Leitsatz (amtlich)
Einen Erstattungsanspruch nach G131 § 74 zur Wiederverwendung hat nur derjenige, der zur Zeit der Entrichtung der Beiträge den Rechtsstand des Beamten gehabt hat (vergleiche BSG 1957-06-19 1 RA 229/56).
Normenkette
G131 § 74 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Mai 1956 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 1955 werden aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger war bis zum Zusammenbruch dienstordnungsmäßiger Angestellter der Allgemeinen Ortskrankenkasse S. Am 1. Dezember 1948 nahm er seine Tätigkeit in der gleichen Eigenschaft wieder auf. Am 31. Mai 1949 entrichtete er freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung (AV.) für die Jahre 1932 bis 1934 in Höhe von insgesamt DM 396.-. Mit Schreiben vom 2. November 1953 beantragte er, ihm diese Beiträge nach § 74 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (GG) zurückzuerstatten. Die Landesversicherungsanstalt Württemberg, die damals die Aufgaben der AV. wahrnahm, lehnte den Antrag ab, weil die Beiträge nicht für eine Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 31. März 1951 entrichtet worden seien. Das Sozialgericht Stuttgart verurteilte die Beklagte am 24. Juni 1955 zur Erstattung der DM 396.-. Die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 3. Mai 1956 zurück: Nach Wortlaut und Sinn des § 74 Abs. 1 des Gesetzes zu Art. 131 GG komme es nur darauf an, daß in der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 31. März 1951 Beiträge entrichtet worden seien; dies sei hier geschehen, die Beiträge seien deshalb zu erstatten. Die Revision wurde vom Landessozialgericht zugelassen.
Am 10. Juli 1956 legte die Beklagte gegen das ihr am 25. Juni 1956 zugestellte Urteil Revision ein und beantragte, die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 1954 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Mai 1956 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Am 23. Juli 1956 begründete sie die Revision: § 74 des Gesetzes zu Art. 131 GG verlange nicht nur, daß die Beiträge in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. März 1951 entrichtet worden seien, sondern auch, daß sie für diese Zeit entrichtet worden seien. Dies sei auch die Auffassung, die der Bundesarbeitsminister in den Verwaltungsvorschriften vom 15. Juli 1954 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 115/1954) niedergelegt habe.
Der Kläger ließ sich im Verfahren vor dem Bundessozialgericht nicht vertreten.
II.
1.) Die Revision ist zulässig.
Die Vertretung des Revisions beklagten durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Abs. 2 SGG) gehört nicht zu den besonderen Prozeßvoraussetzungen des Revisionsverfahrens; wie schon in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juni 1956 (SozR. Nr. 3 zu § 110 SGG) festgestellt ist, ist nur die ordnungsmäßige Vertretung des Revisionsklägers eine Prozeßvoraussetzung. Läßt sich der Revisionsbeklagte in dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht nicht vertreten, so hat dies nur zur Folge, daß er nicht rechtswirksam Prozeßhandlungen vornehmen kann, hindert aber das Bundessozialgericht nicht, sachlich zu entscheiden, wenn die Revision ordnungsmäßig eingelegt und begründet ist.
2.) Die Revision ist auch begründet.
a) Trotz Zulässigkeit der Revision ist vor der sachlich-rechtlichen Würdigung des Streits zunächst noch zu prüfen, ob die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, soweit sie unverzichtbar sind, die besonderen Prozeßvoraussetzungen des vorausgegangenen Berufungsverfahrens und die Voraussetzungen für eine entscheidende Tätigkeit des Revisionsgerichts erfüllt sind (vgl. BSG. 2 S. 225 ff. (226, 227), S. 245 ff. (253, 254) und Haueisen, NJW. 1956 S. 1089 ff. unter I 3). Eine zulässige Revision ist unbegründet, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist. Im vorliegenden Fall fragt es sich, ob das LSG. die Berufung zu Recht als statthaft und damit als zulässig angesehen hat oder ob die Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist, weil der Anspruch des Klägers eine "einmalige Leistung" betrifft. Letzteres ist zu verneinen; § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist auf Ansprüche der Versicherten auf Erstattung von Beiträgen nicht anwendbar; die Berufung ist in solchen Streitigkeiten nur ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 149 Satz 2 SGG vorliegen (vgl. Urteil des BSG. vom 19.6.1957, 1 RA 229/56). Das ist hier nicht der Fall. Die Berufung des Klägers ist daher statthaft gewesen.
b) Für die Frage, ob der Erstattungsanspruch des Klägers begründet ist, kommt es nicht darauf an, ob nach § 74 des Gesetzes zu Art. 131 GG die Erstattung schon begehrt werden kann, wenn die Beiträge in der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 31. März 1951 entrichtet worden sind, oder ob weitere Voraussetzung des Erstattungsanspruchs ist, daß die Beiträge auch für Zeiträume zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 31. März 1951 gezahlt worden sind; entscheidend ist vielmehr, daß nach § 74 derjenige, der die Erstattung von Beiträgen begehrt, zur Zeit der Entrichtung dieser Beiträge den Rechtsstand eines Beamten z. Wv. im Sinne der §§ 5 Abs. 2 und 19 des Gesetzes zu Art. 131 gehabt haben muß. Die Vorschrift des § 74 schafft die Möglichkeit der Erstattung nur für die Beiträge, die wegen der Ungewißheit hinsichtlich der Anwartschaft auf beamtenrechtliche (dienstordnungsmäßige) Versorgung entrichtet worden sind; sie regelt nämlich die Erstattung der "für einen Beamten z. Wv." entrichteten Beiträge (vgl. auch Urteil des BSG. vom 19.6.1957, 1 RA 229/56). Der Kläger ist nun aber unstreitig nur bis zu seiner Wiederverwendung am 1. Dezember 1948 "Beamter z. Wv." gewesen; von seiner Wiederverwendung an hat er nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes zu Art. 131 GG nicht mehr den Rechtsstand des Beamten z. Wv. gehabt; seine Anwartschaft auf dienstordnungsmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung ist von diesem Tage an wieder gewährleistet worden. Am 31. Mai 1949 hat der Kläger hiernach nicht mehr als Beamter z. Wv. Beiträge nachentrichtet. Er kann deshalb auch nicht unter Berufung auf § 74 des Gesetzes zu Art. 131 GG die Erstattung von Beiträgen verlangen. Für freiwillige Beiträge, die trotz Gewährleistung der Anwartschaft auf dienstordnungsmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung entrichtet worden sind, gelten die allgemeinen Vorschriften der Rentenversicherung; aus diesen Vorschriften ergibt sich aber für den vorliegenden Fall keine Möglichkeit der Erstattung.
Die Revision der Beklagten ist hiernach begründet; die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 1955 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Mai 1956 sind aufzuheben, die Klage ist abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen