Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschuß zum Vorruhestandsgeld. teilweise Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Zuschuß zum Vorruhestandsgeld besteht weder in voller Höhe noch anteilig, wenn der Arbeitsplatz des in den Vorruhestand getretenen Arbeitnehmers dem zeitlichen Volumen nach nur teilweise wiederbesetzt wird.
Normenkette
VRG § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a, § 5 Abs 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) einen Zuschuß zum Vorruhestandsgeld nach dem Vorruhestandsgesetz (VRG).
Die klagende GmbH betreibt ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Sie beantragte bei der BA einen Zuschuß zum Vorruhestandsgeld für ihren 1924 geborenen und zum 31. Dezember 1984 in den Vorruhestand getretenen Arbeitnehmer B.. Dieser hatte bei der Klägerin ua die Tätigkeiten Bilanzbuchhaltung, Lohnbuchhaltung, Schreibarbeiten, Ablage und Telefondienst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden verrichtet. Nach den Angaben der Klägerin wird ab 1. März 1985 die zuvor beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldete Arbeitnehmerin P. 20 Stunden wöchentlich mit Schreibarbeiten, Ablage und Telefondienst beschäftigt. Eine Vollzeitkraft wird nicht mehr benötigt, da die Buchhaltung ab dem 1. Januar 1985 von einem Steuerbüro in F. geführt wird.
Die BA lehnte den Zuschuß zum Vorruhestandsgeld ab, da der freigemachte Arbeitsplatz nicht in vollem zeitlichem Umfang erhalten geblieben sei (Bescheid vom 22. März 1985; Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, ab 1. März 1985 den Zuschuß zu den Vorruhestandsleistungen zu zahlen (Urteil vom 11. Februar 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1989).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 5a VRG. Das Gesetz lasse es offen, ob eine Teilzeit- oder eine Vollzeitkraft eingestellt werden müsse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das LSG hat den Zuschußanspruch zutreffend schon deswegen verneint, weil der in den Vorruhestand getretene Arbeitnehmer vollschichtig (wöchentlich 40 Stunden) beschäftigt war, während die aus Anlaß des Eintritts in den Vorruhestand eingestellte arbeitslose P. nur halbschichtig (wöchentlich 20 Stunden) tätig werde. Es hat deshalb zum Inhalt der von B. einerseits und von P. andererseits verrichteten Arbeiten keine Feststellungen getroffen. Nach den Angaben der Klägerin war aus dem Aufgabengebiet des B. schon im Januar 1984 die Lohnbuchhaltung an ein Baurechenzentrum abgegeben worden und die Buchhaltung zeitgleich mit dem Ausscheiden an ein Steuerbüro. Inwieweit sich dadurch die tarifliche Einstufung des Arbeitsplatzes verändert hat, ist nicht ersichtlich. Es bleibt zweifelhaft, ob die neu eingestellte Arbeitnehmerin P. nach ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten den Arbeitsplatz des in den Vorruhestand getretenen Arbeitnehmers hinsichtlich der Buchhaltungsarbeiten ausfüllen könnte. Indes kann auch der Senat die Frage hier offen lassen, ob die vom VRG geforderte Identität des freigemachten Arbeitsplatzes mit dem wiederbesetzten Arbeitsplatz schon wegen der Qualität der Arbeit zu verneinen ist. Eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchstabe a iVm § 5 Abs 2 Satz 2 VRG ist jedenfalls schon wegen des unterschiedlichen zeitlichen Volumens der davor und danach verrichteten Arbeit nicht gegeben.
Weder das VRG noch die Anordnung des Verwaltungsrats der BA über das Verfahren bei der Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen des Arbeitgebers und von Vorruhestandsgeld durch die BA (VRGAnO) vom 18. Juni 1984 (ANBA 1984, 1193) regeln ausdrücklich, ob beim Ausscheiden eines vollschichtig beschäftigten Arbeitnehmers, dessen Vorruhestandsgeld sich nach Maßgabe des § 3 Abs 2 VRG aus dem Arbeitsentgelt berechnet, das vor Beginn der Vorruhestandsleistung in den letzten abgerechneten, insgesamt sechs Monate umfassenden Lohnabrechnungszeiträumen durchschnittlich erzielt wurde, auch dann zu gewähren ist, wenn im Zusammenhang mit dem Eintritt in den Vorruhestand nur eine Teilzeitkraft eingestellt wurde. Bei der Beratung des Gesetzes hat sich indes der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung eingehend mit den Vorschriften über die Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes befaßt, denen im Rahmen des Ziels der Vorruhestandsregelung, zu einer Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose und Jugendliche beizutragen, zentrale Bedeutung zukommt (BT-Drucks 10/1175 S 28 zu Art 1, zu § 2). Hierzu hat der Ausschuß im Bemühen um eine klarstellende Interpretation festgehalten, der freigewordene Arbeitsplatz könne auch mit Teilzeitkräften wiederbesetzt werden; diese müßten aber insgesamt im gleichen zeitlichen Umfang wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer beschäftigt werden (BT-Drucks aa0 unter Nr 1).
Hiergegen wird zu Unrecht eingewandt, letzteres ergebe sich kaum aus dem Wortlaut des Gesetzes (Andresen/Barton/Kuhn/Schenke, Vorruhestand, Teil 11 RdNr 19). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 2 VRG ist eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes erforderlich, und nichts deutet darauf hin, daß eine teilweise Wiederbesetzung ausreichen soll. Insbesondere sieht das Gesetz nicht etwa vor, daß bei einer teilweisen Wiederbesetzung das Vorruhestandsgeld nur mit einer Quote anteilig zu erstatten ist. Für die Frage der Wiederbesetzung kann ein Arbeitsplatz nicht unabhängig von seinem zeitlichen Volumen gesehen werden. Das wird besonders deutlich bei einem mehrschichtig besetzten Arbeitsplatz. Das SG hat für seine gegenteilige Auffassung darauf hingewiesen, der vom VRG erstrebte Entlastungseffekt für den Arbeitsmarkt trete bereits dann ein, wenn der freigewordene Arbeitsplatz mit einer mehr als kurzzeitig beschäftigten Teilzeitkraft besetzt werde (unter Hinweis auf Faude-Schüren, VRG, § 2 RdNr 31). Eine solche Entlastung rechtfertigt nach dem VRG indes nur den erheblich geringeren Zuschuß zu den Vorruhestandsleistungen an eine ausgeschiedene Teilzeitkraft.
Gegen die Auffassung der Revision spricht vom Ergebnis her auch folgende Überlegung: Wären die Buchhaltungs- und Büroarbeiten im vorliegenden Fall von zwei Buchhaltern erledigt worden, so wäre nach Auffassung der Revision der doppelte Zuschuß zu zahlen, wenn zwei Halbtagskräfte eingestellt würden, aber nur ein Zuschuß, wenn statt dessen eine Vollzeitkraft eingestellt wird.
Das VRG will mit dem Erfordernis der Neueinstellung (§ 2 Abs 1 Nr 5 VRG) und der Wiederbesetzung (§ 5 Abs 2 VRG) den Eintritt in den Vorruhestand von der Förderung ausnehmen, der lediglich der Vermeidung einer Entlassung dient, die andernfalls wegen einer Reduzierung der Arbeit, wegen Rationalisierungsmaßnahmen oder wegen anderweitiger Vergabe der Arbeit erfolgen müßte. Das gleiche gilt, wenn der Eintritt in den Vorruhestand einen zuvor nicht ausgelasteten Personalüberhang abbaut. Das Ziel des Gesetzes, die bloße Vermeidung von Entlassungen in all diesen Fällen nicht zu fördern, verlangt aber auch Beachtung, wenn es nur für einen wesentlichen Teil des Arbeitsplatzes zutrifft. Das Gesetz sieht nämlich für diese Fälle eine anteilige Gewährung des Zuschusses nicht vor. Der Zuschußanspruch ist vielmehr erst begründet, wenn das zeitliche Arbeitsvolumen des in den Vorruhestand Getretenen ausgefüllt wird (so auch Pröbsting, Vorruhestandsgesetz, 1984, S 40; Dienstblatt BA RdErl 1987, 79 unter 2.15.14).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen