Entscheidungsstichwort (Thema)
KVdR-Beitragszuschuß. Altenteilerkrankenversicherung
Orientierungssatz
1. Die landwirtschaftliche Krankenkasse hat nur dann einen Anspruch auf den Beitragszuschuß gemäß § 63 Abs 3 KVLG idF vor dem 2. ASEG gegen den zuständigen Rentenversicherungsträger, wenn die nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 KVLG versicherten Personen, zu den "in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten" Personen gehören.
2. In der Neufassung von § 63 Abs 3 KVLG durch das 2. ASEG ist nicht lediglich eine redaktionelle Klarstellung zu erblicken.
3. Bei der Lastenverteilung unter den Versicherungsträgern und dem Bund muß verstärkt die Erwägung gelten, daß Äußerungen während der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes gegenüber dem klaren Gesetzeswortlaut in aller Regel kein ausschlaggebendes Gewicht haben. Gerade in diesem Bereich muß grundsätzlich unmittelbar im Gesetzestext zum Ausdruck kommen, wer für welche Zeiten welche Lasten zu tragen hat.
Normenkette
KVLG § 63 Abs 3 Fassung: 1977-06-27, § 2 Abs 1 Nr 4 Fassung: 1980-07-09, § 2 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1980-07-09; RVO § 165 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1977-06-27; KVLG § 63 Abs 3 Fassung: 1980-07-09; KVLG § 63 Abs 3 Fassung: 1972-08-10; RVO § 1304e Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 17.05.1982; Aktenzeichen S 11 Kr 46/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt gemäß § 63 Abs 3 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) für Zeiten von Juli 1978 bis Juni 1980 Beiträge an die klagende landwirtschaftliche Krankenkasse abführen muß für Personen, die bei der Klägerin nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 KVLG versichert waren, von der Beklagten eine Rente bezogen und nicht die Voraussetzungen des § 165 Abs 1 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni
Die Klägerin forderte die Beklagte im Februar 1981 vergeblich zur Zahlung auf, nachdem das Zweite Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (2. ASEG) vom 9. Juli 1980 (BGBl I 905) in § 63 Abs 3 KVLG das Erfordernis der Zugehörigkeit zu den "in § 165 Abs 1 Nr 3 der RVO bezeichneten" Personen hatte entfallen lassen. Hierbei meinte sie, der geänderte Wortlaut von § 63 Abs 3 KVLG müsse ungeachtet des Inkrafttretens zum 1. Juli 1980 bereits vom 1. Juli 1978 an praktische Auswirkungen haben; sie bezog sich auf die Begründung zum 2. ASEG und eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA), der die Änderung lediglich für eine redaktionelle Klarstellung hielt.
Das Sozialgericht (SG) Hannover ist dem nicht gefolgt; nach seiner Ansicht war das Inkrafttreten der Änderung erst zum 1. Juli 1980 beabsichtigt. Es hat daher die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Mai 1982).
Mit der zugelassenen Sprungrevision beantragt die Klägerin, das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 1076,90 DM zu verurteilen.
Sie rügt Verletzung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des KVKG sowie des § 63 Abs 3 KVLG idF vor und nach dem 2. ASEG. Trotz der Änderung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO durch das KVKG hätten die Rentenversicherungsträger nicht von der Beitragsleistung für diejenigen Rentner freigestellt werden sollen, die lediglich die für die Rentnerkrankenversicherung nun zusätzlich erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllten; § 63 Abs 3 KVLG aF habe sie weiterhin als in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichnete Personen erfaßt. Für sie den Beitragsanspruch zu versagen, sei auch nicht sinnvoll, weil das KVKG die Krankenkassen und nicht die Rentenversicherungsträger finanziell habe entlasten sollen. Deshalb komme der Neufassung des § 63 Abs 3 KVLG klarstellende Bedeutung zu.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Geht man von der in der streitigen Zeit geltenden Fassung des § 63 Abs 3 KVLG aus, so hat die Klägerin nur dann einen Beitragsanspruch gegen die Beklagte für die nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 KVLG versicherten Personen, wenn diese zu den "in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten" Personen gehörten. Das ist nicht der Fall. Nach der Änderung dieser Vorschrift durch das KVKG genügte es für die Rentnerkrankenversicherung nicht mehr, daß eine Rente beantragt und deren Voraussetzungen erfüllt waren; es mußten weitere Voraussetzungen erfüllt sein, von denen die nun erforderliche Vorversicherungszeit bei einem Träger der Krankenversicherung im Vordergrund steht. Hieran hat es im vorliegenden Falle gefehlt.
Nach ihrer Revisionsbegründung möchte die Klägerin in § 63 Abs 3 KVLG aF allerdings den Kreis der in § 165 Abs 1 Nr 3 der RVO bezeichneten Personen für die streitige Zeit noch wie in der Fassung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO vor dem KVKG abgegrenzt wissen (ohne zu erklären, warum sie dann nicht seinerzeit auf der Beitragszahlung durch die Beklagte bestanden hat). Für eine solche Auslegung findet sich jedoch im Gesetz kein Anhalt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich geprüft, welche "Folgeänderungen" sich aus der Änderung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO ua für das KVLG ergeben (vgl BT-Drucks 8/166, S. 32 ff); er hat eine besondere Übergangsvorschrift in Art 2 § 1 KVKG geschaffen und unter Bezug hierauf den § 3 Satz 2 Nr 2 KVLG ergänzt, der für die in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten Personen die Versicherungskonkurrenz zu § 2 Abs 1 Nr 4 KVLG näher regelt. Außerdem hat sich der Gesetzgeber im besonderen mit § 63 Abs 3 KVLG befaßt, dort aber nur die Beitragshöhe neu festgelegt. Somit ist also anzunehmen, daß in § 63 Abs 3 KVLG aF der Kreis der in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten Personen nach dessen Änderung durch das KVKG dem neu abgegrenzten Personenkreis dieser Vorschrift entsprechen sollte.
Die Klägerin kann dem nicht entgegenhalten, daß die Freistellung der Rentenversicherungsträger von der Beitragspflicht für die nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 KVLG versicherten Rentner, die die Voraussetzungen des neuen § 165 Abs 1 Nr 3 RVO nicht erfüllten, sinnwidrig sei und insbesondere der mit dem KVKG bezweckten finanziellen Entlastung der Krankenversicherung widerspreche. Richtig ist zwar, daß § 1235 Nr 5 RVO (§ 12 Nr 5 AVG) zu den Regelleistungen der Rentenversicherung "Beiträge für die Krankenversicherung der Rentner" zählt, ohne irgendwelche Rentner davon auszunehmen, und daß die Beitragspflicht des § 63 Abs 3 KVLG auf dieser Grundlage entstanden ist (BT-Drucks VI/ 3012 zu § 55 Abs 3). Diese Beitragspflicht ist jedoch außerdem als ein Teil der Lastenverteilung in der gesamten Sozialversicherung zu sehen. Hierfür ist von Bedeutung, daß gemäß § 63 Abs 4 KVLG der Bund für die in § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 RVO bezeichneten Versicherten die zur Deckung der Leistungsaufwendungen erforderlichen Mittel trägt, soweit sie nicht durch die Beiträge der Rentenversicherungsträger nach Abs 3 gedeckt sind. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß nach § 1304d RVO idF des am selben Tage wie das KVKG in Kraft getretenen 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) die Rentenversicherungsträger an die gesetzliche Krankenversicherung zu deren Aufwendungen für die nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versicherten Rentner 11,7 vH der von ihnen (überhaupt) gezahlten Rentenbeträge zahlen, vermindert wiederum ua um die Beiträge nach § 63 Abs 3 KVLG. Hiernach hat aber die durch das KVKG erfolgte Einschränkung der Beitragspflicht nach § 63 Abs 3 KVLG weder die landwirtschaftliche Krankenversicherung noch die sonstige gesetzliche Krankenversicherung noch schließlich entgegen der Meinung der Klägerin die Rentenversicherung finanziell belasten können; sie hat lediglich beim Bund zu einer höheren Belastung geführt. Eine solche Lastenverteilung kann nicht als sinnwidrig bezeichnet werden, weil es für die Verteilung der Lasten in der Sozialversicherung keine festen Prinzipien gibt, im Gegenteil die in einem Versicherungszweig jeweils vorhandenen oder fehlenden finanziellen Mittel nicht selten dafür den Ausschlag geben. Deswegen hat der Senat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür finden können, daß die beschriebene, durch das KVKG und das 20. RAG herbeigeführte Lastenverteilung in keinem Falle dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe.
Die Klägerin kann die Beiträge, wie das SG zu Recht entschieden hat, auch nicht aufgrund des 2. ASEG nachfordern. Dieses Gesetz hat § 63 Abs 3 KVLG dahin geändert, daß Beiträge zu leisten sind "zu den Aufwendungen für die nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 Versicherten, die eine Rente aus der Rentenversicherung... beziehen". Damit ist die Anknüpfung an § 165 Abs 1 Nr 3 RVO entfallen und im praktischen Ergebnis der Rentenversicherungsträger wieder für den Personenkreis beitragspflichtig, für den er vor dem KVKG nach § 63 Abs 3 KVLG beitragspflichtig war. Wie aus Art 10 Abs 1 des 2. ASEG zu entnehmen ist, ist die Neufassung aber erst am 1. Juli 1980 in Kraft getreten. Von der in Abs 2 des Art 10 für eine Anzahl anderer Regelungen wahrgenommenen Möglichkeit eines rückwirkenden Inkraftsetzens hat der Gesetzgeber bei § 63 Abs 3 KVLG keinen Gebrauch gemacht; daß das versehentlich unterblieben sei, ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht dies auch aus der Gesetzesbegründung nicht hervor. Zwar heißt es im Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 8/4128 S 34 und 37), § 165 Abs 1 Nr 3 RVO erfasse aufgrund des KVKG ab 1. Juli 1978 nur noch einen begrenzten Rentnerkreis, so daß die Bezugnahme auf diese Vorschrift nicht mehr möglich sei; die Änderung stelle deshalb sicher, daß die Träger der Rentenversicherung "in gleichem Maße wie bisher" Beiträge an die landwirtschaftlichen Krankenkassen entrichten. Hieraus kann nicht hergeleitet werden, die Änderung des Gesetzeswortlauts solle bereits mit Wirkung vom 1. Juli 1978 praktische Auswirkungen haben. Mehr als eine (vage) Andeutung möglicher solcher Pläne läßt sich aus der genannten Gesetzesbegründung jedenfalls nicht herauslesen. Deshalb ist es auch nicht überzeugend, wenn die Klägerin und der BMA in der Neufassung von § 63 Abs 3 KVLG durch das 2. ASEG lediglich eine redaktionelle Klarstellung erblicken wollen. Im übrigen muß bei der Lastenverteilung unter den Versicherungsträgern und dem Bund verstärkt die Erwägung gelten, daß Äußerungen während der Entstehungsgeschichte
Fundstellen