Leitsatz (redaktionell)

Ein Rentenempfänger der Arbeiterrentenversicherung der gleichzeitig Versorgungsempfänger ist (Rentnerpensionär), hat Anspruch auf Maßnahmen wegen Tuberkulose nach RVO § 1244a Abs 1, wenn er weder zu den Personen gehört, die nach RVO § 1229 Abs 1 Nr 2 - 5 versicherungsfrei sind, noch zu denen, die nach RVO §§ 1230, 1231 Abs 1 von der Versicherungspflicht befreit sind.

Ein Rentnerpensionär, der in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, wird von der Ausnahmevorschrift des RVO § 1244a Abs 7 S 2 nicht erfaßt.

 

Normenkette

RVO § 1244a Abs. 1 Fassung: 1959-07-23, § 1229 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-02-23, Nr. 3 Fassung: 1965-06-09, Nr. 4 Fassung: 1957-02-23, Nr. 5 Fassung: 1957-02-23, § 1230 Fassung: 1965-06-09, § 1231 Abs. 1 Fassung: 1965-06-09, § 1244a Abs. 7 S. 2 Fassung: 1959-07-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. März 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob ein Rentner, der gleichzeitig Beamter im Ruhestand ist, Anspruch auf Maßnahmen der Tuberkulose(Tbc)-Hilfe gemäß § 1244 a Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen den Rentenversicherungsträger hat oder ob dieser Anspruch gemäß § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO ausgeschlossen ist, so daß sein Anspruch sich gemäß § 21 des Gesetzes über die Tbc-Hilfe (THG) gegen den Träger der Versorgungslast richtet.

Der im April 1900 geborene Kläger bezog seit Januar 1949 Invalidenrente. Außerdem erhielt er als ehemaliger Polizeibeamter seit 1955 Versorgungsbezüge nach dem Gesetz zur Regelung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Im November 1957 erkrankte er an einer Lungen-Tbc. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens vom 3. November 1960 wurde eine erneute stationäre Heilbehandlung erforderlich, die in der Zeit vom 9. Februar bis 5. September 1961 durchgeführt wurde. Im März 1962 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm für die Zeit seiner erneuten Heilbehandlung die Gesundheitsmaßnahmen bei Tbc-Erkrankung zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. April 1962 ab, weil sie für die Durchführung der Gesundheitsmaßnahmen nicht zuständig sei. Der Kläger sei als Stadtwachtmeister tätig gewesen und erhalte Versorgungsbezüge von der Finanzmittelstelle Ansbach. Der Gesetzgeber habe mit § 1244 a Abs. 7 RVO ausdrücklich bei konkurrierender Zuständigkeit den Dienstherrn anstelle des Rentenversicherungsträgers gesetzt.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die Kosten für die stationäre Behandlung des Klägers vom 9. Februar bis 5. September 1961 zu übernehmen (Urteil vom 7. Dezember 1966). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat sich der Entscheidung des 12. Senats vom 24. Februar 1966 (SozR Nr. 3 zu § 1244 a RVO) angeschlossen und die Auffassung vertreten, daß ein Rentner der Arbeiterrentenversicherung (ArV) auch dann, wenn er gleichzeitig Beamter im Ruhestand ist, von dem Anspruch nach § 1244 a Abs. 1 RVO gegen den Träger der Rentenversicherung auf Maßnahmen der Tbc-Hilfe nicht nach § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO ausgeschlossen ist, wenn er weder nach § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 RVO versicherungsfrei noch gemäß §§ 1230, 1231 Abs. 1 RVO von der Versicherungspflicht befreit ist.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt, mit der sie unrichtige Anwendung des § 1244 a RVO rügt. Sie ist der Meinung, daß der gegen sie gerichtete Anspruch des Klägers auf Durchführung der Maßnahmen der Tbc-Hilfe gemäß § 1244 a Abs. 7 RVO ausgeschlossen sei; das Urteil des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), auf das sich das LSG bei seiner Entscheidung berufen habe, werde den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht gerecht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 4. März 1969 und das Urteil des SG Bayreuth vom 7. Dezember 1966 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Unrecht wendet sich die Beklagte gegen die Entscheidung der Vorinstanzen, daß sie gemäß § 1244 a Abs. 1 RVO dafür zuständig ist, dem Kläger als Rentner der ArV in der Zeit seiner stationären Heilbehandlung vom 9. Februar bis 5. September 1961 die Maßnahmen der Tbc-Hilfe zu gewähren. Entgegen der Auffassung der Revision gehört der Kläger, obgleich er zugleich Versorgungsempfänger ist, nicht zu den Personen, deren Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger gemäß § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO ausgeschlossen ist.

Der 12. Senat des BSG hat bereits in einem gleichgelagerten Fall durch sein Urteil vom 24. Februar 1966 (SozR Nr. 3 zu § 1244 a RVO) entschieden, daß ein Rentner der ArV, auch wenn er gleichzeitig Versorgungsempfänger ist, von seinem Anspruch auf Maßnahmen der Tbc-Hilfe gemäß § 1244 a Abs. 1 RVO gegen den Rentenversicherungsträger nicht nach § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO ausgeschlossen ist, wenn er weder zu den Personen gehört, die nach § 1229 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 RVO versicherungsfrei sind, noch zu denen, die gemäß §§ 1230, 1231 Abs. 1 RVO von der Versicherungspflicht befreit sind; für die Maßnahmen der Tbc-Hilfe ist nicht der Träger der Versorgungslast gemäß § 21 THG (heute: § 127 des Bundessozialhilfegesetzes), sondern der Rentenversicherungsträger gemäß § 1244 a Abs. 1 RVO zuständig. Der 12. Senat hat in seinem Urteil im einzelnen dargelegt, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Rentner, der Versorgungsempfänger ist und in keinem Beschäftigungsverhältnis steht, von der Ausnahmevorschrift des § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO nicht erfaßt wird. Er hat sich mit den bereits damals von der Beklagten gegen die Richtigkeit dieser Ansicht vorgebrachten Einwendungen auseinandergesetzt und ausgeführt, daß im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO sowie auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift kein Anlaß besteht, abweichend von dem Wortlaut des Gesetzes, Rentner, die Versorgungsempfänger sind und in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, in diese Vorschrift mit einzubeziehen.

Der 11. Senat des BSG hat sich in seinem Urteil vom 28. August 1969 (SozR Nr. 13 zu § 1244 a RVO) der Entscheidung des 12. Senats und den dafür angeführten Gründen ausdrücklich angeschlossen. Der 1. Senat tritt der Entscheidung des 12. Senats ebenfalls bei. In den bereits vorliegenden Urteilen des BSG sind die von der Beklagten erneut erhobenen Einwendungen mit überzeugenden Gründen schon als nicht durchgreifend abgelehnt worden. Neue rechtliche Gesichtspunkte, die in den Entscheidungen des 12. und 11. Senats nicht bereits behandelt worden sind, werden von der Revision nicht vorgetragen.

Der Kläger ist schon bei Beginn seiner stationären Heilbehandlung Rentenbezieher und zugleich Versorgungsempfänger gewesen und hat in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er war also weder nach § 1229 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 RVO versicherungsfrei noch nach den §§ 1230, 1231 Abs. 1 RVO von der Versicherungspflicht befreit. Er gehörte sonach nicht zu dem Personenkreis, der gemäß § 1244 a Abs. 7 Satz 2 RVO von seinem Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung der Maßnahmen der Tbc-Hilfe ausgeschlossen ist.

Das LSG hat demnach die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, so daß ihre Revision ebenfalls keinen Erfolg haben kann.

Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Revisionsverfahrens ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669870

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