Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. November 1996 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seiner Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1935 geborene Kläger ist seit dem 27. August 1956 Mitglied der Beklagten, seit 1972 überwiegend als freiwilliges Mitglied. Auf seinen Rentenantrag vom 21. Dezember 1994 wurde ihm von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersrente für Schwerbehinderte ab 1. April 1995 gewährt.
Die beklagte Ersatzkasse entschied, der Kläger sei als Rentner nicht versicherungspflichtig nach § 5 Abs 1 Nr 11 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Er habe die notwendige Vorversicherungszeit nicht erfüllt. Die für die Dauer der Vorversicherungszeit maßgebende Frist habe am 12. August 1972 begonnen. Seit diesem Zeitpunkt sei er nicht in ausreichendem Umfang pflichtversichert gewesen (Bescheid vom 14. Februar 1995 und Widerspruchsbescheid vom 28. November 1995). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. November 1996).
Mit der vom SG durch Beschluß zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung der Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1, Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes (GG) iVm § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V. Er sei seit 1972 überwiegend wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze (seit 1. Januar 1989: Jahresarbeitsentgeltgrenze ≪§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V≫) freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen. Aufgrund der Neufassung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V durch Art 1 Nr 1 des Gesundheits-Strukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) könnten nur noch diejenigen als Rentner pflichtversichert sein, die die notwendige Vorversicherungszeit mit Zeiten einer Pflichtversicherung erfüllten. Wer dagegen während seines Erwerbslebens freiwillig versichert geblieben sei, könne nur freiwillig versichert bleiben. Er habe dann jedoch eine höhere Beitragsbelastung als die pflichtversicherten Rentner zu tragen. Bei ihm betrage die Beitragsmehrbelastung 199,46 DM monatlich. Dieses sei verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. November 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1995 zu verurteilen, ihn ab dem 1. April 1995 in der Krankenversicherung der Rentner zu versichern.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG).
Der geltend gemachte Anspruch auf Mitgliedschaft in der KVdR ist einfachrechtlich unbegründet, wie das SG zutreffend entschieden hat. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V für die Versicherungspflicht als Rentner. Er war von 1972 bis 1994 nur zwölf Monate pflichtversichert und damit in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens bis zum Rentenantrag, die nach den Feststellungen des SG am 12. August 1972 begonnen hat, jedenfalls nicht neun Zehntel der Zeit pflichtversichert, wie dies § 5 Abs 1 Nr 11 Halbsatz 1 SGB V fordert.
Die Feststellungen des SG sind jedoch nicht ausreichend, um entscheiden zu können, ob der Rechtsstreit nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Vereinbarkeit von § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit dem GG einzuholen ist, oder ob die Revision mangels Entscheidungserheblichkeit der verfassungsrechtlichen Frage endgültig zurückzuweisen ist.
Der Senat hält es allerdings grundsätzlich für mit dem GG vereinbar, daß Rentner von der beitragsbegünstigten KVdR (vgl §§ 237, 247 und 248 SGB V) ausgeschlossen sind, wenn sie die nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V notwendige Vorversicherungszeit nicht mit Zeiten einer Pflichtversicherung erfüllen. Soweit wegen der Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR durch § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des Art 1 Nr 1 des GSG Verstöße gegen Art 14 Abs 1 und Art 20 Abs 3 GG geltend gemacht werden, wie dies auch hier der Fall ist, hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, daß die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen gegen diese Vorschriften des GG verstößt (vgl BSGE 78, 297 = SozR 3-2500 § 5 Nr 29). Der Senat ist jedoch davon überzeugt, daß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des Art 1 Nr 1 GSG gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, soweit danach auch solche Versicherte vom Zugang zur beitragsbegünstigten KVdR ausgeschlossen sind, die in der Rahmenfrist die Vorversicherungszeit zusammen mit solchen Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfüllen, in denen sie als Beschäftigte nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze nach § 165 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung nicht versicherungspflichtig oder seit dem 1. Januar 1989 nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungsfrei waren und Anspruch auf einen Beitragszuschuß nach § 405 RVO oder § 257 SGB V hatten. Der Senat hat deshalb in mehreren Streitverfahren beschlossen, die Frage, ob § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V insoweit mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist, dem BVerfG vorzulegen (Beschlüsse vom 26. Juni 1996, Az 12 RK 41/94, 12 RK 69/94, 12 RK 78/94, 12 RK 7/95 und 12 RK 36/95).
Aufgrund der Feststellungen des SG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Vorlage an das BVerfG auch hier vorliegen. Dazu ist es notwendig festzustellen, ob der Kläger in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens, die mit dem Rentenantrag als Endzeitpunkt zu berechnen ist, dh nach den bisherigen Feststellungen des SG zwischen dem 12. August 1972 und dem 21. Dezember 1994 neun Zehntel der Zeit versicherungspflichtig oder allein aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht versicherungspflichtig oder wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war. Dies ist vom SG nicht festgestellt worden, obwohl bei seiner Entscheidung vom 11. November 1996 die erwähnten Entscheidungen des Senats vom 26. Juni 1996 bereits bekannt waren. Der Kläger hat sich in seiner Klagebegründung auf einen der Vorlagebeschlüsse bezogen. Von daher war es Sache der Beteiligten darauf hinzuwirken, daß die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen wurden, zumal wenn sie eine erneute Entscheidung der Rechtsfrage durch das Bundessozialgericht aufgrund einer Sprungrevision wünschten.
Das LSG wird vor einer erneuten Entscheidung die BfA beizuladen haben (vgl BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 2).
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen