Leitsatz (redaktionell)

1. Die Möglichkeit, daß bei den Verrichtungen des täglichen Lebens jederzeit ein Anfall auftreten kann, rechtfertigt nicht die Gewährung einer Pflegezulage, da die betreffende Verrichtung nach Abklingen des Anfalls ohne fremde Hilfe ausgeführt werden kann. Während des Anfalls wird die betreffende Verrichtung auch mit fremder Hilfe ohnehin grundsätzlich nicht ausgeführt werden. Auch die Gefahr einer Verletzung macht nicht die dauernde Bereitschaft einer fremden Hilfe notwendig, da nach der Zweckbestimmung der Pflegezulage diese nicht der Abwehr möglicherweise bei Anfällen eintretender Gefahren dient (so auch BSG vom 1964-02-19 10 RV 1223/61 = BSGE 20, 205).

2. Die Pflegezulage ist keine Gefährdungszulage.

 

Orientierungssatz

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß in dem Fehlen einer dem BVG § 38 entsprechenden Regelung über die Versorgung der Braut eines Gefallenen oder schädigungsbedingt Verstorbenen nur dann eine besondere Härte iS des BVG § 89 Abs 1 erblickt werden kann, wenn die Braut durch den schädigungsbedingten Tod ihres Verlobten in eine Lage geraten ist, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekommt, und hierfür ua Voraussetzung ist, daß ihr ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.

2. Ob die Braut durch den schädigungsbedingten Tod ihres Verlobten einen echten wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, wie dies bei der Witwenversorgung generalisierend unterstellt werden kann, läßt sich nicht allgemein, sondern nur anhand des Einzelfalles feststellen. Ein Verzicht auf diese Feststellung würde außer zu einer nur dem Gesetzgeber vorbehaltenen Einbeziehung eines ausschließlich nach generellen Merkmalen bestimmten weiteren Kreises von Anspruchsberechtigten in den Anwendungsbereich des BVG auch zu einer systemwidrigen Bevorzugung derjenigen - wohl in der Mehrzahl befindlichen - Berechtigten unter ihnen führen, die einen wirtschaftlichen Schaden als Voraussetzung für die Gewährung von Versorgung gar nicht erlitten haben.

 

Normenkette

BVG § 89 Abs. 1 Fassung: 1970-07-10, § 38 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. Dezember 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer sogen. "Brautversorgung" im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Die 1915 geborene Klägerin ist seit ihrer Kindheit auf einem Auge erblindet und von schwächlicher körperlicher Konstitution. Sie konnte deswegen keinen Beruf erlernen und war zunächst im elterlichen Haushalt, später als Tagelöhnerin in der Landwirtschaft tätig. Im Jahre 1941 verlobte sie sich mit dem 1906 geborenen Bergmann Jakob ... (J.). Dieser wurde am 1. September 1944 zum Wehrdienst einberufen. Ihm und der Klägerin wurden am 29. November 1944 polizeiliche Führungszeugnisse und der Klägerin am 20. September 1944 und 16. Januar 1945 vom Staatlichen Gesundheitsamt C sogen. "Eheunbedenklichkeitsbescheinigungen" erteilt. Am 23. Januar 1945 beantragte die Klägerin wegen der beabsichtigten Eheschließung mit J. abermals die Erteilung einer solchen Bescheinigung. Am 27. Januar 1945 ließ sie die von ihr beschafften Unterlagen zum Heiratsantrag des J. an dessen Dienststelle übersenden. J. war jedoch am 16. Januar 1945 gefallen. Den Antrag der Klägerin vom 13. Februar 1945 auf nachträgliche Eheschließung lehnte der zuständige Standesbeamte am 1. August 1945 ab, weil nachträgliche Eheschließungen nicht mehr getätigt würden.

Am 24. August 1972 beantragte die Klägerin die Gewährung von Brautversorgung. Mit Bescheid vom 6. Juni 1973 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) Saarbrücken den Antrag ab, weil die Klägerin im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung weder ihre Erwerbsquelle noch eine Erwerbsaussicht aufgegeben, somit durch den Kriegstod ihres Verlobten keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten habe und nicht in eine Lage geraten sei, die derjenigen einer versorgungsberechtigten Witwe nahekomme.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Saarland vom 3. September 1973, Urteile des Sozialgerichts - SG - für das Saarland vom 12. September 1974 und des Landessozialgerichts - LSG - für das Saarland vom 9. Dezember 1975). Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen, unter denen nach den Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 11. Juli 1966 und 21. Oktober 1968 (BVBl 1966, 82; 1968, 150) eine Brautversorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 1 BVG zugelassen werden könne, seien im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Sie habe weder im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung einen Beruf oder eine Erwerbsquelle aufgegeben noch im Zusammenhang mit einer gesundheitlichen Schädigung ihres Verlobten Vermögensaufwendungen gemacht und somit keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten. Noch andere Gründe rechtfertigten nicht die Annahme einer besonderen Härte. Voraussetzung hierfür sei, daß einer Verlobten durch den Tod des Bräutigams ein ausgleichsbedürftiger wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Dieser könne nicht allein in dem Verlust der Aussicht auf späteren ehelichen Unterhalt gesehen werden. Daß die Klägerin aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht selbst für ihren Unterhalt sorgen könne und deswegen im Falle der Eheschließung auf ehelichen Unterhalt angewiesen wäre, liege im wesentlichen in ihrer eigenen Person begründet.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 89 Abs. 1 BVG: Das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der "besonderen Härte" zu eng angewendet und ausgelegt. Zwar habe es die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zutreffend angeführt; diese bedürfe jedoch der Überprüfung. Das BSG habe als Voraussetzung für die Gewährung von Brautversorgung nur gefordert, daß ebenso wie bei der Hinterbliebenenversorgung der Witwe ein wirtschaftlicher Schaden durch den Kriegstod des Verlobten entstanden sein müsse. Zu Unrecht werde jedoch dieser wirtschaftliche Schaden bei der Gegenüberstellung der Kriegerbraut mit der Witwe allein auf die Ebene einer Witwe mit Kind abgestellt und nur diese mit einer Kriegerbraut mit Kind verglichen, während bei Fehlen eines Kindes auf seiten der Kriegerbraut ein zusätzlicher wirtschaftlicher Schaden gefordert werde. Dies sei nicht gerechtfertigt, weil auch der Anspruch auf Witwenrente nicht voraussetze, daß ein mit dem Gefallenen gemeinsames Kind vorhanden sei, und somit der erforderliche wirtschaftliche Schaden allein durch den Kriegstod des Ehemannes bedingt werde. Dementsprechend müsse eine besondere Härte im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG schon immer dann bejaht werden, wenn die verlobte Kriegerbraut wegen ihrer Verlobung mit dem später Gefallenen in eine Lage geraten sei, die derjenigen einer versorgungsberechtigten Witwe nahekomme. Dies sei bereits durch den Tod des Verlobten der Fall. Im übrigen müsse berücksichtigt werden, daß angesichts der speziellen Umstände des vorliegenden Falles gerade sie - die Klägerin - durch den Tod ihres Verlobten ganz besonders hart und nachteilig in ihrem weiteren Lebensverlauf betroffen worden sei und es daher nicht verständlich wäre, die gerade für derartige Fälle vorgesehene Gesetzeswohltat des Härteausgleichs ungenutzt zu lassen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. Dezember 1975 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 12. September 1974 sowie des Bescheides des Beklagten vom 6. Juni 1973 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1973 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über ihren Antrag auf Brautversorgung gemäß § 89 Abs. 1 BVG unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er wendet sich gegen die Auffassung der Klägerin, daß Kriegerbräute den Kriegerwitwen grundsätzlich gleichgestellt werden müßten, und ist der Ansicht, daß bei Fehlen eines meßbaren wirtschaftlichen Schadens der Wegfall einer bloßen Chance auf Verbesserung der sozialen Stellung für die Annahme einer besonderen Härte nicht ausreiche.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines neuen Bescheides (§ 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) über die Gewährung sogen. "Brautversorgung" im Wege des Härteausgleichs. Rechtsgrundlage hierfür ist § 89 BVG in seiner zur Zeit der Antragstellung maßgebenden Fassung, mit Wirkung ab 1. Januar 1976 geändert (Einfügung des Abs. 3) durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3113).

Nach § 89 Abs. 1 BVG kann, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben, mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden. Der BMA kann der Gewährung von Härteausgleichen allgemein zustimmen (§ 89 Abs. 2 BVG). Bezüglich der Brautversorgung im Wege des Härteausgleichs hat er im Rundschreiben vom 11. Juli 1966 (BVBl. S. 82) unter den dort im einzelnen aufgeführten Voraussetzungen der Gewährung von Versorgung im Wege des Härteausgleichs an die unverheiratete Mutter eines Kindes, dessen Vater als Soldat an den Folgen einer im zweiten Weltkrieg erlittenen Schädigung gestorben oder unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 1 BVG verschollen ist, für die Dauer des Bedürfnisses allgemein zugestimmt.

In seinem Urteil vom 1. Februar 1968 (BSGE 27, 286 = SozR BVG § 89 Nr. 2) hat sich der erkennende Senat grundsätzlich mit der Frage befaßt, ob auch und ggf. unter welchen anderen Voraussetzungen die Gewährung von Brautversorgung im Wege des Härteausgleichs in Betracht kommen kann. Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der in § 89 Abs. 1 BVG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Härte" als materiell-rechtliche Voraussetzung für ein Ermessenshandeln der Verwaltungsbehörde nur im Hinblick auf den jeweils geltend gemachten Versorgungsanspruch seinen Inhalt und seine Bedeutung gewinnt und deswegen im Fall der Brautversorgung an dem Anspruch der Witwe auf Hinterbliebenenrente (§ 38 BVG) seine Deutung finden muß. Im Hinblick darauf kann in dem Umstand, daß das BVG einer Verlobten ausdrücklich keinen Hinterbliebenenrentenanspruch gewährt, nur dann eine besondere Härte liegen, wenn die früher Verlobte wegen ihrer Verlobung mit dem später Gefallenen in eine Lage geraten ist, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekommt. Hierfür ist nicht erforderlich, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen ist, für das die Antragstellerin sorgt. Zu fordern ist jedoch, daß ein Verlöbnis bestanden hat, die beabsichtigte Heirat durch Kriegsereignisse verhindert worden und der hinterbliebenen Braut durch den Kriegstod des Verlobten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Dieser kann nicht nur darin liegen, daß die Braut ein Kind ihres gefallenen Verlobten zu versorgen hat und deswegen nicht in demselben Umfange wie eine kinderlose Braut einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Vielmehr sind auch andere Tatsachen denkbar und möglich, durch die eine Kriegerbraut nach dem Tode ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe kommen kann und wirtschaftliche Nachteile zu tragen hat. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung und die eheliche Versorgung ihren Beruf oder eine andere Erwerbsquelle, wodurch ihr Lebensunterhalt auch weiterhin gesichert gewesen wäre, aufgegeben oder wegen der langdauernden Pflege ihres schwerverwundeten Verlobten die Pflichten einer Ehefrau übernommen und für ihren Verlobten Vermögen aufgewendet oder Erwerbsaussichten aufgegeben oder allgemein wie eine Ehefrau für ihn gesorgt und gelebt hat. Die Ausschließung dieser und aller anderen Fälle als der mit einem Kind hinterbliebenen Braut von den Fällen der besonderen Härte wäre Willkür und damit eine unzulässige Einengung des Begriffs.

Diese Rechtsprechung haben die früher und noch gegenwärtig für die Kriegsopferversorgung (KOV) zuständigen Senate des BSG übernommen und fortgeführt (Urteile des 8. Senats vom 25. Juli 1968 - 8 RV 191/67 -, vgl. VdK-Mitt. 1968, 403; vom 20. Mai 1970 - 8 RV 305/69 - = VersB 1970 U 133 Nr. 76 LS; vom 23. November 1971 - 8 RV 215/71 -, vgl. Praxis 1972, 362; Urteile des 9. Senats in BSGE 31, 83; 33, 291; 34, 96; 36, 143; 40, 216); der BMA hat ihr im Rundschreiben vom 21. Oktober 1968 (BVBl. S. 150) Rechnung getragen.

Der Senat hat die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der besonderen Härte im Zusammenhang mit der Brautversorgung unter Würdigung der dagegen von der Revision vorgebrachten Bedenken einer erneuten Überprüfung unterzogen. Diese hat jedoch weder einen Anlaß noch die Möglichkeit zu einer abweichenden Entscheidung ergeben. Die Einwendungen der Revision sind schon von ihrem Ansatzpunkt her unzutreffend und zielen auf eine Auslegung des Begriffs der besonderen Härte, die weder mit Wortlaut, Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 BVG noch mit der Systematik des BVG vereinbar wäre.

Die Klägerin hält es für sachlich nicht gerechtfertigt, als Voraussetzung für die Gewährung von Brautversorgung im Wege des Härteausgleichs an eine Braut, die nicht für ein gemeinsames Kind zu sorgen hat, einen zusätzlichen wirtschaftlichen Schaden zu fordern. Denn auch der Anspruch auf Witwenrente setze nicht voraus, daß die Witwe ein gemeinsames Kind mit dem Gefallenen habe, so daß der erforderliche wirtschaftliche Schaden allein durch den Kriegstod des Ehemannes bedingt werde. Dasselbe müsse dann aber auch als Voraussetzung für die Gewährung von Brautversorgung genügen.

Die Klägerin läßt hierbei die Gesichtspunkte außer acht, auf die insbesondere im Urteil des 9. Senats vom 11. September 1975 (BSGE 40, 216 = SozR 3100 § 89 Nr. 3) hingewiesen worden ist: Die Witwe eines schädigungsbedingt Verstorbenen hatte mit der Eheschließung bereits eine konkrete und durchsetzbare Rechtsposition von wirtschaftlichem Wert in Form eines Unterhaltsanspruchs gegen ihren später verstorbenen Ehemann erworben (vgl. § 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB). Diese Rechtsposition ist durch den Tod des Ehemannes weggefallen. Daran anknüpfend wird aufgrund einer im Bereich der KOV zulässigen und notwendigen pauschalierenden und generalisierenden Betrachtungsweise vom Gesetzgeber unterstellt, daß ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Einzelfall die Witwe durch den kriegsbedingten Tod ihres Ehemannes einen Schaden erlitten hat. Eine solche Unterstellung ist im Rahmen der Brautversorgung weder zulässig noch sachlich gerechtfertigt. Denn durch ein Verlöbnis wird weder eine Unterhaltspflicht der Verlobten noch auch nur - auf dem Wege über einen Anspruch auf Eingehung der Ehe - eine über eine bloße Erwartung hinausgehende Anwartschaft auf Unterhaltsleistungen nach Schließung der Ehe begründet (vgl. § 1297 Abs. 1 BGB). Deswegen muß als Voraussetzung für eine Brautversorgung im Einzelfall ein konkreter wirtschaftlicher Schaden als Auswirkung des Kriegstodes des Verlobten festzustellen sein (vgl. BSGE 40, 216, 219). Damit wird entgegen der Auffassung der Revision als Voraussetzung für die Brautversorgung nicht etwa ein "zusätzlicher" wirtschaftlicher Schaden gefordert und dadurch, wie die Klägerin ersichtlich geltend machen will, die Brautversorgung gegenüber der Witwenversorgung in sachwidriger Weise erschwert. Vielmehr ist auch letztere schon deswegen von dem Vorliegen eines wirtschaftlichen Schadens abhängig, weil Versorgung grundsätzlich nur wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung gewährt wird (§ 1 Abs. 1 BVG) und gesundheitliche Folgen bei der Hinterbliebenenversorgung nicht in Betracht kommen (vgl. BSGE 27, 286, 289). Nur wird ein wirtschaftlicher Schaden als Voraussetzung der Hinterbliebenenversorgung bei der Witwe generell unterstellt, während er bei der Braut des konkreten Nachweises im Einzelfall bedarf. Diese Differenzierung ist angesichts des unterschiedlichen familienrechtlichen und daraus folgenden wirtschaftlichen Status einerseits der Witwe und andererseits einer Verlobten zwingend geboten und damit sachgerecht.

Schon von daher kann der Meinung der Klägerin, die Lage der Kriegsbraut komme derjenigen einer versorgungsberechtigten Witwe allein deswegen nahe, weil der Verlobte verstorben sei, nicht beigepflichtet werden. Darüber hinaus ist auch die sich aus dieser Meinung zwangsläufig ergebende Konsequenz, daß ebenso wie Witwen nach ihrem schädigungsbedingt verstorbenen Ehemann generell auch Bräute nach ihrem schädigungsbedingt verstorbenen Verlobten versorgungsberechtigt wären, in mehrfacher Hinsicht nicht vertretbar. Sie würde zunächst außer acht lassen, daß - wie das BSG insbesondere unter Hinweis auf das Fehlen einer dem § 2 der Verordnung über ergänzende Vorschriften zum Einsatzfürsorge- und -versorgungsgesetz vom 3. April 1941 (RGBl. I S. 194) entsprechenden Vorschrift im BVG wiederholt ausgeführt hat (BSGE 27, 286, 291; 31, 83; BSG SozR BVG § 89 Nr. 3) - der Gesetzgeber die Bräuteversorgung bewußt nicht in das BVG übernommen hat, sondern sie lediglich im Rahmen des § 89 BVG unter der Voraussetzung einer "besonderen Härte" hat zulassen wollen. Schon der Begriff der "besonderen" im Gegensatz zu einer allgemeinen Härte deutet auf eine Einschränkung der den Verwaltungsbehörden erteilten Ermächtigung zur Gewährung eines Ausgleichs dahingehend hin, daß hiervon nur in besonders gelagerten Einzelfällen Gebrauch gemacht werden darf. Dies wird durch die von daher gesehen an sich überflüssige Verwendung der Worte "in einzelnen Fällen" nochmals unterstrichen. Sie schließen es aus, unter Mißachtung des im Gesetz selbst hinreichend zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers über § 89 BVG ohne Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelfalles lediglich aufgrund genereller Merkmale bestimmte ganze Gruppen von Anspruchsberechtigten in den Schutzbereich des BVG einzubeziehen. Dies wäre nicht nur der Versorgungsverwaltung verwehrt. Auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist es aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) und durch den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 2 GG) versagt, durch eine vom Wortlaut, Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 BVG nicht mehr getragene extensive Auslegung des Begriffs der "besonderen Härte" ganze Personengesamtheiten in den Kreis der nach dem BVG Anspruchsberechtigten einzubeziehen und dadurch im Ergebnis anstelle des Gesetzgebers zu handeln. Demgemäß ist das BSG bisher stets davon ausgegangen, daß die Versorgung wegen besonderer Härte nicht generell für Fälle erfolgen soll, die nach allgemeinen Gesichtspunkten bestimmt sind (BSGE 27, 286, 290; BSG SozR BVG § 89 Nr. 3), und nicht zur Regelung grundlegender Probleme führen darf, die wegen ihrer Bedeutung nur vom Gesetzgeber geordnet werden können (BSGE 36, 87, 89). Auch die Erteilung einer allgemeinen Zustimmung zur Gewährung von Härteausgleichen nach § 89 Abs. 2 BVG entbindet die Verwaltung und die Gerichte nicht von der Pflicht zu prüfen, ob die hierfür erforderliche materiell-rechtliche Voraussetzung der "besonderen Härte" im Einzelfall erfüllt ist (vgl. BSGE 40, 216, 219).

Die Begründung einer generellen Anspruchsberechtigung der früheren Verlobten Gefallener oder schädigungsbedingt Verstorbener durch die nach Meinung der Revision gebotene extensive Auslegung des Begriffs der "besonderen Härte" in § 89 Abs. 1 BVG würde überdies im Widerspruch zu übergreifenden Grundsätzen des Versorgungsrechts stehen und damit zugleich zu einer vom System her nicht zulässigen Besserstellung der dadurch begünstigten Anspruchsberechtigten führen. Das BVG sieht - wie erwähnt - Versorgung nur wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung vor, wobei für Hinterbliebene zwangsläufig eine Versorgung nur wegen der wirtschaftlichen Folgen des Verlustes eines schädigungsbedingt Verstorbenen in Betracht kommt. Dem würde eine Auslegung des Begriffs der "besonderen Härte" dahingehend, daß sie im Rahmen der Brautversorgung ohne die Feststellung eines dadurch bedingten wirtschaftlichen Schadens generell schon durch den schädigungsbedingten Tod des Verlobten begründet wird, widersprechen. Denn sie würde in einer Vielzahl von Fällen zu einer Versorgung ausschließlich wegen der immateriellen Folgen einer Schädigung und damit aus einem vom BVG nicht erfaßten Grunde führen. Soweit dies einer generalisierenden und pauschalierenden Betrachtungsweise zugänglich ist, kann für die Brautversorgung lediglich davon ausgegangen werden, daß die Braut durch den Kriegstod ihres Verlobten die Aussicht auf eine spätere Eheschließung und damit auf die Gewährung ehelichen Unterhalts verloren hat. Hierin allein kann jedoch ein wirtschaftlicher Schaden nicht gesehen werden (vgl. BSGE 34, 96; Urteil vom 23. November 1971 - 8 RV 215/71 -). Dieser setzt die Beeinträchtigung einer bereits bestehenden Rechtsposition von wirtschaftlichem Wert voraus. Einer solchen Rechtsposition ist die bloße Chance auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs nicht annähernd gleichwertig. Daß darüber hinaus eine Braut durch den schädigungsbedingten Tod ihres Verlobten einen echten wirtschaftlichen Schaden erleidet, wie dies bei der Witwenversorgung generalisierend unterstellt werden kann, läßt sich nicht allgemein, sondern nur anhand des Einzelfalles feststellen. Ein nach Meinung der Revision gebotener Verzicht auf diese Feststellung würde damit außer zu einer nur dem Gesetzgeber vorbehaltenen Einbeziehung eines ausschließlich nach generellen Merkmalen bestimmten weiteren Kreises von Anspruchsberechtigten in den Anwendungsbereich des BVG auch zu einer systemwidrigen Bevorzugung derjenigen - wohl in der Mehrzahl befindlichen - Berechtigten unter ihnen führen, die einen wirtschaftlichen Schaden als Voraussetzung für die Gewährung von Versorgung gar nicht erlitten haben. Ein solches Ergebnis läßt sich unter keinem sachlichen Gesichtspunkt rechtfertigen.

Der Senat hält daher an seiner Rechtsprechung fest, daß in dem Fehlen einer dem § 38 BVG entsprechenden Regelung über die Versorgung der Braut eines Gefallenen oder schädigungsbedingt Verstorbenen nur dann eine besondere Härte i.S. des § 89 Abs. 1 BVG erblickt werden kann, wenn die Braut durch den schädigungsbedingten Tod ihres Verlobten in eine Lage geraten ist, die der einer versorgungsberechtigten Witwe nahekommt, und hierfür u.a. Voraussetzung ist, daß ihr ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Hiervon ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen, so daß das angefochtene Urteil bezüglich der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

Bezüglich der einzelfallbezogenen Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs kann das Revisionsgericht das Berufungsurteil nur daraufhin nachprüfen, ob bei der Unterordnung der als solche für das Revisionsgericht grundsätzlich bindenden (§ 163 SGG) Tatsachen unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände außer acht gelassen worden sind und deswegen die Bewertung offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 162 Anm. II 6, S. III/80-91). Insofern hat die Revision Rügen nicht erhoben. In dem Vorbringen der Klägerin, den besonderen Umständen gerade ihres Falles könne die Bedeutung einer besonderen Härte nicht abgesprochen werden, kann eine dem § 162 SGG entsprechende Revisionsrüge nicht erblickt werden. Vielmehr handelt es sich um eine von dem angefochtenen Urteil abweichende Bewertung der auch vom Berufungsgericht berücksichtigten Tatsachen. Diese Bewertung ist der Nachprüfung und Beurteilung durch das Revisionsgericht entzogen.

Die Revision war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650002

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