Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsberechtigung von Ehegatten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Frage, ob der Versicherte seiner Ehefrau unterhaltspflichtig iS des § 205 RVO ist, hat eine beantragte aber noch nicht bewilligte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit außer Betracht zu bleiben.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Änderung des § 205 RVO durch das KVKG von 1977 führt zu keiner veränderten Beurteilung der Unterhaltsberechtigung iS dieser Vorschrift. Wer die in § 205 RVO nF genannten Einkommensgrenzen unterschreitet, ist nicht schon deshalb unterhaltsberechtigt iS dieser Vorschrift.

2. Gegenüber dem jeweils anderen Ehegatten ist unterhaltsberechtigt iS des § 205 RVO derjenige Ehegatte, der wertmäßig weniger an Leistungen zum Unterhalt beizusteuern als daraus zu erhalten hat (Differenztheorie).

3. Die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Familie des Hilfesuchenden und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten zu gewährende Sozialhilfe (§§ 7, 11 Abs 1 BSHG) kann keine Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO des einen gegen den anderen Ehegatten begründen.

 

Orientierungssatz

1. Die Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO schließt eine Wechselbezüglichkeit der Ansprüche in dem Sinn, daß jeder Ehegatte gleichzeitig gegenüber dem anderen unterhaltsberechtigt ist, aus. Nach § 205 RVO kann nur einer von beiden Ehegatten unterhaltsberechtigt sein (vgl BSG vom 1959-05-26 3 RK 52/57 = BSGE 10, 28, 31).

2. Ein Ehegatte ist iS des § 205 Abs 1 RVO nicht unterhaltsberechtigt, wenn seine Leistungsfähigkeit jedenfalls nicht geringer ist als diejenige des anderen versicherten Ehegatten. Dies gilt auch dann, wenn beide Ehegatten von Sozialhilfe leben.

 

Normenkette

BGB § 1360 Fassung: 1896-08-18; RVO § 205 Abs. 1 S. 1; BSHG §§ 7, 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 25.02.1981; Aktenzeichen L 9 Kr 31/80)

SG Berlin (Entscheidung vom 19.02.1980; Aktenzeichen S 73 Kr 101/78)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung von Krankenhilfekosten für die Krankenschein-Quartale II/77 bis I/78, für das IV. Quartal 1977 (zahnärztliche Leistungen), Krankentransportkosten vom 13. Dezember 1977 und Krankenhauskosten für die Zeit vom 13. bis zum 20. Dezember 1977 mit einem Gesamtbetrag von 2.032,56 DM.

Diese Kosten hat der Kläger aus Anlaß der Krankheit der Marie-Luise B. aufgewendet. Marie-Luise B. ist Witwe des am 3. April 1979 verstorbenen versicherten Wolfgang B., der seit dem 10. Juli 1976 als Rentenantragsteller bei der Beklagten gegen Krankheit versichert war. Durch Bescheid vom 20. April 1978 bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit für den Zeitraum vom 2. April 1977 bis zum 31. August 1978. Diese Rente betrug ab April 1977 monatlich 105,00 DM und ab Juli 1977 monatlich 115,40 DM zuzüglich des Kinderzuschusses von 152,90 DM je Kind.

Den Erstattungsanspruch des Klägers lehnte die Beklagte ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, Marie-Luise B. sei gegenüber dem Versicherten nicht iS des § 205 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des § 1 Nr 3 des Strafrechtsreform-Ergänzungs-Gesetzes vom 28. August 1975 (BGBl I 2289) wie auch in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Art 1 § 1 Nr 18 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) unterhaltsberechtigt gewesen. Der Unterhaltsberechtigung des einen Ehegatten entspreche die Unterhaltsverpflichtung des anderen; bestehe keine Unterhaltsverpflichtung, so gebe es keine Unterhaltsberechtigung. Der versicherte Wolfgang B. sei in der streitigen Zeit seiner Ehefrau gegenüber nicht unterhaltsverpflichtet gewesen, da es an seiner Leistungsfähigkeit gefehlt habe. Er habe vielmehr in dieser Zeit Sozialhilfe bezogen. Durch die rückwirkende Rentenbewilligung habe sich an seiner Leistungsunfähigkeit im streitbefangenen Zeitraum nichts geändert. Auch nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) könne für die Vergangenheit grundsätzlich kein Unterhalt gefordert werden, es sei denn, daß der Unterhaltsverpflichtete in Verzug gekommen oder daß der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden sei; gegebenenfalls könnten auch vertragliche Vereinbarungen einen Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit enthalten. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß für die Ehefrau des Versicherten die Voraussetzungen für eine rückwirkende Unterhaltsgewährung vorgelegen hätten. Im übrigen wäre der Versicherte auch mit einer Rente von monatlich 105,40 DM nicht imstande und verpflichtet gewesen, seiner Ehefrau Unterhalt zu leisten. Er habe auch vor Stellung des Rentenantrags seine Ehefrau nicht aus eigenem Einkommen unterhalten können.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Krankenversicherungsträger müsse bei rückwirkender Rentengewährung im Rahmen des Erstattungsverfahrens die Leistungen nach § 205 RVO erbringen, die er bei sofortiger Entscheidung über den Rentenantrag erbracht hätte. Dies sei folgerichtig, da der Sozialhilfeträger Rentenansprüche auf sich überleiten könne. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015) könnten Vorschüsse gezahlt werden; deshalb müsse erst recht die Familienhilfe dann gewährt werden, wenn die Rente bewilligt werde. Marie-Luise B. sei unterhaltsberechtigt gewesen, weil ihr Ehemann Anwartschaft auf eine Rente von 105,00 DM, sie selbst aber überhaupt kein Einkommen gehabt habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Februar 1981 - L 9 Kr 31/80 - und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 1980 - S 73 Kr 101/80 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 2.032,56 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 1531 RVO sind nicht erfüllt. Nach § 1531 Satz 1 und 2 RVO kann die Gemeinde, die den Angehörigen eines Berechtigten nach gesetzlicher Pflicht für eine Zeit unterstützt hat, für die der Berechtigte mit Rücksicht auf den Angehörigen einen Anspruch nach der RVO hatte oder noch hat, bis zur Höhe dieses Anspruchs nach den §§ 1532 bis 1537 Ersatz beanspruchen. Dem Versicherten Wolfgang B. hat für seine Ehefrau für die hier streitige Zeit kein Anspruch auf Familienhilfe zugestanden.

Versicherte erhalten nach § 205 Abs 1 Satz 1 RVO Familienkrankenhilfe für ihren Ehegatten nur, wenn er unterhaltsberechtigt ist. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, ist Marie-Luise B. nicht unterhaltsberechtigt gewesen. Die Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO richtet sich nach den familienrechtlichen Vorschriften des BGB (ständige Rechtsprechung des BSG; s ua SozR 2200 § 205 RVO Nr 26 mwN; SozR 2200 § 205 RVO Nr 37; BSGE 49, 243, 245 = SozR 2200 § 205 RVO Nr 32). Gemäß § 1360 BGB sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten.

Ein Ehegatte ist iS des § 205 Abs 1 RVO nicht unterhaltsberechtigt, wenn seine Leistungsfähigkeit jedenfalls nicht geringer ist als diejenige des anderen versicherten Ehegatten. Dies gilt auch dann, wenn beide Ehegatten von Sozialhilfe leben.

Das Ergebnis folgt zunächst aus der historischen Entwicklung der Vorschriften des § 205 RVO und des § 1360 BGB. § 205 RVO wurde durch den 4. Abschn, 2. Titel Art 1 Nr 19 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930 (RGBl I 311) eingefügt. Danach war der Familienkrankenhilfeanspruch für den Ehegatten nicht von dessen Unterhaltsberechtigung abhängig. Diese Voraussetzung wurde aber alsbald durch den Ersten Teil Kapitel II Art 2 Nr 5 Buchst a der Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 (RGBl I 517) bestimmt und ist seither Bestandteil des § 205 Abs 1 Satz 1 RVO. Sie war zunächst im Zusammenhang mit § 1360 BGB in der 1930 geltenden Fassung zu sehen. Danach hatte der Mann der Frau nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren. Eine Unterhaltsverpflichtung der Frau bestand nur, wenn der Mann außerstande war, sich selbst zu unterhalten (§ 1360 Abs 2 BGB aF). Nach altem Recht war also immer nur einer von beiden Ehegatten unterhaltsberechtigt, die Unterhaltsberechtigung iS § 205 RVO richtete sich nach der Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit (Hoffmann/Kreil, RVO 2. Buch Krankenversicherung, 9. Auflage, § 205 Anm II a; s auch Eggers, Deutsche Krankenkasse 1931, 1039). Gegenüber dem leistungsunfähigen versicherten Ehegatten wurde keine Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO angenommen (RVA in EuM Bd 35, 202, 203).

Nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes hat der Senat in Übereinstimmung mit der übrigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden, daß derjenige Ehegatte gegenüber dem anderen unterhaltsberechtigt ist, der wertmäßig weniger an Leistungen zum Unterhalt beizusteuern als daraus zu erhalten hat - Differenztheorie - (BSGE 44, 142, 143 = SozR 2200 § 205 RVO Nr 13 mwN). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Auszugehen ist davon, daß der Begriff "Unterhaltsberechtigung" nicht reibungslos in das neue System des Familienunterhaltsrechts nach dem Gleichberechtigungsgesetz eingepaßt werden kann. Es wäre ungerechtfertigt, die Beitragsverpflichtungen der Ehegatten nach § 1360 BGB als Unterhaltsverpflichtung iS des § 205 RVO anzusehen mit der Folge, daß praktisch jeder Ehegatte unterhaltsberechtigt wäre. Die Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO schließt eine Wechselbezüglichkeit der Ansprüche in dem Sinn, daß jeder Ehegatte gleichzeitig gegenüber dem anderen unterhaltsberechtigt ist, aus. Nach § 205 RVO kann nur einer von beiden Ehegatten unterhaltsberechtigt sein (BSGE 10, 28, 31).

In "Null-Fällen", wenn also bei keinem der beiden Ehegatten Leistungsfähigkeit vorliegt und keiner mehr zu leisten hat als der andere, ist keiner von ihnen unterhaltsberechtigt iS des § 205 RVO. Dies wurde schon nach früherem Recht angenommen (RVA in EuM Bd 35, 202, 203), gilt aber auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes entsprechend der Differenztheorie. Für die Unterhaltsberechtigung des Ehegatten wird ein konkreter Unterhaltsanspruch vorausgesetzt, so wie der Senat ihn auch für die Unterhaltsberechtigung der Kinder verlangt, und dazu gehört die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nach § 1603 BGB (BSG SozR 2200 § 205 RVO Nr 37 mwN).

Das Ergebnis, daß gegenüber dem vollkommenen leistungsunfähigen versicherten Ehegatten keine Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO besteht, entspricht dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung. Nach § 205 RVO übernimmt die Solidargemeinschaft der Versicherten das Krankheitsrisiko für einen Familienangehörigen nur dann, wenn das versicherte Mitglied verpflichtet ist, im Krankheitsfall für den Familienangehörigen einzutreten; dies ist in der Regel der Fall, wenn das Mitglied dem Angehörigen gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, der auch eine Krankenversorgung umfaßt (BSGE 48, 266, 267 = SozR 2200 § 205 RVO Nr 26). Die Leistungen der Familienkrankenhilfe sollen den Versicherten in die Lage versetzen, seine Unterhaltspflicht bei Krankheit des Angehörigen in Form der Krankenpflege zu erfüllen (BSGE 51, 265, 267 = SozR 2200 § 205 RVO Nr 39). Dabei geht es also um die Entlastung des Versicherten von der besonderen, erhöhten Unterhaltspflicht für die Krankenpflege eines Angehörigen (BSGE 31, 219, 221). Dementsprechend steht der Anspruch auf Familienkrankenhilfe nicht den Angehörigen zu, sondern dem Versicherten (BSG SozR Nr 23 zu § 205 RVO). Diese Zuordnung des Anspruchs hat besonderes Gewicht, weil es bei anderen Sozialleistungen eine unmittelbare Anspruchsberechtigung des bedürftigen Familienangehörigen gibt - wenn auch nur ausnahmsweise und nur bei Barleistungen - (vgl zB § 216 Abs 1 Nr 1 RVO).

Die Änderung des § 205 RVO durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) zwingt noch nicht dazu, die Rechtsprechung zur Unterhaltsberechtigung zu ändern. Nach dem geänderten Satz 1 des § 205 Abs 1 RVO ist nicht unterhaltsberechtigt, wer ein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat 1/5 der monatlichen Bezugsgröße überschreitet. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß alle Ehegatten mit geringerem Einkommen als unterhaltsberechtigt anzusehen wären. Die nach wie vor bestehende Beschränkung des Familienhilfeanspruchs für Ehegatten auf unterhaltsberechtigte Personen wäre überflüssig, wenn damit die abstrakte Unterhaltsberechtigung nach § 1360 BGB gemeint wäre. Nach dem neuen Satz 2 des § 205 Abs 1 RVO wird allerdings für den Ausschluß des Familienhilfeanspruchs für ein Kind nicht nur verlangt, daß der andere nichtversicherte Ehegatte weniger verdient als der Versicherte, sondern das Gesamteinkommen des anderen Ehegatten muß darüber hinaus eine bestimmte Höhe übersteigen. Insoweit geht die Vorschrift davon aus, daß das Kind beiden Ehegatten gegenüber unterhaltsberechtigt sein kann. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß auch beide Ehegatten gegeneinander unterhaltsberechtigt sein können und damit eine Begründung für die Differenztheorie entfällt.

Der Versicherte Wolfgang B. war seiner Ehefrau gegenüber in der streitigen Zeit nicht unterhaltsverpflichtet. Marie-Luise B. war zwar bedürftig, ihre Leistungsfähigkeit ist aber jedenfalls nicht geringer gewesen als diejenige des Versicherten. Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß Wolfgang B. in der fraglichen Zeit kein Einkommen oder Vermögen gehabt hat. Die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Familie des Hilfesuchenden und des Einkommens und Vermögens beider Ehegatten zu gewährende Sozialhilfe (§§ 7 und 11 Abs 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -) kann keine Unterhaltsberechtigung des einen Ehegatten gegen den anderen begründen.

Die konkrete Unterhaltsverpflichtung des Wolfgang B. ergibt sich auch nicht aus seinem Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente. Aus dem Rentenanspruch allein ergibt sich noch keine Fähigkeit zur Leistung von Unterhalt in der Weise, daß die Ehefrau iS des § 205 RVO unterhaltsberechtigt würde. Allerdings bemißt sich die Unterhaltspflicht nach § 1360 BGB nicht nur nach den vorhandenen, sondern auch nach den zumutbar erzielbaren Einkünften, so daß der Unterhaltspflichtige alle ihm zustehenden Ansprüche geltend machen muß (vgl BSG SozR 2200 § 1265 RVO Nr 35). Die Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO für einen bestimmten Zeitraum begründet einen Anspruch des Verpflichteten gegen einen Dritten aber nur dann, wenn er als gegenwärtig verfügbares Vermögen anzusehen ist. Eine kraft Gesetzes zustehende Rentenerhöhung mag diese Voraussetzung auch schon vor der Mitteilung über die Erhöhung und vor Zahlung des Erhöhungsbetrages erfüllen (vgl BSGE 22, 44, 46). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um eine kraft Gesetzes zu zahlende Rente in diesem Sinn. Während nach den Rentenanpassungsgesetzen über die Rentenerhöhungen nur Mitteilungen zu machen sind, ist nach § 1631 RVO über den angemeldeten Rentenanspruch ein schriftlicher Bescheid zu erteilen. Vor Erlaß des Bescheides kann der Antragsteller nach § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht auf Leistung der von ihm begehrten Rente klagen. Auch die Rechtsprechung bei insoweit ähnlichen Gesetzestatbeständen hat stets auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich Gegebenen und Empfangenen abgestellt (vgl BSG SozR Nr 14 zu § 2 BKGG und die dort auf S Aa 16 zitierte Rechtsprechung). Insbesondere ist in einem Urteil des 1. Senats im Rahmen des in etwa vergleichbaren § 1266 RVO zur Frage, ob die versicherte Ehefrau den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat, der Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die noch nicht festgestellt worden war, unberücksichtigt gelassen worden (SozR Nr 9 zu § 1266 RVO). Dieser Ansicht hat sich der 4. Senat des BSG selbst für den Fall angeschlossen, daß schon ein Bescheid über die Erwerbsunfähigkeitsrente zugestellt, allerdings die Rente noch nicht ausgezahlt worden war (SozR 2200 § 1266 RVO Nr 8).

Die Unterhaltsberechtigung der Marie-Luise B. ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 42 Abs 1 SGB I. Danach ist der zuständige Leistungsträger zur Zahlung von Vorschüssen verpflichtet, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht, zur Feststellung seiner Höhe aber voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Es ist nicht ersichtlich, daß und wann die Voraussetzungen für einen Vorschußanspruch nach dieser Vorschrift im vorliegenden Fall vor Erlaß des Rentenbescheides erfüllt gewesen sind. Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 69

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