Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszuschuß
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Rentenversicherungsträger zu Unrecht einen Beitragszuschuß gezahlt, ohne jedoch hierüber einen Bescheid erteilt zu haben, so kann er die Zahlung jederzeit wieder einstellen. Die regelmäßige Zahlung des Beitragszuschusses allein stellt keinen Verwaltungsakt dar; ihr kommt deshalb keine Bindungswirkung zu.
2. Die Mitversicherung einer Rentnerin als Familienangehörige bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen begründet keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach RVO § 381 Abs 4.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil Ges Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1963 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Rechtsstreit betraf die Frage, ob die Klägerin, die in der Krankenversicherung ihres Ehemannes bei der Postbeamtenkrankenkasse (PBKK) mitversichert ist, einen Zuschuß zu dessen Krankenversicherungsbeitrag beanspruchen kann (§ 381 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-).
Der Ehemann der Klägerin, Oberpostsekretär a.D., ist bei der PBKK, Bezirksstelle Kiel, versichert. Die Klägerin ist als Ehefrau mitversichert; hierdurch ist der Beitrag des Ehemanns höher, als wenn die Klägerin nicht mitversichert wäre. Die Klägerin bezieht seit Januar 1955 Invalidenrente (JV-Rente) von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA). Sie beantragte im Januar 1958 bei der Beklagten die Zahlung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung (KrV) nach § 381 Abs. 4 RVO. Die beklagte LVA zahlte in der Folgezeit die Zuschüsse für die Zeit vom 1. August 1956 an nachdem die Klägerin und die PBKK im weiteren Verlauf auf Anfragen der LVA jeweils formularmäßig mitgeteilt hatten, daß sich in den Verhältnissen der Klägerin nichts geändert habe. Mit Bescheid vom 2. April 1962 lehnte die beklagte LVA die Zahlung eines Beitragszuschusses ab, weil nur Rentenempfänger den Zuschuß erhielten, die selbst Mitglieder eines Versicherungsunternehmens seien. Sie stellte die Zahlung des Zuschusses zu Ende März 1962 ein. Sie forderte die gezahlten Beträge nicht zurück.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 2. April 1962 aufzuheben und die LVA zur Weitergewährung des Beitragszuschusses zu verpflichten. Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat mit Urteil vom 21. Januar 1963 den Bescheid vom 2. April 1962 aufgehoben. Es hat die Entscheidung auf § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt; die LVA habe durch ständige Gewährung des Beitragszuschusses zu erkennen gegeben, daß die Klägerin einen fortlaufenden Anspruch darauf habe; die ständigen Überweisungen stellten Verwaltungsakte dar.
Die LVA hat Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des SG zu ändern und die Klage abzuweisen. Das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 29. Oktober 1963 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; Revision ist zugelassen. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, der Zahlung des Beitragszuschusses liege kein den gesetzlichen Formvorschriften entsprechender Bescheid zu Grunde und die Klägerin habe auch materiellrechtlich keinen Rechtsanspruch auf einen Beitragszuschuß. Auf den Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses sei ein nach § 1631 RVO formgerechter Bescheid erst an 2. April 1962 ergangen. Die tatsächliche Zahlung des Zuschusses und die Nachfragen stellten keine verbindliche Anerkennung eines Anspruchs der Klägerin dar. Zahlungen seien keine Verwaltungsakte. Wenn das Gesetz für Verwaltungsakte eine bestimmte Form vorschreibe, wie § 1631 RVO, verhindere die Formverletzung das Wirksamwerden eines Verwaltungsaktes. Die nunmehr getroffene Entscheidung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte ihre erbrachten Leistungen von der Klägerin nicht zurückfordere. Die Gewährung des Beitragszuschusses sei rechtswidrig, weil Die Klägerin nicht selbst Mitglied der PBKK sei.
Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der beklagten LVA zurückzuweisen. Sie bringt zur Begründung vor, bei Fehlen eines formellen Feststellungsbescheides könne zwar grundsätzlich die Leistung formlos eingestellt werden (BSG 12, 204); doch greife eine andere Betrachtungsweise Platz, wenn der Versicherungsträger durch sein Verhalten Anlaß dafür gegeben habe, daß der Versicherte seinen Anspruch auf einen förmlichen Bescheid nicht geltend gemacht habe. Nach Vereinbarungen zwischen den Trägern der Rentenversicherung und den Krankenkassen zahlten die Versicherungsträger die Beitragszuschüsse unmittelbar an die Krankenkassen. Dadurch seien die Versicherten davon abgehalten worden, dies zu beanstanden. Im übrigen handele es sich bei den Zuschüssen um verschleierte Rentenerhöhungen; eines förmlichen Bescheides habe es nicht bedurft, weil die Gewährung der Rente gleichzeitig die Bewilligung der Beiträge zur KrV einschließe.
Die LVA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie weist sinngemäß darauf hin, die Klägerin habe nicht behauptet, daß sie selbst durch die erwähnten Abkommen in ihrer Handlungsweise irgendwie beeinflußt worden sei. Nur ein Verhalten des Versicherungsträgers, das speziell dem Versicherten gegenüber an den Tag gelegt worden sei, könne Grundlage eines Vertrauensschutzes sein. Zur materiellrechtlichen Frage verweist die Beklagte auf BSG 20, 159.
Die Klägerin und die Beklagte sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Revision ist nicht begründet. Die beklagte LVA ist weder durch die bindende Wirkung eines Verwaltungsakts nach § 77 SGG noch aufgrund § 381 Abs. 4 RVO verpflichtet, der Klägerin einen Zuschuß zu Krankenversicherungsbeiträgen zu gewähren.
Nach § 1235 Nr. 5 RVO sind die Beiträge für die KrV der Rentner von den Renten (Nr. 2 aaO) getrennte, eigenständige Leistungen der Rentenversicherungsträger. Sie sind rechtlich keine Erhöhung der Rente, auch wenn sich der Zuschuß, der den wirklichen KrV-Beitrag übersteigt (§ 381 Abs. 2, § 385 Abs. 2 RVO; BSG 14, 116), dem Rentner wirtschaftlich so darstellt. Per Rentenbezug ist nur eine der Voraussetzungen für die Gewährung eines Beitragszuschusses andere Voraussetzungen wie die Nichtzugehörigkeit zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO bezeichneten Personen, Versicherung gegen Krankheit bei einem privaten Versicherungsunternehmen müssen hinzukommen (§ 381 Abs. 4 RVO). Der Beitragszuschuß zur KrV ist somit nicht ein Teil der Rente. Der Rentenbescheid entscheidet daher nicht gleichzeitig über den Anspruch auf einen Beitragszuschuß. Die dahingehende Auffassung der Revision kann hiernach einen Anspruch der Klägerin nicht rechtfertigen.
Da der Beitragszuschuß eine Leistung des Rentenversicherungsträgers ist d 1235 RVO) und nicht als Leistung der KrV gilt (vgl. § 1551 RVO), sind auf das Verfahren und die Feststellung eines Anspruchs auf Gewährung von Beitragszuschüssen §§ 1613 ff, 1630, 1631 RVO anzuwenden. Wenn der Rentenversicherungsträger den angemeldeten Anspruch anerkennt, hat er einen schriftlichen Bescheid mit den in § 1631 Abs. 1 und 4 RVO auf geführten notwendigen Angaben zu erteilen. Eine andere Form der Anerkennung eines Anspruchs auf Beitragszuschuß ist nicht vorgesehen. Dadurch ist auch die bindende Feststellung eines Leistungsanspruchs oder dessen Anerkennung etwa durch konkludente Handlungen wie tatsächliche Zahlungen ausgeschlossen.
Ein formgerechter Bescheid nach § 1631 RVO ist erst am 2. April 1962 mit der Ablehnung des Anspruchs auf Beitragszuschuß ergangen.
Die Klägerin sieht in dem Ablehnungsbescheid eine Rechtsausübung der LVA entgegen deren früherem Verhalten (Zahlung des Beitragszuschusses) und hält deshalb die Ablehnung des Anspruchs in dem Bescheid vom 2. April 1962 für rechtswidrig (§ 242 BGB). Die Auffassung der Klägerin ist nicht berechtigt, weil die LVA sich durch ihr Verhalten nicht zur Erteilung eines den Anspruch auf den Beitragszuschuß bejahenden Bescheides verpflichtet hat. Die Zahlung des Beitragszuschusses stellt keine derartige Verpflichtung dar. Die Zahlungen selbst sind nur ein tatsächlicher Vorgang. Der Zahlungsempfänger erwirkt dadurch, wenn er nicht einen schriftlichen Bescheid über seinen Anspruch erhält, keinen Anspruch auf eine bestimmte künftige Handlungsweise der LVA.
Auch die Anfragen der LVA an die Klägerin "Zwecks Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses ... auch weiterhin gegeben sind, bitten wir, die umseitige Erklärung auszufüllen" sind keine Handlungen, die den späteren Ablehnungsbescheid als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen. Die Abfragen bedeuten zwar mittelbar, daß die LVA die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses bisher für vorliegend erachtet hat, ohne dies jedoch verbindlich für die Zukunft auszusprechen. Sie waren lediglich Begleittext zu den vorgedruckten Fragen. Die jeweiligen Anfragen haben allenfalls die Zahlungen in der Vergangenheit bestätigt, aber nicht irgendeine Bindung für die Zukunft geschaffen.
Im übrigen wußte die Klägerin aus ihrem Rentenverfahren, daß auf einen Leistungsantrag ein schriftlicher Bescheid ergeht. Es hätte daher nahegelegen, daß sie bei der Beklagten nach einem Bescheid auf ihren Antrag gefragt hätte.
Soweit die Zahlungen und die Anfragen der LVA vielleicht einen Vertrauensschutz der Klägerin begründen könnten, nämlich dahingehend, daß die schon geleisteten Beitragszuschüsse zu Recht gezahlt seien, ist die Klägerin durch den Bescheid vom 2. April 1962 nicht beeinträchtigt, weil die LVA die gezahlten Beitragszuschüsse nicht zurückfordert.
Das LSG hat somit zutreffend eine bindende Verpflichtung der LVA zur Weitergewährung des Beitragszuschusses verneint.
Das LSG hat zu Recht den Bescheid vom 2. April 1962 als dem materiellen Recht entsprechend angesehen. Der Senat hält nach neuer Überprüfung an seiner Entscheidung vom 13. Februar 1964 (BSG 20, 159) im Ergebnis fest. Danach begründet die Mitversicherung einer Rentnerin als Familienangehöriger des Versicherten bei der PBKK keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz i RVO. Nach dieser Vorschrift i.V.m. Satz 1 des 4. Abs. vor § 381 RVO erhalten Rentner "zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag" einen Zuschuß, wenn sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind. Die Klägerin ist nach der Satzung der PBKK nicht im Sinne des § 381 Abs. 4 RVO gegen Krankheit versichert.
Die PBKK ist eine "Wohlfahrtseinrichtung der Deutschen Bundespost" (§ 1 der Satzung). Versicherungsberechtigt sind die tätigen und ehemaligen Beamten und Angestellten der Bundespost (§§ 2, 5). Die Angehörigen können nicht selbst Mitglied der PBKK werden (§ 2). Sie können nur zur Mitversicherung angemeldet werden (§ 6). Der Anspruch auf Leistungen für mitversicherte Angehörige steht nur dem Mitglied der PBKK selbst zu. Der Mitversicherte hat keinen eigenen Anspruch (§ 8 Abs. 1). Die Mitversicherung der Angehörigen ruht, wenn die Versicherung des Mitgliedes ruht. Sie endet ua mit dem Tod des Mitgliedes und der Scheidung der Ehe (§ 6 Abs. 2 und 6). Beim Tod des Mitgliedes können die Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft unter bestimmten Voraussetzungen auf die Witwe übergehen (§ 5 Abs. 3). Für die Beitragshöhe (§ 7) wird, abgesehen von den Gruppen A und B der Versicherten, zwischen Mitgliedern ohne mitversicherte Angehörige und solchen mit mitversicherten Angehörigen unterschieden. Für die Gruppe A betragen die Beiträge je nach dem Einkommen bei den Mitgliedern ohne Mitversicherte zwischen 7,50 und 11,50 DM (1964/1965 erhöht auf 8,50 bis 12,50 DM), bei den Mitgliedern mit Mitversicherten 13,-- bis 21,50 DM (bzw. 14,-- bis 23,-- DM). Die Zahl der mitversicherten Angehörigen beeinflußt die Höhe des Beitrages nicht.
Hiernach sichert zwar die Mitversicherung die Ehefrau gegen die Folgen der Krankheit, auch wenn sie als Mitversicherte keinen eigenen Leistungsanspruch hat; denn die Leistungen der PBKK sind für die Mitglieder und die Mitversicherten gleich und entsprechen denen der gesetzlichen KrV (§ 8 der Satzung). Die Mitversicherung ist aber dennoch keine "Versicherung gegen Krankheit" im Sinne des § 381 Abs. 4 RVO. Die Mitversicherte ist nicht Vertragsgegner des Versicherers (PBKK). Sie ist nicht Versicherungsnehmer und hat keinen Einfluß auf das Versicherungsverhältnis. Dementsprechend ist sie auch nicht Beitragsschuldnerin. Sie hat also selbst nichts aus ihrem Einkommen (Rente) für eine "Versicherung gegen Krankheit" aufzuwenden. Bei dieser Rechtslage ist ein Anspruch der Mitversicherten auf einen Zuschuß zur KrV nicht begründet; denn der Versicherungsbeitrag des versicherten Ehemannes ist nicht "ihr Krankenversicherungsbeitrag", die in § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO aufgeführt. Aus § 381 Abs. 4 RVO sowie aus Sinn und Zweck der Beitragsregelung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist nicht zu entnehmen, daß ein Anspruch einer Rentnerin auf einen Beitragszuschuß zu Gunsten eines Britten besteht, bei dessen KrV die Rentnerin mitversichert ist. Durch die Einführung der KVdR mit dem Leistungsverbesserungsgesetz vom 24. Juli 1941 sollten die Rentner davon befreit werden, auf eigene Kosten für den Krankheitsfall Vorsorgen zu müssen. Dieser Zweck kommt jetzt in der Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Beitragsleistung für pflichtversicherte Rentner zum Ausdruck (§ 361 Abs. 2 RVO). Mit der Verpflichtung der Rentenversicherungsträger, auch freiwillig versicherten Rentnern (§ 381 Abs. 4 RVO) einen Beitragszuschuß zu gewähren, werden diese den pflichtversicherten Rentnern gleichgestellt; kein Rentner soll sich auf eigene Kosten gegen Krankheit versichern müssen. Dieser Sinn des Beitragszuschusses entfällt, wenn die Rentnerin nicht selbst beitragspflichtiges Mitglied einer KrV ist. Es besteht Rein Anlaß, einem Dritten einen Beitragszuschuß zu gewähren, wenn er eine Rentnerin mitversichert; denn der Dritte gehört nicht zu dem Personenkreis, dem durch den Beitragszuschuß geldlich geholfen werden soll. Wenn eine mitversicherte Rentnerin den Versicherungsnehmer entlasten will, muß sie selbst eine Versicherung gegen Krankheit abschließen.
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß, weil sie nicht im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO gegen Krankheit versichert ist. Die Revision ist nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen