Leitsatz (redaktionell)

1. In DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 3 ist die eindeutige Absicht des Gesetzgebers erkennbar, bei all den in der privaten Wirtschaft Tätigen, die über keine abgeschlossene Hochschulbildung verfügen, höchstens das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 2 gelten zu lassen.

2. Ein Gericht ist nicht befugt, seine Prüfung auch daraufhin zu erstrecken, ob der Gesetzgeber die unter Berücksichtigung aller Interessen zweckmäßigste Regelung getroffen hat. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die vom Gesetz gewollte Lösung daraufhin zu überprüfen, ob sie vom Standpunkt eines Beteiligten aus die "gerechteste" Lösung darstellt. Auch bei einer Rechtsverordnung sind die Gerichte nicht zu einer Änderung der Norm befugt.

3. Es liegt keine Gesetzeslücke deshalb vor, weil in der BVG§30Abs3u4DV für Kapitäne auf großer Fahrt keine besondere Regelung getroffen worden ist bzw weil die BVG§30Abs3u4DV eine höhere Leistungsgruppe als diejenige der Leistungsgruppen nicht vorsieht. Es ist die eindeutige Absicht erkennbar, bei all den in der privaten Wirtschaft Tätigen, die über keine abgeschlossene Hochschulausbildung verfügen, höchstens das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 2 gelten zu lassen.

4. Mit der Regelung in BVG§30Abs3u4DV § 6 hat die Bundesregierung den nach BVG § 30 Abs 3 und 4 anspruchsberechtigten Personenkreis nicht in unzulässiger Weise eingeengt. Diese Vorschriften haben solche Ausnahmefälle überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Bundesregierung konnte es bei der von ihr zu treffenden allgemein verbindlichen Regelung als geboten erachten, diesen Ausnahmefällen in der geschehenen Weise Rechnung zu tragen.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 3 Fassung: 1964-07-30; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1964-07-30

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 1964 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Februar 1967 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen, soweit sie den Anspruch für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 betrifft.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zur Hälfte zu erstatten; außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger, der Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. und Pflegezulage nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezieht, beantragte im Dezember 1960 Berufsschadensausgleich nach § 30 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) - 1. NOG - aF. Die Beklagte unterstellte, daß der Kläger, der seit August 1942 das Zeugnis über die Befähigung zum Seesteuermann auf großer Fahrt (Patent A 5) besitzt und zuletzt von September bis November 1943 als I. Offizier auf dem Dampfer "G" bei der Reederei Schuchmann, Wesermünde, bedienstet war, ohne die Schädigungsfolgen das Patent A 6 (Kapitän auf großer Fahrt) erhalten hätte. Demnach legte sie bei der vorläufigen Feststellung des Berufsschadensausgleichs im Bescheid vom 29. November 1962 das Durchschnittseinkommen der technischen Angestellten in der Leistungsgruppe II zu Grunde. Im Widerspruchsverfahren, das erfolglos blieb, machte der Kläger geltend, die Leistungsgruppe II entspreche keinesfalls den Tätigkeitsmerkmalen eines Kapitäns oder I. Offiziers mit dem Patent A 6. Hier seien die Leistungsgruppen Ia oder Ib anzuwenden. Da dies nicht möglich sei, müsse der Berufsschadensausgleich nach § 6 der Durchführungsverordnung DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961 (BGBl I, 1115) - Ermittlung des Durchschnittseinkommens in besonderen Fällen - errechnet werden. Im Klageverfahren wurde der Berufsschadensausgleich mit Bescheid vom 29. März 1963 endgültig festgestellt. Mit Urteil vom 14. Oktober 1964 verpflichtete das Sozialgericht (SG) die Beklagte, für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 Berufsschadensausgleich gemäß § 6 DVO unter Zugrundelegung (des Endgrundgehalts) der Besoldungsgruppe A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes und ab 1. Januar 1964 gemäß § 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574) (DVO nF.) nach Besoldungsgruppe A 14 zu zahlen. Die - zugelassene - Berufung der Beklagten wurde - nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland - mit Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 8. Februar 1967 zurückgewiesen, nachdem die Beklagte zuvor ab 1. Januar 1964 in Anwendung des § 3 Abs. 3 DVO nF den Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 14 berechnet hatte. Der Kapitän eines Seeschiffes sei bei der Erfüllung seiner nautischen Aufgaben und der Leitung des Schiffes keinerlei Einschränkungen unterworfen. Er habe das Schiff in eigener Verantwortung zu führen, die auch vom Reeder nicht eingeschränkt werden dürfe. Die Stellung des Kapitäns ergebe sich insbesondere aus § 106 des Seemannsgesetzes vom 26. Juli 1957. Er sei Vorgesetzter aller Besatzungsmitglieder und der sonstigen an Bord tätigen Personen und es stehe ihm die oberste Anordnungsbefugnis zu. Darüber hinaus seien ihm in gewissem Umfange hoheitliche Aufgaben insoweit übertragen, als er z. B. die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung von Ordnung und Sicherheit an Bord zu treffen habe. Er könne seine Anordnungen mit Zwangsmitteln durchsetzen, wobei auch die vorübergehende Festnahme und die Anwendung körperlicher Gewalt zulässig sei. Ein Angestellter mit einer derart hohen Dispositionsbefugnis und Befehlsgewalt sei auf anderem Gebiet nicht denkbar, zumal § 106 Abs. 3 des Seemannsgesetzes die Grundrechte der Art. 2 und 13 des Grundgesetzes (GG) bei unmittelbarer Gefahr für Mensch oder Schiff zu Gunsten der Befehlsgewalt des Kapitäns einschränke. Daher sei die Auffassung der Beklagten, auch der Kapitän sei ein Angestellter mit eingeschränkter Dispositionsgewalt, unzutreffend. Die Durchschnittsheuer eines Kapitäns auf großer Fahrt betrage ab 1. August 1962 1.824,- DM. Damit stelle die Eingruppierung des Klägers in die Leistungsgruppe II mit einem Durchschnittsgehalt von 1.025,- DM keine ausreichende Bewertung dar. Deshalb müsse für den noch streitigen Zeitraum vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 entsprechend der rechnerischen Bewertung im angefochtenen Urteil von der Besoldungsgruppe A 13 mit einem Endgrundgehalt von 1.436,- DM zuzüglich Ortszuschlag der Stufe 2 und Ortsklasse A des Besoldungsgesetzes ausgegangen werden.

Bei dieser Regelung gehe das LSG über die in der DVO von 1961 vorgesehene Bewertung nach der Leistungsgruppe II hinaus, weil die damalige Fassung der Verordnung den gesetzlichen Auftrag nicht voll erfüllt habe. § 30 Abs. 4 BVG aF bestimme, daß das tatsächlich erzielte Einkommen dem Einkommen gegenüberzustellen sei, welches der Beschädigte ohne die Folgen der Schädigung voraussichtlich erhalten würde. Da die Durchschnittsheuern festlägen und die Mindestheuer der Kapitäne auf großer Fahrt im Jahre 1962 in der außereuropäischen Linienschiffahrt mit 1.750,- DM feststehe und im übrigen bekannt sei, daß die tatsächlich gezahlten Heuern erheblich höher lägen, stehe fest, daß der Kläger fast das doppelte Einkommen des Durchschnittseinkommens eines Angestellten der Leistungsgruppe II erhalten hätte. Hinzu komme, daß der Gesetzgeber in § 30 Abs. 3 BVG aF den Berufsschadensausgleich unabhängig von einem möglichen höheren Einkommensverlust bereits auf 300,- DM monatlich begrenzt habe. Es sei nicht rechtens, wenn der Verordnungsgeber in der DVO von 1961 insoweit ohne ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (Art. 80 GG) nochmals eine weitere soziale Begrenzung nach der Leistungsgruppe II nach oben vornehme. Diese Regelung widerspreche dem gesetzlichen Auftrag.

Da für Kapitäne auf großer Fahrt eine Bestimmung in der DVO nicht getroffen worden sei, liege eine Gesetzeslücke vor, die durch die Rechtsprechung auszufüllen sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte, daß das LSG dem Kläger - wie im Falle 8 RV 563/66 - ohne Rechtsgrundlage einen über die Leistungsgruppe II hinausgehenden Berufsschadensausgleich nach § 3 bzw. § 6 DVO zugesprochen habe.

Bei § 6 handele es sich um eine Ausnahmebestimmung, die nur auf bestimmte eng umrissene Fälle anzuwenden sei. Voraussetzung hierfür wäre, daß der Nachweis, also nicht lediglich die Glaubhaftmachung, einer vor Eintritt der Schädigung am 30. August 1944 erreichten Berufsstellung geführt werde. Zu jener Zeit aber sei der Kläger noch nicht im Besitz des A 6-Patentes gewesen, so daß eine Gleichstellung mit den Inhabern dieses Zeugnisses, wie z. B. dem Kapitän auf großer Fahrt, nicht in Betracht komme. Auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung sei nicht vertretbar. Eine rückwirkende Anwendung des Absatzes 3 des § 3 der DVO nF scheide aus, da § 15 dieser Verordnung ausdrücklich das Inkrafttreten auf den 1. Januar 1964 bestimme. Wenn das Gericht trotzdem primär auf die Voraussetzungen abgestellt habe, die erst mit der späteren Verordnung eingeführt worden seien, so werde hierdurch, entgegen dem erklärten Willen des Verordnungsgebers Recht geschaffen, ohne daß hierfür eine Kompetenz eines Rechtspflegeorgans gegeben wäre. Trotz der vom LSG festgestellten uneingeschränkten Dispositionsbefugnis eines Kapitäns auf großer Fahrt sei - beim Fehlen einer abgeschlossenen akademischen Vorbildung - ein höheres Einkommen als das der Leistungsgruppe II nicht möglich. Eine unzulässige Einschränkung des Gesetzes könne in der Begrenzung auf die Leistungsgruppe II nicht erblickt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 1964 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Februar 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Dem Urteil sei im wesentlichen zuzustimmen. Zweifelhaft möge sein, ob hier eine Gesetzeslücke vorliege. Im letzten Satz des § 2 der DVO sei bestimmt, daß ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf zu berücksichtigen sei; dieser Grundsatz werde durchbrochen, wenn der Berufsschadensausgleich ohne Berücksichtigung der künftigen Berufsentwicklung auf die Leistungsgruppen II bis V beschränkt werde.

Der Beigeladene beantragt die Aufhebung der Urteile und Abweisung der Klage. Zu Unrecht gehe das LSG vom wahrscheinlichen Individualeinkommen im Einzelberuf aus, obwohl als Vergleichseinkommen nur das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe zugrunde zu legen sei. Deshalb seien die Ausführungen des LSG zur Heuer eines Kapitäns auf großer Fahrt rechtlich unbeachtlich. Das LSG habe ferner keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, daß der Kläger wahrscheinlich Schiffsführer geworden wäre; erfahrungsgemäß sei ein beachtlicher Prozentsatz der Patentinhaber in untergeordneten Funktionen als Seeoffizier auf großer Fahrt tätig. Die Beklagte habe demnach auch nur unterstellt, daß der Kläger ohne die Schädigung das Patent A 6 erhalten hätte. Der Verordnungsgeber habe davon ausgehen dürfen, daß der durchschnittliche Berufserfolg mit dem Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe II im Regelfall angemessen abgegolten sei; der Kreis der in Spitzenpositionen tätigen Angestellten der Leistungsgruppe I sei relativ unbedeutend. Es sei dem Gericht nicht gestattet, die Rechtsvorschrift in einer ihm sozial angemessener erscheinenden Weise zu ergänzen; es komme im wesentlichen nur eine Nachprüfung in einer kassatorischen Funktion in Frage (BVerfG 16, 306, 329); das Gericht dürfe sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Gesetz- oder Verordnungsgebers setzen (BSG 23; 170, 174). Zu Unrecht nehme das LSG eine Gesetzeslücke an.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sie ist auch sachlich begründet.

Da die Beklagte ab 1. Januar 1964 in Übereinstimmung mit dem Sozialgerichtsurteil der Berechnung des Berufsschadensausgleiches das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 zugrunde gelegt hat, war nur noch zu prüfen, ob angesichts der vom Kläger voraussichtlich erreichten Berufsstellung (Kapitän auf großer Fahrt - Angestellter -) für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 die Besoldungsgruppe A 13 zugrunde gelegt werden durfte. Dies war zu verneinen. Gemäß § 30 Abs. 4 BVG aF ist bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das von dem Beschädigten aus seiner gegenwärtigen oder früheren Tätigkeit erzielte derzeitige Bruttoeinkommen dem Durchschnittseinkommen gegenüberzustellen, das der Beschädigte ohne die Schädigung voraussichtlich in seiner Berufsgruppe erhalten hätte. Zur Ermittlung dieses Durchschnittseinkommens ist § 3 Abs. 1 Buchstabe d DVO anzuwenden, der bei Angestellten in Industrie, Handel, Geld- und Versicherungswesen eine Einstufung in die Leistungsgruppen II bis V vorsieht. Für die Einreihung in eine Leistungsgruppe sind nach § 3 Abs. 1 DVO die Tätigkeitsmerkmale, die das Statistische Bundesamt der Ermittlung der erfaßten durchschnittlichen Bruttoverdienste im Bundesgebiet zugrunde gelegt hat, maßgebend. Werden solche Bruttoverdienste nicht bekanntgegeben, so gelten nach Abs. 2 dieser Vorschrift als Durchschnittseinkommen die Durchschnittsverdienste der Wirtschaftsgruppen, deren Angehörige eine ähnliche Tätigkeit ausüben oder einen ähnlichen Ausbildungsgang aufzuweisen haben. Läßt sich eine Wirtschaftsgruppe zum Vergleich nicht heranziehen, so sind die Durchschnittsverdienste aller in Industrie, Handel usw. tätigen Angestellten maßgebend.

Abweichend von den Abs. 1 und 2 ist in § 3 Abs. 3 DVO bestimmt, daß bei unselbständig Tätigen mit abgeschlossener Hochschulbildung vom vollendeten 47. Lebensjahr an als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes gilt. Da der Kläger jedoch nach seinen dem Versorgungsamt gegenüber gemachten Angaben nur die Volksschule und danach die Seefahrtsschule besucht hat, scheidet eine Anwendung dieser Vorschrift aus.

Im vorliegenden Fall ist der Beklagte davon ausgegangen, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen das Patent eines Kapitäns auf großer Fahrt - A 6 - erhalten hätte. Damit ist der Vorschrift des § 2 Satz 3 DVO, wonach ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf zu berücksichtigen ist, bereits Rechnung getragen.

Der Beklagte hat bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs die nach § 3 DVO höchstmögliche Leistungsgruppe II der technischen Angestellten des Wirtschaftsbereichs Ein- und Ausfuhrhandel (1071.- DM) zugrundegelegt. Es brauchte daher nicht näher untersucht zu werden, welche Tätigkeitsmerkmale bei Anwendung dieser Leistungsgruppe erfüllt sein müssen und inwieweit sie sich gegebenenfalls von denen eines Kapitäns auf großer Fahrt unterscheiden; ferner konnte dahinstehen, ob der Kläger - auf Grund des ohne die Schädigungsfolgen voraussichtlich erlangten Patents A 6 - wahrscheinlich Schiffsführer geworden oder nur als Seeoffizier auf großer Fahrt tätig gewesen wäre. Denn die Einstufung des Klägers in eine höhere Leistungsgruppe ist nach dem klaren Wortlaut der DVO nicht möglich. Das hat auch das LSG zutreffend erkannt. Soweit es jedoch der Auffassung war, daß deshalb, weil in der DVO für Kapitäne auf großer Fahrt keine besondere Regelung getroffen worden ist bzw. weil die DVO eine höhere Leistungsgruppe als diejenige der Leistungsgruppe II nicht vorsehe, eine von der Rechtsprechung auszufüllende Gesetzeslücke vorliege, kann ihm nicht zugestimmt werden. Das LSG tut nicht dar, worauf die von ihm angenommene Lücke im Gesetz beruhen soll, d. h. ob das Schweigen des Gesetzes auf Absicht, einem Versehen oder darauf beruht, daß sich der nicht geregelte Tatbestand etwa erst nach Erlaß des Gesetzes oder der Verordnung durch eine Veränderung der Verhältnisse ergeben hätte (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats in BSG 23, 283, 287 ff). Eine absichtliche Begrenzung der Leistung durch den Gesetzgeber stünde einer ausdehnenden Auslegung des Gesetzes entgegen. Auch die übrigen genannten Fälle kommen hier nicht in Betracht, vielmehr ist die eindeutige Absicht erkennbar, bei all den in der privaten Wirtschaft Tätigen, die über keine abgeschlossene Hochschulbildung verfügen, höchstens das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe II gelten zu lassen. Eine solche allgemeine Begrenzung des zu berücksichtigenden Durchschnittseinkommens kann in Einzelfällen zu Unbilligkeiten führen. Auch im vorliegenden Fall wird man unter Würdigung der Feststellungen des LSG die Einstufung eines Kapitäns auf großer Fahrt in die Leistungsgruppe II im Vergleich zu sozial geringerwertigen und weniger verantwortungsvollen Berufen als unbefriedigend ansehen müssen. Insofern ist das Bemühen des LSG, beim Kläger ein höheres Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, verständlich. Die vor dem 1. Januar 1964 geltenden Bestimmungen lassen jedoch eine höhere Einstufung nicht zu. Soweit das LSG in der Begrenzung des Durchschnittseinkommens nach oben einen Widerspruch zu dem gesetzlichen Auftrag erblickt, ist nicht dargetan, daß und inwiefern die Bundesregierung die ihr in § 30 Abs. 5 BVG erteilte Ermächtigung etwa überschritten hätte bzw. daß sie hiernach verpflichtet gewesen wäre, bei der Einführung des Berufsschadensausgleichs als zusätzliche Leistung die höchstmögliche Leistungsgruppe oder Besoldungsgruppe vorzusehen. Eine solche Überschreitung der Ermächtigung liegt auch nicht vor. Wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 25. Juli 1967 - 9 RV 892/65 - entschieden hat, mußte beim Berufsschadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zu Gunsten eines generalisierten oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten. Die Bestimmung in § 30 Abs. 4 BVG, daß bei der Ermittlung des Einkommensverlustes auf die Lebensverhältnisse des Beschädigten, seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seinen bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen abzustellen sei, bedeutet nicht, daß im Einzelfall vorliegende oder anzunehmende besonders günstige Umstünde bereits zur Gewährung eines entsprechend höheren Berufsschadensausgleichs führen könnten; vielmehr soll, wie es auch im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen - vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Bundestagsdrucksache Nr. 1825 Seite 7 zu § 30 BVG - heißt, bei dem "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein "durchschnittlicher Berufserfolg maßgebend" sein. Die der Bundesregierung erteilte Ermächtigung ist hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigenden Durchschnittsverdienste nicht irgendwie nach oben oder unten eingeschränkt. Wie es in der Amtlichen Begründung zum Entwurf des 1. NOG, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Bundestagsdrucksache 1239 zu § 30 S. 25 heißt, ist die Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung notwendig, weil es einer allgemein verbindlichen Regelung bedarf, wie zu verfahren ist, wenn sich ein Durchschnittseinkommen der in Betracht kommenden Berufsgruppe nicht ermitteln läßt oder nicht zum Vergleich herangezogen werden kann. Die Bundesregierung konnte dieses Einkommen angesichts des Umstandes, daß das zu ermittelnde Vergleichseinkommen überhaupt nur eine theoretische Annahme darstellt, deren Richtigkeit sich im Einzelfall gar nicht feststellen läßt, nach dem regelmäßigen Ablauf der Dinge im Leben festsetzen (vgl. Urteil des BSG vom 16. Februar 1967 - 10 RV 1077/65 -), d. h. die Höhe des fiktiven Durchschnittseinkommens je nach der Art der Schul- und Berufsausbildung nach unterschiedlichen Besoldungs-, Vergütungs- und Leistungsgruppen bestimmen. Dabei durfte sie entsprechend dem Sinn und Zweck des in § 30 Abs. 3 bis 5 BVG geregelten begrenzten Berufsschadensausgleichs die fiktiven Durchschnittseinkommen nach oben begrenzen, d. h. als höchstes regelmäßiges Vergleichseinkommen die Besoldungsgruppe A 14, Vergütungsgruppe II und Leistungsgruppe II festsetzen. Mit dieser Regelung hat die Bundesregierung für alle diejenigen, deren voraussichtliches Einkommen theoretisch ermittelt werden muß, das Vergleichseinkommen im Einklang mit der ihr erteilten Ermächtigung in einer Weise bestimmt, die jedenfalls grundsätzlich als ausreichend erachtet werden muß. Dieser Regelung konnte allenfalls die Erwägung entgegen gehalten werden, es sei unbillig, einen Beschädigten mit einem generalisierten theoretischen Einkommensverlust abzufinden, wenn er ausnahmsweise nachweisen könne, daß er bereits vorEintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins tatsächlich eine höhere Berufsstellung mit höherem Einkommen erreicht hat. Es war daher sinnvoll, wenn die Bundesregierung für diese Beschädigten, und nur für diese, in § 6 Abs. 1 und 2 DVO eine Ausnahme für die Fälle zuließ, in denen der Beschädigte nachweislich in dem vor Eintritt der Schädigung oder des beruflichen Betroffenseins ausgeübten Beruf eine Stellung erreicht hat, die durch die Vorschriften der §§ 3 bis 5 DVO nicht ausreichend Berücksichtigung findet. Damit hat die Bundesregierung den nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG anspruchsberechtigten Personenkreis nicht in unzulässiger Weise eingeengt. Diese Vorschriften haben solche Ausnahmefälle überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Bundesregierung konnte es bei der von ihr zu treffenden allgemein verbindlichen Regelung als geboten erachten, diesen Ausnahmefällen in der geschehenen Weise Rechnung zu tragen. Da sonach der Verordnungsgeber im Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung als obere Grenze der Durchschnittseinkommen nicht die höchsten Besoldungs-, Vergütungs- und Leistungsgruppen bestimmen mußte, sondern entsprechend dem Sinn und Zweck des Berufsschadensausgleichs die Besoldungsgruppe A 14, Vergütungsgruppe II und Leistungsgruppe II als höchstes Vergleichseinkommen festsetzen konnte, läßt sich die Einreihung des Klägers in die Besoldungsgruppe A 13 anstatt in die Leistungsgruppe II nicht mit der Annahme einer Lücke in der DVO oder im Gesetz rechtfertigen.

Aus den Ausführungen des LSG, der Verordnungsgeber habe nicht nochmals eine weitere soziale Begrenzung nach der Leistungsgruppe II vornehmen dürfen, nachdem der Gesetzgeber den Einkommensverlust bereits auf 300,- DM monatlich begrenzt habe, könnte geschlossen werden, daß dem LSG die in der DVO für den vorliegenden Fall getroffene Regelung als unsozial oder ungerecht erscheint. Das Gericht ist jedoch nicht befugt, seine Prüfung auch daraufhin zu erstrecken, ob der Gesetzgeber die unter Berücksichtigung aller Interessen zweckmäßigste Regelung getroffen hat. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die vom Gesetz gewollte Lösung daraufhin zu überprüfen, ob sie vom Standpunkt eines Beteiligten aus die "gerechteste" denkbare Lösung darstellt (vgl. BVerfG Band 2 S. 280, Band 2 S. 135, Band 4 S. 18 ff). Auch bei einer Rechtsverordnung sind die Gerichte nicht zu einer Änderung der Norm befugt (vgl. BSG 23, 175 und BVerfG Band 16, 306, 329).

Daß der Kläger bereits vor dem Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 6 der DVO tatsächlich in seinem Beruf eine Stellung mit einem höheren Einkommen erreicht hätte, als es sich bei Zugrundelegung der Leistungsgruppe II ergibt, ist nicht festgestellt; das SG hat im Gegenteil nur auf die mutmaßlichen Berufsaussichten des Klägers abgestellt und die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2 DVO abgelehnt, weil sie im Falle des Klägers "zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führen" würde. Unter diesen Umständen läßt sich die dennoch vom SG auf § 6 DVO gestützte Einstufung des Klägers in die Besoldungsgruppe A 13 nicht aufrechterhalten.

Mit einer rückwirkenden Anwendung der DVO vom 30. Juli 1964 hat das LSG seine Entscheidung nicht begründet; § 15 bestimmt, daß sie erst ab 1. Januar 1964, somit zu einem für den strittigen Anspruch nicht mehr in Betracht kommenden Zeitpunkt in Kraft tritt.

Da der angefochtene Bescheid nach alledem, soweit er das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe II zu Grunde legte, nicht zu beanstanden ist, war die Klage unter Aufhebung der Urteile des SG und des LSG als unbegründet abzuweisen, soweit sie den Anspruch für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 betrifft.

Bei der Kostenentscheidung (vgl. § 193 SGG) hat der Senat berücksichtigt, daß die Beklagte gegen das SG-Urteil in vollem Umfang Berufung eingelegt und diese erst im September 1966 insoweit zurückgenommen hat, als sie die Zeit ab 1. Januar 1964 betraf.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2226430

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