Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbefreiung nach GAL § 14 Abs. 2 S. 1 Buchst. a idF 1980-07-09
Orientierungssatz
Gegen den Einwand, eine Anwendung von § 14 Abs 2 S 1 Buchst a GAL nF komme deshalb nicht in Betracht, weil dies einen nach der Verkündung des ASEG 2 (am 16.7.1980) gestellten Befreiungsantrag sowie die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung im Zeitpunkt der Verkündung erfordere, spricht außer dem Wortlaut der neuen Fassung (vom 1980-07-09) und der eindeutigen Verlautbarung des Gesetzgebers über ihr Inkrafttreten (1977-01-01) auch der Sinn des Gesetzes.
Normenkette
GAL § 14 Abs 2 S 1 Buchst a Fassung: 1980-07-09; ASEG 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse - nur noch - für die Zeit von Januar 1977 bis März 1980.
Die Beklagte nahm den Kläger, der als Angestellter beschäftigt war und ein landwirtschaftliches Unternehmen, ab Januar 1976 mit Existenzgrundlage iS des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL), bewirtschaftete, ab diesem Zeitpunkt mit Beiträgen in Anspruch. Dem widersprach er und beantragte mit Schreiben vom 29. August 1978 zugleich die Befreiung von der Beitragspflicht, weil er schon mehr als 192 Kalendermonate in der Rentenversicherung zurückgelegt habe. Die Beklagte lehnte eine Befreiung ab (Bescheid vom 7. September 1978, Widerspruchsbescheid vom 3. September 1979).
Das Klageverfahren, in dessen Verlauf der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis zum 31. März 1980 aufgab und bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ein Altersruhegeld beantragte, blieb erfolglos. Das Sozialgericht (SG) führte aus, der Kläger könne weder nach § 14 Abs 2 Buchst a noch Buchst c GAL in der am 1. Januar 1976 geltenden Fassung befreit werden; in den letzten sechs Jahren vor Stellung des Befreiungsantrages sei er nicht durchweg landwirtschaftlicher Unternehmer mit Existenzgrundlage gewesen, und er beziehe noch kein Altersruhegeld. Im Berufungsverfahren erkannte die Beklagte den Befreiungsanspruch ab 1. April 1980 wegen der inzwischen rückwirkend zu diesem Zeitpunkt erfolgten Rentengewährung an. Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte sie darüber hinaus, den Kläger auch vom 1. Januar 1977 bis zum 31. März 1980 zu befreien; für das Jahr 1976 wies es die Berufung des Klägers zurück. Nach der Ansicht des LSG ist ab Januar 1977 § 14 Abs 2 GAL idF des Zweiten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes (ASEG) vom 9. Juli 1980 (BGBl I 805) - GAL nF - zu berücksichtigen. Gemäß dem Buchstaben a des § 14 Abs 2 Satz 1 dieses Gesetzes müsse der Antragsteller vor dem Befreiungsantrag nicht mehr sechs Jahre lang als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig gewesen sein, vielmehr genüge es, daß er mindestens 60 Kalendermonate in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gewesen und zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt sei. Beide Voraussetzungen erfülle der Kläger. Da nach § 14 Abs 2 Satz 2 GAL nF die Beitragsbefreiung mit Beginn des Monats eintrete, in dem der landwirtschaftliche Unternehmer 60 Kalendermonate in der gesetzlichen Rentenversicherung war, was für den Kläger schon 1976 zugetroffen habe, finde die Befreiung ab Inkrafttreten der neuen Fassung am 1. Januar 1977 statt. Die Auffassung der Beklagten, § 14 Abs 2 GAL nF sei nicht anzuwenden, weil der Kläger den Befreiungsantrag vor der Verkündung des 2. ASEG gestellt und bei dessen Verkündung im Gesetzblatt am 16. Juli 1980 als Bezieher eines Altersruhegeldes nicht mehr versicherungspflichtig gewesen sei, finde im Gesetz keine Grundlage. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1977 könne der Kläger keine Befreiung beanspruchen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision beantragt die Beklagte sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit sie zur Beitragsbefreiung verurteilt ist und die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, für die Befreiung von der Beitragspflicht komme es beim Kläger auf den Zeitpunkt der Verkündung des 2. ASEG am 16. Juli 1980 an. Da der Kläger zu dieser Zeit nicht mehr rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, könne die Neufassung des § 14 Abs 2 GAL keine Befreiung bewirken; der Tatsache ihres rückwirkenden Inkrafttretens zum 1. Januar 1977 komme insofern keine Bedeutung zu.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten kann keinen Erfolg haben; zutreffend hat das LSG entschieden, daß der Kläger ab Januar 1977 von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu befreien ist.
Seine rechtliche Grundlage hat das Befreiungsbegehren in § 14 Abs 2 Satz 1 und 2 GAL in der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Fassung des 2. ASEG (GAL nF). Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sie - nach dem hier allein interessierenden Buchst a - vor der Antragstellung mindestens 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung waren und zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt sind; nach Satz 2 - 2. Halbsatz - tritt die Beitragsbefreiung im Falle des Satzes 1 Buchst a mit Beginn des Monats ein, in dem der landwirtschaftliche Unternehmer 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war. Die aufgrund der Neuregelung erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung hatte der Kläger mit Wirkung zum 1. Januar 1977 sämtlich erfüllt. Er hat, wie das LSG unwidersprochen festgestellt hat, am 29. August 1978 seine Beitragsbefreiung verlangt, war schon vor dem 1. Januar 1977 weit mehr als 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und war im August 1978 und damit zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt. Seiner Befreiung steht hiernach nichts im Wege; des Inkrafttretens von Art 1 Nr 18 Buchst a des 2. ASEG am 1. Januar 1977 zufolge kann sie ungeachtet der Sonderregelung in § 14 Abs 2 Satz 2 zweiter Halbsatz GAL nF allerdings nicht vor dem 1. Januar 1977 eintreten.
Mit ihrem Einwand, eine Anwendung von § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL nF auf den Kläger komme nicht in Betracht, weil dies einen nach der Verkündung des 2. ASEG (am 16. Juli 1980) gestellten Befreiungsantrag sowie die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung im Zeitpunkt der Verkündung erfordere, woran es beim Kläger fehle, kann die Beklagte angesichts des vom Gesetzgeber bestimmten Wirksamwerdens der einschlägigen Vorschrift nicht durchdringen. Art 1 Nr 18 Buchst a ist abweichend von Art 10 Abs 1 des 2. ASEG nämlich nicht wie der überwiegende Teil des Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1980, sondern bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1977 in Kraft getreten (Art 10 Abs 2). Übergangsvorschriften für irgendwelche Fallgruppen, in Sonderheit für Fälle einer Antragstellung vor dem Inkrafttreten oder vor der Verkündung enthält das Gesetz nicht. Nach anerkannten Grundsätzen entfaltet es damit seine Rechtswirkungen von den jeweils gesetzlich bestimmten Zeitpunkten des Inkrafttretens an (vgl hierzu SozR 5850 § 14 Nr 2); ab diesen Zeitpunkten ist es so anzuwenden, wie die darin enthaltenen Regelungen es vorsehen. Das schließt es aber von vornherein aus, in einem Fall des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL nF zu verlangen, daß die landwirtschaftlichen Unternehmer außer oder anstatt zur Zeit der Antragstellung (auch noch) im Zeitpunkt der Verkündung des 2. ASEG versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein müssen; eine dahingehende Verwaltungspraxis entbehrt der gesetzlichen Grundlage. Dies gilt ebenfalls für das Verlangen einer Antragstellung ab Verkündung des Gesetzes. § 14 Abs 2 Satz 1 GAL fordert für die Befreiung von der Beitragspflicht einen Antrag ohne jede zeitliche Festlegung; im Rahmen dieser Vorschrift ist der Antrag zugleich materiell- rechtliche Voraussetzung (SozR 5840 § 14 Nr 6). Der Kläger hat den Antrag im August 1978 gestellt. Da sich später das für die Befreiung maßgebende Recht rückwirkend zum 1. Januar 1977 geändert hat, ist dieser Antrag für die Zeit nach 1976 nach dem neuen Recht zu beurteilen, ohne daß es dazu einer erneuten Antragstellung nach der Verkündung der rückwirkenden Bestimmungen bedurft hätte.
Gegen die von der Beklagten vorgenommene Handhabung des Gesetzes spricht außer dem Wortlaut der neuen Fassung des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL und der eindeutigen Verlautbarung des Gesetzgebers über ihr Inkrafttreten im übrigen auch der Sinn der Regelung, wie er insbesondere aus der Begründung zum 2. ASEG deutlich wird. Die bis zum 31. Dezember 1976 geltende Befreiungsregelung in § 14 GAL, die ua zur Voraussetzung hatte, daß der die Befreiung Beantragende in den letzten sechs Jahren vor der Stellung des Antrages als landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 1 GAL tätig gewesen war, war nämlich "vielfach als ungerecht empfunden worden" (BT-Drucks 8/2044, Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu Nr 15 Buchst a - im Gesetz später Nr 18 Buchst a - des 2. ASEG). Dieser Hinweis in der Begründung läßt darauf schließen, daß sowohl die materiell-rechtliche Änderung der Befreiungsvoraussetzungen in § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL nF als auch vor allem ihr um 3 1/2 Jahre zurückwirkendes Inkraftsetzen dazu dienen sollte, in der Praxis aufgetretene unbillige Härten nicht nur für die Zukunft zu vermeiden, sondern auch für die Vergangenheit auszugleichen; der gleichen Vorstellung entspricht offenbar auch die Einfügung des 2. Halbsatzes in Satz 2 des Abs 2 von § 14 GAL nF. Einer dahingehenden Zielvorstellung des Gesetzes wird die von der Beklagten geübte Anwendung des Gesetzes nicht gerecht.
Deshalb ist der Kläger - auf seinen Antrag vom August 1978 - ab 1. Januar 1977 von der Beitragspflicht zu befreien; soweit das LSG unterstützend noch Vergleiche mit hypothetisch nach § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst c GAL zu beurteilenden Sachlagen gezogen hat, hält der Senat diese zusätzlichen Erwägungen in dem hier allein maßgebenden Rahmen des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL für unerheblich.
Hiernach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen