Entscheidungsstichwort (Thema)
KOV. Bescheidrücknahme. Tuberkulose
Orientierungssatz
1. Die Rücknahme eines für die Versorgungsbehörde bestandskräftig gewordenen begünstigenden Bescheids ist nach § 30 Abs 4 KBLG BW nur möglich, wenn sich die tatsächlichen oder die rechtlichen Voraussetzungen als unzutreffend erweisen. Es muß sich also erweisen, daß der Bescheid nach dem Recht jenes Zeitpunktes, in dem er erlassen wurde, rechtswidrig war (vgl BSG 1955-06-10 10 RV 20/54 = BSGE 1, 56).
2. Es kann nicht als erwiesenermaßen rechtlich unzutreffend bezeichnet werden, wenn ein Bescheid eine Tuberkuloseerkrankung als Folge des Luftschutzkelleraufenthalts anerkannt hat.
Normenkette
KBLG WB § 30 Abs. 4, § 1 Abs. 1; BVG § 5 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.10.1955) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1955 wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Auf Antrag des Klägers erkannte das Versorgungsamt (VersorgA.) Karlsruhe durch Bescheid vom 26. Oktober 1943 für "mehrfache Glassplitterverletzungen im Gesicht mit Defekt am oberen Rand des rechten Ohres, Folgen einer Splitterverletzung am Grundglied des 4. Fingers und nervöse Beschwerden des Herzens" als Personenschäden nach § 2 Abs. 1 Buchst. a der Personenschädenverordnung (PSchVO) vom 10. November 1940 (RGBl. I S. 1482) an und gewährte Versehrtengeld nach Stufe I. Durch Bescheid vom 8. Juni 1944 erkannte es ein Lungenleiden im Sinne der Verschlimmerung und durch Bescheid vom 14. August 1944 im Sinne der Entstehung als weiteren Personenschaden an und bewilligte Versehrtengeld nach Stufe II. Das Lungenleiden wurde auf den Aufenthalt in Kellern und Bunkern während der gehäuften Luftangriffe auf das Ruhrgebiet in den Jahren 1940/43 zurückgeführt.
Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA.) Baden vom 31. August 1948 wurden "Narben und Glassplitterverletzungen auf der rechten Gesichtsseite mit Stecksplittern über dem rechten Unterkiefer und Defekt am Rand der rechten Ohrmuschel, Lungentuberkulose" als Leistungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 1 des Leistungsgesetzes für Körperbeschädigte (KBLG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. anerkannt; die Rente ruhte wegen einer aus dem gleichen Anlaß gewährten Knappschaftsrente. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Berufung beim Oberversicherungsamt (OVA.) Karlsruhe ein und verlangte Rente nach einer MdE. um 60 v.H.
Während dieses Verfahrens berechnete die LVA. Baden durch Bescheid vom 7. Juni 1950 im Anschluß an den Bescheid vom 31. August 1948 die nach dem Wegfall der Ruhensvorschriften zahlbare Rente. Am 17. Juni 1950 hob sie aber durch Bescheid nach § 30 Abs. 4 KBLG die Bescheide des VersorgA. vom 8. Juni 1944 und vom 14. August 1944 sowie ihre Bescheide vom 31. August 1948 und vom 7. Juni 1950 auf. Sie ging davon aus, daß für die "Lungentuberkulose" ein Leistungsgrund nach dem KBLG fehle, anerkannte daher nur "Narben und Glassplitterverletzung auf der rechten Gesichtsseite mit Stecksplittern über rechtem Unterkieferast und Defekt am Rand der rechten Ohrmuschel, Folgen einer Splitterverletzung am Grundglied des vierten Fingers rechts, hervorgerufen durch Einwirkungen im Sinne des § 1 (4) KBLG" und gewährte vom 1. August 1950 an Rente entsprechend der durch diese Gesundheitsstörungen verursachten MdE. um 30 v.H. Die LVA. führte aus, die Lungentuberkulose sei nicht durch unmittelbare Kriegseinwirkungen verursacht, denn dazu gehörten nach § 2 Abs. 1 Buchst. b der Dritten Durchführungsverordnung (DurchfVO) zum KBLG nicht allgemeine Luftschutzmaßnahmen während des Krieges. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Berufung ein.
Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des OVA. Karlsruhe änderte durch Vorentscheidung vom 23. Juni 1951 den Bescheid vom 17. Juni 1950 dahin ab, daß die Aufhebung der Bescheide des VersorgA. vom 8. Juni 1944 und vom 14. August 1944 rückgängig gemacht werde, und wies die Berufung, soweit sie das weitere Begehren des Klägers betraf, als unbegründet zurück. Der Kläger beantragte mündliche Verhandlung. Inzwischen erkannte das VersorgA. Karlsruhe durch Umanerkennungsbescheid vom 24. August 1951 die im Bescheid vom 17. Juni 1950 anerkannten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an und gewährte vom 1. Oktober 1950 an eine Rente nach einer MdE. um 30 v.H. nach den Vorschriften des BVG. Der Kläger erstreckte seine Berufung auch auf diesen Bescheid. Das OVA. entschied im Urteil vom 29. November 1951 ebenso, wie in der Vorentscheidung entschieden worden war und wies im übrigen die Berufung gegen den Bescheid vom 24. August 1951 als unbegründet zurück.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Rekurs ein. Der Rekurs ging am 1. Januar 1954 nach § 215 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg über. Das LSG. wies durch Urteil vom 7. Oktober 1955 die Berufung zurück. Seiner Meinung nach brauchten die Bescheide vom 8. Juni 1944 und vom 14. August 1944 schon deshalb nicht aufgehoben zu werden, weil sie bereits durch Art. III des Kontrollratsgesetzes (KRG) Nr. 34, spätestens durch § 38 Abs. 1 Buchst. e KBLG unwirksam und durch den Bescheid vom 31. August 1948 ersetzt worden sind. Angefochten seien der Bescheid vom 31. August 1948, der "Berichtigungsbescheid" vom 17. Juni 1950 und der Umanerkennungsbescheid vom 24. August 1951. Der Bescheid vom 31. August 1948 dürfe trotz § 1 Abs. 4 KBLG auf jeden Fall "berichtigt" werden, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 KBLG erfüllt seien. Dies sei der Fall. Der Bescheid vom 31. August 1948 sei unter unzutreffenden Voraussetzungen erteilt worden, der Aufenthalt in ungesunden Luftschutzräumen sei offensichtlich keine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG. Für die als Leistungsgrund oder Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen sei auf Grund der vorliegenden Gutachten die MdE. mit 30 v.H. ausreichend bewertet. Die Revision wurde zugelassen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 17. November 1955 zugestellt; am 24. November 1955 legte er Revision ein. Er beantragte:
das angefochtene Urteil und die diesem zugrundeliegenden Vorentscheidungen aufzuheben bzw. abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Lungentuberkulose des Klägers weiterhin als zusätzlichen Leistungsgrund nach dem KBLG bzw. als Schädigungsfolge nach dem BVG anzuerkennen und dem Kläger vom 1. August 1950 ab weiterhin Rente auch wegen dieses Leidens nach Maßgabe der schädigungsbedingten Gesamtminderung seiner Erwerbsfähigkeit zu gewähren;
hilfsweise beantragte er,
die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Zur Begründung trug der Kläger, nachdem die Begründungsfrist bis 17. Februar 1956 verlängert worden war, im Schriftsatz vom 16. Februar 1956 folgendes vor: Soweit bisherige Entscheidungen über den Grund des Anspruchs rechtsverbindlich seien, müsse der Rechtsstand nach § 1 Abs. 4 KBLG bei gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen gewahrt bleiben und dürfe deshalb nicht nach § 30 Abs. 4 KBLG verändert werden. Dafür spreche auch die verschiedene Fassung des § 36 der DurchfVO zum KBLG in Bayern vom 1. Mai 1949 und in Württemberg-Baden vom 23. Juli 1949. Danach sei in Bayern die frühere Entscheidung über den Grund des Anspruchs bindend (Art. 1 Abs. 4 KBLG) und könne nur nach Art. 30 Abs. 4 KBLG geändert werden, in Württemberg-Baden dagegen sei für den Anspruch dem Grunde nach gemäß § 1 Abs. 4 KBLG die frühere Entscheidung maßgebend und von der Möglichkeit der Änderung nach § 30 Abs. 4 KBLG sei nicht die Rede. Die Voraussetzungen des Bescheides vom 31. August 1948 hätten sich auch nicht als unzutreffend erwiesen. Nach § 1 KBLG und der Ersten DurchfVO dazu hätten als unmittelbare Kriegseinwirkungen auch "behördliche Maßnahmen in unmittelbarer Folge von Kampfhandlungen oder zum Zwecke einer unmittelbaren Vorbereitung oder in Erwartung unmittelbar bevorstehender Angriffe" gegolten. Zu diesen Maßnahmen gehörten auch Luftschutzmaßnahmen, mindestens sei es zweifelhaft gewesen, ob sie dazu gehörten; erst § 2 der Dritten DurchfVO zum KBLG habe allgemeine Luftschutzmaßnahmen ausdrücklich ausgenommen. Als der Bescheid vom 31. August 1948 erlassen worden sei, seien dessen Voraussetzungen jedenfalls nicht im Sinne des § 30 Abs. 4 KBLG unzutreffend gewesen (vgl. Urt. des BSG. v. 10.6.1955, BSG. 1 S. 56). Das LSG. habe auch nicht erörtert, ob das Lungenleiden des Klägers als Schädigungsfolge nach den §§ 1 und 5 Abs. 1 Buchst. b BVG anzusehen sei. Zu den behördlichen Maßnahmen, die danach als unmittelbare Kriegseinwirkungen gelten, gehöre der Fliegeralarm (Verwaltungsvorschriften Nr. 3 zu § 5 BVG); nur allgemeine Verdunkelungsmaßnahmen seien ausgenommen. Der versorgungsrechtliche Schutz für die durch den Aufenthalt in Luftschutzräumen verursachten Gesundheitsstörungen werde zunehmend bejaht (Schönleiter, Komm. zum BVG, Anm. 12 zu § 5 BVG, Lüpke "Die Kriegsopferversorgung" 1955 S. 35 ff., Bericht über das Ergebnis der zweiten versorgungsrechtlichen Arbeitstagung mit den Ausführungen von Wüst im BVBl. 1956, S. 12 ff; anderer Ansicht Schieckel, BVG Anm. 1 zu § 5 und Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Versorgungsrechts, Erläuterungen Nr. 3 zu § 5 BVG).
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Durch § 1 Abs. 4 KBLG sei die Entscheidung über Leistungen nach dem KBLG erleichtert, die Aufhebung rechtskräftiger Bescheide nach § 30 Abs. 4 KBLG aber nicht ausgeschlossen worden. Fliegeralarm und Aufenthalt in ungesunden Luftschutzräumen seien keine unmittelbaren Kriegseinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG.
II
Das LSG. hat die Revision zugelassen; sie ist in der gesetzlichen Frist formgerecht eingelegt und begründet worden und ist sonach zulässig. Sie ist auch begründet.
Angefochten waren - wie das LSG. selbst erwähnt - der Bescheid vom 31. August 1948 wegen der Höhe der Rente, der Bescheid vom 17. Juni 1950, der den Bescheid vom 31. August 1948 und den "im Anschluß" daran erlassenen Bescheid vom 7. Juni 1950 nach § 30 Abs. 4 KBLG "berichtigt" hat, und der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 24. August 1951, der den Bescheid vom 17. Juni 1950 für die Zeit ab 1. Oktober 1950 ersetzt hat. In diesem Umfange ist auch das Urteil des LSG. nachzuprüfen.
1. Das LSG. hat zunächst die Rechtswirksamkeit des Bescheides vom 17. Juni 1950 geprüft. Zutreffend hat es hierzu entschieden, daß die auf das frühere Versorgungsrecht gestützten Bescheide vom 8. Juni und 14. August 1944 schon durch die Aufhebung dieser Vorschriften nach Art. III des KRG Nr. 34 vom 20. August 1946 (Ambl. des Kontrollrats in Deutschland S. 172) gegenstandslos geworden waren (vgl. BSG. 3 S. 251 [255/256]). Durch den Bescheid vom 17. Juni 1950 sind deshalb nach § 30 Abs. 4 KBLG nur der Bescheid vom 31. August 1948 und der im Anschluß daran erlassene Bescheid vom 7. Juni 1950 zurückgenommen worden.
Im übrigen kann aber dem LSG. nicht gefolgt werden.
2. Der Bescheid vom 17. Juni 1950 ist auf § 30 Abs. 4 des württemberg-badischen Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KB-Leistungsgesetz) vom 21. Januar 1947 gestützt. Diese Vorschrift ist nach § 162 Abs. 2 SGG vom Revisionsgericht nachprüfbar. Die gleiche Vorschrift war auch in den KB-Leistungsgesetzen der übrigen Länder der ehemals amerikanischen Zone enthalten, die außerdem mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Bundesrecht geworden sind (BSG. 1 S. 56 [59], Urt. des Bayer. Verfassungsgerichtshofes v. 27.1.1950 - Ambl. des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge 1950 S. 277); ihr Geltungsbereich erstreckte sich demnach über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus.
Nach § 30 Abs. 4 KBLG konnte ein rechtskräftiger Bescheid aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen der Bescheiderteilung sich als unzutreffend erwiesen. Der Aufhebung des Bescheides vom 31. August 1948 steht nicht entgegen, daß er Leistungen nach § 1 Abs. 1 KBLG für einen Versorgungsanspruch betrifft, über den auf Grund der bisherigen gesetzlichen Vorschriften bereits rechtskräftig entschieden worden war (§ 1 Abs. 4 KBLG). Das KBLG ist am 14. Februar 1947 in Kraft getreten; mit diesem Tage ist die PSchVO vom 10. November 1940 aufgehoben worden (§ 38 Buchst. e KBLG). Ansprüche auf Leistungen nach dem KBLG mußten innerhalb eines Jahres angemeldet (§ 8 KBLG), auf jeden Antrag mußte ein schriftlicher Bescheid erteilt (§ 30) und die bereits festgestellten Renten mußten nach den Vorschriften des KBLG neu berechnet werden (§ 39). Mit dem Inkrafttreten des KBLG waren sonach frühere Entscheidungen über versorgungsrechtliche Ansprüche gegenstandslos geworden; Leistungen nach § 1 KBLG durften nur gewährt werden, soweit dieser Tatbestand erfüllt war (BSG. 3 S. 251 [255]). Sofern jedoch auf Grund der bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften bereits über den Versorgungsanspruch entschieden war, sollte diese Entscheidung nach § 1 Abs. 4 KBLG ihre Wirkung behalten, soweit die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Anspruchs auch nach dem KBLG gegeben waren. Dies bedeutete nur, daß insoweit eine bisher anerkannte Schädigung als Leistungsgrund in den Bescheid übernommen werden mußte, der nach dem KBLG zu erteilen war (§§ 30, 39 KBLG). Leistungen wurden auch in diesem Falle nach § 1 Abs. 1 KBLG und auf der Grundlage eines Bescheides nach dem KBLG gewährt. Diesen Bescheid durfte die Verwaltung wie jeden anderen begünstigenden Bescheid, der rechtskräftig geworden war, nach § 30 Abs. 4 KBLG aufheben oder abändern, wenn sich die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erwiesen.
Es ist dabei im vorliegenden Fall unerheblich, daß der Kläger den Bescheid vom 31. August 1948 angefochten hatte; zur Rechtskraft im Sinne des § 30 Abs. 4 KBLG genügte die Bindung für den Beklagten (DSG. 3 S. 251 [254]), die in dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem der ausschließlich begünstigende Bescheid dem Kläger zugegangen ist (vgl. Haueisen, Die Ortskrankenkasse, 1956, S. 189 ff., Text zu Anm. 13 bis 17).
3. Die Voraussetzungen, unter denen der Beklagte den rechtskräftigen Bescheid vom 31. August 1948 hat zurücknehmen dürfen, sind aber nicht gegeben gewesen. Nach § 30 Abs. 4 KBLG ist die Rücknahme nur möglich, wenn sich die tatsächlichen oder die rechtlichen Voraussetzungen - in diesem Falle kommt es auf die rechtlichen Voraussetzungen an, d.h. auf die Anwendung von Rechtsnormen auf die festgestellten Tatsachen - als unzutreffend erweisen; es muß sich also erweisen, daß der Bescheid nach dem Recht jenes Zeitpunktes, in dem er erlassen wurde, rechtswidrig war (BSG. 1 S. 56 [60], Urt. des BSG. v. 6.2.1958, SozR, Nr. 2 zu KBLG Art. 30). Bei der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen des Bescheides vom 31. August 1948 kommt es deshalb darauf an, ob erwiesen ist, daß die Anwendung des § 1 KBLG und des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ersten DurchfVO zum KBLG auf die festgestellten und unbestrittenen Tatsachen unzutreffend war. Wie das LSG. erwähnt, ist dabei davon auszugehen, daß das Ruhrgebiet in den letzten Kriegsjahren durch die ständigen Fliegerangriffe zum Kriegsschauplatz geworden ist, daß der Kläger sich deswegen häufig im Keller und Bunker hat aufhalten müssen, besonders nach der Zerstörung seiner Wohnung im Mai 1943, daß er dadurch erheblichen Schädigungen ausgesetzt gewesen ist, und daß unter normalen Verhältnissen die Tuberkulose nicht zum Ausbruch gekommen wäre. Wenn unter diesen Umständen im Bescheid vom 31. August 1948 angenommen wurde, daß der Kläger durch unmittelbare Kriegseinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG und des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ersten DurchfVO zum KBLG, nämlich durch die behördlichen Maßnahmen mit der Verpflichtung zu einem luftschutzmäßigen Verhalten während der ständigen Luftangriffe geschädigt worden ist, so kann diese Annahme nicht als erwiesenermaßen rechtlich unzutreffend bezeichnet werden. Mindestens war diese Annahme möglich, zumal wenn man den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ersten DurchfVO für sich allein betrachtet. Auch in der Literatur und in der Rechtsprechung ist die Frage, inwieweit Schädigungen durch den Aufenthalt im Luftschutzkeller Folgen unmittelbarer Kriegseinwirkungen sind, umstritten gewesen (vgl. van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen 1955, II. Teil, S. 80, Anm. b 3 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Zweifel durch § 2 Abs. 1 Buchst. b der Dritten DurchfVO zum KBLG vom 23. Juli 1949 (RGBl. S. 212) beseitigt sind, wonach von den unmittelbaren Kriegseinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG die allgemeinen Luftschutzmaßnahmen ausgenommen wurden, es kann auch dahingestellt bleiben, ob nicht selbst bei Anwendung dieser Vorschrift die Annahme möglich war, der Kläger sei durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung geschädigt worden, weil die Verpflichtung zum Aufenthalt in den Luftschutzräumen örtlich und zeitlich verschieden - je nach der Auslösung des Alarms - gewesen sei und nicht mehr zu den allgemeinen Luftschutzmaßnahmen gehört habe. Jedenfalls haben sich für den Zeitpunkt, in dem der Bescheid vom 31. August 1948 erteilt worden ist, die Voraussetzungen nicht als "unzutreffend" im Sinne des § 30 Abs. 4 KBLG erwiesen. Der Bescheid vom 31. August 1948 und der daran anschließende Bescheid vom 7. Juni 1950 sind zu Unrecht nach § 30 Abs. 4 KBLG aufgehoben worden; der Bescheid vom 17. Juni 1950 ist somit rechtswidrig.
4. Das LSG. ist zutreffend davon ausgegangen, daß auch der Bescheid vom 31. August 1948, soweit in ihm die Höhe der Rente nach dem KBLG geregelt gewesen ist, angefochten war. Das LSG. hat die Entscheidung darüber zu Unrecht deshalb als erledigt angesehen, weil der Bescheid vom 31. August 1948 durch den Bescheid vom 17. Juni 1950 aufgehoben worden sei. Durch diesen Bescheid ist der frühere erst vom 1. August 1950 an geändert worden. Mit der Berufung (alten Rechts) gegen den Bescheid vom 31. August 1948 hatte der Kläger aber für die in diesem Bescheid anerkannten Gesundheitsstörungen nicht nur vom 1. August 1950, sondern vom 1. Februar 1947 ab Rente nach einer MdE. um 60 v.H. statt bisher 50 v.H. begehrt. Mit der Aufhebung des Bescheides vom 31. August 1948 ab 1. August 1950 ist also nicht das gesamte Berufungsbegehren des Klägers erledigt gewesen. Die Berufung ist vom OVA. jedoch ohne Einschränkung zurückgewiesen worden. Gegen dieses Urteil ist der Rekurs zulässig gewesen (§§ 1699, 1700 Reichsversicherungsordnung). Nach dem Übergang der Sache auf das LSG. am 1. Januar 1954 ist die Zulässigkeit der Berufung nach den §§ 143 bis 150 SGG zu beurteilen (BSG. 2 S. 62 ff.). Soweit das angefochtene Urteil - wie hier - aber lediglich den Grad der MdE. betrifft, ohne daß davon die Schwerbeschädigteneigenschaft oder die Gewährung der Grundrente abhängt, kann es aber nach § 148 Nr. 3 SGG mit der Berufung nicht angefochten werden. Insoweit hätte das LSG. die Berufung des Klägers als unzulässig verwerfen müssen.
5. Soweit der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 24. August 1951 angefochten war, hat das LSG. die Berufung zurückgewiesen, ohne zu erörtern, ob das Lungenleiden des Klägers durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne der §§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. b BVG herbeigeführt ist. Davon hat das LSG. auch nicht etwa deshalb absehen dürfen, weil seiner Auffassung nach der Bescheid vom 17. Juni 1950 rechtmäßig war. Auch das BVG beruht, wie aus den Übergangsvorschriften (§§ 84 bis 86) zu entnehmen ist, auf dem Grundgedanken, daß von seinem Inkrafttreten an die Tatbestände der §§ 1 bis 5 BVG die alleinige Grundlage für die Versorgung bilden und daß frühere Entscheidungen über Versorgungsansprüche mit dem Außerkrafttreten der alten Versorgungsgesetze hinfällig geworden sind (BSG. 1 S. 210 [215], 2 S. 113 [114], S. 263 [264]; 3 S. 251 [255]; 4 S. 21 [23]). Für die hier streitige Frage, ob eine Schädigung durch Aufenthalt in Luftschutzräumen eine Schädigung durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung (§§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. b BVG) darstellt, ist eine nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung nicht rechtsverbindlich nach § 85 Satz 1 BVG (Urt. des BSG. v. 14.1.1958 11/8 RV 887/55 -). Vielmehr war unabhängig davon zu beurteilen, ob das Lungenleiden des Klägers durch unmittelbare Kriegseinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG verursacht ist. Feststellungen, nach denen eine solche unmittelbare Kriegseinwirkung nicht vorgelegen habe, sind vom LSG. nicht getroffen worden. Das LSG. hat daher die Berufung des Klägers, soweit sie den Umanerkennungsbescheid vom 24. August 1951 betrifft, ohne Rechtsgrund abgewiesen.
6. Die Revision des Klägers ist somit begründet. Das Urteil des LSG. ist aufzuheben.
Zwar hätte der Senat in der Sache selbst entscheiden können, soweit der Bescheid vom 31. August 1948 nebst dem dazu ergangenen Änderungsbescheid vom 7. Juni 1950 und der Bescheid vom 17. Juni 1950 angefochten sind. Dagegen ist eine Sachentscheidung wegen fehlender Feststellungen nicht möglich, soweit der Bescheid vom 24. August 1951 angefochten ist. Unter diesen Umständen hat es der Senat für tunlich gehalten, die Sache in vollem Umfang an das LSG. zurückzuverweisen. Das LSG. hat damit die Möglichkeit, nach Feststellung der erforderlichen Tatsachen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über den Rentenanspruch des Klägers einheitlich und mit der erforderlichen Klarheit zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten ist dem abschließenden Urteil vorzubehalten.
Fundstellen