Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 22.01.1969) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten auch der Revisionsinstanz zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Kläger – der Werkmeister Sch. (S.), der Disponent F. (F.) und der Karteiführer G. (G.) – waren über 15 Jahre lang bei der Firma N. H. – W. GmbH beschäftigt. Im Zuge eines betriebsbedingten umfangreichen Personalabbaus wurde ihnen Ende 1966 fristgemäß (§ 2 des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9.7.1926 – RGBl I, 399) zum 30. Juni 1967 gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht, bei dem sie auf Feststellung klagten, daß die Arbeitsverhältnisse durch die Kündigungen nicht aufgelöst worden seien, einigten sie sich durch Vergleich vom 1. Februar 1967 (bei S. ergänzt durch weiteren Vergleich vom 2. März 1967) mit der Arbeitgeberin dahin, daß das bisherige Arbeitsverhältnis zum 30. April 1967 sein Ende fand und die Arbeitgeberin sich verpflichtete, an die Kläger zur Wahrung ihres sozialen Besitzstandes gemäß §§ 7, 8 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) bestimmte Beträge, nämlich für F. 1.600,40 DM, für G. 1.366,– DM und für S. 2.036,– DM zu zahlen.
Die Kläger, die demgemäß am 30. April 1967 aus ihrem bisherigen Beschäftigungsverhältnis ausschieden, meldeten sich am 2. Mai 1967 beim Arbeitsamt (ArbA) Nürnberg arbeitslos und beantragten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheiden vom 10. Mai 1967 an F., vom 11. Mai 1967 an G. und vom 8. Juni 1967 an S. wurde ihnen mitgeteilt, daß das Alg wegen der gewährten Abfindung gemäß § 96 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. Juni 1967 (bei F.), vom 10. Mai bis 24. Juni 1967 (bei G.) und vom 1. Mai bis 28. Juni 1967 (bei So) ruhe. Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger nach erfolglosen Widersprüchen Klage mit der Begründung, es handele sich bei der ihnen gewährten Abfindung nicht um Arbeitsentgelt, sondern um eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und ihres sozialen Besitzstandes, insbesondere auch der ihnen entgangenen betrieblichen Altersversorgung.
Das Sozialgericht (SG) hat die drei Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 19. Oktober 1967 die angefochtenen Bescheide insoweit auf gehoben, als sie ein Ruhen des Arbeitslosengeldes über den nach § 97 AVAVG zulässigen Zeitraum von je 12 Tagen hinaus feststellen. Zur Begründung wird ausgeführt, daß die nach §§ 7, 8 KSchG gewährten Abfindungen kein anrechenbares Arbeitsentgelt i.S. des § 96 AVAVG darstellten, weil sie als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes und nicht zur Abgeltung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gewährt worden seien, wie sich aus den überzeugenden Aussagen der Zeugen L. und I., die als Prozeßbevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht den Vergleich geschlossen hätten, ergebe. Indessen ruhten die Ansprüche der Kläger auf Alg für die Dauer von 12 Tagen, weil sie zu Lasten der beklagten Bundesanstalt für Arbeit in dem Vergleich auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet hätten.
Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) nach Beiziehung der arbeitsgerichtlichen Vorgänge und erneuter Vernehmung des Zeugen L. mit folgender Begründung zurückgewiesen: Die Berufung sei an sich nach § 147, jedenfalls aber nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen, im vorliegenden Fall jedoch nach § 150 Nr. 2 SGG zulässig, weil die Beklagte einen wesentlichen Mangel des Verfahrens vor dem SG zutreffend, gerügt habe. Da es für das SG auch nach seiner eigenen Rechtsauffassung entscheidend gewesen sei, welchen Charakter die den Klägern in den arbeitsgerichtlichen Vergleichen zugebilligten Abfindungen gehabt hätten, hatte es zur Klärung dieser Frage die Akten des Arbeitsgerichts beiziehen müssen; es habe auch die Zeugen nicht ausreichend vernommen. Die somit zulässige Berufung sei jedoch nicht begründet. Das den Klägern nach ihrer Arbeitslosmeldung zustehende Alg unterliege keinem Ruhenstatbestand nach § 96 Abs. 1 AVAVG. Die den Klägern anläßlich ihres Ausscheidens gezahlten Abfindungen seien, wie auch die Beklagte einräume, kein Arbeitsentgelt i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 AVAVG gewesen. Es handele sich nach dem gegebenen Sachverhalt aber auch nicht um Abfindungen, die nach Satz 2 dieser Vorschrift deshalb als Arbeitsentgelt zu gelten hätten, weil sie nach den Umständen des Einzelfalles zur Ablösung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gewährt worden seien. Eine nach den §§ 7, 8 KSchG für den Verlust des sozialen Besitzstands gewährte sogenannte „Abkehrentschädigung” sei kein anzurechnendes Arbeitsentgelt i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 2 AVAVG (BSG 20, 20). Echte Abfindungen nach dem KSchG stellten allerdings die den Klägern gewährten Beträge nicht dar, da die Arbeitsverhältnisse der Kläger bereits zwei Monate vor dem Zeitpunkt beendet worden seien, zu dem sie bei normaler, sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätten. Das zwinge aber nicht dazu, sie als anzurechnendes Arbeitsentgelt i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 2 AVAVG gelten zu lassen; es sei vielmehr zu prüfen, aus welchen Erwägungen sie gewährt worden seien. Die vorzeitige Beendigung der Arbeitsverhältnisse um zwei Monate und die Abfindung in Höhe von jeweils zwei Nettogehältern spreche an sich für den Entgeltcharakter der Zahlung. Es lägen indessen besondere Umstände vor, die erkennen ließen, daß die Abfindungen doch als reine Entschädigungen für den Verlust der langjährig innegehabten Arbeitsplätze und des damit erworbenen Besitzstandes i. S. einer „Abkehrentschädigung” anzusehen seien. Die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses habe vom Standpunkt der Kläger aus einen -durchaus glaubhaften- Grund in der Überlegung gehabt, daß sie bei einem Ausscheiden zum 30. April 1967 wegen der saisonüblichen Belebung des Arbeitsmarktes eine größere Chance, neue Arbeitsplätze zu finden, gehabt hätten als später im Sommer; es könne daher auch nicht gesagt werden, daß die vorzeitige Beendigung der Arbeitsverhältnisse zu Lasten der Beklagten vereinbart worden sei. Es komme hinzu, daß die Kläger, die 17 bis 19 Jahre bei den H. – W. tätig gewesen seien, wohl mit Sicherheit – wäre es bei der Kündigung zum 30. Juni 1967 verblieben – beachtliche Abfindungen nach dem KSchG erhalten hätten, die dann nicht anrechenbar gewesen wären. Außerdem habe bei der Firma eine betriebliche Altersversorgung bestanden, nach der Arbeitnehmer mit mehr als zehnjähriger Betriebszugehörigkeit im Falle ihres Ausscheidens wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeldbezuges eine Rente von monatlich 40,– DM zuzüglich einer DM für jedes weitere Beschäftigungsjahr erhielten. Die Kläger hätten somit eine – wegen ihres vorgerückten Alters auch bald realisierbare – Anwartschaft in beträchtlichem Umfang erworben. Diese Versorgungsrechte hätten nach nicht anzuzweifelnder Bekundung der Zeugen die wesentliche Grundlage für die Abfindungen gebildet. Die Kläger hätten durch ihr Einverständnis mit der vorzeitigen Beendigung ihrer Beschäftigung auf keinen Fall schlechter gestellt werden sollen, als wenn sie bis zum 30. Juni 1967 bei der Firma verblieben wären. Die fiktiven zwei Monatsgehälter bildeten demnach offensichtlich – und zwar auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberfirma – den Mindestbetrag der sozialen Abfindungen. Den Klägern sei somit für ihr Entgegenkommen zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine soziale Entschädigung eigener Art für den Verlust der lange Jahre innegehabten Arbeitsplätze und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes gewährt worden. Es sei auch nicht festzustellen, daß mit den Abfindungen etwaige Urlaubsansprüche der Kläger abgegolten worden seien, vielmehr spreche der Umstand, daß die Vergleiche erhebliche Zeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen worden seien, gegen eine vorweggenommene Urlaubsabgeltung. Außerdem könnte eine Urlaubsabgeltung nur ein Ruhen des Alg für je 7 Tage bewirken, während in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht das Ruhen des Alg für je 12 Tage ausgesprochen worden sei; da die Kläger einen triftigen Grund zur vorzeitigen Aufgabe ihrer Arbeitsverhältnisse gehabt hätten, sei § 97 AVAVG hier nicht anwendbar.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte als Verletzung materiellen Rechts einen Verstoß gegen § 96 AVAVG, zwar sei dem LSG darin zuzustimmen, daß die gezahlten zwei Monatsgehälter kein Arbeitsentgelt i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 AVAVG darstellten, jedoch könne seiner Auffassung nicht gefolgt werden, daß die Beträge auch nicht als Abfindung i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 2 AVAVG zu gelten hätten. Von seinem eigenen Standpunkt aus, daß die gezahlten zwei Monatsgehälter keine echten Abfindungen nach §§ 7, 8 KSchG darstellten, hätte das LSG sie vielmehr als eine Leistung des Arbeitgebers ansehen müssen, die an die Stelle des eigentlich bis zum Wirksamwerden der Kündigung geschuldeten Arbeitsentgelts getreten sei. Die „besonderen Umstände des Einzelfalles” könnten hier keine andere Beurteilung rechtfertigen. Auch die Erwägung, bei vorzeitigem Ausscheiden im Frühjahr bessere Chancen für einen neuen Arbeitsplatz zu haben, würde die Kläger hierzu nicht veranlaßt haben, wenn sie nicht wenigstens das ihnen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zustehende Entgelt erhalten hätten. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß den Klägern wegen ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit beachtliche Abfindungen zugestanden hätten. Ein Abfindungsanspruch nach dem KSchG setze eine sozial nicht gerechtfertigte Kündigung voraus; hier sei aber die Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 KSchG) sozial gerechtfertigt gewesen. Daran ändere auch die Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nichts. Die Kläger hätten demnach nur eine Abfindung für die entgangenen Gehälter, nicht auch eine „soziale Abfindung” erhalten.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. Oktober 1967 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für richtig. Nach den Realitäten des Arbeitslebens sei es überzeugend, daß der vor dem Arbeitsgericht geschlossene Vergleich das Ziel gehabt habe, ihnen die Chance zu geben, in der Frühjahrskonjunktur einen Arbeitsplatz zu finden.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß das den Klägern zustehende Alg nicht über den Zeitraum von 12 Tagen hinaus ruht; soweit das SG die Bescheide der Beklagten für diesen Zeitraum bestätigt hat, hatten die Kläger die erstinstanzliche Entscheidung nicht angefochten.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 AVAVG ruht der Anspruch auf Alg für die Zeit, für die der Arbeitslose noch Arbeitsentgelt bezieht oder zu beanspruchen hat. Nach Satz 2 der Vorschrift gelten als Arbeitsentgelt in diesem Sinne auch sonstige an den Arbeitnehmer gezahlte Beträge, wenn nach den Umständen des Einzelfalles anzunehmen ist, daß sie zur Abfindung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gewährt worden sind. Grundgedanke dieser gesetzlichen Regelung in beiden Anwendungsfällen ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. August 1963 (BSG 20, 20, 21) ausgeführt hat, daß zu Leistungen nach dem AVAVG so lange kein Anlaß besteht, als der Arbeitnehmer – obwohl formell bereits arbeitslos – aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis noch über Bezüge oder Ansprüche mit Entgelteigenschaft tatsächlich verfügen kann. Daß die den Klägern anläßlich ihres Ausscheidens zum 30. April 1967 vergleichsweise gezahlten Abfindungen kein Arbeitsentgelt i. S. von Satz 1 darstellen, räumt auch die Beklagte ein. Entscheidend ist somit, ob diese Beträge – wie die Beklagte meint – zur Abfindung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gewährt, also statt eines Arbeitsentgelts gegeben worden sind. Maßgebend für diese Beurteilung ist nicht die von den Beteiligten dabei gewählte Bezeichnung, es sind vielmehr die „Umstände des Einzelfalles”. Die Beurteilung des LSG, daß die hier gezahlten Abfindungen keinen Ersatz für Arbeitsentgelte darstellen, ist nach den von ihm festgestellten Umständen der Einzelfälle rechtsirrtumsfrei.
Die Abfindungen, um die es hier geht, wurden jeweils im Rahmen eines Vergleichs vor dem Arbeitsgericht vereinbart; es ging dabei um die Rechtswirksamkeit der – im Zuge einer Massenentlassung – den Klägern gegenüber ausgesprochenen fristmäßigen Kündigung. Die vom Betriebsrat für berechtigt angesehenen Einsprüche der Kläger stützten sich insbesondere darauf, daß bei diesen Kündigungen soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden seien (§ 1 Abs. 3 KSchG vom 10.8.1951). Bei der langzeitigen Angestelltentätigkeit der Kläger im Betrieb und ihrem vorgerückten Alter stellte die Kündigung für sie eine besondere soziale Härte dar, die durch den damit verbundenen Verlust der Antwartschaft auf eine nicht unbeträchtliche betriebliche Altersversorgung noch wesentlich verschärft wurde. Da in dem Vergleichstermin vom 1. Februar 1967 die Prozeßsituation jedenfalls noch als offen anzusehen war, entsprach eine alsbaldige Erledigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich, in dem die Rechtswirksamkeit der Kündigung bestätigt und den Klägern eine Abfindung für den Verlust ihres langjährig innegehabten Arbeitsplatzes und ihrer Versorgungsanwartschaft gewährt wurde, der Interessenlage nicht nur der Kläger, sondern insbesondere auch der Arbeitgeberin. Dabei sind die vereinbarten Abfindungen – als reine „Abkehrentschädigungen” in diesem Sinne betrachtet – der Höhe nach angesichts der besonderen sozialen Härte der Kündigung jedenfalls noch als bescheiden zu bewerten. Eine objektive Würdigung der Prozeßsituation und der Interessenlage der Parteien bei Abschluß des Vergleichs läßt daher die den Klägern gezahlten Beträge als eine besondere, ihrem Wesen nach etwa der Abfindung gemäß §§ 7, 8 KSchG entsprechende Entschädigung erscheinen. Die Besonderheit des Falles liegt allerdings darin, daß in den abgeschlossenen Vergleichen nicht nur die streitige Rechtswirksamkeit der fristmäßigen Kündigungen zum 30. Juni 1967 bestätigt, sondern darüber hinaus eine um zwei Monate frühere Beendigung der Arbeitsverhältnisse vereinbart wurde. Das zwingt aber nicht dazu, die – wie vorstehend dargelegt – ohnehin sachlich gerechtfertigten und gebotenen Abfindungen als vorweggenommenes Arbeitsentgelt für diese zwei Monate anzusehen. Die Vorverlegung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lag, wie das LSG festgestellt hat, nicht nur im Interesse der Arbeitgeberin, sondern auch in dem der Kläger, die zu dem früheren Zeitpunkt nach der Konjunkturlage bessere Aussichten hatten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Unter diesen Umständen konnte ihnen, wenn der eingeschränkte Betrieb für sie schon keine Verwendung mehr hatte, nicht viel daran gelegen sein, auf dem vollen Ablauf ihrer Kündigungsfrist zu bestehen. Entsprach damit die vorfristige Auflösung des Arbeitsverhältnisses der beiderseitigen Interessenlage, so bestand auch kein objektiv begründeter Anlaß, für das in dem Verkürzungszeitraum sonst zu gewährende Arbeitsentgelt eine besondere Entschädigung zu zahlen. Wenn der Vergleich rechtlich auch eine Einheit bildet, so kann man hiernach bei der Beurteilung der vereinbarten Abfindungen doch davon ausgehen, daß deren Charakter als echte „Abkehrentschädigung” durch die zusätzlich vereinbarte Vorverlegung der Beendigung der Arbeitsverhältnisse keine wesentliche Veränderung erfahren hat. Auch der Umstand, daß das Entgegenkommen der Kläger in dieser Beziehung es der Arbeitgeberin leichter machte, eine solche Abfindung zu zahlen, macht diese Abfindung selbst nicht zu einer Entschädigung für künftig entgehendes Arbeitsentgelt. Eine solche Bewertung muß auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Abfindungen der Hohe nach dem Arbeitsentgelt für zwei Monate entsprechen. Entsprechend der Regelung des § 8 KSchG werden Abfindungen dieser Art üblicherweise nach Monatsverdiensten bemessen. Ein Zusammenhang mit der vorfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses um zwei Monate besteht hier nur insofern, als das Arbeitsentgelt für diesen Zeitraum die unterste Grenze der Abfindungshöhe bilden sollte. Daß kein höherer Betrag vereinbart wurde, spricht aber eher dagegen, die Abfindungen als Ersatz für künftiges Arbeitsentgelt anzusehen, weil dann nämlich nichts für eine echte Abkehrentschädigung verbleiben würde; das stände aber im Widerspruch zum eigentlichen Sinn und Zweck des Vergleichs. Aus der Sicht der Arbeitgeberin diente dieser Vergleich nämlich der Ausräumung des Einspruchs der Kläger gegen die – nach ihrer Ansicht sozial ungerechtfertigte – Kündigung. Für die Annahme, daß die Kläger in dem Vergleich auf diesen Einspruch praktisch ohne eine Entschädigung verzichtet haben sollten, bieten die Umstände des Falles aber keinen Anhalt.
Eine rein objektive Ruhensregelung der Art, daß Abfindungen grundsätzlich bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist zu berücksichtigen wären, kann der Vorschrift des § 96 AVAVG, die auf das nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilende Wesen der Abfindung abstellt, nicht entnommen werden. Wenn das Bundesarbeitsgericht in seinen von der Revision angezogenen Urteilen vom 29. August 1968 – 5 AZR 424/67 (Arbeitsrechtliche Praxis – AP – Nr. 5 zu § 96 AVAVG) und 5 AZR 456/67 (Dienstblatt C Nr. 1409 zu § 96 AVAVG) – es begrifflich ausschließt, irgendwelche Arbeitgeberleistungen als Gewährung von Arbeitsentgelt für einen Zeitraum gelten zu lassen, der nach dem Zeitpunkt liegt, an dem das Arbeitsverhältnis bei fristgemäßer und sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte, so bedeutet das nicht auch umgekehrt, daß jede Abfindung als Arbeitsentgelt gelten müsse, wenn das Arbeitsverhältnis vor diesem Zeitpunkt beendet wird. Im übrigen ging es in diesen Entscheidungen um die rückwirkend vereinbarte Auflösung von Arbeitsverhältnissen; hier liegt der Gedanke, eine nachträglich gewährte Abfindung als Ersatz für tatsächlich bereits entgangene Arbeitsentgelte anzusehen, wesentlich näher als bei der Vereinbarung einer zwar vorfristig, aber erst zukünftig – hier nach etwa drei Monaten – eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Schmitt, Dr. Heußner, Dr. Witte
Fundstellen