Leitsatz (amtlich)
ArbErlaubV § 5 Abs 1 Nr 1, wonach eine Arbeitserlaubnis nur erteilt wird, wenn der Arbeitnehmer die für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis besitzt, wird durch die in AFG § 19 Abs 3 (= Abs 4 idF vom 1981-08-03) enthaltene Ermächtigung gedeckt.
Normenkette
AFG § 19 Abs 3 Fassung: 1969-06-25; AFG § 19 Abs 4 Fassung: 1981-08-03; AuslG § 2; AuslGDV §§ 1, 5; ArbErlaubV § 5 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1971-03-02
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 23.01.1981; Aktenzeichen S 4 Al 111/79) |
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 17.01.1980; Aktenzeichen L 11 Al 55/80) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Arbeitserlaubnis (AE). Er ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich noch in seinem Heimatland auf. Am 18. August 1978 beantragte er durch seine Prozeßbevollmächtigten bei dem Arbeitsamt R die Erteilung einer AE. Er legte die Fotokopie eines Arbeitsvertrages vom 3. August 1978 mit den Granitwerken E C (Fa. C.) in B vor. Hiernach verpflichtete sich diese Firma, den Kläger vorläufig zwei Jahre vom Tage des Eintreffens an als Steinmetz im Steinbruch B zu beschäftigen. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 11. September 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1978 mit der Begründung ab, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) habe einen Anwerbestopp verfügt und bestimmt, daß Ausländern, die nach dem 30. November 1974 eingereist und nicht Angehörige von EG-Mitgliedsstaaten seien, eine AE nicht erteilt werden dürfe. Außerdem stehe der Erteilung der AE entgegen, daß der Kläger die nach § 5 Arbeitserlaubnis-Verordnung (AEVO) für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis nicht besitze. Es müsse auch davon ausgegangen werden, daß die zuständige Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung des erforderlichen Einreise-Sichtvermerks verweigern werde.
Die Klage, mit der die Erteilung der AE begehrt wurde, wurde abgewiesen (Urteil des Sozialgerichts Nürnberg -SG- vom 17. Januar 1980). Die Berufung hatte keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 23. Januar 1981). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger benötige für die angestrebte Tätigkeit eine AE. Diese könne nur erteilt werden, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis besitze, was unmittelbar aus dem Gesetz hervorgehe. Die vom Kläger geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von § 5 AEVO seien daher unerheblich. Darüberhinaus sei die Ablehnung des Antrages auch im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage in der Bundesrepublik Deutschland gerechtfertigt. Dabei komme es nicht darauf an, ob unter Umständen in einzelnen Teilbereichen des Arbeitsmarktes - hier also auf dem Sektor der Werksteingewinnung - ein Überhang an Arbeitsplätzen vorhanden sei und ob diese Arbeitsplätze durch deutsche oder ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer tatsächlich besetzt werden könnten.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 19 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Er ist der Auffassung, das LSG habe verkannt, daß nach dieser Vorschrift für die Erteilung der AE nur die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles maßgebend sei. Weitere Voraussetzungen, wie etwa die Vorrangigkeit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, bestünden nicht. Die entgegenstehende Regelung des § 5 AEVO sei durch das Gesetz nicht gedeckt. Dieses ermächtige auch die Bundesregierung nicht, einen generellen Anwerbestopp zu erlassen. Die Auffassung des LSG, allein die Lage des Arbeitsmarktes insgesamt sei von entscheidungserheblicher Bedeutung, sei unzutreffend. Der Kläger habe eine künftige Anstellung nachgewiesen. Er werde deshalb den Arbeitsmarkt nicht belasten. Da die Arbeitserlaubnis auf den Zeitraum der Beschäftigung bei der Fa. C. beschränkt und dem auch die Aufenthaltserlaubnis angepaßt werden könne, bestehe auch nicht die Gefahr einer Belastung des Arbeitsmarktes durch den Kläger zu einem späteren Zeitpunkt. Das Generalkonsulat Istanbul habe zwar den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form des Sichtvermerks im Februar 1980 abgelehnt. Indes seien die ablehnenden Bescheide durch Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. Mai 1981 aufgehoben worden. Die beklagte Bundesrepublik sei verpflichtet worden, den Kläger auf seinen Antrag neu zu bescheiden. Da die beklagte Bundesrepublik gegen dieses Urteil Berufung eingelegt habe, über die noch nicht entschieden worden sei, sei es daher angebracht, die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 1981
und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Januar 1980 sowie
den Bescheid des Arbeitsamtes R vom 11. September 1978 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1978 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Arbeitserlaubnis
zur Ausübung einer Tätigkeit als Steinmetz in der Bundesrepublik zu
erteilen, hilfsweise, festzustellen, daß die Bescheide der Beklagten
vom 11. September 1978 und 29. November 1978 rechtswidrig sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen des bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Rechtsstreits über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks für den Kläger kann nicht erfolgen. Der Vortrag des Klägers, bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei ein entsprechendes Verfahren anhängig, ist neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (§ 163 SGG). Das Urteil des LSG enthält keine Feststellungen darüber, daß der Kläger ein Verfahren wegen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor den Verwaltungsgerichten anhängig gemacht hat. Wegen des Fehlens dieser Feststellungen hat der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine Verfahrensmängel geltend gemacht. Der Senat muß daher davon ausgehen, daß ein entsprechendes Verfahren nicht anhängig ist. Damit besteht auch keine Grundlage für eine Aussetzung (vgl Bundesverwaltungsgericht, NJW 1965, S. 832).
Für das prozessuale Begehren des Klägers besteht das in jedem Stadium des Verfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die Ablehnung der vom Kläger begehrten AE mit den angefochtenen Verwaltungsakten hat sich nocht nicht erledigt. Der Kläger begehrt eine AE nach § 1 AEVO. Nach § 4 Abs 1 AEVO wird eine solche AE längstens auf drei Jahre befristet. Wenn diese Frist abgelaufen wäre, hätte dies normalerweise zur Folge, daß die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der erstrebten AE keine wahrnehmbaren Rechte mehr bewirken könne. Hier ist zwar während des Revisionsverfahrens eine Frist von drei Jahren seit Stellung des Antrages vom 18. August 1978 abgelaufen. Dennoch braucht der Kläger nicht zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 überzugehen.
Im Gegensatz zu den vom Senat in seinen Urteilen vom 22. Januar 1977 (BSGE 44, 82, 87 f = SozR 4100 § 19 Nr 3) und vom 10. Oktober 1978 (SozR 4100 § 19 Nr 9) entschiedenen Fällen begehrt der Kläger eine AE nicht für die Vergangenheit. Sein Prozeßbegehren zielt vielmehr auf die Erteilung einer solchen Erlaubnis, die es ihm ermöglicht, nach Erlaß der angestrebten gerichtlichen Entscheidung eine Tätigkeit als Steinmetz in der Bundesrepublik Deutschland bei der Fa. C. aufzunehmen, sobald die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Daher kann sich die Hauptsache nicht durch den während des Revisionsverfahrens eingetretenen Ablauf der in § 4 Abs 1 AEVO vorgesehenen Befristung erledigt haben. Diese Befristung kann nach dem Klageziel noch gar nicht eingetreten sein.
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer AE als Steinmetz in der Bundesrepublik Deutschland. Er bedarf einer solchen Erlaubnis, um in der Bundesrepublik abhängig tätig sein zu können. Nach § 19 Abs 1 AFG benötigen alle Arbeitnehmer, die nicht Deutsche im Sinne des Art 16 des Grundgesetzes (GG) sind, eine AE, soweit in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist. Zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmen zugunsten türkischer Arbeitnehmer keine Ausnahme. Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, die nach § 19 Abs 2 AFG (jetzt Abs 3 idF des Wartezeitgesetzes vom 3. August 1981 - BGBl I 802) unberührt blieben, haben nichts abweichendes bestimmt. Die aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl II 1964, 509) und des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen vom 23. November 1970 (BGBl II 1972, 385) ergangenen Beschlüsse des Assoziationsrates vom 20. Dezember 1976 (vgl ANBA 1977, S2 1090) und Nr 1(80 (vgl ANBA 1981, S. 4) haben daran nichts geändert. Sie sehen gegenüber den deutschen Vorschriften lediglich gewisse Erleichterungen bei der Erteilung der AE für türkische Arbeitnehmer vor (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nrn 5 und 9; SozR 4210 § 2 Nr 9 sowie Urteil des Senats vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 23/80 -).
In der Sache selbst kann die Revision keinen Erfolg haben. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer AE.
Voraussetzung hierfür ist gemäß § 5 Abs 1 AEVO, daß der Ausländer die für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis (Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung) besitzt oder sein Aufenthalt auch ohne eine Erlaubnis erlaubt ist oder als erlaubt gilt. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat unstreitig keine Aufenthaltserlaubnis. Er benötigt aber eine solche gemäß § 2 Abs 1 Ausländergesetz (AuslG). Er ist nach einem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei nicht davon befreit und gehört auch nicht zu dem Personenkreis, der gemäß § 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DV AuslG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1976 (BGBl I 1717) keiner Aufenthaltserlaubnis bedarf. Vielmehr ist er nach § 5 Abs 1 Nr 1 DV AuslG verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise in Form eines Sichtvermerks einzuholen. Ein solcher Sichtvermerk ist dem Kläger bisher nicht erteilt worden. Damit ist die Beklagte gehindert, ihm eine AE zu erteilen.
Der § 5 Abs 1 AEVO ist durch die in § 19 Abs 3 AFG aF (jetzt Abs 4) enthaltene Ermächtigung gedeckt. Er schafft keine neuen Anspruchsvoraussetzungen, sondern bringt nur das zum Ausdruck, was bereits der Rechtslage entspricht. Die Arbeitsverwaltung kann eine Arbeitserlaubnis erst dann erteilen, wenn sich der Ausländer befugt im Bundesgebiet aufhalten kann. Er kann überhaupt nur dann zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs 1 AFG vorliegen (vgl Schwertfeger, Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Berlin 1980, Band I, Gutachten S. A 49; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 19 Anm 3; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 19 Anm 5.1.; Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, § 19 Anm 3). Eventuelle Zweifel, daß die Bestimmungen des § 5 AEVO in § 19 Abs 3 AFG aF keine hinreichende Grundlage hätten, sind überdies durch den neuen Absatz 2 dieser Vorschrift, der durch das Wartezeitgesetz eingeführt wurde, ausgeräumt worden. Diese neue Vorschrift dient der Klarstellung und entspricht der vor ihrem Erlaß bestehenden Rechtslage (vgl BT-Drucks 9/409 S. 4, Begründung zu § 19 Abs 2).
Die vom LSG getroffene Entscheidung erweist sich im Ergebnis mithin als richtig. Die Revision ist schon aus den vorstehenden Gründen zurückzuweisen. Auf die Frage, ob der von dem BMA verfügte Anwerbestop Grundlage für die Ablehnung der Erteilung einer AE sein kann, kommt es daher nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen