Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1996 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Revision betrifft nur noch die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeiten vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 und vom 24. Januar bis 2. Februar 1993 sowie die Rückforderung der für die genannten Zeiträume erbrachten Leistungen von insgesamt 2.195,20 DM.
Die 1968 geborene und bis September 1991 als Bäckereifachverkäuferin beschäftigte Klägerin bezog ab 1. Oktober 1991 Alg. Dabei rechnete die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) zunächst Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung von vier Stunden wöchentlich auf die Leistung an. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie habe die Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Stadt Lünen aufgegeben, bezog sie ab 1. Dezember 1991 Alg ungekürzt. Während einer Maßnahme der beruflichen Bildung vom 1. Januar bis 8. Mai 1992 erhielt die Klägerin Übergangsgeld und vom 13. Juli bis 4. November 1992 Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz.
Bei ihrem Antrag auf Wiederbewilligung von Alg ab 12. Mai 1992 gab die Klägerin im Antragsvordruck an, sie gehe einer Beschäftigung nicht nach. Tatsächlich war sie vom 12. bis 16. Mai 1992 mit 19 Stunden wöchentlich und vom 5. November 1992 bis 23. Januar 1993 mit 25 Stunden wöchentlich sowie ständig ab 3. Mai 1993 als Reinigungskraft beschäftigt. Das ergab sich aus Bescheinigungen der Stadt Lünen, die die BA auf einen Wiederbewilligungsantrag vom 4. Mai 1993 angefordert hatte. Mit Bescheiden vom 18. November 1993 (Widerspruchsbescheid vom 17. November 1994) hob die BA die Leistungsbewilligung für die Dauer der genannten Beschäftigung auf und forderte Leistungen zurück. Das insoweit klagabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) hat die Klägerin nicht angefochten.
Mit weiterem Bescheid vom 18. November 1993 (Widerspruchsbescheid vom 17. November 1994) hob die BA auch die Bewilligung von Alg für die Zeiten vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 sowie 24. Januar bis 2. Februar 1993 wegen fehlender Arbeitslosmeldung nach Unterbrechung der Arbeitslosigkeit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) auf und forderte insgesamt 2.195,20 DM zurück. Der dagegen gerichteten Klage gab das SG statt: Durch die vorausgegangenen Beschäftigungen, die die Arbeitslosigkeit unterbrochen hätten, sei für die anschließenden Zeiten der Arbeitslosigkeit eine Änderung nicht eingetreten; insbesondere habe sich die Klägerin nicht erneut arbeitslos melden müssen (Urteil des SG vom 7. November 1995).
Die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Abweichend von der Rechtsansicht des SG ist das LSG davon ausgegangen, nach Unterbrechung einer Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung sei für den Leistungsanspruch eine erneute Arbeitslosmeldung erforderlich. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeiträume vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 sowie vom 24. Januar bis 2. Februar 1993 sei aber rechtswidrig, weil die BA das Ermessen bei der Entscheidung über die Aufhebung nicht ausgeübt habe. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung sei § 45 SGB X, denn bei der Leistungsbewilligung vom 24. Juni 1992 hätten die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen, weil nach der Beschäftigung bis 16. Mai 1992 eine erneute Arbeitslosmeldung ab 17. Mai 1992 nicht erfolgt sei. Bei der Leistungsbewilligung vom 23. Dezember 1992 sei die Klägerin nicht arbeitslos gewesen und sie habe die erneute Arbeitslosigkeit ab 24. Januar 1993 nicht gemeldet. Rechtswidrig seien die Aufhebungsentscheidungen, weil die BA das ihr obliegende Ermessen nicht ausgeübt habe. Soweit § 152 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nF unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X eine gebundene Entscheidung verlange, sei diese am 1. Januar 1994 in Kraft getretene Vorschrift hier noch nicht anzuwenden, weil der Aufhebungsbescheid am 18. November 1993 erlassen worden sei. Der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (17. November 1994) sei insoweit unerheblich. Das Ermessen könne wegen Ablaufs der Jahresfrist auch nicht mehr nachgeholt werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 152 AFG und § 45 SGB X. Sie vertritt die Ansicht, die am 1. Januar 1994 in Kraft getretene Fassung des § 152 AFG sei hier anzuwenden, denn der Widerspruchsbescheid sei am 17. November 1994 und damit während der Geltung dieser Vorschrift erlassen worden. Mit Urteil vom 28. November 1996 – 7 RAr 56/96 – habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß § 152 AFG in der seit dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung auf alle Aufhebungsbescheide anzuwenden sei, die nach dem Inkrafttreten der Vorschrift ergehen. Das sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1996 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7. November 1995 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids sei die Rechtslage zur Zeit des Ausgangsbescheids (18. November 1993). Andernfalls entfalte § 152 AFG nF eine echte Rückwirkung, die nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz verfassungswidrig sei. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig, weil die BA nicht Ermessen ausgeübt habe. Im übrigen habe sie den Aufhebungsbescheid auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X gestützt. Eine Umdeutung dieser Entscheidung in eine Aufhebung nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X komme nicht in Betracht, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handele. Die Klägerin habe auch die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg für die streitigen Zeiträume nicht erkannt und auch nicht erkennen können.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der BA ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt § 152 Abs 2 AFG nF. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
1. Nach § 152 Abs 2 AFG idF des Art 1 Nr 50 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Vorschrift ist hier – wie noch näher auszuführen sein wird – heranzuziehen, denn die Bewilligungsentscheidungen der BA waren für die Leistungszeiträume vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 sowie vom 24. Januar bis 2. Februar 1993 rechtswidrig; die Klägerin war zur Zeit der Bewilligung von Alg nicht arbeitslos gemeldet bzw nicht arbeitslos. Der Anwendung des § 152 AFG steht nicht entgegen, daß sich die Rücknahme auf Leistungszeiträume bezieht, die vor Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 1994 (Art 14 Abs 1 1. SKWPG) lagen, und daß auch der Aufhebungsbescheid vor Inkrafttreten des Gesetzes ergangen ist.
1.1 Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, daß dem 1. SKWPG – auch den Übergangsvorschriften der §§ 242q und 242r AFG idF des 1. SKWPG – Übergangsregelungen nicht zu entnehmen sind (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 mwN). Das Fehlen einer Übergangsfälle regelnden Vorschrift läßt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht erklären (vgl BT-Drucks 12/5502 S 37). Es liegt daher nahe, auf die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Prozeßrechts zurückzugreifen, denn § 152 Abs 2 AFG iVm § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X regelt die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und die Rechtskraft sozialgerichtlicher Urteile (§ 141 SGG) durchbrochen wird. Änderungen des Verfahrensrechts sind danach grundsätzlich bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist (BVerfGE 87, 48, 63 ff mwN; BSGE 54, 223, 227 ff = SozR 1300 § 44 Nr 3; BSGE 56, 222, 225 = SozR 2200 § 368n Nr 30; BSGE 70, 133 f = SozR 3-1300 § 24 Nr 6; BSGE 72, 148, 156 = SozR 3-2500 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 152 Nrn 7 und 8).
1.2 Die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der Rücknahme einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung richtet sich damit grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit eines das Verwaltungsverfahren beendenden Widerspruchsbescheids. Das ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts, nach denen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sich auf den Ausgangsbescheid in der Gestalt erstreckt, die dieser durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 95 SGG). Dem entspricht es auch, daß § 41 Abs 2 SGB X die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern noch bis zum Abschluß eines Vorverfahrens vorsieht. Aufhebungsbescheid und Widerspruchsbescheid ergehen in einem einheitlichen Verfahren, das erst durch den Widerspruchsbescheid abgeschlossen wird (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 8). Etwas anderes kann – wie der 7. Senat des BSG aaO angedeutet hat – allenfalls gelten, wenn die Entscheidung über den Widerspruch verfahrensrechtlich unzulässig verzögert worden und die Verwaltung damit die Rechtsstellung des Widerspruchsführers verschlechtert. Dafür besteht hier kein Anhaltspunkt. Der Widerspruch der Klägerin ist bei der BA am 2. Dezember 1993 eingegangen, so daß selbst bei Wahrung der Monatsfrist des § 88 Abs 2 SGG ein Widerspruchsbescheid nicht vor Inkrafttreten des 1. SKWPG zu ergehen hatte. Im übrigen erscheint angesichts des Umfangs der auf die Entscheidungen vom 18. November 1993 zu behandelnden Fragen eine längere Bearbeitungszeit für den Widerspruch angemessen.
Mit den erörterten Grundsätzen ist die Entscheidung des LSG nicht zu vereinbaren. Sie läßt sich auch nicht auf einen Art 170 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu entnehmenden gegenteiligen Rechtsgrundsatz stützen (vgl dazu LSG Niedersachsen Breithaupt 1995, 536 ff), weil hier nicht die materielle Rechtslage während der Leistungszeiträume zu beurteilen ist. Aus dem gleichen Grunde ist die Entscheidung BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18 im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig.
1.3 Die Anwendung des § 152 Abs 2 AFG in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung enthält keine echte Rückwirkung auf vor dem Inkrafttreten des 1. SKWPG abgeschlossene Sachverhalte. Die Regelung läßt die materielle Rechtslage – dh die Frage, ob der Klägerin nach § 100 AFG in den streitigen Leistungszeiträumen Alg zusteht – unberührt. Auch die grundsätzlichen Voraussetzungen der Rücknahme bindender Leistungsbewilligung – Rechtswidrigkeit und Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers (§ 45 Abs 2 Satz 3 SGB X) – bleiben unangetastet. Die Vorschrift modifiziert lediglich „eine zusätzliche Vergünstigung auf der Rechtsfolgeseite (Ermessensbetätigung)” (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 8) und erleichtert damit die Herstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Sie betrifft ausschließlich eine Personengruppe, die sich nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X auf Vertrauen in die rechtswidrige Begünstigung nicht berufen darf (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 8).
Da das LSG § 152 Abs 2 AFG idF des 1. SKWPG wegen seines Inkrafttretens am 1. Januar 1994 nicht für anwendbar, eine Ermessensentscheidung der BA für erforderlich und den Bescheid vom 18. November 1993 idF des Widerspruchsbescheids vom 17. November 1994 schon aus diesem Grunde für rechtswidrig gehalten hat, hat es Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X nicht getroffen. Diese bestimmen aber zugleich wegen der Bezugnahme den sachlichen Anwendungsbereich des § 152 Abs 2 AFG (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 152 RdNr 39 – Stand: Juni 1994). Der Versuch, zwischen Voraussetzung und Wirkung der Rücknahme scharf zu unterscheiden, mit der Folge, daß eine gebundene Entscheidung nur für die Wirkung der Rücknahme zu treffen, für die Entscheidung „zum Ob der Rücknahme” aber weiter ein Entschließungsermessen geboten sein soll (so Wagner, GK-AFG, § 152 RdNr 18 – Stand: Juni 1994), wird Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 152 Abs 2 AFG nicht gerecht. Die Vorschrift ordnet die Rücknahme auch für die „Vergangenheit” ausdrücklich an, wenn die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X wegen „Bösgläubigkeit” des Begünstigten nicht vorliegen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum 1. SKWPG soll damit den Überzahlungen im Bereich der BA Rechnung getragen werden, die mit den häufig kurzfristig zu erbringenden Leistungen im Zusammenhang stehen. Es handelt sich danach nicht nur um eine Sondervorschrift über die Wirkung der Rücknahme (für die Vergangenheit). Vielmehr ist die Rücknahme nach § 152 Abs 2 AFG unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X stets geboten. Das Urteil des LSG geht von falschen Voraussetzungen aus. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das LSG zurückzuverweisen.
2. Eine abschließende Entscheidung des Senats ist auch nicht unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten möglich. Zutreffend ist das LSG von § 45 SGB X als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Leistungsbewilligungen vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 und 24. Januar bis 2. Februar 1993 ausgegangen. Die Vorschrift ermächtigt die Verwaltung zur Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit unter den Einschränkungen seiner Abs 2 bis 4.
2.1 Die materielle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ist grundsätzlich nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (BSGE 68, 228, 231 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18 mwN). Für den Zeitraum vom 17. Mai bis 11. Juli 1992 hat die BA Alg mit Bewilligungsverfügung vom 24. Juni 1992 bewilligt. Der Alg-Bezug im Zeitraum vom 24. Januar bis 2. Februar 1993 beruhte auf der Bewilligung vom 23. Dezember 1992. Bei Erlaß dieser Entscheidungen war die Klägerin aber nicht arbeitslos bzw nicht arbeitslos gemeldet, weil sie zuvor die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigungen von 19 bzw 25 Stunden wöchentlich wahrgenommen hatte, durch die ihre mit den jeweiligen Wiederbewilligungsanträgen verbundene Arbeitslosmeldung verbraucht war. Nach dem Wiedereintritt von Arbeitslosigkeit hatte sich die Klägerin vor den hier zu beurteilenden Leistungszeiträumen ab 17. Mai 1992 bzw 24. Januar 1993 auch nicht erneut arbeitslos gemeldet. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des LSG sind nicht mit Revisionsrügen angegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG).
2.2 Mit Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß es unter diesen Umständen an der Arbeitslosmeldung als materielle Voraussetzung für den Anspruch auf Alg nach § 100 AFG fehlt. Wegen der Funktion der persönlichen Arbeitslosmeldung, der BA nicht nur Informationen für die Arbeitsvermittlung und die Verfügbarkeit zu vermitteln, sondern auch wahrheitsgemäße Angaben über den Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitslosigkeit herbeizuführen, ist die Wirkung der Arbeitslosmeldung auf die Dauer der gemeldeten Arbeitslosigkeit beschränkt (BSGE 77, 175, 178 f = SozR 3-4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 8 mwN). Daran ist festzuhalten, zumal Grenzen der Wirkung persönlicher Arbeitslosmeldung im künftigen Recht grundsätzlich ebenso geregelt sind (§ 122 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch: Arbeitsförderung). Mithin kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin zum Zeitpunkt von Arbeitslosmeldung und Wiederbewilligungsantrag arbeitslos war. Das BSG hat andererseits bereits darauf hingewiesen, daß eine wahrheitswidrige Arbeitslosmeldung nicht die Wirkung einer materiellen Anspruchsvoraussetzung für Alg entfaltet (BSGE 77, 175, 179 = SozR 3-4100 § 152; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 172 RdNr 2). Damit erweisen sich die Alg-Bewilligungen vom 24. Juni 1992 und 23. Dezember 1992 als rechtswidrig.
2.3 Die Rücknahme der Leistungsbewilligungen ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die BA sie fälschlicherweise auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X gestützt hat. Die Sozialgerichte haben die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BVerwGE 64, 356, 358). Ein Nachschieben von Gründen durch andere Rechtsgrundlagen, die dieselbe Regelung rechtfertigen, ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt oder erschwert wird (BVerwGE 64, 356, 358; BVerwG NVwZ 1993, 977). Das Auswechseln der Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist hier unbedenklich, weil dieselbe Rechtsfolge (Rücknahme) eintritt und die Voraussetzungen dieser Rechtsfolge in § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X sowie § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X im Sinne der Bösgläubigkeit des Leistungsbeziehers ähnlich geregelt sind. Der Verwaltungsakt wird weder in seinem Wesensgehalt verändert noch der Klägerin die Rechtsverteidigung erschwert. Abgesehen von der sich hier nicht stellenden Ermessensfrage unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt auch insoweit von demjenigen, den BSG SozR 4100 § 43 Nr 1 behandelt hat. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Zusammenhang des Wiederbewilligungsantrags vom 4. Mai 1993, den Verdienstbescheinigungen der Stadt Lünen und dem Aufhebungsbescheid vom 18. November 1993 steht die Ausschlußfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X der Aufhebung nicht entgegen.
2.4 Hierbei handelt es sich nicht etwa – wie die Klägerin meint – um eine Umdeutung iS des § 43 SGB X. Da die im angefochtenen Bescheid getroffene Regelung unangetastet bleibt, wird mit dem Rückgriff auf eine andere Grundlage für die ausgesprochene Rücknahme nicht ein auf das gleiche Ziel gerichteter anderer Verwaltungsakt begründet, sondern nur die rechtliche Begründung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Regelung richtiggestellt (BVerwG NVwZ 1993, 977; Schoch, DÖV 1984, 401, 407). Der Streit um die Konzeption der Umdeutung (dazu Steinwedel, Kasseler Komm, § 43 SGB X RdNrn 5 ff – Stand: Dezember 1995) kann deshalb nicht auf sich beruhen.
3. Das LSG wird danach zu prüfen haben, ob die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs 1 Satz 3 Nrn 1 bis 3 SGB X in objektiver wie subjektiver Hinsicht vorliegen und die Rückforderung der Höhe nach gerechtfertigt ist.
Fundstellen