Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 09.10.1990) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Oktober 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Zuschüssen zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen, die die Klägerin an Hildegard-Maria W. … … (W) erbracht hat.
Das Arbeitsverhältnis der am 1. Dezember 1930 geborenen W, seit 1964 bei der Klägerin beschäftigt (zuletzt: Versicherungssachbearbeitung im Bereich Kraftfahrt-Betrieb/Bestandsbearbeitung), endete aufgrund einer gemäß § 1 Abs 2 des Vorruhestandsabkommens für die private Versicherungswirtschaft vom 16. August 1984 getroffenen Vorruhestandsvereinbarung der Klägerin mit der W vom 5. bzw 7. Dezember 1988 im gegenseitigen Einvernehmen am 31. Dezember 1988 (§ 1). Am Tage danach sollte die W in den Vorruhestand treten (§ 1) und ein Vorruhestandsgeld von der Klägerin erhalten, und zwar in Höhe von monatlich 2.350,40 DM brutto (= 80 vH des letzten monatlichen Bruttoarbeitsentgelts von 2.938,– DM, § 2). Der Arbeitsplatz der W wurde aufgrund eines ebenfalls im Dezember 1988 abgeschlossenen Arbeitsvertrages ab 1. Januar 1989 für den am 29. März 1966 geborenen Michael T. … (T) vorgesehen, der sich damals noch in der Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei der Klägerin befand. T hat die Ausbildung Mitte Januar 1989 erfolgreich abgeschlossen.
Den am 22. Dezember 1988 gestellten Antrag der Klägerin auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen lehnte das Arbeitsamt Helmstedt ab, da nach § 14 des Gesetzes zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (VRG) für die Zeit vom 1. Januar 1989 dieses Gesetz nur noch anzuwenden sei, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Zu den Voraussetzungen gehöre aber die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes, die hier nicht vor dem 1. Januar 1989 erfolgt sei (Bescheid vom 25. April 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1989).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. November 1989). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 9. Oktober 1990).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG zunächst ausgeführt, die Berufung sei statthaft. Berufungsausschließungsgründe lägen nicht vor. Die Klägerin habe mit der verbundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung der Zuschüsse die im vorliegenden Falle richtige Klageart gewählt. Die Zahlung der Zuschüsse habe die Beklagte bislang noch nicht abgelehnt. Das auf die Anträge auf Auszahlung der Zuschüsse für das Jahr 1989 ergangene Schreiben des Arbeitsamtes vom 8. Januar 1990, demzufolge aufgrund des Widerspruchsbescheids und des Urteils des SG die Abrechnungslisten abgelehnt würden, enthalte bei sachgerechter Auslegung keine die Zuschußgewährung förmlich ablehnende Entscheidung, sondern nur den Hinweis, daß wegen der bisher nicht erfolgten Anerkennung der Voraussetzungen kein Anlaß bestehe, die Abrechnungslisten zu bearbeiten und die Leistungsanträge förmlich zu bescheiden.
Sodann hat das LSG ausgeführt, daß dem geltend gemachten Klaganspruch § 14 VRG entgegenstehe. Nach dieser Vorschrift sei das VRG ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Die Anspruchsvoraussetzungen seien in § 2 Abs 1 Nrn 1 bis 5 VRG normiert. Der Anspruch auf Zuschüsse gelange erst zur Entstehung, sobald alle Vorsetzungen erfüllt seien. Die Voraussetzungen der Nrn 1 und 5b des § 2 Abs 1 VRG seien jedoch erst am 1. Januar 1989 erfüllt worden. Hinsichtlich der Wiederbesetzung der freigewordenen Stelle komme es nicht auf den Zeitpunkt der arbeitsvertraglichen Regelung an, sondern zu welchem Zeitpunkt die Wiederbesetzung erfolgen sollte und auch stattgefunden habe. Das ergebe sich aus dem Wortlaut. Selbst wenn man insoweit der Auffassung der Klägerin folge, bleibe festzuhalten, daß die Vorruhestandsleistungen, deren Erbringung ebenfalls zu den notwendigen Anspruchsvoraussetzungen gehöre, erst zum 1. Januar 1989 gezahlt worden seien und auch erst hätten gezahlt werden können. Für das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke in § 14 VRG, die im Sinne der Klägerin ausgefüllt werden könnte, fehlten greifbare Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber habe mit Fallkonstellationen, in denen ein Arbeitsplatz zum 31. Dezember 1988 freigemacht würde und der deshalb frühestens zum 1. Januar 1989 wieder besetzt werden könnte, rechnen müssen. Wenn er dennoch darauf abgestellt habe, daß die Förderungsvoraussetzungen bereits vor dem 1. Januar 1989 erfüllt seien, müsse dies als bewußte Entscheidung des Gesetzgebers aufgefaßt werden.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 14 VRG. Nach dieser Vorschrift genüge es, daß die vertraglichen Voraussetzungen des Anspruchs vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen hätten. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber § 14 VRG dahingehend formuliert, daß der Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen sein müsse. Die erfolgte Umschreibung, daß die Voraussetzungen vorgelegen haben müßten, wäre dann nicht erforderlich gewesen. Gegen die Auffassung des LSG spreche auch, daß sie den Anwendungsbereich des Gesetzes um einen Monat verkürze und Zuschüsse zu Vorruhestandsleistungen für alle im Dezember 1930 geborene Arbeitnehmer ausschließe, weil deren Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglich vorgesehenen Fristen nicht früher aufgelöst werden könnten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. April 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1989 zu verurteilen, Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen ab 1. Januar 1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie teilt die Auffassung des LSG und führt ergänzend aus: Wenn § 14 VRG von den Voraussetzungen für den Anspruch spreche, sei damit der des Arbeitgebers auf den Zuschuß gemeint, nicht der des Ruheständlers auf die Vorruhestandsleistung; denn nur den Anspruch auf den Zuschuß regele das VRG. Der Abschluß der Vorruhestandsvereinbarung könne daher für den in § 14 VRG genannten Zeitpunkt nicht maßgeblich sein. Im Hinblick auf Nr 1 Buchst a und Nr 5 des § 2 Abs 1 VRG seien die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen auf den Zuschuß nicht erfüllt, wie das LSG zutreffend erkannt habe. Nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, sondern auch die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke ließen eine andere Entscheidung als die der Vorinstanzen nicht zu. Die Auffassung der Klägerin, daß eine Zuschußgewährung für volle vier Jahre gewährleistet sein müsse, finde schon in ihrem Ansatz in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Gleiches gelte für die Auffassung, die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist vor Eintritt des Ruhestandsfalles dürfte nicht zum Ausschluß der Förderung führen. Den Arbeitsvertragsparteien sei auch der Abschluß einer Aufhebungsvereinbarung möglich gewesen, bei der es auf eine Kündigungsfrist nicht ankomme.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, die bei einer Revision von Amts wegen zu berücksichtigen sind, stehen einer Entscheidung des Senats in der Sache nicht entgegen.
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß ein Berufungsausschlußgrund nach § 144 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht vorliegt. Es geht letztlich um Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen der Klägerin an W. Diese Zuschüsse werden wie die Vorruhestandsleistungen durch den Arbeitgeber nicht einmalig, sondern wiederkehrend gewährt. Da hier schon nach den vorliegenden Abrechnungslisten wiederkehrende Leistungen für ein Jahr in Betracht kommen, liegt der Berufungsausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG nicht vor.
Entgegen der Auffassung des LSG ist allerdings nicht die verbundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, sondern die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG die richtige Klageart. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25. April 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1989, durch den das Arbeitsamt den Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen abgelehnt hat. Wie dem vom Arbeitsamt praktizierten Verfahren zu entnehmen ist, unterscheidet die Beklagte bei der Gewährung von Zuschüssen nach dem VRG zwischen einem Anerkennungs- und einem Leistungsverfahren, wie sie beim Kurzarbeitergeld und beim Mehrkostenzuschuß von Gesetzes wegen vorgesehen sind (vgl § 72 und § 81 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Arbeitgeber nach Ablehnung der Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen schon deshalb auf Leistung der Zuschüsse klagen muß, weil dieses Verfahren durch Rechtssatz nicht vorgesehen ist und mit der Verneinung unverzichtbarer Anspruchsvoraussetzungen folgerichtig auch ein Anspruch auf die Leistung abgelehnt worden ist. Selbst wenn nämlich zwischen Anerkennungs- und Leistungsverfahren zu unterscheiden wäre, wäre hier die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage gegeben. Das ist in Verfahren dieser Art der Fall, wenn schon während des Vorverfahrens ein Leistungsantrag gestellt worden ist, der in dem Widerspruch zu erblicken ist, wenn ein dahin gerichteter Wille des Widersprechenden unverkennbar ist (BSGE 65, 238 = SozR 4100 § 72 Nr 11; BSGE 65, 272 = SozR 4100 § 78 Nr 8). Für das von den Arbeitsämtern praktizierte zweigestufte Verfahren bei Ansprüchen auf Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen, das strukturell gleichartig ist, kann nichts anderes gelten. Ist die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage gegeben, darf sich der Kläger grundsätzlich nicht auf eine weniger weitreichende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage beschränken. Denn da eine solche Klage nur auf Anerkennung bestimmter Voraussetzungen abzielt, können Leistungen nicht unmittelbar und möglicherweise auch nicht ohne ein weiteres Verfahren erreicht werden. Die Rechtsordnung gibt dem Rechtsuchenden grundsätzlich aber nur das Recht, den begehrten Rechtsschutz auf dem kürzesten Weg zu suchen (BSGE 8, 3, 8; 41, 218, 219 = SozR 3100 § 35 Nr 3). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Klägerin zwar nur beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des ergangenen Bescheides zur Anerkennung der Voraussetzungen für die Zuschußgewährung zu verurteilen, nachdem sie nicht nur vor dem SG, sondern schriftsätzlich auch vor dem LSG den allein zutreffenden Leistungsantrag gestellt bzw angekündigt hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit ihre Leistungsklage fallen gelassen hat. Denn die Klägerin ist im Revisisionsverfahren jedenfalls wieder zur verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage übergegangen, was zulässig ist. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 168 SGG) steht dem nicht entgegen; es liegt lediglich eine den Streitstoff insgesamt nicht verändernde Erweiterung des Klageantrags vor (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG; vgl BSGE 65, 272, 275 = SozR 4100 § 78 Nr 8).
Die Klage ist indessen unbegründet. Denn wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, hat die Klägerin gemäß § 14 VRG keinen Anspruch auf Zuschüsse. Nach dieser Vorschrift ist das VRG, eingeführt durch Art 1 des Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand vom 13. April 1984 (BGBl I 601), für die Zeit ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. Den Gesetzesmaterialien zufolge sollte mit dieser Vorschrift für die Zeit ab 1. Januar 1989 die Zuschußgewährung auf die Fälle beschränkt werden, in denen die Förderungsvoraussetzungen bereits vor diesem Zeitpunkt erfüllt waren (Begründung zu § 13 VRG-Entwurf, BT-Drucks 10/880 S 18). § 14 VRG ist hiernach im Blick auf die Zuschüsse konzipiert, die die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) den Arbeitgebern gewährt (§ 1 VRG). Ob sich die Vorschrift auch auf andere Anwendungsbereiche des Gesetzes, zB auf das im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers von der BA dem Vorruheständler zu gewährende eigenständige Vorruhestandsgeld (§ 9 VRG) bezieht, ist hier nicht zu entscheiden. Soweit es um Zuschußgewährung geht, ist in § 14 VRG mit „Anspruch” jedenfalls der öffentlich-rechtliche Anspruch des Arbeitgebers auf Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen gemeint, wie ihn das Gesetz umschreibt, nicht der privatrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Vorruhestandsleistungen. Dessen Begründung und nähere Ausgestaltung hat das VRG den Tarifvertragsparteien, den Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und den Arbeitsvertragsparteien überlassen (vgl § 2 Abs 1 Nr 1 VRG); nur bestimmte Vorschriften zum Schutze des Arbeitnehmers und zur Übertragbarkeit des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld hat der Gesetzgeber selbst vorgeschrieben (vgl § 7 VRG). Die Voraussetzungen für den Anspruch, die nach § 14 VRG erstmals vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen haben müssen, damit das VRG für die Zeit ab 1. Januar 1989 angewendet werden kann, sind daher in Fällen vorliegender Art die Erfordernisse, die die §§ 1 und 2 VRG für eine Bezuschussung der Aufwendungen des Arbeitgebers vorsehen. Es müssen „die Voraussetzungen für den Anspruch” erstmals vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen haben, dem Wortlaut nach also kumulativ alle Voraussetzungen, die einen Anspruch auf Zuschuß begründen. Zu ihnen zählt das Wiederbesetzungserfordernis des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG, das – anders als in § 12 Abs 1 Nr 1 VRG geschehen – in § 14 VRG nicht ausgenommen ist. Dieses Wiederbesetzungserfordernis ist, wie das Arbeitsamt zutreffend erkannt hat, vor dem 1. Januar 1989 nicht erfüllt worden.
Nach § 2 Abs 1 Nr 5 VRG setzt der Anspruch auf Zuschuß voraus, daß der Arbeitgeber aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer (Buchst a) oder einen Jugendlichen oder sonstigen Arbeitnehmer, für den nach Abschluß der Ausbildung kein Arbeitsplatz vorhanden ist (Buchst b) auf dem freigemachten oder infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt. Kleinbetriebe können darüber hinaus dem Wiederbesetzungserfordernis dadurch entsprechen, daß sie aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Auszubildenden einstellen (Buchst c), was hier jedoch nicht geltend gemacht wird. Einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer hat die Klägerin anstelle der W nicht eingestellt, sondern auf deren Arbeitsplatz angeblich ab 1. Januar 1989 den T eingesetzt, der schon bisher bei ihr beschäftigt war, wenn auch in einem Ausbildungsverhältnis. Damit ist die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG für den Anspruch auf Zuschuß nicht vor, sondern frühestens erst ab 1. Januar 1989 erfüllt, sofern überhaupt für T „nach Abschluß der Ausbildung kein Arbeitsplatz vorhanden” gewesen ist.
Fehl geht die Auffassung der Revision, die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG werde schon mit Abschluß des Arbeitsvertrages erfüllt, der mit T noch im Dezember 1988 abgeschlossen sei. Denn § 2 Abs 1 Nr 5 VRG stellt nicht auf den Abschluß des Arbeitsvertrages oder die Absicht einer künftigen Beschäftigung ab, sondern darauf, daß der Arbeitgeber den (neuen) Arbeitnehmer aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Vorruheständlers auf dem freigemachten oder auf einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt. Das VRG hat den Begriff „beschäftigt” nicht näher erläutert. Es liegt deshalb nahe, auf die in § 7 Abs 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches enthaltene Definition der Beschäftigung als einer nichtselbständigen Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, zurückzugreifen. Schon hiernach genügt nicht der Abschluß eines Vertrages über ein künftiges Arbeitsverhältnis, vielmehr liegt eine Beschäftigung frühestens mit Beginn des Arbeitsverhältnisses vor, das hier nach Ablauf der Ausbildungszeit zum 31. Dezember 1988 frühestens am 1. Januar 1989 begonnen haben kann.
Da T die Abschlußprüfung erst Mitte Januar 1989 bestanden hat, dürften übrigens die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG nicht davor erfüllt worden sein. Denn es spricht manches dafür, daß der Arbeitgeber das Wiederbesetzungserfordernis des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG, das Kernstück des gesamten VRG, mit dem Einsatz eines bisherigen Auszubildenden auf dem freigewordenen Arbeitsplatz nicht erfüllen kann, bevor der Auszubildende die Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen hat. Neben den beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmern mit der ernsthaften Bereitschaft, sich durch die Arbeitsämter in Arbeit vermitteln zu lassen (BSG SozR 7825 § 2 Nr 1), sollte die Regelung nämlich ausgebildete Arbeitnehmer begünstigen, für die nach Abschluß der Ausbildung kein (anderer) Arbeitsplatz vorhanden war. Schließlich konnte die Klägerin niemanden vor dem 1. Januar 1989 iS des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG auf dem Arbeitsplatz der ausgeschiedenen W beschäftigen, da diese erst am 1. Januar 1989 in den Vorruhestand treten sollte und infolgedessen erst mit dem Ablauf des 31. Dezember 1988 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Auf einem freigemachten oder einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz kann ein (neuer) Arbeitnehmer aber nicht beschäftigt werden, bevor der Vorruheständler ausgeschieden ist.
Auch nach Maßgabe des § 14 VRG genügt es nicht, daß die vertraglichen Voraussetzungen vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen haben, bezüglich der Wiederbesetzung also, daß die spätere Beschäftigung des T auf dem Arbeitsplatz der W vor dem 1. Januar 1989 fest vereinbart war. Der Wortlaut des § 14 VRG ist, worauf schon hingewiesen worden ist, entgegen dem Revisionsvorbringen eindeutig.
Allerdings mag zweifelhaft sein, ob es für die Anwendung des Gesetzes für die Zeit ab 1. Januar 1989 Sinn macht, gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a VRG darauf abzustellen, ob der Arbeitgeber dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer schon vor dem 1. Januar 1989 tatsächlich Vorruhestandsgeld in der gesetzlichen Mindesthöhe gezahlt hat, oder ob es insoweit nicht genügt, daß der Arbeitnehmer aufgrund einer 1988 getroffenen Vorruhestandsvereinbarung noch für 1988 einen Anspruch auf Vorruhestandsgeld erworben hat, was hier übrigens auch nicht der Fall ist. Für das Wiederbesetzungserfordernis des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG gelten Bedenken gleicher Art nicht. Denn dieses Erfordernis berührt, wie erwähnt, das eigentliche Ziel des Gesetzes, Arbeitslose und ausgebildete Jugendliche ohne Arbeitsplatz alsbald in den Arbeitsprozeß einzugliedern, indem bei einer solchen Eingliederung den Arbeitgebern Zuschüsse zu ihren Vorruhestandsleistungen gewährt werden. Daß für die Zeit ab 1. Januar 1989 Zuschüsse nur zu zahlen sind, wenn das Wiederbesetzungserfordernis vor diesem Zeitpunkt erfüllt ist, wird durch § 14 des durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) eingeführten Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand (Altersteilzeitgesetz) bestätigt. Das Altersteilzeitgesetz, das an die Stelle des auslaufenden Vorruhestandsgesetzes getreten ist, sieht ebenfalls Leistungen an den Arbeitgeber vor, wenn dieser ua aus Anlaß des Übergangs eines Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer auf dem freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt (§ 3 Abs 1 Nr 2 Altersteilzeitgesetz), und enthält für die Anwendung ab 1. Januar 1993 eine § 14 VRG entsprechende Befristung. Diese Befristungsvorschrift stellt aber ausdrücklich ua darauf ab, daß die Wiederbesetzungsvoraussetzung des § 3 Abs 1 Nr 2 Altersteilzeitgesetz erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 14 Altersteilzeitgesetz). Wenn das VRG nach seinem § 14 für die Zeit ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben, bedeutet dies jedenfalls, daß der Arbeitgeber vor dem 1. Januar 1989 das Wiederbesetzungserfordernis erfüllt haben muß.
Zu Unrecht wendet die Revision ein, daß diese Auffassung den Anwendungsbereich des Gesetzes um einen Monat verkürzt und Zuschüsse zu Vorruhestandsleistungen für alle im Dezember 1930 geborenen Arbeitnehmer ausschließt. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zuschuß haben nämlich selbst bezüglich eines am 31. Dezember 1930 geborenen Arbeitnehmers noch erfüllt werden können, der erst mit der Vollendung des 58. Lebensjahres in den Vorruhestand treten wollte. Erforderlich wäre nur gewesen, daß dieser Arbeitnehmer, der am 31. Dezember 1988 um 0.00 Uhr sein 58. Lebensjahr vollendet hat, zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden und sein Nachfolger an diesem Tage in einer Arbeitslosigkeit beseitigenden Weise an seiner Stelle beschäftigt worden wäre (vgl Andresen/Barton/ Kuhn/Schenke, Vorruhestand, Stand April 1989, Teil 16, RdNr 6a). Gesetzliche, tarifvertragliche oder einzelvertragliche Fristen haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einer solchen Vorruhestandsvereinbarung, die sowieso Voraussetzung für den Zuschuß ist (§ 2 Abs 1 Nr 3 VRG), nicht hindern können. Darüber hinaus waren und sind die Tarifvertragsparteien, die Kirchen und die öffentlichen Religionsgesellschaften und die Arbeitsvertragsparteien selbst, in deren Hand die Begründung des Vorruhestandes liegt, nicht gehindert, den Eintritt des Vorruhestandes schon vor Vollendung des 58. Lebensjahres vorzusehen, auch wenn das VRG Zuschüsse für Vorruhestandsleistungen nicht vorsieht, die der Arbeitgeber für die Zeit vor Vollendung des 58. Lebensjahres zahlt. Hindernisse bezüglich der Kranken- und Rentenversicherung bestehen insoweit nicht; die Krankenversicherungs- und Rentenversicherungspflicht der Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nämlich nicht davon abhängig, daß der Bezieher das 58. Lebensjahr vollendet hat (vgl Art 4 bis 6 des Gesetzes vom 13. April 1984, BGBl I 601). Der Eintritt der Ende 1930 geborenen Arbeitnehmer in den Vorruhestand hat daher 1988 so früh erfolgen können, daß die Wiederbesetzung der freigewordenen Arbeitsplätze rechtzeitig vor dem 1. Januar 1989 möglich gewesen wäre.
Richtig ist allerdings, daß § 14 VRG es dem Arbeitgeber wegen der erforderlichen Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes vor dem 1. Januar 1989 erschwert, für Vorruhestandsleistungen an Ende 1930 geborene Arbeitnehmer Ansprüche auf Zuschüsse zu erwerben, in Sonderheit, wenn die Arbeitnehmer einem Vorruhestand nicht vor Ablauf des Jahres 1988 zustimmen. Doch mußte der Gesetzgeber damit rechnen, daß die Wiederbesetzung solcher Arbeitsplätze vor dem 1. Januar 1989 auf Schwierigkeiten stoßen würde, die erst zu Ende 1988 durch den Vorruheständler freigemacht würden. Wenn den Arbeitgebern ermöglicht werden sollte, anspruchswahrend die Wiederbesetzung auch nach dem 31. Dezember 1988 vorzunehmen, hätten daher in § 14 VRG die Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 Nr 5 VRG ausgenommen werden müssen. Das ist nicht geschehen, auch nicht anläßlich des Erlasses des Altersteilzeitgesetzes, obwohl die Bedenken gegen die getroffene Regelung bekannt waren (vgl Faude/Schüren, VRG, 1985, § 14 Rz 2). Das kann nur dahin verstanden werden, daß es Zuschüsse nach dem VRG nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht mehr geben sollte, wenn die Wiederbesetzung nicht noch 1988 erfolgt war. Zutreffend hat das LSG daher eine planwidrige Gesetzeslücke, die im Sinne der Vorstellungen der Klägerin ausgefüllt werden könnte, verneint. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß Vorruhestandstarifverträge, die eine Verpflichtung zum Abschluß von Vorruhestandsvereinbarungen vorsehen, regelmäßig bis zum Ende des Jahres 1988 galten (so aber Faude/Schüren, aaO). Denn der Anspruch auf Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen richtet sich nicht nach den Tarifverträgen, sondern nach dem Gesetz.
Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174486 |
BB 1991, 1643 |