Leitsatz (amtlich)
Hat die frühere Ehefrau für 5 Jahre seit Rechtskraft des Scheidungsurteils auf Unterhalt verzichtet und stirbt der Versicherte etwa 2 Jahre und 8 Monate nach Rechtskraft des Urteils, so sind die Wirkungen des Unterhaltsverzichts für die Feststellung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten nicht als nur zufällig bestehende und bloß vorübergehende Besonderheit in den unterhaltsrechtlichen Beziehungen der geschiedenen Eheleute zu bewerten.
Normenkette
RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 42 S. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 1969 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin die Hinterbliebenenrente gemäß § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aus der Versicherung ihres früheren, am 12. Dezember 1967 gestorbenen Ehemannes zusteht.
Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde auf dessen Verlangen durch rechtskräftiges Urteil vom 2. April 1965 ohne Schuldausspruch geschieden. Am selben Tage schlossen die Parteien des Ehescheidungsstreites vor Rechtskraft des Urteils zu Protokoll des Gerichts einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:
1) Die Parteien verzichten gegenseitig für die nächsten fünf Jahre ab Rechtskraft des Scheidungsurteils auf Unterhalt auch für den Fall des Notbedarfs.
2) Nach Ablauf der fünf Jahre leistet der Kläger der Beklagten Unterhalt, und zwar im Rahmen des § 61 Abs. 2 EheG.
Die Beklagte lehnte den im Dezember 1967 gestellten Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. Februar 1968 ab, weil keine der Voraussetzungen des § 42 AVG erfüllt seien. Die Klägerin machte demgegenüber geltend, der Unterhaltsvergleich habe den Sinn gehabt, zunächst den Unterhalt für drei ihrer vier Kinder in Höhe von insgesamt 360,- DM monatlich und sodann nach Wegfall dieser Belastung in etwa fünf Jahren ihren - der Klägerin - Unterhalt sicherzustellen. Im Zeitpunkt des Todes ihres früheren Ehemannes habe ihr ein - wenn auch befristeter (zukünftiger) - Unterhaltsanspruch zugestanden. Sollte § 42 AVG jedoch den Inhalt haben, daß einer früheren Ehefrau nur dann die Hinterbliebenenrente zustehe, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits einen unbefristeten (gegenwärtigen) Unterhaltsanspruch gehabt habe, so sei die Bestimmung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar; denn ein sachlicher Grund zur unterschiedlichen Behandlung derjenigen früheren Ehefrauen, die im Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehemannes einen unbefristeten (gegenwärtigen) und derjenigen früheren Ehefrauen, die in diesem Zeitpunkt einen befristeten (zukünftigen) Anspruch auf Unterhalt gehabt hätten, sei nicht erkennbar.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision zugelassen. Nach seinen Feststellungen hat der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt nicht geleistet. Das LSG hat ausgeführt, der Versicherte habe der Klägerin auch nicht zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten gehabt. Da die Frist für die Geltung des Unterhaltsverzichts bis zum Tode des Versicherten nicht abgelaufen gewesen sei, sei der Klägerin kein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten erwachsen (Bundessozialgericht - BSG - in SozR Nr. 33 und Nr. 35 zu § 1265 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Der Klägerin habe im Zeitpunkt des Todes ihres früheren Ehemannes auch kein zukünftiger (befristeter) Unterhaltsanspruch gegen ihn zugestanden, denn der Anspruch auf Unterhalt habe erst mit Ablauf der für den Unterhaltsverzicht vereinbarten Frist von fünf Jahren und nur unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 EheG entstehen können; ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift nach Ablauf von fünf Jahren eingetreten wären, wenn der Versicherte diesen Zeitpunkt noch erlebt hätte, ließe sich nicht feststellen. Aus diesem Grunde könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin gegen ihren früheren Ehemann zur Zeit seines Todes bereits einen Unterhaltsanspruch für die Zeit nach Ablauf der für den Unterhaltsverzicht geltenden Frist gehabt habe. In der Regelung des § 42 AVG könne ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht erblickt werden. Unter Berücksichtigung der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente für eine frühere Ehefrau des Versicherten habe der Gesetzgeber als den sachlich zutreffenden Anknüpfungspunkt der Unterhaltsverpflichtung oder der Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes die Zeit vor seinem Tode gewählt. Nach der Ehescheidung habe eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Klägerin nicht wegen seiner Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse, sondern wegen des von ihr erklärten Unterhaltsverzichts nicht bestanden, so daß der Rentenanspruch auch nicht aus der Vorschrift des § 42 Satz 2 AVG hergeleitet werden könne.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie unrichtige Anwendung des § 42 AVG rügt. Sie beantragt sinngemäß, die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 13. März 1969 und des Sozialgerichts (SG) Koblenz vom 26. Juni 1968 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1968 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente vom 1. Dezember 1967 an zu gewähren, hilfsweise unter Aussetzung des Verfahrens die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, ob § 42 AVG mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar ist, hilfsweise das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil hat der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt nicht geleistet. Der Rentenanspruch der Klägerin kann daher, soweit § 42 Satz 1 AVG in Frage steht, nur darauf gestützt werden, daß ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG (erster Fall) oder aus sonstigen Gründen (zweiter Fall) zu leisten hatte. Diese Anspruchsvoraussetzungen hat das LSG im Ergebnis zu Recht nicht als erfüllt angesehen.
Die Klägerin hat durch den Unterhaltsvergleich vom 2. April 1965 rechtswirksam gemäß § 72 EheG für die Zeit von fünf Jahren seit Rechtskraft des Ehescheidungsurteils gegenüber ihrem früheren Ehemann auf Unterhalt verzichtet. In der Zeit vor seinem Tode hatte der Versicherte sonach seit dem 2. April 1965, also bereits für eine Zeit von zwei Jahren und acht Monaten Unterhalt weder nach den Vorschriften des EheG noch aus sonstigen Gründen zu leisten. Er hätte der Klägerin im Rahmen des § 61 Abs. 2 EheG Unterhalt erst nach Ablauf von zwei Jahren und vier Monaten nach seinem Tode zu leisten gehabt, weil erst dann die Zeit von fünf Jahren, für die der Unterhaltsverzicht gegolten hätte, abgelaufen gewesen wäre. Bei dieser Sach- und Rechtslage hatte der Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes weder nach den Vorschriften des EheG noch aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten.
Die Revision meint demgegenüber, für die Rente nach § 42 Satz 1 AVG (erster und zweiter Fall) müsse es genügen, daß für den Versicherten zur Zeit seines Todes überhaupt eine Unterhaltspflicht - wenn auch als zukünftige - bestanden habe. Für den geschiedenen Ehemann sei der Klägerin gegenüber im Zeitpunkt seines Todes eine solche Unterhaltspflicht begründet gewesen, und zwar nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren seit der Ehescheidung. Der lediglich befristete Unterhaltsverzicht habe für die Zeit nach Ablauf von fünf Jahren den Unterhaltsanspruch der Klägerin sicherstellen sollen. Durch den Vergleich sei die Unterhaltspflicht ihres geschiedenen Mannes festgelegt gewesen. Diese feste Verpflichtung des Versicherten, von einem bestimmten Zeitpunkt an Unterhalt zu leisten, unterscheide sich von den Fällen, in denen zukünftige Unterhaltszahlungen von weiteren Bedingungen abhängig gewesen wären. Es könne nicht der Sinn der Regelung des § 42 Satz 1 AVG sein, daß derjenigen früheren Ehefrau eine Rente zu gewähren sei, die gegen den Versicherten im Zeitpunkt seines Todes einen gegenwärtigen Unterhaltsanspruch gehabt habe ohne Rücksicht darauf, ob dieser Unterhaltsanspruch einen Tag lang oder über 20 Jahre lang bestanden habe, während diejenige frühere Ehefrau keine Rente zu erhalten habe, die von dem Versicherten die Leistung von Unterhalt erst für die Zeit von einem Tag nach seinem Tode hätte beanspruchen können, obschon seine Unterhaltspflicht bereits vor seinem Tode festgelegt gewesen sei. - Diese Erwägungen der Revision geben zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des gegenwärtigen Falles keinen Anlaß.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 23. August 1956 (BSG 3, 197 ff) zu § 1256 Abs. 4 RVO in der bis zum 31. Dezember 1956 gültigen Fassung ausgesprochen, daß der Gesetzgeber durch die Worte "Unterhalt zu leisten hatte" an die Worte des § 58 EheG "hat zu gewähren" und des § 59 EheG "braucht nur ... zu leisten" anknüpft. Dadurch komme zum Ausdruck, daß die Rentengewährung an eine geschiedene Frau von der konkreten Pflicht des Mannes zur Unterhaltsleistung abhängt (§ 58, § 59 EheG). Dieser Grundsatz hat für die Bestimmung des § 42 Satz 1 AVG (erster Fall), dessen Wortlaut insoweit mit der früheren Vorschrift des § 1256 Abs. 4 RVO a.F. übereinstimmt, in gleicher Weise zu gelten. Den Rentenanspruch einer früheren Frau des Versicherten macht das Gesetz in § 42 Satz 1 AVG (erster Fall) somit grundsätzlich davon abhängig, daß für den Versicherten zur Zeit seines Todes nach den Vorschriften des EheG eine konkrete Pflicht zur Unterhaltsleistung bestanden hat.
Ob eine solche konkrete Unterhaltspflicht auch dann vorliegt, wenn die Zahlung von Unterhalt in Höhe eines bestimmten Betrages von einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt an fest vereinbart ist und dieser Zeitpunkt zur Zeit des Todes des Versicherten noch nicht eingetreten war, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden; denn eine solche Pflicht des Versicherten zur zukünftigen Zahlung von Unterhalt war in dem Vergleich vom 2. April 1965 entgegen der Ansicht der Revision nicht vereinbart worden. Zwar sollte der Versicherte der Klägerin nach Ablauf der Frist von fünf Jahren seit Rechtskraft des Scheidungsurteils Unterhalt leisten, jedoch nur im Rahmen des § 61 Abs. 2 EheG. Der Versicherte hätte der Klägerin also vom 2. April 1970 an nicht einen feststehenden Geldbetrag als Unterhalt zu leisten gehabt. Vielmehr wäre seine Leistungspflicht auch von diesem Zeitpunkt an davon abhängig gewesen, daß alle für seine Unterhaltspflicht in § 61 Abs. 2 EheG aufgestellten besonderen Voraussetzungen erfüllt gewesen wären.
Die Frage, ob der Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes im Sinne des § 42 Satz 1 AVG (erster Fall) Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu Leisten hatte, beurteilt sich auch nicht danach, wie die materielle Rechtslage gerade im Zeitpunkt des Todes des Versicherten gewesen ist. Ebensowenig stellt das Gesetz darauf ab, wie sich die Verhältnisse des Versicherten, falls er nicht gestorben wäre, vermutlich weiterentwickelt hätten und wie sie sich bei der geschiedenen Frau nach dem Tode des Versicherten tatsächlich weiterentwickelt haben. Vielmehr kommt es auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten an, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat.
Nach dem Zweck des § 42 AVG hat die Hinterbliebenenrente an die frühere Ehefrau Unterhaltsersatzfunktion. Die Rente soll die Unterhaltspflicht oder die Unterhaltsleistung des Versicherten ersetzen, die für die frühere Frau durch seinen Tod entfallen ist. Dafür, daß sie aus der Versicherung ihres geschiedenen Mannes eine - meist lebenslängliche - Rente erhält, die u.U. sogar den Rentenanspruch einer Witwe gemäß § 45 Abs. 4 AVG schmälert, macht das Gesetz zur Voraussetzung, daß der Versicherte in der Zeit vor seinem Tode entweder ihr zur Leistung von Unterhalt verpflichtet war oder ihr tatsächlich Unterhalt geleistet hat. Demnach geht das Gesetz von tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen aus, die in der Zeit vor dem Tode des Versicherten bestanden haben. Dabei unterstellt das Gesetz, daß dieser vor dem Tode des Versicherten wirklich gegeben gewesene Zustand fortgedauert hätte; denn dadurch, daß es an ihn die fortwirkenden Rechtsfolgen knüpft, ob die frühere Ehefrau für ihren Unterhalt für alle Zukunft eine Rente erhält oder nicht, wird dem Zustand vor dem Tode des Versicherten eine über seinen Tod hinauswirkende Fortdauer zugemessen. Eine so weitgehende rechtliche Bedeutung kann aber den wirtschaftlichen Verhältnissen der geschiedenen Eheleuten vor dem Tode des Versicherten nur zukommen, wenn es sich dabei nicht nur um einen bloß vorübergehenden Zustand gehandelt hat, sondern wenn es ein wirtschaftlicher Dauerzustand gewesen ist. Andernfalls würden für die Gewährung oder Ablehnung der Hinterbliebenenrente nur zufällig bestehende und vorübergehende Besonderheiten in der unterhaltsrechtlichen Beziehung der geschiedenen Ehegatten zueinander, also reine Zufälligkeiten ausschlaggebend sein (vgl. BSG in SozR Nr. 46 zu § 1265 RVO).
Kommt es danach auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten an und müssen vorübergehende unterhaltsrechtliche Besonderheiten außer Betracht bleiben, so fragt es sich, ob ein zur Zeit des Todes wirksamer befristeter Unterhaltsverzicht als eine nur zufällig bestehende und bloß vorübergehende unterhaltsrechtliche Beziehung unter den geschiedenen Ehegatten zu gelten hat, die für die Feststellung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten unberücksichtigt zu bleiben hat, ob es also für den Rentenanspruch nach § 42 Satz 1 AVG (erster Fall) genügt, wenn in der Zeit vor dem Tode des Versicherten die frühere Ehefrau zwar keinen gegenwärtigen, also damals schon fälligen Anspruch auf Unterhalt gegen den Versicherten gehabt hat, aber bereits einen zukünftigen, erst nach seinem Tode fälligen Unterhaltsanspruch. Das BSG hat bereits entschieden, daß für die Ermittlung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten die zeitliche Befristung der entgeltlichen, wenige Monate vor dem Tode aufgenommenen Beschäftigung der früheren Frau, die schon vor dem Tode des Versicherten festgestanden hat, nicht außer acht gelassen werden darf; denn wollte man - so ist in dieser Entscheidung ausgeführt - eine von vornherein befristete Beschäftigung und Einkommensänderung immer dann als Dauerzustand werten, wenn sie jedenfalls über den Tod des Versicherten hinaus gedauert haben, dann könnten letztlich doch Zufälligkeiten und vorübergehende Besonderheiten ausschlaggebend werden. Das solle aber mit dem Abstellen auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten gerade vermieden werden (BSG in SozR Nr. 46 zu § 1265 RVO).
Der Fall, daß in der Zeit vor dem Tode des Versicherten die Voraussetzungen seiner Pflicht zur Zahlung von Unterhalt nach § 61 Abs. 2 EheG an sich erfüllt waren und er nur wegen eines befristeten Unterhaltsverzichts Unterhalt nicht zu leisten hatte, der Versicherte der früheren Ehefrau aber wegen Ablaufs der für den Unterhaltsverzicht geltenden Frist am Tage oder wenige Tage nach seinem Tode Unterhalt zu leisten gehabt hätte, ist hier nicht gegeben, so daß auch des weiteren nicht zu prüfen ist, ob bei einer solchen Sachlage der zur Zeit des Todes noch geltende Unterhaltsverzicht als vorübergehende unterhaltsrechtliche Beziehung der geschiedenen Eheleute zu bewerten und für die Ermittlung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht zu beachten ist. Der durch den Unterhaltsvergleich vom 2. April 1965 vereinbarte beiderseitige Unterhaltsverzicht für die Zeit von fünf Jahren nach Rechtskraft des Ehescheidungsurteils kann jedenfalls nicht als eine zur Zeit des Todes des Versicherten am 12. Dezember 1967 nur zufällig bestehende und bloß vorübergehende unterhaltsrechtliche Besonderheit bewertet werden. Selbst wenn für die Unterhaltspflicht des Versicherten in der Zeit vor seinem Tode alle Voraussetzungen nach § 61 Abs. 2 EheG erfüllt gewesen wären und wenn seine Unterhaltspflicht nur wegen des vereinbarten Unterhaltsverzichts nicht bestanden hätte, so ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode des früheren Ehemannes der Klägerin doch dadurch bestimmt gewesen, daß die Klägerin seit der Scheidung am 2. April 1965 bis zum Tode des Versicherten am 12. Dezember 1967, also für die Zeit von zwei Jahren und acht Monaten von ihm keinen Unterhalt zu beanspruchen gehabt hatte. Dieser Zustand hätte über den Tod hinaus noch für weitere zwei Jahre und vier Monate fortgedauert. Verhältnisse, die erst über zwei Jahre nach dem Tode des Versicherten eintreten sollen, können ebensowenig dem Begriff "zur Zeit des Todes" im Sinne des § 42 Satz 1 AVG (erster Fall und zweiter Fall) zugerechnet werden, wie Verhältnisse, die über zwei Jahre vor dem Tode des Versicherten liegen (vgl. hierzu BSG 3, 197, 200; 12, 278, 279: SozR Nr. 9 zu § 1265 RVO). Der Unterhaltsverzicht, der für die Zeit von zwei Jahren und acht Monaten vor dem Tode des Versicherten gegolten hat und für die Zeit von zwei Jahren und vier Monaten über den Tod weitergegolten hätte, muß vielmehr dem wirtschaftlichen Dauerzustand zugerechnet werden, der vor dem Tode des Versicherten bestanden hat; denn die Klägerin hatte sich darauf einrichten müssen, daß sie vom Versicherten keinen Unterhalt zu beanspruchen hatte und gegen ihn auch in der nächsten absehbaren Zeit keinen Unterhaltsanspruch haben würde. Durch den Tod des Versicherten ist für sie weder eine tatsächliche Unterhaltsleistung des Versicherten noch ein Unterhaltsanspruch gegen ihn entfallen, den sie während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode für ihren laufenden Unterhalt hätte verwerten können. Danach fehlt es an Unterhaltspflichten oder Unterhaltsleistungen, deren Wegfall infolge des Todes des Versicherten durch die Hinterbliebenenrente gemäß § 42 AVG im Hinblick auf ihre Unterhaltsersatzfunktion zu ersetzen wäre.
Da der Versicherte der Klägerin im Sinne des Gesetzes somit zur Zeit seines Todes Unterhalt weder nach den Vorschriften des EheG noch aus sonstigen Gründen zu leisten hatte, kann ihr Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Vorschrift des § 42 Satz 1 AVG nicht hergeleitet werden.
Die von der Revision gegen die Gültigkeit des § 42 Satz 1 AVG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet. Die Vorschrift des § 42 Satz 1 AVG ist nicht ohne weiteres dahin auszulegen, daß der früheren Ehefrau nur dann eine Rente zu gewähren ist, wenn für den Versicherten im Zeitpunkt seines Todes eine konkrete Pflicht zur gegenwärtigen - also fälligen - Unterhaltsleistung bestanden hat, und daß es in keinem Falle genügt, wenn für den Versicherten in der Zeit vor seinem Tode nur eine Pflicht zur zukünftigen, erst nach seinem Tode fälligen Unterhaltszahlung begründet war. Vielmehr ist dafür, ob der Versicherte der früheren Ehefrau zur Zeit seines Todes nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten hatte, der letzte wirtschaftliche Dauerzustand maßgebend. Es ist eine Frage der Ermittlung dieses letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten, ob eine bereits vor dem Tode begründete Pflicht des Versicherten zur Zahlung von Unterhalt an die frühere Ehefrau von einem kalendermäßig bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt an zu beachten ist oder nicht und wie sich eine solche Unterhaltspflicht im Einzelfall auswirkt. Da der Vorschrift des § 42 Satz 1 AVG nicht die Auslegung zukommt, die von der Revision als verfassungswidrig angesehen wird, bedarf es bereits aus diesem Grunde keines weiteren Eingehens auf diesen Einwand.
Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente der Klägerin ist auch nicht, wie das LSG ebenfalls zu Recht entschieden hat, gemäß § 42 Satz 2 AVG begründet. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Klägerin ist zur Zeit seines Todes, also während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode, nicht wegen seiner Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse nicht begründet gewesen, sondern der Versicherte hatte ihr nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen deshalb Unterhalt nicht zu leisten, weil sie in dem Vergleich auf Unterhalt verzichtet hatte.
Die Revision der Klägerin kann aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1669017 |
BSGE, 5 |