AN 1937, IV 83 Nr 5060).

Das findet eine Bestätigung in der Rechtsprechung zur Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bei Lehrkräften an Ersatzschulen, die den beamteten Lehrkräften an staatlichen Schulen vertraglich gleichgestellt sind. Hierdurch wird nicht ein Arbeitsverhältnis, sondern ein privatrechtliches Versorgungsverhältnis zu derjenigen Ersatzschule begründet, die der Kultusminister zum Träger der Versorgungslast bestimmt (BGH NVwZ 1982, 460). Mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wird das Anstellungsverhältnis in ein Versorgungsverhältnis umgewandelt (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 12. März 1985 - 3 AZR 5/82 - nicht veröffentlicht).

Die Beschränkung der Nachversicherung auf Zeiten einer sonst versicherungspflichtigen Beschäftigung enthält keine Gesetzeslücke, die von der Rechtsprechung im Sinne des Klägers gefüllt werden könnte. Der erkennende Senat hat zwar in seiner vom Kläger angeführten Entscheidung vom November 1965 (BSGE 24, 106, 111) eine Lücke in der Regelung der Nachversicherung angenommen, soweit beim Verlust des Versorgungsanspruchs in der Zeit vom 1. Mai 1957 bis zum 1. Juli 1965 eine Nachversicherung nicht ausdrücklich vorgesehen war. Das wurde mit der Zielsetzung der Nachversicherung begründet, unversorgt ausscheidende Personen nachträglich in die Sozialversicherung einzubeziehen und "ihre versicherungsfreien Beschäftigungszeiten rechtlich zu honorieren" (aaO S 108), was der vom Kläger erstrebten Ausweitung der Nachversicherung auf Zeiten des Ruhestandes eher entgegensteht. Die ebenfalls im Wege der Lückenfüllung ergangene Entscheidung, ein entlassener Beamter auf Probe sei auch für Zeiten nachzuversichern, in denen er während der aufschiebenden Wirkung der gegen die Entlassungsverfügung gerichteten Rechtsbehelfe bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Bestätigung der Entlassungsverfügung einstweilen weiter beschäftigt worden ist (SozR 2200 § 1232 Nr 22), stellt ebenfalls darauf ab, daß während dieser Zeiten ohne beamtenrechtliche Vorschriften Versicherungspflicht bestanden habe und begrenzt damit die Nachversicherung auf Zeiten einer sonst versicherungspflichtigen Beschäftigung: Die bestehende Gesetzeslücke sei in der Weise auszufüllen, daß der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber nach der Beendigung der tatsächlichen Beschäftigung für diese Beiträge im Wege der Nachversicherung nachentrichte, wie wenn der Entlassene erst mit der Beendigung der tatsächlichen Weiterbeschäftigung aus dem versicherungsfreien Beamtenverhältnis ausgeschieden wäre. Aus der bisherigen Rechtsprechung ist jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß von der Beschränkung der Nachversicherung auf sonst versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten eine Ausnahme gemacht werden könnte.

Auch das vom Kläger geltend gemachte Versorgungsbedürfnis von Zeitbeamten kann eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen. Der von der Revision angeführten Entscheidung des erkennenden Senats (BSGE 24, 106, 111) ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Soweit dort vom Versorgungsbedürfnis die Rede ist, findet sich jedenfalls kein Anhalt, daß dessen Umfang nach den Grundsätzen der beamtenrechtlichen Versorgung, und nicht nach Maßgabe der infolge der Beamtenvorschriften nicht durchgeführten Rentenversicherung zu bestimmen ist. Soweit ein über die Nachversicherung der sonst versicherungspflichtigen Beschäftigungszeit hinausgehendes Versorgungsbedürfnis anzuerkennen wäre, könnte dem nur im Rahmen des Beamtenrechts vom Dienstherrn Rechnung getragen werden.

Eine Nachversicherung der im einstweiligen Ruhestand verbrachten Zeit kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß sich die ruhegehaltsfähige Dienstzeit des Klägers nach § 7 Satz 1 Nr 2 LBG NRW um die im einstweiligen Ruhestand zurückgelegte Zeit erhöht.

Desgleichen ist der Einwand des Klägers unerheblich, ihm sei während des einstweiligen Ruhestandes eine Arbeit nicht zumutbar gewesen, weil etwaige Bezüge in vollem Umfang auf seinen Versorgungsanspruch angerechnet worden wären. Ruhegehaltsfähige Dienstzeiten auch dann nachzuversichern, wenn diese ohne die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht versicherungspflichtig gewesen wären, widerspricht Sinn und Zweck der Nachversicherung. Schon die Stellung der Vorschrift im Gesetz im Anschluß an die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit der Beamten ergibt, daß nur Nachteile der Versicherungsfreiheit und nicht der Verlust der beamtenrechtlichen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit ausgeglichen werden sollen. Insoweit handelt es sich um einen tragenden Grundsatz der Nachversicherung, der auch für die fiktive Nachversicherung nach § 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art 131 des Grundgesetzes fallenden Personen und nach § 99 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes gilt (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, SozR 2200 § 160 Nr 12). Dementsprechend wurde beim Streit über den Umfang einer durchzuführenden Nachversicherung immer auf die sonst bestehende Versicherungspflicht abgehoben und nicht auf eine etwaige Anrechnung auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit. So wurde die Nachversicherung abgelehnt für die Zeit einer nicht dem deutschen Versicherungsrecht unterliegenden Beschäftigung an einer Auslandsschule trotz zugesicherter Anrechnung auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit (BSGE 50, 289 = SozR 2200 § 1232 Nr 9), für Absolventen der einstufigen Juristenausbildung, soweit sie als Studenten versicherungsfrei waren (SozR 2200 § 1232 Nr 19 und Nr 21) und für Beamtenanwärter, die nur einen Unterhaltszuschuß erhalten haben (SozR 2200 § 160 Nr 12).

Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518024

BSGE, 10

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