Leitsatz (amtlich)
1. Der in der Heimat abgeleistete Wehrdienst unterbricht, sofern er zu einer länger als drei Monate dauernden Abwesenheit führt, die Fünfjahresfristen des ArbErlaubV § 2 Abs 1 Nr 1 und des ArbErlaubV § 2 Abs 3. Diese Rechtsfolge stellt keine besondere Härte iS des ArbErlaubV § 2 Abs 5 dar.
2. Sprechen allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts gegen die Arbeitserlaubnis, kann aber ein bestimmter Arbeitsplatz, für den der Antragsteller die Arbeitserlaubnis begehrt, nicht mit einem Deutschen oder bevorrechtigten Ausländer besetzt werden, ist die Erteilung einer Arbeitserlaubnis unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles möglich.
Normenkette
AFG § 19 Abs 1 Fassung: 1969-06-25; ArbErlaubV § 2 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1974-02-22; ArbErlaubV § 2 Abs 3 Fassung: 1974-02-22; ArbErlaubV § 2 Abs 5 Fassung: 1974-02-22
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.12.1978; Aktenzeichen L 9 Al 96/77) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 23.03.1977; Aktenzeichen S 7 Al 203/75) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Versagung einer Arbeitserlaubnis (AE) rechtswidrig gewesen ist.
Der 1950 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er arbeitete mit Unterbrechungen durch wiederholte Arbeitslosigkeit und die Ableistung seiner Wehrpflicht in der Türkei (1. Oktober 1970 bis 2. Oktober 1972) seit dem 5. Oktober 1965 erlaubterweise als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar vorwiegend als Schneider, Bügler und Näher. Am 2. Mai 1974 nahm er bei einer Baufirma, bei der auch sein Vater arbeitete, eine Tätigkeit als Bauwerker auf, für die ihm die Beklagte vom 8. November 1976 an eine bis zum 25. März 1979 gültige AE erteilte. Für die Zeit davor lehnte die Beklagte die Erlaubnis der Tätigkeit bei der Baufirma ab (Bescheid vom 27. Dezember 1974; Widerspruchsbescheid vom 16. November 1975). Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Würzburg vom 23. März 1977). Die Berufung, mit der der Kläger nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. Dezember 1974 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. November 1975 geltend machte, hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. Dezember 1978 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Übergang zur Feststellungsklage sei nach § 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, da er mit ihrer Hilfe eher einen Anspruch auf eine AE unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts erlangen könne. Die Beklagte habe jedoch zu Recht eine AE abgelehnt. Einen Anspruch auf eine AE unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts nach § 2 der Verordnung über die AE für nichtdeutsche Arbeitnehmer vom 2. März 1971 (BGBl I 152) idF der Änderungsverordnungen vom 8. Januar 1973 (BGBl I 18) und 22. Februar 1974 (BGBl I 365) (AEVO) habe der Kläger nicht. In den letzten fünf Jahren vor dem 2. Mai 1974 habe er nicht ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit rechtmäßig im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ausgeübt, da er sich 1970/72 zur Ableistung des Wehrdienstes in seiner Heimat aufgehalten habe. 1974 sei der Kläger auch nicht mehr minderjährig gewesen, so daß ihm die Tätigkeit seines Vaters nicht zugute komme. Schließlich stelle die Versagung der AE nach den besonderen Verhältnissen des Klägers keine Härte dar, weil er für zwei Jahre der Wehrpflicht habe genügen müssen. Wie sich aus der Vorschrift des am 1. Dezember 1978 in Kraft getretenen § 2 Abs 4 AEVO idF der Änderungsverordnung vom 29. August 1978 (BGBl I 1531) (AEVO nF) ergebe, nach der ein Anspruch auf AE durch die Ableistung des Wehrdienstes nicht berührt werde, sei bis dahin die Fünfjahresfrist durch eine mehr als drei Monate dauernde Wehrdienstleistung im Heimatland unterbrochen worden. Eine solche Unterbrechung habe daher auch nicht durch Anwendung des § 2 Abs 5 AEVO zur Begründung eines Anspruchs auf eine AE führen können. Dem Kläger, der eine bis zum 3. Oktober 1975 gültige AE als Schneider gehabt habe, sei die Möglichkeit gegeben gewesen, in Deutschland zu arbeiten; wenn er seinen entsprechenden Arbeitsplatz freiwillig aufgegeben und von dieser AE keinen weiteren Gebrauch gemacht habe, könne in der Versagung der AE für eine andere Tätigkeit keine Härte gesehen werden. Daß der Kläger im selben Betrieb wie sein Vater habe arbeiten wollen, bewirke ebenfalls keine Härte, weil der Kläger bislang stets unabhängig von seinem Vater gearbeitet habe. Nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts und den Verhältnissen des Einzelfalls (§ 19 Abs 1 AFG iVm § 1 Nr 1 AEVO) habe dem Kläger keine AE zugestanden, weil 1974 bis 1976 die Zahl der beschäftigungslosen, arbeitsuchenden Bauhilfsarbeiter erheblich größer als die Zahl der vorhandenen offenen Stellen gewesen sei. So hätten zB im Juli 1974 im Bereich des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg 760 arbeitslosen Bauhilfsarbeitern lediglich 678 offene Stellen gegenübergestanden; dieses Verhältnis habe sich später noch verschlechtert (September 1974: 943 zu 540). Die schlechte Arbeitsmarktlage habe es gerechtfertigt, dem zuvor als Schneider, Näher und Bügler tätigen Kläger keine AE für eine Beschäftigung auf dem Bausektor zu erteilen.
Der Kläger macht mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 19 Abs 1 AFG, der §§ 1 und 2 AEVO und des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend. Das LSG habe die besondere Härte des Wehrdienstes verkannt, dem sich der Kläger nicht habe entziehen können, weil sonst sein Paß nicht verlängert worden wäre. Ohne den Wehrdienst hätte er längst die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO erfüllt, so daß ihm eine unbeschränkte AE hätte erteilt werden können. Daß der Verordnungsgeber, wie sich aus der jüngsten Änderungsverordnung ergebe, generell verhindern wolle, daß Ansprüche auf eine AE durch Ableistung des Wehrdienstes verloren gingen, bedeute nicht, daß vor dieser Regelung die Ableistung des Wehrdienstes keine besondere Härte für den betroffenen Arbeitnehmer bedeutet habe. Bei dem Kläger komme nicht nur seine Tätigkeit seit Oktober 1965, sondern auch der Umstand hinzu, daß sein Vater arbeitslos geworden wäre, wenn der Kläger nicht weiter bei der Baufirma gearbeitet hätte. Die Baufirma habe den Vater nämlich nur zusammen mit dem Kläger an anderen Baustellen einsetzen können, weil der Vater - im Gegensatz zum Kläger - kein deutsch könne und kein Auto besitze. Auf die Hilfe des Sohnes sei der Vater erst seit Mai 1974 angewiesen gewesen. Schließlich habe das LSG bei der Beurteilung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht die Angaben der Baufirma, wonach ihr trotz Anforderung keine geeigneten Arbeitskräfte zugewiesen worden seien, berücksichtigt; der bloße Verweis auf die Statistiken ergebe nicht, daß für die vom Kläger verrichteten Arbeiten geeignete deutsche oder bevorrechtigte ausländische Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden hätten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und
festzustellen, daß der Bescheid der Beklagten
vom 27. Dezember 1974 idF des Widerspruchsbescheides
vom 16. November 1975 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, es sei unstreitig, daß dem Kläger kein Anspruch auf eine AE nach § 2 Abs 1 AEVO zustehe. Auch unter Berücksichtigung der mit Wirkung vom 1. Oktober 1978 erfolgten Änderung der AEVO gelte nichts anderes, da der Kläger bei Antritt des Wehrdienstes noch keinen Anspruch nach § 2 Abs 1 AEVO erworben habe. Mit Recht habe das LSG eine besondere Härte iS des § 2 Abs 5 AEVO verneint. Ebenso zutreffend sei die Erkenntnis, daß Arbeitsmarktgründe der Erteilung der AE entgegengestanden hätten. Die Angaben der Baufirma widerlegten nicht die im Widerspruchsbescheid angeführte Zahl von 20 deutschen bzw gleichgestellten Arbeitskräften, die für die fragliche Tätigkeit zur Verfügung gestanden hätten, noch die dem Berufungsurteil zugrunde gelegten Arbeitsmarktzahlen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung begründet.
Zutreffend hat das LSG den Bescheid vom 27. Dezember 1974 idF des Widerspruchsbescheids vom 16. November 1975, durch den die Beklagte den 1974 gestellten Antrag des Klägers, ihm für die Beschäftigung bei der Baufirma eine AE zu erteilen, abschlägig beschieden hat, durch Ablauf der Zeit, für die die beantragte AE angesichts der 1976 erteilten Erlaubnis wirksam geworden wäre, als erledigt (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nr 9) und den Übergang von der Verpflichtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG als zulässig angesehen (vgl BSGE 8, 1 = SozR § 131 SGG Nr 8; BSGE 8, 178, 180 f; BSGE 42, 212, 216 = SozR 1500 § 131 Nr 3 mit weiteren Nachweisen), weil der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe, daß die Ablehnung der AE rechtswidrig gewesen sei. Das berechtigte Interesse des Klägers, mit Hilfe der erfolgreichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eher die Voraussetzungen zu erfüllen, um unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts eine AE zu erhalten, besteht im Revisionsverfahren noch fort. Der Kläger ist kein Deutscher. Er bedarf daher nach § 19 Abs 1 Satz 1 AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) zur Ausübung einer Beschäftigung eine Erlaubnis. Weder zwischenstaatliche Vereinbarungen (vgl das deutsch-türkische Niederlassungsabkommen vom 12. Januar 1927 - RGBl II 1927, 76 und 454 - iVm dem Einverständnis vom 16. Februar 1952 - BGBl II 1952, 608 -; ferner die deutsch-türkische Vereinbarung zur Regelung der Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrepublik Deutschland vom 30. Oktober 1961 idF der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1964 - BArbBl 1965, 125 -; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 - BGBl II 1965, 1170 und 1588 - idF der Änderung vom 28. Mai 1969 - BGBl II 1972, 2 und 838) noch Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften (vgl das Abkommen zwischen der EWG und der Türkei vom 12. September 1963 über die Gründung einer Assoziation - BGBl II 1964, 510 und 1959 -, ferner das Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 - BGBl II 1972, 386; 1973, 113 - sowie den Beschluß des Assoziationsrats vom 20. Dezember 1976 - ANBA 1977, 1090 -) haben für türkische Staatsangehörige etwas anderes bestimmt (BSG SozR 4100 § 19 Nr 5 und 9; Urteil vom 20. Juni 1978 - 7 RAr 7/77 -). Nach Erteilung der AE ab 8. November 1976 hat der Kläger zur Zeit noch nicht fünf Jahre ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit rechtmäßig ausüben können, so daß er noch nicht die Voraussetzungen erfüllt, an die § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO nF die Erteilung einer AE unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts knüpft.
Ob die Ablehnung der beantragten AE rechtswidrig war, hängt davon ab, ob der Kläger nach der im Zeitpunkt der Ablehnung vorliegenden Rechts- und Sachlage, dh nach den Verhältnissen im Dezember 1974, einen Anspruch auf Erteilung einer AE hatte (vgl BSGE 44, 82, 89 = SozR 4100 § 19 Nr 3). Da zwischenstaatliche Vereinbarungen und Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften für türkische Staatsangehörige seinerzeit nichts anderes bestimmt haben, war dem Kläger eine AE nur zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs 1 Satz 2 AFG oder des § 2 AEVO erfüllt waren. Die seither eingetretene Verbesserung der Rechtslage der ausländischen Arbeitnehmer, die nach dem Erwerb eines Anspruchs auf eine unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts zu erteilende AE ihrer Wehrpflicht genügen (§ 2 Abs 4 AEVO nF), findet keine Anwendung; diese Vorschrift ist erst am 1. Oktober 1978 in Kraft getreten (Art 3 der Änderungsverordnung vom 29. August 1978 - BGBl I 1531 -).
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß die Voraussetzungen, die für die Erteilung einer AE nach § 2 AEVO gegeben sein müssen, nicht vorliegen. Nach § 2 AEVO ist in bestimmten Fällen unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts eine nicht auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb beschränkte AE zu erteilen. Der Verordnungsgeber hat damit von der ihm nach § 19 Abs 3 Satz 2 AFG zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht, für einzelne Personengruppen durch Rechtsverordnung Ausnahmen zuzulassen (BSGE 43, 153, 159 = SozR 4100 § 19 Nr 2). Daß der Kläger nur eine auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb beschränkte AE begehrt hat, steht der Anwendung des § 2 AEVO nicht entgegen; der Anspruch auf eine unbeschränkte AE schließt den Anspruch auf die beschränkte AE ein (BSGE 44, 82, 84 f = SozR 4100 § 19 Nr 3; SozR 4100 § 19 Nr 5).
Nach § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO ist die AE zu erteilen, wenn der Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren vor dem Beginn der Geltungsdauer der AE ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit im Geltungsbereich der Verordnung ausgeübt hat. Diese Voraussetzung konnte der Kläger, der erst 1972 wieder in die Bundesrepublik gekommen war, 1974 noch nicht erfüllen. Auf die Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik vor der Ableistung des Wehrdienstes in der Türkei kann nicht zurückgegriffen werden. Die Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik ist durch die Ableistung des Wehrdienstes für die Dauer von mehr als drei Monaten unterbrochen worden. Zeiten von mehr als drei Monaten unterbrechen die unselbständige Tätigkeit im Bundesgebiet auch dann, wenn der Arbeitnehmer derweil seiner Wehrpflicht genügt. Die AEVO enthält keine Bestimmung, daß die Zeit der Ableistung des Wehrdienstes die Frist des § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO nicht unterbricht. Die Einräumung des Anspruchs auf eine AE, auch wenn der Vorrang des deutschen und des ihm gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmers bei der Arbeitsvermittlung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer AE an sich nicht erlaubt, beruht auf der Überlegung, daß, wer ununterbrochen fünf Jahre auf dem deutschen Arbeitsmarkt sein Auskommen gefunden hat, sich auf diese Erwerbsmöglichkeit in einem Umfang eingerichtet hat, daß es unzumutbar wäre, ihm lediglich wegen der zwischenzeitlichen Verschlechterung des Arbeitsmarktes den Zugang zu diesem Arbeitsmarkt, auf dem er sich in der vergangenen Zeit ununterbrochen behauptet hat, zu verwehren. Diese Überlegung rechtfertigt es, die Beschäftigung in der Bundesrepublik durch Zeiten, in denen der Arbeitnehmer einem nichtdeutschen oder, wie das bei der Ableistung des Wehrdienstes der Fall ist, keinem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand, als unterbrochen anzusehen. Wer als ausländischer Arbeitnehmer ununterbrochen fünf Jahre in der Bundesrepublik gearbeitet hat, ist in seiner wirtschaftlichen Existenz viel stärker mit dem deutschen Arbeitsmarkt verknüpft als derjenige, der einen Teil dieser Zeit in seiner Heimat verbracht hat, mag er auch nicht aus freien Stücken in sein Herkunftsland zurückgekehrt sein.
Auch nach § 2 Abs 3 AEVO stand dem Kläger eine AE nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist Ehegatten und minderjährigen Kindern von Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO erfüllen, eine AE zu erteilen, wenn sie sich in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der AE ununterbrochen rechtmäßig in der Bundesrepublik aufgehalten haben. Da der Kläger von Oktober 1970 bis Oktober 1972 in der Türkei gewesen ist, erfüllte er 1974 die Aufenthaltsvoraussetzungen nicht. Auch insoweit kann auf den früheren Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik nicht zurückgegriffen werden, da nur Zeiten eines Auslandsaufenthalts bis zur Dauer von jeweils drei Monaten die Fünfjahresfrist nicht unterbrechen (§ 2 Abs 3 Satz 2 AEVO). Es kann daher offen bleiben, ob der 1974 sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht volljährige Kläger verheiratet war und ob bei seiner Ehefrau die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO erfüllt waren.
Unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes kann die AE schließlich erteilt werden, wenn die Versagung nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würden (§ 2 Abs 5 AEVO). Ob die Versagung der AE eine Härte bedeuten würde, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Der Beklagten ist soweit keine Beurteilungsermächtigung erteilt; auch steht es beim Vorliegen einer Härte nicht in ihrem Ermessen, ob eine AE erteilt werden soll (BSGE 43, 153, 157 ff = SozR 4100 § 19 Nr 2; BSGE 44, 82, 86 = SozR 4100 § 19 Nr 3). Doch bedeutet die Versagung der AE unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nach den besonderen Verhältnissen des Klägers keine Härte.
Die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse stellen einen Härtefall nicht dar; Härten, die aufgrund von Umständen bestehen, wie sie bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auftreten können, rechtfertigen nicht die Erteilung einer AE (BSG SozR 4100 § 19 Nr 5 und 6; Urteil vom 20. Juni 1978 - 7 RAr 7/77 -). Zu den allgemein gültigen Verhältnissen gehört es, daß Ausländer, insbesondere junge Männer, in ihrer Heimat für eine bestimmte Zeit Wehrdienst leisten müssen. Die durch den Wehrdienst bedingte Abwesenheit hat zwangsweise Nachteile hinsichtlich solcher Rechtspositionen zur Folge, die durch den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland oder eine unselbständige Arbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt aufrechterhalten oder erworben werden. Daher stellt es nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles keine Härte dar, daß der Kläger durch seine Wehrdienstleistung die rechtmäßige unselbständige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 5. Oktober 1965 hat unterbrechen müssen.
Nach § 2 Abs 4 AEVO nF wird nun allerdings seit dem 1. Oktober 1978 ein nach § 2 Abs 3 AEVO erworbener Anspruch durch die Ableistung des Wehrdienstes nicht berührt. Diese Rechtsänderung, die sich bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auswirken wird, betrifft jedoch nicht "die besonderen Verhältnisse" des Einzelfalles. Sie läßt daher nicht den Rückschluß zu, der Verordnungsgeber habe damit anerkannt, die Versagung der AE sei in diesen Fällen nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers eine Härte gewesen; jedenfalls ergibt sich aus der Bestimmung, daß diese Vorschrift am 1. Oktober 1978 in Kraft tritt, daß vorher in den Fällen, in denen nunmehr ein Anspruch auf AE des ausländischen Arbeitnehmers, der Wehrdienst leistet, erhalten bleibt, ein Anspruch auf AE nicht erwachsen sollte. Hinzu kommt, daß auch nach neuem Recht der ausländische Arbeitnehmer durch mehr als dreimonatigen Wehrdienst in seiner Heimat die durch den bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik erworbene Rechtsposition verliert, wenn er vor Antritt des Wehrdienstes nicht schon einen Anspruch auf AE erworben hat. Nachteile, die der ausländische Arbeitnehmer durch die Wehrpflicht in seiner Heimat erlitten hat und erleidet, treten bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auf; sie begründen daher keine besonderen Verhältnisse iS des § 2 Abs 5 AEVO.
Ein Verlust des Arbeitsplatzes bei der Baufirma, für die der Kläger die AE begehrt, ist die notwendige Folge, wenn die beantragte AE versagt wird; ein solcher Verlust begründet daher ebenfalls keine Härte nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers (BSG SozR 4100 § 19 Nr 5). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß dem Kläger die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung nicht verboten war, da er 1974 im Besitz einer beschränkten AE war. Sprachliche Schwierigkeiten treten bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auf; sie lassen sich zumeist durch andere ausländische Arbeitnehmer überwinden. Daher begründet die Absicht des Klägers, mit seinem Vater im selben Betrieb zu arbeiten, um dem des Deutschen unkundigen Vaters zu helfen, keine besonderen Verhältnisse iS des § 2 Abs 5 AEVO. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsplatz, den der Vater innehatte, wegen der sprachlichen Schwierigkeiten bzw der mangelnden Mobilität des Vaters gefährdet gewesen sein sollte. Ob dies anders wäre, wenn die berufliche Existenz des Vaters allein von der Zusammenarbeit mit dem Kläger abhinge, bedarf hier keiner Entscheidung. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger bis 1974 stets unabhängig von seinem Vater tätig gewesen ist. Hieraus folgt, daß der Vater sich auch ohne die Hilfe des Sohnes hat behaupten können. Anhaltspunkte dafür, daß dies 1974 anders geworden ist, insbesondere daß der Kläger die Arbeit bei der Baufirma aufnahm, weil sein Vater allein nicht zurecht kam, liegen nicht vor.
Das LSG hat daher zutreffend die AE-Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 AEVO verneint. Soweit das LSG allerdings auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 19 Abs 1 Satz 2 AFG verneint hat, kann ihm nicht gefolgt werden.
Nach § 19 Abs 1 Satz 2 AFG wird die Erlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erteilt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist, sofern nicht andere Bedenken entgegenstehen, eine befristete AE zu erteilen. Insoweit ist der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung nicht befugt, durch die in § 19 Abs 3 Satz 1 AFG vorgesehene Rechtsverordnung einschränkende Vorschriften zu erlassen. Trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 1 AEVO ist die AE daher nicht allein nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts, sondern jeweils nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles zu erteilen (vgl BSGE 43, 153, 155 = SozR 4100 § 19 Nr 2; BSGE 44, 82, 89 = SozR 4100 § 19 Nr 3; SozR 4100 § 19 Nr 5).
§ 19 AFG bezweckt einen Vorrang deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer bei der Arbeitsvermittlung (BSGE 43, 153, 160 = SozR 4100 § 19 Nr 2; SozR 4100 § 19 Nr 5 und 9). Diesem Zweck widerspräche die Erteilung der vom Kläger begehrten AE, wenn für seinen Arbeitsplatz unschwer deutsche oder ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitsuchende hätten vermittelt werden können. Nach der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt kann dies angenommen werden, wenn in der entsprechenden Berufsgruppe und auf dem örtlichen Arbeitsmarkt, für den der Antragsteller die AE begehrt, ein deutlicher, das Mehrfache betragender Überhang an Arbeitsuchenden gegenüber offenen Stellen besteht (BSGE 44, 82, 89 = SozR 4100 § 19 Nr 3), insbesondere, wenn es sich bei den Arbeitsuchenden nur um Deutsche und ihnen gleichgestellte Ausländer handelt (vgl BSGE 45, 153, 158 = SozR 4100 § 103 Nr 10; BSG SozR 4100 § 19 Nr 6). Einen das Mehrfache betragender Überhang an Arbeitsuchenden gegenüber offenen Stellen hat das LSG nicht festgestellt. Je geringer der Überhang an Arbeitsuchenden ist, desto weniger kann dem Zahlenverhältnis entnommen werden, ob für Arbeitsplätze bestimmter Art deutsche oder ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitslose zur Verfügung stehen. Allerdings sprächen die festgestellten Zahlenverhältnisse gegen die Erteilung einer AE, wenn es sich bei den Arbeitsuchenden nur um deutsche und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer gehandelt haben sollte; eine solche Feststellung hat das LSG jedoch nicht getroffen. Die Feststellung von 760 (943) arbeitslosen Bauhilfsarbeitern gegenüber 678 (540) offenen Stellen allein läßt den Schluß, der Arbeitsmarkt verbiete die Erteilung einer AE, nicht zu; der Überhang ist zu gering, um die Annahme zu rechtfertigen, auch bei Abzug der den Deutschen nicht gleichgestellten ausländischen Arbeitslosen verbleibe ein merklicher Überhang an deutschen und ihnen gleichgestellten Arbeitslosen. Demnach lassen schon die Feststellungen des LSG die Schlußfolgerung nicht zu, die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts habe der Erteilung der AE entgegengestanden.
Die Feststellungen des LSG sind im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1 Satz 2 AFG noch aus einem weiteren Grund nicht vollständig. Selbst wenn die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gegen die Erteilung der AE spricht, kann die Erteilung unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles möglich sein. Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller keinem Deutschen und keinem bevorrechtigten Ausländer den konkreten Arbeitsplatz "wegnimmt". Der Vorrang deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer bei der Arbeitsvermittlung wird nämlich im Einzelfall nicht berührt, wenn der Arbeitgeber aus besonderen, objektiv und sachlich gerechtfertigten Gründen, die in seinem individuellen Geschäftsinteresse liegen, die Beschäftigung des Ausländers, um dessen AE es geht, anstrebt (BSGE 47, 93, 99 = SozR 4100 § 19 Nr 8 = SGb 1980, 162). Nichts anderes gilt, wenn für einen bestimmten Arbeitsplatz kein deutscher oder gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer in Betracht kommt (BSG SozR 4100 § 19 Nr 5 und 9; Gagel/Jülicher, AFG, § 19 RdNr 17), dh der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz mit einem Deutschen oder bevorrechtigten Ausländer in angemessener Zeit nicht besetzen kann. Zu Recht rügt der Kläger daher, daß das LSG diesen Gesichtspunkt vernachlässigt habe und seiner Behauptung nicht nachgegangen sei, seinem Arbeitgeber habe für den von ihm innegehabten Arbeitsplatz trotz Anforderung kein deutscher oder bevorrechtigter ausländischer Arbeitnehmer zugewiesen werden können. Der nach § 19 Abs 1 Satz 2 AFG erforderliche Nachweis, daß für einen bestimmten freien Arbeitsplatz kein deutscher oder gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer in Betracht kommt, wird sich allerdings im allgemeinen nur führen lassen, wenn der Arbeitgeber der Beklagten einen Vermittlungsauftrag erteilt hat und die Beklagte in angemessener Zeit für den bestimmten Arbeitsplatz keinen geeigneten Bewerber hat benennen können.
Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits demnach davon ab, ob dem Kläger nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles eine AE zustand, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits, auch über die Kosten des Revisionsverfahren, an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen