Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme eines nicht zugelassenen Arzneimittels ≪hier: Immucothel≫ in der Bundesrepublik Deutschland trotz Zulassung in anderem Mitgliedstaat. europarechtliches Anerkennungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel darf trotz seiner Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen hat.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Fassung: 1997-06-23, Abs. 2 Fassung: 1998-12-19, Abs. 3 Alt. 2 Fassung: 1992-12-21, § 27 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3, § 31 Abs. 1, § 70 Abs. 1 S. 2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6; AMG 1976 § § 1, 4 Abs. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 25 Abs. 2, § 37 Abs. 1 S. 2, § 73 Abs. 1, 3 Sätze 1-2, § 96 Nr. 5, § 97 Abs. 2 Nr. 8; AMRL; EG Art. 28, 30, 46 Abs. 1, Art. 49-50; EWGV 2309/93 Art. 1 S. 2 Fassung: 1993-07-22, Art. 4 Abs. 1 Fassung: 1993-07-22, Art. 5 Fassung: 1993-07-22; EWGRL 65/65 Art. 3 Fassung: 1965-01-26; EWGRL 319/75 Art. 9 Fassung: 1975-05-20, Art. 13 Fassung: 1975-05-20; EWGRL 39/93 Art. 3 Fassung: 1993-06-14; EGRL 83/2001 Art. 6 Fassung: 2001-11-06, Art. 27 Fassung: 2001-11-06, Art. 27ff Fassung: 2001-11-06
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Kostenerstattung für eine Arzneimittel-Therapie.
Der 1948 geborene Kläger, der bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versichert ist, musste sich wegen eines Harnblasen-Karzinoms wiederholt operieren lassen. Im Mai 1998 beantragte er die Kostenübernahme für eine Therapie mit dem seit März 1997 in den Niederlanden zugelassenen Arzneimittel Immucothel, das der Verringerung der Rezidivrate solcher Karzinome dient. Das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren für dieses Mittel ist in Deutschland bislang nicht zu Gunsten des Herstellers abgeschlossen; in Österreich wurde es 2002 zugelassen. Auf den in Deutschland gestellten Zulassungsantrag hin wurde im Januar 1997 die Zulassung mangels ausreichender Arzneimittelprüfung und belegter therapeutischer Wirksamkeit versagt; hiergegen ist ein (ruhender) Verwaltungsrechtsstreit anhängig.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Beklagte die Kostenübernahme wegen der in Deutschland fehlenden arzneimittelrechtlichen Zulassung ab (Bescheid vom 23. Juni 1998; Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1999). Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger Kostenerstattung für die vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 durchgeführte Behandlung mit Immucothel verlangt und die Aufwendungen dafür auf 12.573,06 DM (= 6.428,50 EUR) beziffert. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte eingeholt, derzufolge die Zulassung des Mittels in Deutschland allein national beantragt wurde und nicht auf die Übertragung der niederländischen Zulassung gerichtet war. Das Gericht hat die Klage mangels Verordnungsfähigkeit von Immucothel abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 2000).
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 und Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verneint, weil Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der begehrten Versorgung fehlten. Weder die zuständige Bundesbehörde noch Europäische Institutionen hätten Immucothel als Fertigarzneimittel zugelassen. Aus den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) folge kein Anspruch. Auch wenn Immucothel ein verkehrsfähiges Arzneimittel sei, das individuell aus den Niederlanden importiert werden dürfe, erfordere die Kostenübernahme durch eine Krankenkasse den Wirksamkeitsnachweis in einem speziellen Verfahren. Das deutsche Zulassungserfordernis verletze nicht die europarechtliche Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit, weil deren Einschränkung aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei. Die nationale Qualitätsprüfung sei trotz der in den Niederlanden erfolgten Zulassung und einer EU-weiten Harmonisierung der Zulassungsverfahren unverzichtbar. Der Hersteller von Immucothel habe zudem nicht die Einleitung des seit 1995 bestehenden fakultativen Gemeinschaftsverfahrens zur Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln beantragt. Ebenso wenig sei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, Unstimmigkeiten über die Arzneimittelzulassung zwischen den Mitgliedstaaten verbindlich klären zu lassen (Urteil vom 28. Februar 2002).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 13, § 27 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 31 Abs 1 SGB V sowie der Art 49 und 28 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG). Ihm stehe im Lichte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sog Off-Label-Use ein Erstattungsanspruch zu. Bei ihm sei nach wiederholter operativer Entfernung von Blasentumoren eine Rezidivprophylaxe notwendig gewesen. Behandlungsalternativen mit anderen zugelassenen Arzneimitteln hätten nicht bestanden, weil diese Mittel zu schweren Nebenwirkungen (allergische Reaktionen, Chemozystitis) geführt hätten. Es sei ihm unzumutbar, erst zahlreiche andere Mittel mit der Gefahr einer ernsthaften Schädigung seiner Gesundheit auszuprobieren. Der Chefarzt einer Urologischen Klinik habe ihm zu Immucothel geraten, das der behandelnde Urologe wegen eines drohenden Arzneimittelregresses nicht vertragsärztlich verordnen wolle. Die Behandlung damit sei aussichtsreich, weil die allgemeine Datenlage eine Verminderung der Rezidivrate und sehr geringe Nebenwirkungen ausweise. Fachliteratur bestätige die Wirksamkeit; auch in Italien stehe die Zulassung unmittelbar bevor. Er (der Kläger) sei mit dem Mittel 5-6 Jahre rezidivfrei geblieben (letzte Operation Februar 2004). Die Leistungsablehnung widerspreche den Marktprinzipien der EG, die es erlaubten, die in einem Mitgliedstaat zugelassenen Medikamente auch in anderen Mitgliedstaaten zu Lasten der Krankenversicherung zu verordnen. Den europäischen Grundfreiheiten müsse im medizinischen Waren- und Dienstleistungsverkehr ebenfalls möglichst umfassend Rechnung getragen werden, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden habe. Der Hinweis des LSG auf das Betreiben des seit 1995 möglichen EU-weiten Zulassungsverfahrens gehe fehl, da das langwierige und teure Verfahren den Hersteller von Immucothel finanziell überfordere.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. Februar 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für seine in der Zeit vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 erfolgte Behandlung mit Immucothel in Höhe von 12.573,06 DM = 6.428,50 EUR zu erstatten,
hilfsweise,
die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit der einschlägigen Bestimmungen des SGB V und des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) mit dem Recht der Europäischen Union (EU) vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil unter dem Blickwinkel des deutschen und europäischen Rechts für zutreffend und die BSG-Rechtsprechung zum Off-Label-Use nicht für einschlägig.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass er von der beklagten Ersatzkasse keine Kostenerstattung für die in der streitigen Zeit ärztlich durchgeführte, selbstbeschaffte Therapie mit dem aus den Niederlanden importierten Arzneimittel Immucothel beanspruchen kann.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 selbstbeschaffte Behandlung können sowohl § 13 Abs 2 SGB V (in der Fassung des 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520 bzw – vom 1. Januar 1999 an – des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853) als auch § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V (in der Fassung des GSG vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) sein. Nach § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V können freiwillig versicherte Mitglieder einer Krankenkasse an Stelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Darüber hinaus ist eine Krankenkasse nach § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht allerdings bei beiden denkbaren Anspruchsgrundlagen nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 101 f, 104 mwN). Letztes ist mit Blick auf eine mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland fehlende Arzneimittelzulassung von Immucothel zu verneinen.
Die Beklagte ist nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V zur Versorgung des bei ihr versicherten Klägers mit den für eine Krankenbehandlung notwendigen Arzneimitteln verpflichtet; Gleiches gilt gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V für die dabei notwendige ärztliche Behandlung. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Es führt daher – wie bereits das LSG ausgeführt hat – nicht schon zur Leistungspflicht der Beklagten, dass die Therapie mit dem streitigen Arzneimittel im Fall des Klägers positiv gewirkt haben soll und sie bei ihm nach Ansicht seiner Ärzte herkömmlichen Chemotherapeutika vorzuziehen sei (vgl schon BSGE 76, 194, 198 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11). Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es vielmehr zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG fehlt es daher an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit speziell einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (stRspr, vgl zB BSGE 72, 252, 256 f = SozR 3-2200 § 182 Nr 17; BSG SozR 3-2500 § 31 Nr 3 S 8 f mwN; BSGE 82, 233 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5; SozR 3-2500 § 31 Nr 7 S 23 f; BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Dies gilt auch, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine abschlägige Zulassungsentscheidung bei Verabreichung des Präparats noch nicht bestandskräftig war; denn dann gebietet der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gleichermaßen, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit iS von § 1 AMG (vom 24. August 1976, idF der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998, BGBl I 3586), dh die Einhaltung der Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen Verfahren nachgewiesen worden sind (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr 3 S 9 f; vgl auch BSGE 82, 233, 235 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 16 f).
Eine innerstaatlich wirksame Arzneimittelzulassung war für das beim Kläger angewandte Mittel Immucothel zum Zeitpunkt der Behandlung 1998/99 gemäß § 73 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Satz 1 AMG erforderlich, aber nicht erteilt worden. Bei diesem Präparat handelt es sich nach Herstellerangaben um ein industriell gefertigtes, zur Chemotherapie mit dem Ziel der Verringerung der Rezidivrate von oberflächlichen Harnblasen-Karzinomen nach operativer Tumor-Entfernung vorgesehenes Präparat, das durch die Harnröhre in die Blase eingebracht wird (sog Instillationstherapie), wo es dann zur Anregung der Immunabwehr führen soll. Es ist ein Fertigarzneimittel iS von § 4 Abs 1 AMG, für das die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Satz 1 AMG gelten, die es jedoch nicht erfüllt. Weder hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als zuständige Bundesoberbehörde dafür eine Arzneimittelzulassung erteilt (§ 21 Abs 1 Satz 1 Alt 1 AMG), noch haben iS von § 21 Abs 1 Satz 1 Alt 2, § 37 Abs 1 AMG die Kommission der EG oder der Rat der EU das In-Verkehr-Bringen des Mittels genehmigt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die Zulassung in Deutschland vielmehr sogar aus zwingenden Gründen nach § 25 Abs 2 AMG versagt.
Die in den Niederlanden 1997 erteilte Arzneimittelzulassung für Immucothel entfaltet nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen für Deutschland. Eine nationale gesetzliche Regelung, die im Sinne des Revisionsvorbringens die automatische Geltung einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgesprochenen Arzneimittelzulassung auch in Deutschland anordnet, existiert nicht. Nach § 37 Abs 1 Satz 2 AMG gilt die von einem anderen Staat für ein Arzneimittel erteilte Zulassung vielmehr nur dann als solche iS von § 21 AMG, soweit dies durch eine Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums bestimmt ist. Eine solche Regelung ist hier nicht ersichtlich.
Die Verordnungsfähigkeit des Medikamentes Immucothel zu Lasten der Beklagten ergibt sich ebenso wenig aus dem untergesetzlichen nationalen Recht, insbesondere nicht aus den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V beschlossenen AMRL. Diese Bestimmungen sind nicht geeignet, den Versicherten über das Gesetzesrecht des SGB V hinausgehende originäre Leistungsansprüche einzuräumen, sondern enthalten nur nachrangige Konkretisierungen der gesetzlich gewährleisteten ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung. Nach Abschnitt A. 3. AMRL hat der Versicherte zwar “grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem AMG verkehrsfähigen Arzneimitteln”, dies aber nur, sofern sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind oder “nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot” nur eingeschränkt verordnet werden dürfen. Da der Senat – wie dargestellt – das Zulassungserfordernis für im Rahmen der Krankenbehandlung begehrte Arzneimittel aus dem gesetzlichen und somit höherrangigen Gebot der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hergeleitet hat, können diese Bestimmungen schon von daher keine Leistungspflicht der Beklagten begründen. Unbeschadet dessen wird ein in einem anderen Staat zulässig in den Verkehr gebrachtes Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 AMG) aber auch nicht schon dadurch “verkehrsfähig”, dass es § 73 Abs 3 Satz 1 AMG erlaubt, dieses Mittel im Einzelfall (in geringer Menge und auf besondere Bestellung über eine Apotheke) nach Deutschland einzuführen; denn bei einer derartigen Beschaffung eines Fertigarzneimittels aus dem Ausland entfällt zwar die Strafbarkeit des In-Verkehr-Bringens ohne Zulassung (vgl § 96 Nr 5 AMG), das generelle In-Verkehr-Bringen stellt aber gleichwohl eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 73 Abs 1, Abs 3 Satz 1 und 2, § 97 Abs 2 Nr 8 AMG). Da das deutsche Arzneimittelrecht in Bezug auf die generelle Arzneimittelfreigabe ausschließlich die deutsche oder die EU-weite Arzneimittelprüfung für maßgeblich erklärt und im Übrigen Vorbehalte gegen die Sicherheit und Qualität von im Ausland nach dortigen nationalen Vorschriften zugelassenen Präparaten zum Ausdruck bringt, ist die im Einzelfall mögliche rechtmäßige Arzneimittelbeschaffung aus dem Ausland nicht geeignet, eine zulassungsähnliche Wirkung herbeizuführen; denn damit würde letztlich das nationale arzneimittelrechtliche Zulassungserfordernis für den fast 90 % der Bevölkerung betreffenden Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung allgemein durch eine untergesetzliche Regelung außer Kraft gesetzt (zum Gesichtspunkt der unzulässigen Umgehung der Zulassungspflicht durch individuelle Importe vgl bereits BT-Drucks 10/5112 S 24 zu Nr 38; Kloesel/Cyran, AMG, 3. Aufl, § 73 Anm 25a).
Einem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Immucothel steht auch das sekundäre, den Verkehr mit Arzneimitteln betreffende Europarecht entgegen. Schon Art 3 der Richtlinie (RL) 65/65 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 26. Januar 1965 (ABlEG P 22 S 369) bestimmte, dass ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in Verkehr gebracht werden darf, wenn die Zulassungsbehörde des jeweiligen Mitgliedstaats für das betreffende Mittel eine Zulassung erteilt hat. Inzwischen ist Entsprechendes in Art 6 Abs 1 EGRL 2001/83 vom 6. November 2001 (ABlEG L 311 S 67) geregelt. Demgegenüber enthält das primäre oder sekundäre Gemeinschaftsrecht keine überstaatliche Regelung, nach der ein Fertigarzneimittel, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden ist, automatisch auch in anderen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden darf (so ausdrücklich Blasius in: Blasius/Cranz, Arzneimittel und Recht in Europa, 1998, S 72). Eine Harmonisierung der insoweit einschlägigen nationalen Zulassungsregelungen der Mitgliedstaaten hat in diesem Sinne auf Europaebene nicht stattgefunden.
Zwar sind die nationalen Verfahren der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Herstellung und Vermarktung von Arzneimittelspezialitäten durch verschiedene RL auf europäischer Ebene angeglichen worden (vgl EWGRL 65/65 vom 26. Januar 1965 – ABlEG aaO, EWGRL 75/319 vom 20. Mai 1975 – ABlEG L 147 S 13 sowie EWGRL 93/39 vom 14. Juni 1993 – ABlEG L 214 S 22, inzwischen zusammengefasst in EGRL 2001/83 vom 6. November 2001 – ABlEG aaO). Diese Angleichung ist jedoch unvollständig geblieben (vgl EuGHE 1992, I-3317 RdNr 15-17 mwN- Kommission ./. Deutschland; Schroeder, EuZW 1994, 81 und 85), weil bei einer Regelung, nach der ein in einem Mitgliedstaat zugelassenes Arzneimittel zugleich in alle anderen Mitgliedstaaten exportiert werden darf, zu befürchten gewesen wäre, dass sich die Zulassungsanforderungen dann auf dem Sicherheitsniveau des großzügigsten Mitgliedstaats eingependelt hätten. Die europarechtlichen Bestimmungen im Arzneimittelsektor wollen stattdessen zwar einerseits durch die Harmonisierung von einzelstaatlichen Zulassungen und die Vermeidung von Doppelbeurteilungen einen funktionsfähigen Binnenmarkt bewirken; sie sind aber auch davon getragen, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs und der Verwendung von Arzneimitteln “in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten müssen” (so EGRL 2001/83, Erwägungsgrund 2). Die Verfahren für die Erteilung EU-weiter Arzneimittelzulassungen schlagen deshalb einen Mittelweg ein (vgl zB Lecheler in: Meurer, Rechtliche Veränderungen des Wettbewerbs am europäischen Pharmamarkt, 2000, S 156 mwN). So ist seit 1. Januar 1995 in der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) 2309/93 vom 22. Juli 1993 (ABlEG L 214 S 1) neben den auf einen Mitgliedstaat beschränkten nationalen Zulassungsverfahren auch ein zentrales Gemeinschaftsverfahren sowie ein dezentrales Verfahren zur Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln vorgesehen (vgl zum Ganzen zB: Lecheler, aaO, S 156 ff; Schroeder EuZW 1994, 80 f; Collatz, Die neuen europäischen Zulassungsverfahren für Arzneimittel, 1996, S 56 ff; Collatz, Handbuch der EU-Zulassung – Zentralisiertes Verfahren und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung für Human- und Tierarzneimittel, 1998, S 26 ff, 42 ff, 70 ff; Blasius, aaO, S 66 ff; Kwizda, Zulassungsverfahren für Humanarzneimittel in der Europäischen Union, 1998, S 53 ff, 121 ff; Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel, ABlEG 1998 C 229 S 4 ff).
Das danach mögliche EU-weite In-Verkehr-Bringen von Arzneimitteln erfordert das Durchlaufen besonderer Genehmigungsverfahren, von denen hier kein Gebrauch gemacht wurde. Im zentralen Verfahren muss der Arzneimittelhersteller gemäß Art 4 Abs 1 EWGV 2309/93 bei der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) einen entsprechenden Antrag stellen, über den dann unter Beteiligung des Ausschusses für Arzneispezialitäten (CPMP, vgl Art 5 EWGV 2309/93) entschieden wird. Für das dezentrale Verfahren, das die – auf freiwilliger Kooperation der nationalen Behörden basierende – gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen ablöste, sieht Art 9 EWGRL 75/319 vor, dass dann, wenn der Hersteller eine Erstzulassung durch die Behörde eines Mitgliedstaates erhalten hat, weitere Zulassungen nur noch im Wege der gegenseitigen Anerkennung erteilt werden sollen. Zur Vermeidung einander widersprechender nationaler Zulassungsentscheidungen ist dazu in Art 13 EWGRL 75/319 (inzwischen geregelt in Art 27 ff EGRL 2001/83) ein Schiedsverfahren mit einer bindenden Entscheidung eingeführt worden (sog Arbitration). Nach Art 3 EWGRL 93/39 kann darüber hinaus bei Unstimmigkeiten unter den Mitgliedstaaten über die Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit eines Arzneimittels auf Initiative eines Mitgliedstaats hin nach wissenschaftlicher Beurteilung der betreffenden Fragen innerhalb der EMEA ebenfalls eine bindende Gemeinschaftsentscheidung ergehen.
Wie das LSG festgestellt hat, wurde von der Herstellerfirma für Immucothel weder ein zentraler Zulassungsantrag gestellt, noch ist bei der dafür zuständigen deutschen Arzneimittelzulassungsbehörde der Weg des dezentralen europäischen Zulassungsverfahrens beschritten worden. Damit fehlt es an einer in der gesamten EU wirksamen Entscheidung über die Arzneimittelzulassung für Immucothel, weil jeweils nur beschränkte nationale Zulassungen beantragt wurden.
Dass die – hier nach alledem erforderliche, aber fehlende – deutsche bzw EU-weit geltende Zulassung eines Arzneimittels Mindestvoraussetzung für eine im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wirtschaftliche und qualitative Verordnungsweise (§ 2 Abs 1, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) ist, verletzt entgegen den Erwägungen des Klägers kein primäres Europarecht. Die dargestellten innerstaatlichen und europarechtlichen Regelungen berühren zwar die innerhalb der EU geltenden Grundfreiheiten, sind aber unter dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.
Die zu Gunsten des Klägers gemäß Art 49 iVm Art 50 des Vertrages über die Gründung der EG (in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997 – BGBl II 1998, 387 – ehemals Art 59 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ≪EGVtr≫) garantierte Dienstleistungsfreiheit ist hier allerdings betroffen. Denn Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind nach den genannten Bestimmungen innerhalb der EG für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der EG als demjenigen des Dienstleistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe näherer Regelungen verboten. Hierzu gehört auch die Freiheit eines EU-Bürgers, Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu dürfen (sog passive Dienstleistungsfreiheit, vgl zB Müller-Graff in Streinz, EUV/EGV, 2003, Art 49 EGV RdNr 5 mwN; EuGHE 1984, 377 – Luisi/Carbone; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S 509 mwN in Fn 103). Dieses Freiheitsrecht ist im vorliegenden Fall sachlich einschlägig. Denn es geht um eine Inanspruchnahme von ärztlichen Dienstleistungen, die untrennbar mit der Versorgung des Klägers mit einem in einem anderen Mitgliedstaat der EU zugelassenen Arzneimittel verbunden sind. Ein grenzüberschreitender Bezug ist damit zu bejahen.
Berührt ist durch die aufgezeigten Zulassungsregelungen gleichermaßen die europäische Warenverkehrsfreiheit. Nach Art 28 EG (ehemals Art 30 EGVtr) sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen “sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung” zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Da Arzneimittel Waren iS von Art 28 EG sind (EuGHE 1984, 523 RdNr 15 ff – Duphar), können Beschränkungen im Zusammenhang mit deren Erwerb die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigen (vgl EuGHE 1989, I-617 RdNr 14 f – Schumacher; EuGHE 1998, I-1831 RdNr 34-36 = SozR 3-6030 Art 30 Nr 1 – Decker). Diese Freiheit gilt auch – was hier wegen des Sitzes des Herstellers in Deutschland und der in den Niederlanden bestehenden Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nahe liegen könnte – beim Reimport von zunächst ins EU-Ausland verbrachten Waren (vgl zB EuGHE 1996, I-3179 RdNr 10 – Schmit). Auch wenn die Mitgliedstaaten bei der Festlegung ihrer Krankenversicherungssysteme souverän sind, müssen sie dennoch bei der Ausgestaltung dieser Systeme das Gemeinschaftsrecht beachten (vgl zB EuGHE 1998 I-1831 RdNr 21-25 = SozR aaO – Decker; EuGHE 1998 I-1931 RdNr 17-21 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 5 – Kohll). Die im deutschen Krankenversicherungs- und Arzneimittelrecht geregelten Anforderungen an eine wirtschaftliche und bestimmten qualitativen Anforderungen entsprechende Verordnungsweise sind danach grundsätzlich geeignet, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung davon abzuhalten, sich mit einem aus einem anderen Mitgliedstaat importierten Arzneimittel therapieren zu lassen. Ohne dass der vorliegende Fall Anlass bietet, insoweit Einzelheiten zu klären, gilt das Verbot der Diskriminierung im Zusammenhang mit der Ausübung europarechtlicher Grundfreiheiten – wie inzwischen der EuGH entschieden hat – grundsätzlich auch, soweit es die Erbringung von Sach- und Dienstleistungen in einem Sachleistungssystem anbelangt (vgl Urteile vom 12. Juli 2001 – C-157/99 – Smits/Peerbooms, EuGHE 2001, I-5473 RdNr 54 f = SozR 3-6030 Art 59 Nr 6 sowie vom 13. Mai 2003 – C-385/99 – Müller-Fauré/van Riet, EuGHE 2003, I-4509 RdNr 39 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1). Die innerstaatlichen Regelungen berühren damit das europarechtlich verbürgte Recht des Klägers darauf, ein bestimmtes Arzneimittel als Ware grenzüberschreitend in Anspruch nehmen zu dürfen wie ein im Inland verfügbares Arzneimittel. Den Begriff der “Maßnahme mit gleicher Wirkung” hat der EuGH nämlich dahin definiert, dass es sich um eine Handelsregelung eines Mitgliedstaats handeln muss, “die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar tatsächlich oder potenziell zu behindern” (sog Dassonville-Formel, EuGHE 1974, 837 RdNr 5). Werden Waren – wie hier – einem Zulassungsverfahren unterworfen oder ist ihr In-Verkehr-Bringen von einer Genehmigung abhängig, handelt es sich regelmäßig um eine Maßnahme mit gleicher Wirkung (vgl Schroeder in Streinz, aaO, Art 28 RdNr 58 mwN aus der EuGH-Rspr).
Der Eingriff in die aufgezeigten europarechtlichen Grundfreiheiten des Klägers ist indessen gerechtfertigt. Dies folgt – wie schon das LSG ausgeführt hat – aus Art 30 EG (ehemals Art 34 EGVtr; vgl dazu allgemein Schroeder EuZW 1994, 78, 81) und Art 46 EG (ehemals Art 56 EGVtr). Danach steht Art 28 EG zB Einfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind (Art 30 EG). Die Warenverkehrsfreiheit wird ferner nicht beeinträchtigt durch die Anwendbarkeit von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der Gesundheit gerechtfertigt sind (Art 46 Abs 1 EG); der Rat erlässt insoweit Richtlinien für die Koordinierung der genannten Verfahren. Diese Schranken des primären Europarechts weisen das dargestellte sekundäre Europarecht zum Verkehr mit Arzneimitteln als vertragskonform aus und stehen dem Klageerfolg entgegen.
Das Erfordernis der Zulassung eines neuen Arzneimittels nach dem AMG sowie die Prüfung seiner Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit in Deutschland dienen unmittelbar dem Gesundheitsschutz im Sinne der Gewährleistung eines bestimmten Niveaus der medizinischen Versorgung. Mit demselben Ziel sieht auch das Europarecht – wie dargestellt – ein derartiges besonderes Zulassungserfordernis vor. Der Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist insoweit nicht ausgenommen. Vielmehr lässt Art 1 Satz 2 EWGV 2309/93 die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten ua in Bezug auf die Einbeziehung von Arzneimitteln in die nationalen Krankenversicherungssysteme auf Grund von gesundheitlichen Bedingungen ausdrücklich unberührt. Die nationalen Gesundheitssysteme dürfen deshalb zB sogar ein besonderes Qualitätsniveau für Medikamente vorschreiben, etwa in Form von Negativ- oder Positivlisten (EuGHE 1984, 523 RdNr 17 – Duphar; Plute, DOK 1994, 505, 506; Bieback in: Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 3. Aufl 2002, Art 22 RdNr 40). Dies steht in Einklang mit dem Umstand, dass sich das Recht auf freie Inanspruchnahme grenzüberschreitender Krankenversicherungsleistungen nach der Rechtsprechung des EuGH regelmäßig nur auf den im Inland geltenden Leistungsumfang bezieht (vgl EuGHE 2003, I-4509 RdNr 106 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1 – Müller-Fauré/van Riet). Grundsätzlich müsste es deshalb einem Versicherten ebenso versagt bleiben, sich auf Kosten der deutschen Krankenversicherung durch einen im EU-Ausland ansässigen Arzt mit einem Arzneimittel versorgen zu lassen, für das die Krankenkasse im Inland nicht einzustehen hätte.
Da zur Zeit der Einreichung des Zulassungsantrags in Deutschland gemeinschaftsrechtlich die Möglichkeit der Erlangung einer EU-weiten Zulassung von Immucothel bestand, die eröffneten verfahrensrechtlichen Wege aber gleichwohl nicht beschritten wurden, ergeben sich unter dem Blickwinkel der Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der nationalen, auf Deutschland bezogenen Regelungen mit den europarechtlichen Grundfreiheiten. Die fehlende Zulassung mit Wirkung für Deutschland beruht insoweit nicht auf europarechtswidrigen Regelungen, sondern auf der freien unternehmerischen Entscheidung des Herstellers, die möglichen Vorteile des einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes gerade nicht für sich zu nutzen. Dass das EU-weite Zulassungsverfahren für den Hersteller zunächst zu einer besonderen Kostenbelastung führen und auch mit Risiken behaftet sein kann (zB wegen der Möglichkeit einer EU-weiten gänzlichen Nichtzulassung des Mittels im Rahmen der Endentscheidung bei divergierenden Entscheidungen in einzelnen Mitgliedstaaten), ist angesichts der mit dem Verfahren andererseits für Hersteller und Patienten auch verbundenen praktischen und wirtschaftlichen Vorteile hinzunehmen. Das Postulat des Klägers, der deutsche Markt dürfe für die in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Arzneimittel nicht “abgeschottet” werden, lässt außer Acht, dass die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit schon nach dem primären Europarecht nicht schrankenlos gewährleistet ist. Die auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts geschaffenen detailreich ausgestalteten Verfahren über eine EU-weite Arzneimittelzulassung wären aber überflüssig, wenn ohnehin eine generelle Pflicht zur Übernahme einzelner nationaler Zulassungsentscheidungen innerhalb der gesamten EU ohne Rücksicht auf in anderen Staaten geäußerte Bedenken gegen die Sicherheit und Qualität eines Mittels bestünde.
Eine Vorlage der Rechtssache an den EuGH zur Klärung der dargestellten europarechtlichen Problematik scheidet entgegen dem Hilfsantrag des Klägers aus. Das Revisionsverfahren musste nicht nach Art 234 Abs 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung ausgesetzt werden. Zwar ist der Senat als nationales Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung verpflichtet, den EuGH anzurufen, wenn er sich entscheidungserheblich auf EU-Recht stützt, an dessen Auslegung Zweifel bestehen (vgl zB Hakenberg DRiZ 2000, 345, 346 und MedR 2001, 507, 510; Loytved SGb 2001, 1, 5 f, zuletzt BVerfG Beschluss vom 19. November 2003 – 2 BvR 1476/01 = FamRZ 2004, 524). Die Vorlagepflicht entfällt jedoch, wenn die Auslegung entscheidungserheblicher Normen durch Rechtsprechung des EuGH geklärt oder die streitbefangene Rechtsanwendung offensichtlich zutreffend ist (vgl EuGHE 1982, 3415, 3430 – Srl CILFIT/Lanificio di Gavardo SpA; BSG SozR 3-4100 § 4 Nr 3 mwN; SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 48). So verhält es sich hier. Wie der Senat oben unter Hinweis auf Bestimmungen des Europarechts und die bereits dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH dargelegt hat, kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass auch das Europarecht hier nicht geeignet ist, den Klageerfolg herbeizuführen. Auch bei den in den Vorinstanzen mit der Sache befasst gewesenen Spruchkörpern sind weder Bedenken gegen die Richtigkeit der europarechtskonformen Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aufgetreten, noch hat der Kläger seine Rechtsauffassung durch entsprechende Hinweise auf einschlägige europarechtliche Judikatur oder Stimmen im Schrifttum untermauern können.
Schließlich kann die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Senats zur zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln (sog Off-Label-Use, vgl Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 37/00 R – BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) kein ihm günstiges Ergebnis herbeiführen. Dabei kann dahinstehen, ob die für den Off-Label-Use entwickelten Grundsätze hier schon deshalb unanwendbar sind, weil für die Therapie der Krankheit des Klägers ein anderes zugelassenes Arzneimittel nicht zur Verfügung gestanden hätte, was mangels entsprechender Feststellungen des LSG nicht geklärt ist. Jedenfalls ist ein im Ausland zugelassenes Arzneimittel krankenversicherungsrechtlich nicht so zu behandeln wie ein im Inland bereits zulässigerweise im Handel befindliches Medikament, das außerhalb seines arzneimittelrechtlich festgelegten Zulassungsrahmens verordnet und verwendet werden soll. Die Anwendung eines (bisher) gar nicht zugelassenen Arzneimittels zu Lasten der Krankenversicherung ist nach der Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen, weil der Einsatz des Präparats auf einem strafbaren Verhalten (vgl §§ 95, 96 AMG) aufbaut und aus verbotswidrigem Handeln grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse erwachsen kann; die Behandlung wegen des Fehlens jedweder Qualitätskontrolle ist zudem mit einem unkalkulierbaren Risiko für etwaige Gesundheitsschäden behaftet, das der Versichertengemeinschaft nicht aufgebürdet werden darf (BSGE 82, 233, 236 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 f). Obwohl Immucothel mit Rücksicht auf die Zulassung in anderen EU-Staaten und mit Rücksicht auf § 73 Abs 3 Satz 1 AMG nicht einem Arzneimittel gleichsteht, das über keinerlei Zulassung verfügt, greift dieser Ausschlussgrund im Ergebnis auch hier. Wie bereits dargestellt, wird das generelle In-Verkehr-Bringen eines lediglich im Ausland zugelassenen Medikaments von der Rechtsordnung als Ordnungswidrigkeit missbilligt; überdies liegt in den aus Gründen des Gesundheitsschutzes europarechtlich angeordneten weitgehenden Warenverkehrsbeschränkungen auf dem Arzneimittelsektor eine grundsätzliche Bestätigung der nationalen Vorbehalte gegen alle in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Qualitätskontrollen. Deshalb besteht bei einem Off-Label-Use eine davon abweichende Ausgangslage. Denn ein dafür in Betracht kommendes Mittel ist schon ordnungsgemäß im Inland auf seine pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften zunächst im Tierversuch und sodann klinisch am Menschen mit Erfolg geprüft worden. Auch wenn sich die klinische Prüfung nur auf die im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete bezogen hat, ist damit doch zumindest bereits die Basis für eine ausreichende Arzneimittelsicherheit geschaffen und damit den Grundanliegen des AMG und des Krankenversicherungsrechts Rechnung getragen worden (BSGE 89, 184, 190 = SozR aaO S 34 f). Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Erwägungen, die zur ausnahmsweise zulässigen Verordnung von Präparaten außerhalb ihres in Deutschland festgelegten Indikationsgebiets geführt haben, nichts für einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, die in einem ausländischen Staat mit lediglich nationaler Wirkung zugelassen worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
BSGE 2005, 1 |
BSGE 93, 1 |
NWB 2005, 3312 |
ArztR 2005, 106 |
KrV 2004, 189 |
NZS 2005, 308 |
SGb 2004, 415 |
SGb 2005, 169 |
SozR 4-2500 § 31, Nr.1 |
GesR 2005, 27 |
PharmaR 2005, 211 |
GuS 2004, 57 |