Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob und inwieweit auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts gegen den Empfänger zu Unrecht gezahlter Leistungen ein Erstattungsanspruch (Rückforderungsanspruch) besteht.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Rechtsnatur der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts. 2. Gesetze iS von SGG § 77 sind auch die anerkannten Rechtsgrundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Ist die Unrichtigkeit eines begünstigenden Bescheides allein durch die objektiv unrichtigen Angaben des Begünstigten verursacht, so ist er ex tunc (für die Vergangenheit) zurückzunehmen. Ob die zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückgefordert werden können, hängt davon ab, inwieweit das Vertrauen des Begünstigten zu schützen ist.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; BGB § 242
Tenor
Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1960 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des Schmiedes J Th, dieser verstarb am 9. September 1945 in Kriegsgefangenschaft, er war vor seiner Einberufung bei den Farbenfabriken B in L beschäftigt. Von dieser Firma erhielt die Klägerin seit 1945 eine Zuwendung von monatlich 25,- Mark (später DM). Von Juni 1945 an bezog sie Hinterbliebenenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Vor der "Umanerkennung" ihrer Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) füllte die Klägerin am 12. Juni 1951 den Erhebungsbogen zur Ausgleichsrente aus; der Bogen enthielt vor den einzelnen Fragen u. a. folgenden Hinweis:
"Für die Feststellung einer Ausgleichsrente nach §§ 41, 47 des Bundesversorgungsgesetzes mache ich die nachstehenden Angaben, deren Richtigkeit ich gleichzeitig pflichtgemäß versichere. Es ist mir bekannt, daß ich jede Änderung der dargestellten Verhältnisse ... unverzüglich anzeigen muß. Ich weiß, daß unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge zurückgezahlt werden müssen ...".
Die Klägerin gab in diesem Vordruck zwar die Witwenrente aus der Invalidenversicherung (IV) als Einkommen an, nicht aber die Zuwendung der Farbenfabriken B. Die Antwortspalte der Frage 4 g) des Erhebungsbogens, die das Einkommen "aus früheren Dienstverhältnissen des Verstorbenen (Witwengeld, Zuwendungen an Stelle solcher Bezüge und ähnliche)" betraf, füllte sie nicht aus. Durch Bescheid vom 3. Juli 1951 - Umanerkennungsbescheid - gewährte das Versorgungsamt (VersorgA) Wuppertal der Klägerin vom 1. Oktober 1950 an die Rente auch nach dem BVG, es stellte die Ausgleichsrente in Höhe von 38,- DM fest und berücksichtigte dabei als "sonstiges Einkommen" nur die Rente aus der IV; in späteren Bescheiden wurde die Ausgleichsrente auf 28,- DM und auf 33,- DM festgesetzt.
In einem neuen Erhebungsbogen gab die Klägerin am 1. Oktober 1953 an, daß sie eine freiwillige Zuwendung von den Farbenfabriken Bayer in Höhe von monatlich 25,- DM erhalte. Nachdem das VersorgA ermittelt hatte, daß diese Zuwendung bereits seit 1945 laufend an die Klägerin gezahlt wird, stellte es durch Bescheid vom 2. November 1953 unter Hinweis auf § 62 BVG die Versorgungsbezüge rückwirkend ab 1. Oktober 1950 unter Berücksichtigung dieser laufenden Zuwendung neu fest, errechnete für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1953 den Betrag von 1.010,- DM als "zuviel gezahlt" und erklärte, daß es zur Tilgung dieser "Überzahlung" ab 1. Januar 1954 monatlich 30,- DM von der laufenden Rente einbehalte. Zu Ende November 1953 stellten die Farbenfabriken Bayer die Zahlung der freiwilligen Zuwendung ein. In einem Schreiben vom 10. November 1953 an das VersorgA wandte sich die Klägerin gegen die Berücksichtigung der Werkszuwendung bei Festsetzung der Ausgleichsrente. Das VersorgA stellte durch Bescheid vom 16. Dezember 1953 die Ausgleichsrente ab 1. Dezember 1953 neu fest, bezifferte die "Überzahlung" mit noch 980,- DM und ermäßigte ab 1. Februar 1954 den monatlich einzubehaltenden Rententeil auf 20,- DM; in diesem Bescheid hieß es, der Bescheid vom 2. November 1953 sei insoweit überholt, als durch diesen Bescheid Änderungen getroffen worden seien. Das LVersorgA Nordrhein wies am 1. Februar 1954 "den Widerspruch gegen den Bescheid des VersorgA vom 16. Dezember 1953" als unbegründet zurück. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf wies die Klage durch Urteil vom 17. Mai 1955 ab. Die Klägerin legte Berufung ein, der Beklagte ermäßigte im Berufungsverfahren die Rückforderung auf 925,- DM. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen änderte am 5. Februar 1960 das Urteil des SG Düsseldorf vom 17. Mai 1955 ab, hob den Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954 und die Bescheide vom 2. November 1953 und 16. Dezember 1953 insoweit auf, "als sie eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin enthalten" und wies im übrigen die Berufung zurück: Der Bescheid vom 2. November 1953 sei rechtmäßig, soweit er die rückwirkende Kürzung der Ausgleichsrente betreffe. Dieser Bescheid könne zwar nicht auf § 62 BVG gestützt werden, auch kämen weder Ziffer 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 vom 5. Juli 1947 (Amtsblatt für die Britische Zone 1947, 234) noch § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zur Anwendung, der Bescheid finde aber seine Grundlage in den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, diese seien "Gesetz" im Sinne des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach könnten begünstigende Verwaltungsakte zurückgenommen werden, wenn ihre Rechtswidrigkeit durch Umstände verursacht worden sei, die in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fallen; diese Voraussetzung sei erfüllt, die Klägerin habe den Bezug der Werkszuwendung zunächst nicht angegeben, sondern erst am 1. Oktober 1953 in dem neuen Fragebogen aufgeführt; die Unrichtigkeit des Bescheids vom 3. Juli 1951 sei sonach nicht von dem Beklagten zu verantworten. Wenn die Klägerin sich darauf verlassen habe, daß nach einem Hinweis der Farbenfabriken Bayer die Zuwendung keiner Stelle zu melden und daß nach einer Auskunft der Geschäftsstelle des VdK die Werkszuwendung nicht auf die Ausgleichsrente anzurechnen sei und wenn sie sich nicht an die für die Entscheidung allein maßgebende Versorgungsverwaltung gewandt habe, so liege dies in ihrem Verantwortungsbereich. Dagegen sei der Beklagte zur Rückforderung des überzahlten Betrages für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1953 (es muß richtig heißen: bis 30. November 1953) nicht berechtigt. Die Zulässigkeit der Rückforderung richte sich nach § 47 VerwVG, diese Vorschrift ergreife nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) alle am 1. April 1955 anhängigen Rückforderungsfälle. Im Falle der rückwirkenden Berichtigung eines Bescheides bestehe nach § 47 Abs. 3 VerwVG nur dann ein Rückforderungsanspruch, wenn die Unrichtigkeit des ursprünglichen Bescheides darauf beruhe, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder wissentlich verschwiegen habe. Das Erfordernis der wissentlich falschen Angaben oder des wissentlichen Verschweigens in den Fällen der Berichtigung eines Bescheides nach § 47 Abs. 3 VerwVG bedeute mehr als das "Wissen oder Wissenmüssen" in § 47 Abs. 2 VerwVG, das in den Fällen einer Änderung der Verhältnisse die Rückforderung zulasse. Der Empfänger habe eine Tatsache nur dann "wissentlich" verschwiegen, wenn er gewußt habe, daß die von ihm verschwiegene Tatsache für die Entscheidung der Verwaltung von wesentlicher Bedeutung sei, sein Wissen müsse die positive Kenntnis von der Erheblichkeit der verschwiegenen Tatsache umfassen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Die Frage, ob die Klägerin diese positive Kenntnis von der Erheblichkeit der Werkszuwendung für die Gewährung der Ausgleichsrente gehabt habe, sei unter Berücksichtigung der Persönlichkeit der Klägerin und ihres gesamten Verhaltens zu beurteilen; bei ihrer Anhörung habe die Klägerin einen sehr unbeholfenen Eindruck gemacht, sie besitze nur in eingeschränktem Umfange die Fähigkeit, rechtliche Zusammenhänge zu erkennen und kritisch zu würdigen; da sie glaubwürdig angegeben habe, daß sie durch die Farbenfabriken B mehrfach darauf hingewiesen worden sei, es handele sich bei der Zuwendung um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Unterstützung, die bei keiner Stelle zu melden sei, und da sie nach ihrer ebenfalls glaubhaften Aussage auch von dem Vertreter des VdK wiederholt dahingehend belehrt worden sei, daß sie die Zuwendung "nicht unbedingt anzugeben brauche", müsse angenommen werden, daß die Klägerin nicht imstande gewesen sei, die Fraglichkeit der Nichtanrechnung der Zuwendung auf die Ausgleichsrente zu erkennen, und daß sie auf Grund dieser Auskünfte in der Überzeugung gelebt habe, die Zuwendungen seien nicht als Einkommen im Sinne des Fragebogens anzusehen und deshalb auch nicht wesentlich für die Entscheidung über den Anspruch auf Ausgleichsrente.
Das LSG ließ die Revision zu.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 7. März 1960 zugestellt. Er legte am 29. März 1960 Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1960 insoweit abzuändern und die Berufung zurückzuweisen, als unter Abänderung des Urteils des SG Düsseldorf vom 17. Mai 1955 der Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954 und die Bescheide vom 2. November 1953 und 16. Dezember 1953 insoweit aufgehoben wurden, als sie eine Rückforderung enthalten.
Der Beklagte begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 7. Juni 1960 - am 4. Juni 1960: Das LSG habe gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen und § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG verletzt. Es habe zu Unrecht festgestellt, daß die Klägerin keine positive Kenntnis von der Erheblichkeit der Werkszuwendung für die Entscheidung über den Anspruch auf Ausgleichsrente gehabt habe; der Klägerin sei weder von der Zahlstelle der Farbenfabriken Bayer noch von dem Vertreter des VdK gesagt worden, daß die Zuwendung bei keiner Stelle zu melden sei. Auch aus der im Erhebungsbogen geforderten und von der Klägerin abgegebenen ausdrücklichen Versicherung der Richtigkeit ihrer Angaben habe die Klägerin erkennen müssen, daß die Antworten auf alle Fragen in dem Erhebungsbogen für die Entscheidung bedeutsam seien. Im übrigen habe das LSG den Begriff der "Wissentlichkeit" in § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG verkannt. Für diesen Begriff und damit für den subjektiven Tatbestand komme es nicht darauf an, daß der Empfänger erkenne, in welcher Weise sich sein Einkommen auf die Ausgleichsrente auswirke, es genüge, daß er wisse, er habe Einkommen einer bestimmten Art, daß er nach diesem Einkommen gefragt werde und darauf keine Antwort gebe. Schließlich sei überhaupt zweifelhaft, ob die Klage zulässig sei; über den Widerspruch (Beschwerde) gegen den Bescheid vom 2. November 1953 sei bisher nicht entschieden, nach dem Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 1954 sei der Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Dezember 1953, nicht aber der Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. November 1953 zurückgewiesen worden.
Die Klägerin beantragte,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie schloß sich am 2. Juni 1960 der Revision an und beantragte,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Düsseldorf vom 17. Mai 1955 dahin abzuändern, daß die Bescheide des Beklagten vom 2. November 1953 und 1. Februar 1954 in vollem Umfange aufgehoben werden.
Zur Begründung führte sie am gleichen Tage aus: Entgegen der Ansicht des LSG sei schon die Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 1951 nicht rechtmäßig; dieser Bescheid sei nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden, soweit "durch Gesetz" nichts anderes bestimmt sei; die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts seien nicht "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG. Im übrigen sei die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 3. Juli 1951 auch nicht durch Umstände verursacht, die in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallen; der Begünstigte habe die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner Angaben nur dann zu verantworten, wenn dieser Mangel von ihm vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt worden sei, wenn er also schuldhaft gehandelt habe; der Klägerin sei noch nicht einmal der Vorwurf der leichten Fahrlässigkeit zu machen, wenn sie sich auf die Auskünfte verlassen habe, die ihr von den von ihr für kompetent gehaltenen Stellen erteilt worden seien.
Der Beklagte beantragte,
die Anschlußrevision der Klägerin zurückzuweisen.
II
Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin sind zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 202 SGG, 556 ZPO - vgl. BSG 8, 24, 28 f -); die Revision und die Anschlußrevision sind jedoch nicht begründet.
Fehl geht allerdings die Auffassung des Beklagten, die Klage sei unzulässig, das LSG habe kein Sachurteil fällen dürfen, weil über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. November 1953 bisher nicht entschieden sei und es deshalb an einer Prozeßvoraussetzung fehle. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Durchführung des Vorverfahrens auch dann zu den unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen gehört, wenn sich - wie hier - aus der Einlassung der auch für das Vorverfahren zuständigen Verwaltungsbehörde zu der Klage eindeutig ergibt, daß sie an der in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Regelung festhalten will (vgl. einerseits BSG 3, 293, 297 f; 8, 3, 9; BVerwGE 4, 203 sowie Haueisen, NJW 1961, 2329 ff mit weiteren Nachweisen, und andererseits BSG 5, 60, 65); denn es mangelt hier nicht an der Durchführung des Vorverfahrens. Wenn auch in dem Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954 ausdrücklich nur der Bescheid vom 16. Dezember 1953 aufgeführt ist, so bezieht sich doch der Widerspruchsbescheid auch auf den Bescheid vom 2. November 1953. Der Bescheid vom 2. November 1953 hat das damalige Beschwerdeverfahren ausgelöst, die Klägerin hat zunächst die in diesem Bescheid getroffenen Regelungen, nämlich die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 3. Juli 1951 und der ergänzenden späteren Bescheide, die Feststellung, daß die Klägerin 1.010,- DM an Rente zu Unrecht empfangen habe, und die Rückforderung dieses Betrages mit den Schreiben vom 10. November 1953 und vom 14. November 1953 angefochten; ihr Begehren ist darauf gerichtet gewesen, daß die Werkszuwendung unberücksichtigt bleibe, mit der Folge, daß auch die im Bescheid vom 2. November 1953 festgestellte Überzahlung von 1.010,- DM und die Rückforderung dieses Betrages in Wegfall komme. Durch den Bescheid vom 16. Dezember 1953 hat das VersorgA den "zuviel gezahlten" Betrag auf 980,- DM neu festgestellt und die monatlichen Raten auf 20,- DM ermäßigt. Da zu diesem Zeitpunkt das den Bescheid vom 2. November 1953 betreffende Beschwerdeverfahren noch anhängig und da es auch am 31. Dezember 1953 noch nicht abgeschlossen gewesen ist, ist der Bescheid vom 16. Dezember 1953 nach den §§ 86, 215 SGG kraft Gesetzes, ohne daß es einer besonderen Anfechtung bedurft hat, ebenfalls Gegenstand des Vorverfahrens geworden, denn er hat den Bescheid vom 2. November 1953 teilweise abgeändert. Mit Recht ist daher der Bescheid vom 16. Dezember 1953 in dem Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954 aufgeführt; daß der Bescheid vom 2. November 1953 darin nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist unschädlich; obwohl zwei Bescheide angefochten sind, hat es sich nur um ein Widerspruchsverfahren (vormals Beschwerde) gehandelt, das durch einen Widerspruchsbescheid abgeschlossen worden ist. Im übrigen befaßt sich der Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954 auch tatsächlich mit der Regelung in dem Bescheid vom 2. November 1953.
Das LSG hat die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 3. Juli 1951 sowie die Feststellung, daß die Klägerin den - im Laufe des Verfahrens von dem Beklagten weiter ermäßigten - Betrag von 925,- DM zu Unrecht bezogen hat, für rechtmäßig, die Rückforderung dieses Betrages dagegen für rechtswidrig gehalten. Die Revision des Beklagten richtet sich dagegen, daß das LSG die Rückforderung für rechtswidrig gehalten hat, die Anschlußrevision der Klägerin dagegen, daß das LSG die Rücknahme und die Feststellung einer Überzahlung für rechtmäßig gehalten hat. Da über die Berechtigung der Rückforderung erst entschieden werden kann, wenn festgestellt ist, daß die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 3. Juli 1951 rechtmäßig ist, ist zunächst über die Anschlußrevision der Klägerin zu entscheiden.
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Bescheid vom 3. Juli 1951 teilweise, nämlich insoweit, als durch ihn Ausgleichsrente ohne Berücksichtigung der Werkszuwendung gewährt worden ist, rechtswidrig sei; es hat festgestellt, daß diese Werkszuwendung nicht von einer Prüfung der Bedürftigkeit abhängig gewesen sei, die Klägerin hat sich mit der Anschlußrevision auch nicht hiergegen gewandt. Das LSG hat die Werkszuwendung deshalb zu Recht als sonstiges Einkommen im Sinne der §§ 41, 33 Abs. 2 BVG angesehen. Auch die Feststellung des LSG, daß durch die Nichtberücksichtigung der Werkszuwendung 925,- DM zuviel an die Klägerin gezahlt worden sind, ist mit der Anschlußrevision nicht angegriffen, sie ist daher für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§ 163 SGG). Der Beklagte hat deshalb den Bescheid vom 3. Juli 1951 als von Anfang an rechtswidrig teilweise zurücknehmen dürfen. Der Beklagte hat allerdings die Rücknahme nicht auf § 62 BVG stützen können; als Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist auch weder Ziffer 26 SVA Nr. 11 vom 5. Juli 1947, noch § 41 (oder § 42) VerwVG in Betracht gekommen (vgl. BSG 7, 8 ff; 11, 13; 10, 72, 73 f; Urteil vom 22. März 1962 - 8 RV 989/58 -). Die §§ 41, 42 VerwVG sind nicht auf die Fälle anzuwenden, in denen das Verwaltungsverfahren - wie hier - vor dem 1. April 1955 abgeschlossen gewesen ist (vgl. BSG 8, 11, 14 und 13, 232, 235). Die Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 1951 kann vielmehr mangels einer besonderen Regelung während des hier maßgeblichen Zeitraums nur auf die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts gestützt werden. Das LSG hat mit Recht die angefochtenen Bescheide unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft, obwohl sich der Beklagte zur Begründung dieser Bescheide nicht auf diese Grundsätze berufen und sie auch nicht als Begründung "nachgeschoben" hat; denn ein Bescheid ist auch dann rechtmäßig, wenn er zwar nicht zutreffend begründet ist, aber nach Überzeugung des Gerichts auf andere rechtliche Grundlagen gestützt werden kann (vgl. BSG 7, 8, 12 f; 10, 209, 211; 13, 232, 237). Wenn das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts sei der Beklagte berechtigt gewesen, den Bescheid vom 3. Juli 1951 teilweise zurückzunehmen, so ist das nicht zu beanstanden. Der Rücknahme steht die Bindungswirkung des § 77 SGG nicht entgegen. Wie der erkennende Senat bereits wiederholt entschieden hat, ist "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG nicht nur die im Gesetzgebungsverfahren zustande-gekommene Rechtsnorm, sondern - wie schon Art. 2 EGBGB bestimmt - jede Rechtsnorm, mithin auch das Gewohnheitsrecht und die anerkannten Rechtsgrundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts (vgl. BSG 7, 51, 53; 8, 11, 14; aA Dapprich, Die Sozialgerichtsbarkeit 1960, 9 ff). Gewohnheitsrecht und die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts sind nicht identisch; die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts beruhen nicht, wie das Gewohnheitsrecht, auf langjähriger Übung, sondern lediglich auf Rechtsüberzeugung (vgl. E. Höhn, Gewohnheitsrecht im Verwaltungsrecht, Bern 1960, S. 56 - 58). Der Auffassung des Senats, daß auch die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG sind, haben sich auch andere Senate des BSG angeschlossen (vgl. u. a. BVBl 1960, 177 - 8. Senat -, BVBl 1961, 42 - 9. Senat - und BSG 15, 252, 256 - 3. Senat -). Nach diesen Grundsätzen ist die Rücknahme eines fehlerhaften begünstigenden Verwaltungsakts rechtmäßig, wenn in dem Widerstreit zwischen dem Verfassungsgrundsatz der Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), aus dem sich das Interesse der Verwaltung an der Beseitigung des rechtswidrigen Bescheids ergibt, und dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit, zu dem auch das Interesse am Schutz des Vertrauens der Bürger auf den Bestand staatlicher Maßnahmen gehört (vgl. auch Beschluß des BVerfG vom 13. Dezember 1961, NJW 1962, 291), dem Prinzip der Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Verwaltung der Vorrang gebührt (vgl. BSG 10, 72, 74; 15, 81 ff sowie die Urteile des BVerwG vom 29. September 1960, BVerwGE 11, 136, und vom 7. Dezember 1960, DVBl 1961, 380 mit weiteren Nachweisen). Nach dieser Abwägung entscheidet sich auch, ob der Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tune), oder nur für die Zukunft (ex nune ) zurückgenommen werden kann; im Falle der rechtswidrigen Bewilligung einer Rente wird der Bescheid in der Regel nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden können, weil nur insoweit der Verfassungsgrundsatz der Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Verwaltung dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit vorgeht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Rechtswidrigkeit durch Umstände bewirkt worden ist, die in den "Verantwortungsbereich" des durch die Rücknahme Betroffenen fallen, insbesondere in den Fällen, in denen der Begünstigte der Verwaltungsbehörde für die Entscheidung wesentliche Umstände nicht mitgeteilt hat und nur durch das Unterlassen dieser Mitteilung der Erlaß eines von Anfang an rechtswidrigen Bescheides verursacht worden ist; in diesen Fällen können begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden; denn wer für die Unrichtigkeit eines Bescheids selbst verantwortlich ist, verdient nicht den Schutz des Vertrauens auf den Bestand des Bescheides (vgl. BSG-Urteil vom 22. März 1962 - 8 RV 989/58 -). So liegt der Fall auch hier; das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Bescheides vom 3. Juli 1951 ist nicht schutzwürdig; das LSG hat festgestellt, daß für die Unrichtigkeit des Bescheides vom 3. Juli 1951 eine Verantwortung des Beklagten nicht besteht, die Unrichtigkeit vielmehr allein durch Umstände bedingt worden ist, die in den "Verantwortungsbereich" der Klägerin fallen. Diese von der Klägerin nicht angegriffenen und daher für das BSG bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) rechtfertigen die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 1951 auch für die Vergangenheit. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Klägerin ein Verschulden trifft. Soweit unrichtige oder unvollständige Angaben des Begünstigten eine Rolle spielen, kommt es allein darauf an, ob und inwieweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf diesen Angaben beruht, d. h. ob und wieweit diese Angaben oder das Unterlassen dieser Angaben für die Rechtswidrigkeit ursächlich gewesen sind. Ist - wie hier - die Unrichtigkeit des Bescheides allein durch die objektiv unrichtigen Angaben des Begünstigten verursacht, so sind die Voraussetzungen für die Rücknahme ex tunc erfüllt (vgl. BSG-Urteil vom 22. März 1962 - 8 RV 989/58 - sowie Haueisen, NJW 1958, 642, 643). Die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 1951 ist somit rechtmäßig; die Anschlußrevision der Klägerin ist daher unbegründet; ihre Revision ist deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Auch die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Beklagte wendet sich zu Unrecht gegen die Auffassung des LSG, daß die Rückforderung von 925,- DM im vorliegenden Falle rechtswidrig sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie das LSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 3, 234, 237; 5, 267 f; 6, 11, 15; 7, 8, 15; 9, 47, 52; 11, 44 f; 13, 56 und 13, 232, 239) angenommen hat - die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vom 2. November/16. Dezember 1953 (Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1954), soweit sie die Rückforderung betreffen, nach § 47 Abs. 3 VerwVG zu beurteilen ist oder ob insoweit, da das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten und das Verwaltungsverfahren im vorliegenden Falle am 1. Februar 1954 abgeschlossen, also beim Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr "anhängig" (§ 52 VerwVG) gewesen ist, auch die Rückforderung allein nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen ist (vgl. insoweit Urteil des 8. Senats vom 22. März 1962, Az.: 8 RV 989/58); denn im vorliegenden Falle ist die Rückforderung auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts in der Ausprägung, in der diese Grundsätze auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG anzuwenden sind, rechtswidrig. Wie dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes in den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedliches Gewicht zukommen kann, wenn es sich um die Rücknahme fehlerhafter Bescheide handelt (vgl. hierzu Haueisen, Das Problem des Vertrauensschutzes, in Maunz/Schraft, Das Selbstverwaltungsrecht in der Sozialversicherung, Bd. VI Teil D II, 6. Vorbemerkung), so ist auch - nach Rücknahme solcher Bescheide - bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung die Besonderheit des einzelnen Rechtsgebiets zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts (vgl. RVG 6, 83 ff; 7, 62 ff; 13, 133 ff) läßt insoweit erkennen, daß - in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts - auch die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht als rechtmäßig anzusehen ist, wenn sie gegen Treu und Glauben verstoßen hat; insoweit ist für das Gebiet der Kriegsopferversorgung als erheblich angesehen worden, ob - abgesehen von den Fällen des Erschleichens von Leistungen in betrügerischer Absicht, vgl. RVG 12, 246 ff - der Empfänger hat darauf vertrauen dürfen, daß die "in Ausführung des früheren Bescheides gezahlten Gebührnisse zu Recht erhoben sind" (vgl. RVG 6, 83 ff und weiterhin). Das RVG hat dies zwar entsprechend der damaligen Rechtsauffassung damit begründet, daß "ein Berichtigungsbescheid ... insoweit keine rückwirkende Kraft hat, als die Rückforderung der Gebührnisse in Frage steht", es hat aber erkennbar auch insoweit auf den "guten Glauben" des Empfängers abgehoben, es hat also den Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, daß die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen rechtmäßig ist, für das Gebiet der Kriegsopferversorgung dahin eingeschränkt, daß die Versorgungsverwaltung mit der Geltendmachung des Anspruchs nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf, und es hat hierbei auch dem "guten Glauben" des Empfängers Bedeutung beigemessen; in gleicher Weise hat dies auch das RVA für das Gebiet der Rentenversicherung (vgl. Urteil des BSG vom 9. August 1962 - 4 RJ 355/60) und das Gesetz selbst für das Gebiet der Arbeitslosenversicherung getan (vgl. § 185 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AVAVG). Im vorliegenden Falle hat das LSG festgestellt, die Klägerin habe "in der Überzeugung gelebt, daß die Werkszuwendung nicht als Einkommen im Sinne der Frage 4 des Fragebogens anzusehen und deshalb nicht für die Entscheidung über den Ausgleichsrentenanspruch wesentlich sei", es hat diese Feststellung damit begründet, daß die Klägerin "einen sehr unbeholfenen Eindruck" gemacht habe, daß sie sowohl von den Farbenfabriken B als auch vom VdK dahin belehrt worden sei, es handle sich um "freiwilliges Geld" und daß sie nicht imstande gewesen sei, "die Fraglichkeit der Nichtanrechnung der Werkszuwendung auf die Ausgleichsrente zu erkennen". Soweit das LSG damit über die Frage entschieden hat, wie weit die Klägerin die Werkszuwendung "wissentlich verschwiegen" habe, hat es jedenfalls nicht die Grenzen seines Rechts, die Beweise hinsichtlich der subjektiven Anforderungen an die Klägerin frei zu würdigen, überschritten; die Revisionsrügen des Beklagten, die sich auf die Feststellung dieser subjektiven Anforderungen beziehen, greifen nicht durch, diese Feststellung ist daher für das BSG bindend (§ 163 SGG). Für die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs kommt es damit im vorliegenden Falle auch nicht mehr darauf an, ob das "wissentliche Verschweigen" im Sinne von § 47 Abs. 3 VerwVG "das bewußte Vorenthalten einer für die Entscheidung als wesentlich erkannten Tatsache" voraussetzt (so das LSG in Übereinstimmung mit dem Urteil des 10. Senats des BSG vom 14. Dezember 1960 - 10 RV 405/57 -) oder ob es genügt, daß eine Tatsache nicht angegeben wird, weil der Antragsteller "es hat darauf ankommen lassen wollen", ob diese Tatsache für die ihm gesetzlich zustehenden Bezüge erheblich ist (so der 11. Senat des BSG in dem Urteil vom 17. Mai 1962 - 11 RV 116/60 -). Auch wenn sowohl bei der Anwendung des § 47 Abs. 3 VerwVG als auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, wie sie für das Gebiet des Versorgungsrechts anzuwenden sind, die strengere Auslegung richtig ist, die dem zitierten Urteil des 11. Senats zugrunde liegt, kann man hier nicht sagen, daß die Klägerin "es hat darauf ankommen lassen wollen", ob die Werkszuwendung als Einkommen anzusehen ist oder nicht; sie hat es nicht "darauf ankommen lassen", wenn sie, wie das LSG festgestellt hat, davon überzeugt gewesen ist, daß sie die Werkszuwendung nicht als Einkommen anzugeben habe, sie ist damit bei Empfang der Ausgleichsrente, die ohne Rücksicht auf die Werkszuwendung errechnet worden ist, davon überzeugt gewesen, daß ihr die Rente zustehe, sie ist deshalb in ihrem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des "Bewilligungsbescheides" insoweit zu schützen, als es sich um die Rückforderung dieser Bezüge handelt. Das LSG hat daher zu Recht entschieden, daß im vorliegenden Falle die Rückforderung der überzahlten Beträge nicht rechtmäßig sei, es hat die Bescheide vom 2. November/16. Dezember 1953 insoweit zu Recht aufgehoben. Die Revision des Beklagten ist deshalb unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen