Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) beansprucht von dem beklagten Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, kraft Abtretung durch die zu 1) und 2) beigeladenen Vertragsärzte die Vergütung ihrer Aufwendungen in Höhe von 31,00 DM (Zeitaufwand, Kopierkosten, Versandmaterialkosten), die für die Übersendung der vom Beklagten mit Schreiben vom 30. August 1994 zur Prüfung der Schwerpflegebedürftigkeit bei einer Versicherten angeforderten medizinischen Unterlagen angefallen seien, mit Ausnahme der Portokosten, die der Beklagte erstattet hat. Sie begehrt darüber hinaus die gerichtliche Feststellung der dementsprechenden Zahlungsverpflichtung des Beklagten für das Heraussuchen und die Übersendung medizinischer Unterlagen, die der Beklagte zur Prüfung der Schwerpflegebedürftigkeit nach § 53 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aF gemäß § 275 Abs 2 Nr 2 SGB V aF verlangen konnte.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 4. Oktober 1995, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 21. November 1996). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, Zahlungsklage und Feststellungsklage seien zwar zulässig, aber nicht begründet. Sowohl die bloße Übersendung medizinischer Unterlagen als auch die anforderungsgemäße Erstellung eines Berichtes für den MDK gehörten nach § 73 Abs 2 Nr 9 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung. Ärztliche Leistungen innerhalb des vertragsärztlichen Versorgungssystems würden indessen nur vergütet, wenn ein dementsprechender Anspruch im Gesetz oder den Vergütungsverträgen vorgesehen sei. Daran fehle es. Andere Grundlagen für die geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, die gesetzliche Pflicht des Vertragsarztes zur Übermittlung von Sozialdaten an den MDK sei nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Vielmehr bediene sich der MDK der Vertragsärzte als Erfüllungsgehilfen für seine eigenen Verpflichtungen. Die Annahme, die Vertragsärzte müßten ihre Leistungen für den Beklagten kostenlos erbringen, verstoße schon gegen das unserer Rechtsordnung immanente Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Wegen dieses Grundprinzipes sei es nicht erforderlich, daß jede Gegenleistung für eine Leistung normiert sein müsse. Der Vergütungsanspruch ergebe sich letztendlich aus den zivilrechtlichen Bestimmungen über die entgeltliche Geschäftsbesorgung sowie nach Treu und Glauben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 4. Oktober 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 31,00 DM zu zahlen, ferner festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, auch in anderen Fällen der Anforderung von Unterlagen gemäß § 275 Abs 2 Nr 2 aF SGB V den in Anspruch genommenen Vertragsärzten entstehende Auslagen zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 4) und 7) beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließen sich ebenso wie die Beigeladenen zu 5) und 9) dem angefochtenen Urteil an.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat entscheidet, ebenso wie das LSG, in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, denn der Streit um die Verpflichtung des Beklagten zur Honorierung und Erstattung der Kosten für das Zusammenstellung und die Übersendung medizinischer Unterlagen, die der Beklagte zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 275 SGB V benötigt, betrifft eine Angelegenheit des Kassenarztrechts (§ 12 Abs 3 Satz 1 iVm § 10 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Nach § 51 Abs 2 Satz 1 SGG, auf den § 10 Abs 2 SGG Bezug nimmt, gehören hierzu ua Streitigkeiten nach dem SGB V aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten (gemeint: Vertragsärzten) und Krankenkassen einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände (Nr 1 aaO). Im vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Streitigkeit nach dem SGB V; denn sowohl die Tätigkeit des Beklagten (§ 275 SGB V) als auch die Tätigkeit der Vertragsärzte (§ 73 Abs 2 Nr 9 SGB V) sind im SGB V geregelt. Der Beklagte ist gemäß § 278 Abs 1 Satz 1 SGB V eine von den Krankenkassen bestimmter Kassenarten getragene Arbeitsgemeinschaft, der gemäß § 278 Abs 1 Satz 2 SGB V iVm Art 73 Abs 4 Sätze 3 und 4 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) zeitlich begrenzt der Status einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen ist. Bei der gegen ihn gerichteten Klage einer KÄV auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars bzw auf Feststellung der Verpflichtung hierzu liegt eine Streitigkeit iS des § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG vor.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die allgemeine Leistungsklage, mit der die Klägerin die ihr von den zu 1) und 2) beigeladenen Vertragsärzten abgetretenen Ansprüche auf Geldleistungen verfolgt, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht gegen den Beklagten besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich ein derartiger Anspruch insbesondere nicht aus einem der Rechtsordnung „immanenten Prinzip von Leistung und Gegenleistung” begründen. Nach der Rechtsordnung hat nur derjenige einen (Zahlungs-)Anspruch gegen eine natürliche oder juristische Person, der sich auf eine Anspruchsgrundlage berufen kann, sofern die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Hier fehlt es bereits an der entsprechenden Anspruchsgrundlage.
Für Leistungen, die innerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden, kann sich ein Anspruch des Vertragsarztes, sei es auf Vergütung seiner ärztlichen Tätigkeit, sei es auf Ersatz von Auslagen, nur aus dem Vertragsarztrecht ergeben.
Die Übersendung medizinischer Unterlagen über Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen durch Vertragsärzte, die auf Anforderung des MDK im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung gemäß § 275 SGB V erfolgt, ist Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Dies ergibt sich aus § 73 Abs 2 Nr 9 SGB V, wonach die vertragsärztliche Versorgung die Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der MDK (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen, umfaßt. Da die in dieser Vorschrift geregelte Ausstellung von Bescheinigungen und die Erstellung von Berichten neben der persönlichen Kenntnis des Patienten und dessen Krankengeschichte in der Regel die erneute Einsicht in die bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen, zB die Berichte von Fachkollegen und Krankenhäusern, erfordert, ist diese an sich nur vorbereitende Tätigkeit des Vertragsarztes von § 73 Abs 2 Nr 9 SGB V mit umfaßt. Auch wenn sich die Tätigkeit des Vertragsarztes, weil Weitergehendes von den Krankenkassen oder dem MDK nicht angefordert worden ist, auf das Heraussuchen und das Zusammenstellen derartiger medizinischer Unterlagen beschränkt, verliert sie nicht ihren Charakter als vertragsärztliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift.
Es bedarf auch keiner näheren Darlegung, daß sich die Anforderung von medizinischen Unterlagen über einen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen durch den MDK zur Feststellung, ob bei dem Versicherten Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit gemäß der bis zum 31. März 1995 gültig gewesenen Vorschrift des § 53 SGB V zu gewähren sind, im Rahmen der dem MDK gemäß § 275 Abs 2 Nr 2 SGB V zugewiesenen Aufgaben hält.
Die vorgenannte Auslegung des § 73 Abs 2 Nr 9 SGB V entspricht auch den von den Partnern des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) auf der Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs 1 Satz 2 SGB V getroffenen Regelungen. § 2 Abs 1 Nr 9 BMV-Ä in der hier noch anzuwendenden Fassung (aF) vom 28. September 1990 (Deutsches Ärzteblatt A – 3239) wiederholt zunächst wortgleich die Norm des § 73 Abs 2 Nr 9 SGB V. § 3 Abs 1 Nr 1 BMV-Ä aF grenzt den Anwendungsbereich der Vorschrift zusätzlich negativ ab, indem er festlegt, daß die Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, welche die Krankenkassen oder der MDK zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder welche die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht benötigen (zB sonstige Bescheinigungen für den Arbeitgeber, für Privatversicherungen, für andere Leistungsträger, Leichenschauscheine), nicht von der kassenärztlichen (heute: vertragsärztlichen) Versorgung umfaßt werden. § 29 Abs 1 BMV-Ä aF enthält darüber hinaus nochmals eine ausdrückliche Verpflichtung des Vertragsarztes zur Erteilung von schriftlichen Informationen. Der Kassenarzt (heute: Vertragsarzt) ist danach verpflichtet und befugt, die zur Durchführung der Aufgaben der Krankenkassen oder des MDK erforderlichen schriftlichen Informationen (Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten) auf Verlangen an die Krankenkassen zu geben. Abs 2 Satz 2 aaO bestimmt ergänzend hierzu, daß vereinbarte Vordrucke, kurze Bescheinigungen und Auskünfte vom Kassenarzt ohne besonderes Honorar gegen Erstattung von Auslagen auszustellen sind, es sei denn, daß eine andere Vergütungsregelung vereinbart wurde. Weiter heißt es in Satz 4 aaO: Gutachten und Bescheinigungen mit gutachtlichen Fragestellungen, für die keine Vordrucke vereinbart wurden, sind nach den Leistungspositionen des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) zu vergüten. Als Regelungsgehalt ist der Vorschrift des § 29 Abs 2 BMV-Ä zu entnehmen, daß das Erteilen der dort genannten schriftlichen Informationen durch die Vertragsärzte an die Krankenkassen oder den MDK einen Vergütungsanspruch der Vertragsärzte nicht auslöst, es sei denn, eine Vergütung für die entsprechende Informationserteilung wäre vereinbart. Zwar handelt es sich bei der hier streitigen Maßnahme nicht um die Abgabe schriftlicher Informationen, wie die in § 29 Abs 1 BMV-Ä genannten Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten, sondern um eine Vorstufe hierzu, nämlich das Zusammenstellen und Weiterleiten vorhandener Informationen und damit um eine weniger arbeits- und zeitaufwendige Maßnahme. Die Regelung des § 29 Abs 2 BMV-Ä läßt nur den Schluß zu, daß, nachdem schon vereinbarte Vordrucke, kurze Bescheinigungen und Auskünfte ohne besonderes Honorar vom Vertragsarzt zu erstellen sind, auch unterhalb dieser Schwelle liegende weniger arbeits- und zeitaufwendige Maßnahmen, nämlich das Zusammenstellen und Weiterleiten vorhandener Unterlagen, einen Vergütungsanspruch des Vertragsarztes nicht auslösen.
Entsprechende abweichende Vereinbarungen finden sich ebenfalls nicht. Weder dem BMÄ noch sonstigen vergütungsrechtlichen Bestimmungen sind Regelungen zu entnehmen, nach denen das Zusammenstellen und Weiterleiten vorhandener medizinischer Unterlagen an den MDK zu einem Vergütungsanspruch des Vertragsarztes führt.
§ 29 Abs 2 Satz 2 BMV-Ä regelt aber zugleich, daß bei den dort genannten Vordrucken, kurzen Bescheinigungen und Auskünften dem Vertragsarzt die Auslagen zu erstatten sind. Die Vorschrift spricht damit nicht von Kostenerstattung, sondern meint dem Gesamtzusammenhang nach nur die Erstattung barer Auslagen. Derartige Auslagen, die den Beigeladenen zu 1) und 2) durch die Übersendung der angeforderten Unterlagen mit den Portokosten entstanden sind, hat der Beklagte ihnen bereits erstattet.
Nachdem ein Zahlungsanspruch der Klägerin generell zu verneinen war, konnte auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174431 |
SozSi 1998, 275 |