Orientierungssatz

1. Die Umschulung eines ehemaligen Priesters zum Lehrer an Gymnasien (Realschulen) stellt berufliche Umschulung dar, da der Lehrerberuf gegenüber dem des Priesters einen anderen Inhalt hat.

Diese Umschulung ist jedoch von der BA nicht nach AFG § 47 zu fördern, weil das Studium des Gymnasial- bzw Realschullehrers noch zu keinem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf führt und somit für sich allein genommen nicht förderbar ist.

2. Bei der Feststellung, ob die Umschulung zum Gymnasiallehrer den Zeitraum von 3 Jahren gemäß AFuU § 6 überschreitet, ist das Studium einschließlich des Vorbereitungsdienstes zu berücksichtigen.

3. GG Art 3 Abs 1 verpflichtet die BA nicht, Fehler in der Rechtsanwendung zu wiederholen oder fortzusetzen (vergleiche BSG 1974-08-07 7 RAr 30/73 = BSGE 38, 63, 68 = SozR 4100 § 151 Nr 1). Das gilt selbst dann, wenn es sich um eine ständige Verwaltungsübung handelt oder eine über längere Zeit angewandte rechtswidrige Verwaltungsvorschrift zugrunde liegt (vergleiche BSG 1958-03-18 10 RV 415/55 = BSGE 7, 75, 78).

 

Normenkette

AFG § 36 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; AFuU § 2 Abs. 6 S. 3 Fassung: 1969-12-18, § 3 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1969-12-18, § 6 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-12-18

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 1973 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ausbildung eines ehemaligen Priesters zum Realschullehrer als Maßnahme der Umschulung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu fördern ist.

Der Kläger war nach Abschluß eines Theologiestudiums zunächst als Religionslehrer und anschließend fast 3 Jahre als Kaplan tätig. Diesen Beruf gab der Kläger auf wegen der Absicht, zu heiraten. Er entschloß sich, nunmehr Realschullehrer in den Fächern Physik und katholische Religionslehre zu werden und begann zu diesem Zweck ein Studium an der Universität E. Das Studium erstreckte sich nach den Angaben des Klägers auf die Zeit vom 15.10.1971 bis Sommer 1974.

Der Antrag des Klägers auf Förderung dieses Studiums wurde abgelehnt (Bescheid vom 19. Januar 1972). Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. März 1972, Urteil des Sozialgerichts - SG - Nürnberg vom 19. September 1972, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 15. November 1973). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß das Studium des Klägers nicht als Umschulungsmaßnahme gefördert werden könne, weil es nicht nach den besonderen Erfordernissen der Erwachsenenbildung ausgerichtet sei. Das Studium sei keine Umschulung, sondern eine Ausbildung für einen künftigen Beruf.

Darüber hinaus sei die Umschulung auf Hochschulebene grundsätzlich von der Förderung ausgeschlossen. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes weise darauf hin, daß es dem Anordnungsgeber freistehe, darüber zu entscheiden, ob solche Bildungsmaßnahmen in die Förderung einbezogen werden. Der Verwaltungsrat der Beklagten habe sich dagegen entschieden. Er habe dies zwar ausdrücklich nur für die Fortbildung gesagt (§ 2 Abs. 6 Satz 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969, ANBA 1970, 85 - AFuU 1969 -). Gleiches gelte aber auch für die Umschulung. Im Bereich der Fortbildung seien die Ziele generell höher gesteckt, weil die Fortbildung den beruflichen Aufstieg einbeziehe. Wenn selbst in diesem Bereich Hochschulstudien nicht gefördert würden, so müsse dies erst recht für die Umschulung gelten, die regelmäßig nur auf ein der bisherigen Berufstätigkeit entsprechendes Berufsziel hinführen solle. Im übrigen sei eine Förderung nicht zweckmäßig (§ 36 AFG). Weder die vom Kläger vorher verrichtete Tätigkeit als Kaplan noch die angestrebte Tätigkeit als Realschullehrer vollziehe sich auf dem von der Beklagten zu betreuenden Arbeitsmarkt. Der Kläger gehöre auch nicht zu den unselbständig Erwerbstätigen, die dem Risiko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt seien und deren berufliche Beweglichkeit und Vermittlungsfähigkeit erforderlichenfalls durch geeignete Bildungsmaßnahmen zu sichern und zu verbessern sei.

Mit der zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, daß ihm schon deshalb Förderung zuzubilligen sei, weil die Beklagte in parallel gelagerten Fällen Förderungsleistungen gewährt habe (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz - GG -). Ferner rügt der Kläger die unrichtige Anwendung von Vorschriften des AFG. Er sei Arbeitsuchender, weil er Willens und in der Lage sei, eine Stellung in abhängiger Beschäftigung anzunehmen und die begehrte Maßnahme das Ziel habe, den Übergang in diese andere Tätigkeit zu ermöglichen. Hochschulstudien seien durch § 47 AFG nicht ausgeschlossen. Ebensowenig sei dem § 47 AFG eine Beschränkung auf Maßnahmen zu entnehmen, die den besonderen Erfordernissen der beruflichen Erwachsenenbildung entsprächen. Dieser Auslegung entspreche auch die von dem Verwaltungsrat der Beklagten gemäß § 39 AFG erlassene AFuU 1969. § 2 Abs. 6 Satz 3 dieser Anordnung schließe lediglich im Rahmen der Fortbildung Hochschulstudien aus, nicht hingegen für den Bereich der Umschulung. § 3 AFuU 1969 enthalte lediglich eine Empfehlung, Umschulungsmaßnahmen erwachsenengerecht zu gestalten, nicht aber eine Förderungsvoraussetzung.

Die Förderung sei auch zweckmäßig i.S.d. § 36 AFG, da er ohne eine entsprechende Förderung arbeitslos geworden wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 1973 sowie das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. September 1972 aufzuheben

und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Januar 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1972 zu verurteilen, das vom Kläger eingeschlagene Studium zum Realschullehrer nach dem AFG zu fördern.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Beide Parteien haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist durch Zulassung statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das vom Kläger eingeschlagene Realschullehrerstudium nach dem AFG zu fördern. Der vom Kläger gewählte Studiergang bedeutet für ihn eine berufliche Umschulung. Die von ihm im Rahmen des Theologiestudiums erworbenen Kenntnisse werden zwar in gewissem Umfang in den neuen Beruf mit übernommen. Dies gilt sowohl für theologische Kenntnisse, die bei dem Unterricht in Religionslehre Bedeutung haben als auch in gewissem Umfang für pädagogische Kenntnisse und Fähigkeiten. Gleichwohl hat der Beruf des Realschullehrers gegenüber dem des Priesters einen anderen Inhalt. Während beim Priester der seelsorgerische Auftrag mit den hierzu erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten den Beruf prägt, wird der Inhalt des Lehrerberufs durch die pädagogische Aufgabe bestimmt (vgl. BSG SozR 4100 § 43 Nr. 9 AFG).

Entgegen der Auffassung des LSG ist die Förderung des Realschullehrerstudiums allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um eine Hochschulausbildung handelt. Weder das Gesetz noch die AFuU 1969 sehen einen Ausschluß von derartigen Umschulungsmaßnahmen vor. Ein solcher Ausschluß kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß nach § 2 Abs. 6 Satz 3 AFuU 1969 Hochschulstudien für den Bereich der Fortbildung von der Förderung ausgenommen worden sind. Die Vorschrift entspricht in dieser generellen Form nicht Gesetz (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nr. 13).

Ebenso ist weder dem Gesetz noch der AFuU 1969 ein Anhalt dafür zu entnehmen, daß nur die Teilnahme an sogenannten "erwachsenengerechten Bildungsmaßnahmen" zu fördern ist. § 3 Abs. 3 Satz 2 AFuU 1969 enthält seinem Wortlaut nach eindeutig nur eine Empfehlung, auf erwachsenengerechte Gestaltung von Umschulungsmaßnahmen hinzuwirken, nicht aber eine Voraussetzung für die Förderung (vgl. BSG vom 26.8.1975 - 7 RAr 27/74 -).

Dem Kläger ist auch insoweit Recht zu geben, daß die Förderung nicht mit der Begründung versagt werden kann, sie sei nicht zweckmäßig i.S.d. § 36 AFG. Da der Kläger infolge seiner Absicht, eine Ehe zu schließen, den Priesterberuf nicht mehr ausüben konnte und die Einsatzmöglichkeiten als "Diplomtheologe" auf dem Arbeitsmarkt außerordentlich gering sind, stand er in der Gefahr, arbeitslos zu werden und als Arbeitsuchender auf dem Arbeitsmarkt in Erscheinung zu treten. Ihn hiervor zu bewahren ist eine zentrale Aufgabe der Beklagten ohne Rücksicht darauf, ob der bisherige oder der angestrebte Beruf dem Arbeitsmarkt zuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 4100 § 42 Nr. 5).

Die Förderung des vom Kläger gewählten Bildungsganges scheitert vielmehr daran, daß - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat - das Studium des Volks- und Realschullehrers noch zu keinem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf führt und somit für sich allein genommen nicht förderbar ist. Die Gesamtausbildung, einschließlich des Vorbereitungsdienstes, überschreitet die nach § 6 AFuU 1969 vorgeschriebene Höchstdauer von insgesamt 3 Jahren (vgl. BSG SozR 4100 § 47 Nr. 2 (Volksschullehrer); BSG vom 26.8.1975 - 7 RAr 68/74 - (Realschullehrer)). Aus dem in § 47 Abs. 1 AFG umschriebenen Ziel der Umschulung geht hervor, daß die Maßnahme nicht nur zu irgendeiner späteren Tätigkeit führen soll, sondern zum Ziel haben muß, die berufliche Mobilität als Mittel zum Schutz gegen Arbeitslosigkeit und zur Deckung des Bedarfs an geeigneten Arbeitskräften in der Wirtschaft zu sichern. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Umschüler nach der erfolgreichen Teilnahme an der Bildungsmaßnahme wieder qualifiziert dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, das heißt, unmittelbar nach Beendigung der Umschulungsmaßnahme eine andere geeignete berufliche Tätigkeit ausüben kann. Geeignet in diesem Sinne kann aber nur eine berufliche Tätigkeit sein, die den Ansprüchen sowohl des Umschülers als auch des allgemeinen Arbeitsmarktes i.S. einer Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit und der Sicherung vor Arbeitslosigkeit gerecht wird, und zwar nicht nur für einen erkennbar vorübergehenden Zeitraum, sondern für eine zunächst jedenfalls unbestimmte Zeit. Von diesen Voraussetzungen ausgehend führt das Lehrerstudium des Klägers nicht dazu, ihm den Übergang in eine andere geeignete Tätigkeit zu ermöglichen. Für den Realschullehrer ist der durch die öffentlichen Schulen bestimmte Arbeitsmarkt für die Beurteilung maßgebend. Die Ausübung des Lehramts an öffentlichen Schulen setzt auch in Bayern neben dem Abschluß eines Studiums und dem Ablegen der ersten Staatsprüfung die Ableistung des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen einer zweiten Staatsprüfung voraus (vgl. § 1 der Prüfungs- und Ausbildungsordnung für das Lehramt an Realschulen in Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1973 - GVBl, S. 473 ferner Art. 3 und 5 Bayerisches Lehrerbildungsgesetz vom 8. August 1974, - GVBl, S. 383).

Der Abschluss des Hochschulstudiums setzt den Kläger somit noch nicht in die Lage, das Lehramt an öffentlichen Schulen auf Dauer auszuüben. Das gleiche gilt für etwa vorhandene private Realschulen (Ersatzschulen). Für diese ist in den Schulgesetzen der Länder regelmäßig vorgeschrieben, daß die Ausbildung der Lehrer der für die Lehrer an staatlichen Schulen vorgesehenen Ausbildung entsprechen muß (vgl. für Bayern Art. 13 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 9. März 1960 - GVBl S. 19). Das bedeutet zwar nicht, daß die Ausbildung völlig gleichförmig verlaufen muß, wohl aber, daß auch Lehrer an privaten Ersatzschulen zusätzlich zu einem Universitätsstudium Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben müssen, wie sie im Vorbereitungsdienst vermittelt werden. Selbst wenn schon nach Abschluß des Lehrerstudiums Möglichkeiten bestehen sollten, ohne qualifizierende schulpraktische Erfahrungen etwa im Bereich beruflicher Bildungseinrichtungen tätig zu werden, dann kann es sich nur um eine kleinere Zahl von Arbeitsplätzen handeln, die im Rahmen des § 47 Abs. 1 AFG in Bezug auf seine Zielsetzung außer Betracht bleiben müssen.

Unbeachtlich ist auch, ob der Kläger etwa mit einem Teil der in seinem Studium erlernten Fähigkeiten - etwa aus dem Bereich der Physik - außerhalb des Lehramts eine Stellung auf dem Arbeitsmarkt finden könnte. Die meisten Berufsausbildungen schaffen die Möglichkeit, mit den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auch in anderen Berufen tätig zu werden als denjenigen, auf die die Ausbildung hinzielt. Für die Frage der Förderungsfähigkeit müssen solche schwer überschaubaren und kaum voraussehbaren Möglichkeiten außer Betracht bleiben. Auszugehen ist davon, zu welchem Beruf die Maßnahme nach ihrer objektiven Ausgestaltung hinführen soll. Dies ist bei dem vom Kläger eingeschlagenen Studiengang eindeutig der Lehrerberuf, weil die Kombination von Pädagogik, Physik und Religionslehre im wesentlichen nur im Lehramt an Schulen benötigt wird. Es ist jedenfalls nichts dazu ersichtlich, daß das vom Kläger letztlich abgelegte Hochschulexamen gleichzeitig dem regelförmigen Abschluß eines anderen geregelten Berufsganges entspricht (vgl. hierzu BSG vom 30. September 1975 - 7 RAr 96/73 -).

Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht darauf stützen, daß die Beklagte früher in anderen gleichgelagerten Fällen Förderungsleistungen bewilligt hat. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Beklagte nicht, Fehler in der Rechtsanwendung zu wiederholen oder fortzusetzen (vgl. BSGE 38, 63, 68 = SozR 4100 zu § 151 Nr. 1). Das gilt selbst dann, wenn es sich um eine ständige Verwaltungsübung handelt oder eine über längere Zeit angewandte rechtswidrige Verwaltungsvorschrift zugrunde liegt (vgl. BSGE 7, 75, 78).

Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656264

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge