Leitsatz (amtlich)
Ein der abgeschlossenen Fachschulausbildung folgendes Praktikum, das der Erlangung der staatlichen Anerkennung zur Berufsausübung dient, ist auch dann nicht mit Übergangsgeld zu fördern, wenn es mit einem prüfungsähnlichen Kolloquium abschließt (Weiterentwicklung von BSG vom 16.2.1983 - 7 RAr 78/79 = AuB 1983, 282 und vom 16.3.1983 7 RAr 5/83 = AuB 1983, 283).
Normenkette
AFG § 34 Abs 2 S 2, § 58 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.04.1986; Aktenzeichen L 7 Ar 85/85) |
SG Oldenburg (Entscheidung vom 30.01.1985; Aktenzeichen S 4 Ar 6/84) |
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der beruflichen Rehabilitation, ob ein nach Abschluß der zweijährigen Fachschulausbildung als Arbeitserzieher zur Erlangung der staatlichen Anerkennung abzuleistendes einjähriges Berufspraktikum von der Beklagten mit Übergangsgeld (Übg) zu fördern ist.
Der 1959 geborene Kläger kann wegen der Folgen eines Sportunfalls seinen Beruf als Maurer nicht mehr ausüben. Ab April 1983 bis März 1985 besuchte er daher die Fachschule für Arbeitserziehung des Berufsförderungswerkes des Deutschen Gewerkschaftsbundes in H. und legte die Abschlußprüfung ab. Den Besuch der Schule förderte die Beklagte durch Übg und Übernahme der notwendigen Kosten. Dagegen lehnte sie es ab, das in Aussicht genommene Berufspraktikum zu fördern (Bescheid vom 24. Oktober, Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1983).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, das Jahr Berufspraktikum mit Übg zu fördern; hinsichtlich der einmaligen Leistungen hat es die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 22. April 1986). In den Gründen hat es ausgeführt, § 34 Abs 2 Satz 2 iVm § 58 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der ab Januar 1983 geltenden Fassung stehe der Förderung nicht entgegen. Um ein nicht zu förderndes "Nachpraktikum" im Sinne des Satzes 2 könne es sich nur handeln, wenn die Beschäftigung überwiegend der Sammlung praktischer Erfahrungen und der Bewährung in der Praxis diene. Förderungswürdig sei dagegen, wie sich aus § 34 Abs 1 Satz 1 AFG ergebe, die Teilnahme an Maßnahmen, die wie im vorliegenden Fall das Gepräge durch Vermittlung theoretischer Kenntnisse und praktischer Unterweisung durch Lehrkräfte erhielten (Hinweis auf SozR 4100 § 47 Nr 12). Dem entsprächen auch § 16 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A Reha) sowie die maßgebende Verwaltungsvorschrift des Baden-Württembergischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über die staatliche Anerkennung von Erziehern vom 22. September 1981 (Gemeinsames Amtsblatt Baden-Württemberg 1981, 1607). Die §§ 4 ff letzterer Vorschrift wiesen das Berufspraktikum eindeutig als Ausbildung unter Vermittlung qualifizierender beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten aus. Das abschließende Kolloquium diene nicht dem bloßen Erfahrungsaustausch, sondern habe den Charakter einer Prüfung. Nur bei deren Bestehen erfolge die staatliche Anerkennung.
Durch Beschluß vom 26. März 1987 hat der erkennende Senat die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist. Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §§ 34 Abs 2 Satz 2, 58 Abs 1 Satz 1 AFG. Das Anerkennungspraktikum der Arbeitserzieher sei nicht darum zu fördern, weil es - auch - berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittele. Diese Kriterien seien seit der gesetzlichen Neuregelung (Januar 1976) für die Abgrenzung zwischen zu fördernden und nicht zu fördernden Praktika bedeutungslos. Der Prüfungscharakter des Kolloquiums begründe die Förderungsfähigkeit ebenfalls nicht; jedes Kolloquium, das vor einer staatlichen Anerkennung absolviert werden müsse, habe Merkmale einer Prüfung. Der Umstand, daß ohne das Praktikum die staatliche Anerkennung als Arbeitserzieher nicht erreicht werden könne, sei nicht entscheidungserheblich. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden (Hinweis auf AuB 1983, 282, 283), daß auch dann, wenn Lehrgang und Prüfung allein noch nicht zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf führten, § 34 Abs 2 Satz 2 AFG nur dahin zu verstehen sei, daß Nachpraktika zur Erlangung der staatlichen Anerkennung oder Erlaubnis der Berufsausübung kein förderungsfähiger Maßnahmeteil sein sollten.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit sie verurteilt worden ist, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts in diesem Umfang zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist von Erfolg.
Von der Zulässigkeit der Berufung, die das Revisionsgericht bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen hat (SozR 1500 § 150 Nrn 11 und 18 und st Rspr), ist das LSG für das Übg zu Recht ausgegangen; insoweit greift keiner der die Berufung ausschließenden Gründe (§§ 144, 147 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) ein. Dagegen hat das LSG der Berufung zu Unrecht in diesem Umfang stattgegeben; der Kläger hat keinen Anspruch auf Übg für ein der Schule folgendes Praktikum.
Für die Durchsetzung dieses Klageanspruchs hat der Kläger die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 2 und Abs 4 SGG) gewählt und beantragt, die Beklagte zur Förderung "von einem Jahr Berufspraktikum" zu verurteilen. Damit will er die Leistung ersichtlich für die nächstbeste Zeit, in der er einen - geförderten - Praktikumsplatz erlangen könnte. Insoweit hat er sich im Widerspruchsverfahren auf eine Bescheinigung des Caritas-Vereins A., in der von einem "Berufsanerkennungsjahr zum April 1985" die Rede ist und in der Revision auf eine Mitteilung des Regierungspräsidiums K. bezogen, daß das Berufspraktikum spätestens bis August 1989 zu beenden sei.
Voraussetzung für die Gewährung von Übg ist die Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation, hier an einer Umschulungsmaßnahme für den Beruf des Arbeitserziehers. Die rechtliche Grundlage dafür bildet § 58 Abs 1 Satz 1 AFG; danach gelten für die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation die Vorschriften des Zweiten bis Fünften Unterabschnitts des Gesetzes mit bestimmten Ausnahmen entsprechend. Zu den Ausnahmen gehörte bis zu dem am 1. Januar 1983 erfolgten Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1983 auch § 34 Abs 2 AFG idF des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG (HStruktG-AFG). Seither ist diese - den Kläger begünstigende - Ausnahme entfallen, sofern nicht die Übergangsvorschrift des § 242a AFG eingreift; hierfür bietet der vom LSG festgestellte Sachverhalt indes keine Stütze.
Der ab Januar 1983 auch für die berufliche Förderung der Rehabilitanden anzuwendende § 34 Abs 2 AFG bestimmt in seinem Satz 1, daß Zeiten eines Vor- oder Zwischenpraktikums, dessen Dauer und Inhalt in Ausbildungs- oder Prüfungsbestimmungen festgelegt ist, Bestandteil der beruflichen Bildungsmaßnahme sind. Zeiten einer der beruflichen Bildungsmaßnahme folgenden Beschäftigung, die der Erlangung der staatlichen Anerkennung oder der staatlichen Erlaubnis zur Ausübung des Berufes dienen, sind hingegen nach Satz 2 nicht Bestandteil der Maßnahme. Diese Regelung trifft nach ihrem Wortlaut, der Systematik des Gesetzes sowie nach dem mit ihr verfolgten Zweck auf das Praktikum, dessen Förderung der Kläger begehrt, zu.
Mit dem Rechtsproblem des "Nachpraktikums" im Rahmen der Berufsförderung nach dem AFG hatte sich der 7. Senat des BSG bereits mehrfach zu befassen. Dabei hat er im Urteil vom 3. Juni 1975 (SozR 4100 § 47 Nr 12) aus § 34 AFG in der vor dem HStruktG-AFG geltenden Fassung entnommen, daß ein bei der Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister vorgesehenes Nachpraktikum nicht von der Umschulungsförderung ausgeschlossen sei. Nach erfolgter Änderung des Gesetzes durch Anfügung des - oben aufgeführten - Abs 2 Satz 1 und 2 sowie nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber, daß diese ab 1976 geltende neue Fassung nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, soweit bei der Förderung die Leistung auf den theoretisch geprägten Ausbildungsteil beschränkt sei (BVerfGE 61, 138 = SozR 4100 § 34 Nr 10), hat er alsdann mit Urteilen vom 16. Februar und 16. März 1983 (AuB 282, 283) ein solches Nachpraktikum für nicht - mehr - förderungsfähig erklärt; nach dem eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs 2 Satz 2 AFG sei es nicht Bestandteil der beruflichen Bildungsmaßnahme, da es der Erlangung der staatlichen Erlaubnis zur Berufsausübung diene.
Dem pflichtet der erkennende Senat für das in Rede stehende Praktikum bei. Denn auch hier handelt es sich um ein solches, dessen Ableistung erst die Voraussetzung dafür schafft, daß der Kläger die staatliche Berufsanerkennung erreichen kann. Daß dies so ist, stellt auch das LSG nicht in Abrede, wenn es darauf für die rechtliche Beurteilung auch nicht das entscheidende Gewicht legen zu müssen meint. Seinen aus den Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg zur Ausbildung von Arbeitserziehern abgeleiteten Erkenntnissen vermag der Senat nicht zu folgen. Es darf schon nicht übersehen werden, daß die betreffende Verwaltungsvorschrift des Landes vom 22. September 1981 nach der Überschrift als Regelung "über die staatliche Anerkennung" von Erziehern erlassen worden ist und daß sie für die Anerkennung in § 1 Nr 3 die Bewährung in einem nach der mit der staatlichen Prüfung abgeschlossenen Schulausbildung abzuleistenden Berufspraktikum voraussetzt. Die Ausgestaltung dieses Praktikums unter gewisser Mitwirkung der Schule läßt es nicht zu einer weiteren schulischen Ausbildung werden, die einen unabdingbaren Bestandteil einer Umschulungsmaßnahme zur Rehabilitation darstellt. Denn nach § 16 Abs 4 iVm § 17 letzter Satz A Reha vom 31. Juli 1975 idF der 8. Änderungsanordnung vom 15. März 1983 sind Zeiten eines Praktikums nur dann Bestandteil einer derartigen Maßnahme, wenn sie qualifizierende berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln und zum Erreichen des Maßnahmeziels vorgeschrieben sind; hierzu verlangt der 7. Senat des BSG in SozR 4100 § 47 Nr 12, daß die Praktikumzeiten ihr Gepräge durch die Vermittlung theoretischer Kenntnisse und praktischer Unterweisung durch Lehrkräfte erhalten. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg hängt indes weder das Maßnahmeziel - die Ausbildung zum Arbeitserzieher - von der Beschäftigung im Berufspraktikum ab noch wird die Beschäftigung "geprägt" durch theoretischen Unterricht. Das geschieht, wie der 7. Senat in den Entscheidungen vom 16. Februar und 16. März 1983 (aaO) hervorgehoben hat, nach der Systematik des Gesetzes durch die Teilnahme an Unterrichtsmaßnahmen iS des § 34 Abs 1 Satz 1 AFG. Ein Praktikum hingegen dient der Sammlung praktischer Erfahrungen. Deshalb ist es in das System nur als Ausnahme einzuordnen, wie das in § 34 Abs 2 Satz 1 AFG allein hinsichtlich des Vor- und Zwischenpraktikums auch geschehen ist.
Das von der Landesregelung vorgeschriebene Kolloquium vermag den Charakter des in Rede stehenden "Nachpraktikums" als eines nicht förderungsfähigen Praktikums nicht zu verändern. Entscheidend bleibt einerseits, daß letzteres als solches erforderlich ist, um die staatliche Anerkennung erlangen zu können, mag es gegenüber anderen Anerkennungspraktika, ganz gleich, unter welcher Bezeichnung sie durchgeführt werden (s hierzu BT-Drucks 7/4243 S 8), wegen des Kolloquiums auch als ein "qualifiziertes" Anerkennungspraktikum zu bezeichnen sein. In keinem Falle kann es hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg - die staatliche Anerkennung - entfiele. Andererseits ist weder festgestellt noch aus den Gesamtumständen des Falles ersichtlich, daß die mit der staatlichen Prüfung abgeschlossene Fachschulausbildung allein noch nicht zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf zu führen vermöchte oder der Beruf des Arbeitserziehers nicht ausgeübt werden dürfte, bevor die staatliche Anerkennung als Arbeitserzieher erfolgt ist. Die vom Kläger im Laufe des Verfahrens in dieser Richtung geäußerten Bedenken sind mit Fakten nicht belegt. Unter diesen Umständen ist der Senat der Entscheidung darüber enthoben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im einzelnen nach dem Sinngehalt des Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf das Ziel einer beruflichen Rehabilitation, ein Nachpraktikum dann gefördert werden könnte und müßte (vgl hierzu BSG, Urteile vom 16. Februar und 16. März 1983 aaO). Im Falle des Klägers ist jedenfalls davon auszugehen, daß er, um als Arbeitserzieher auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein, eines Nachpraktikums - sei es auch nicht zum Zwecke einer staatlichen Anerkennung - nicht zwingend bedarf. Damit ist auch zu verneinen, daß das zum Ende dieses Praktikums durchzuführende Kolloquium hier ein Teil der Abschlußprüfung sein oder die die Berufsausbildung eigentlich erst abschließende Prüfung darstellen könnte (vgl hierzu Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Anm 5 zu § 34).
Hiernach vermag der Senat der Entscheidung des LSG nicht zu folgen. Sie würde auch zu befremdlichen Ergebnissen führen, weil sie eine dreijährige Förderung, die gemäß § 56 Abs 4 Satz 2 AFG die Ausnahme ist, zumindest für die im Lande Baden-Württemberg stattfindende Erzieherausbildung zur Regel werden ließe (vgl hierzu Urteil des Senats vom 20. März 1986 - 11b RAr 4/85 -, AuB 1986, 361 mit Anmerkung von Berlinger).
Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet die Vorschrift des § 34 Abs 2 Satz 2 AFG im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG nicht (BVerfG aaO); für Verstöße gegen Art 12 und 20 GG fehlt es an jedem Anhalt.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen