Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente als frühere Ehefrau des am 25. November 1983 verstorbenen Versicherten A. S. nach § 592 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Die Klägerin war vom 2. Oktober 1948 bis zum 15. März 1973 mit dem Versicherten verheiratet. Dessen spätere Ehefrau K. J. S. verstarb am 8. Mai 1989. Der Versicherte erhielt wegen einer 1960 festgestellten Quarzstaublungenerkrankung (Berufskrankheit der Nr. 34 der BKVO i.d.F. vom 28. April 1961) eine Teilrente und seit Oktober 1974 wegen des Hinzutretens einer aktiven Lungentuberkulose (Berufskrankheit der Nr. 35 a.a.O.) die Vollrente. Aus dieser Rente und einer dem Versicherten außerdem gewährten Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit wurden der Klägerin ab 1980 zu ihrem Unterhalt monatlich Beträge in Höhe von 1.200, 00 DM überwiesen.
Die Beklagte gewährte Frau K. J. S. nach dem Tode des Versicherten die Hinterbliebenenrente nach §§ 589, 590 RVO. Den Antrag der Klägerin auf die sog Geschiedenen-Witwenrente (§ 592 RVO) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24. Februar 1984), da die zum Todes des Versicherten führende Berufskrankheit schon vor Inkrafttreten des § 592 RVO eingetreten sei, so daß diese Vorschrift keine Anwendung finde.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Juni 1984). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenrente verurteilt (Urteil vom 10. September 1987). Dieses Urteil hat der erkennende Senat in dem Revisionsverfahren 8 RKnU 5/88 am 14. November 1989 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, da auch die Rechtsnachfolger der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Witwe des Versicherten Frau K. J. S.
nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig beizuladen seien.
Nach Beiladung der Frau D. B. als Rechtsnachfolgerin der Witwe des Versicherten hat das LSG die Beklagte erneut unter Änderung des Urteils des SG verurteilt, der Klägerin in Anwendung des § 592 RVO Hinterbliebenenrente zu gewähren (Urteil vom 19. April 1990). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Berufskrankheit der Siliko-Tuberkulose, die gemäß § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO als ursächlich für den Tod des Versicherten gelte, sei erst im Oktober 1974 und damit nach Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) eingetreten. Das zusätzliche Auftreten einer aktiven Lungentuberkulose sei nicht lediglich als Verschlimmerung der bisher als Berufskrankheit anerkannten Quarzstaublungenerkrankung zu werten, sondern es handele sich um zwei Berufskrankheiten, die jeweils einen "eigenen" Versicherungsfall auslösten. Dementsprechend habe der Verordnungsgeber seit 1936 die getrennte Beschreibung zweier Berufskrankheiten in den Katalog der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) aufgenommen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 551 Abs. 1, Abs. 3 RVO i.V.m. den Listennummern 4101/4102 der Anlage 1 zur BKVO sowie des Art 4 § 1 UVNG i.V.m. § 592 RVO und macht geltend, es sei nach dem 30. Juni 1963 kein weiterer Versicherungsfall eingetreten. Das Hinzutreten einer aktiven Lungentuberkulose bedeute rechtlich ausschließlich eine Verschlimmerung in den Folgen der Silikose. Dem Umstand der Erfassung der Silikose und der Siliko-Tuberkulose in veschiedenen Listennummern der Berufskrankheitenliste könne nicht entnommen werden, daß es sich um zwei voneinander getrennt zu behandelnde Versicherungsfälle handele. Gegen das Vorliegen zweier Versicherungsfälle spräche insbesondere die Entstehungsgeschichte der BKVO.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. April 1990 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29. Juni 1984 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht als frühere Ehefrau des Versicherten die begehrte Hinterbliebenenrente nach § 592 RVO zu.
Die Voraussetzungen des § 592 Abs. 1 RVO, der ohne den durch Art 4 Nr. 1 des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I 1421, 1. EheRG) eingefügten Abs. 1 Satz 3 anzuwenden ist (vgl. Art 12 Nr. 6 1. EheRG), sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Der geschiedene Ehemann leistete der Klägerin während des letzten Jahres vor seinem Tode Unterhalt. Der Versicherte verstarb am 25. November 1983 an den Folgen der erstmals ab dem 8. Oktober 1974 anerkannten Berufskrankheit Siliko-Tuberkulose.
Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Anspruch der Klägerin auf sog "Geschiedenen-Witwenrente" nicht daran, daß nach der Übergangsvorschrift des "Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung" vom 30. April 1963 (BGBl. I 241), § 592 RVO neu in das Gesetz eingefügt wurde.
Nach Art 4 § 1 UVNG gilt das Gesetz für Arbeitsunfälle, die sich nach seinem Inkrafttreten, also dem 1. Juli 1963 (Art 4 § 16 UVNG) ereignen.
Eine Erstreckung des Anwendungsbereiches auf Arbeitsunfälle, die vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten sind, findet lediglich in den in Art 4 § 2 UVNG ausdrücklich genannten Vorschriften statt, zu denen § 592 RVO nicht gehört.
§ 592 RVO findet zugunsten der Klägerin nur Anwendung, wenn der "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" i.S. von Art 4 § 1 UVNG nach dem Inkrafttreten des Neuregelungsgesetzes liegt. Dieser Zeitpunkt ist unter besonderer Berücksichtigung der Funktion der Übergangsregelung für die Anwendbarkeit neu eingeführter Vergünstigungen durch das neue Recht zu bestimmen. Die Übergangs- und Schlußvorschriften des Art 4 §§ 1 und 2 des UVNG beruhen auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß anspruchsbegründende Tatbestände, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht erfaßt werden, wenn sich nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinn nach auf diese Sachverhalte erstreckt (BR-Drucks IV/120 S. 78; BSGE 23, 139, 140 = SozR § 555 RVO Nr. 1; BSGE 24, 88, 89 = SozR § 589 RVO Nr. 1; BSG SozR § 581 RVO Nr. 16; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, Bd 3, S. 558b).
Eine in der Regel unproblematische Abgrenzung für die Anwendbarkeit alten oder neuen Rechts bietet Art 4 § 1 UVNG durch das Tatbestandsmerkmal "Arbeitsunfall". Dieser in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebliche Versicherungsfall ist durch ein plötzlich von außen auf den Versicherten einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis gekennzeichnet. Hingegen erstrecken sich bei der Berufskrankheit, die nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall "gilt", die schädigenden Einwirkungen über einen längeren Zeitraum und verursachen erst allmählich eine Erkrankung. Hieraus folgt, daß sich bei der Berufskrankheit ein bestimmter Zeitpunkt für den Eintritt des schädigenden Ereignisses nur schwer bestimmen läßt (vgl. u.a. BSG SozR 2200 § 551 Nr. 31, 35). Der Gesetzgeber hat deshalb wegen der Notwendigkeit, auch für Berufskrankheiten einen konkreten Zeitpunkt für den Beginn und die Berechnung der Entschädigung zu bestimmen, in §§ 551 Abs. 3, 572 RVO i.d.F. des UVNG fiktiv Ereignisse festgelegt (Beginn der Krankheit i.S. der Krankenversicherung oder Beginn der MdE), die nach dem Günstigkeitsprinzip als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls gelten. Ferner "gilt" nach § 572 RVO als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet sind, die Berufskrankheit zu verursachen. Ähnliche Vorschriften bestanden auch vor dem Inkrafttreten des UVNG (BSG SozR 2200 § 571 Nr. 7).
Diese verschiedenartigen Möglichkeiten, bei Berufskrankheiten den Zeitpunkt des Arbeitsunfalls festzulegen, ist für die Bestimmung, ob im konkreten Fall altes oder neues Recht anzuwenden ist, ungeeignet. Denn es könnte in demselben Fall ein Zeitpunkt vor und ein anderer nach der Gesetzesänderung liegen. Infolgedessen verbietet es sich, darauf abzuheben. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats (Urteil vom 27. Januar 1976 - 8 RU 84/75 - SozR 2200 § 571 Nr. 7) ist bei Berufskrankheiten als "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" i.S. von Art 4 § 1 UVNG allein auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem im konkreten Fall die Anspruchsvoraussetzungen - also auch der Beginn der rentenberechtigenden MdE - vollständig vorliegen. Diese Festlegung nach dem Zeitpunkt des Leistungsfalls (zur Begriffsbestimmung vgl. u.a. auch BSG SozR 2200 § 551 Nr. 35) entspricht dem Erfordernis, eine eindeutige Entscheidung über die Anwendbarkeit des maßgeblichen Rechts bei Gesetzesänderungen zu ermöglichen. Das Abheben auf den Leistungsfall rechtfertigt sich zudem daraus, daß die für Berufskrankheiten geltende Begriffsbestimmung des § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten erfaßt, die nach der Anlage 1 zur BKVO als solche bezeichnet sind und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543, 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Anders als beim Arbeitsunfall im engeren Sinne umfassen die Tatbestandsmerkmale einer Berufskrankheit i.S. der RVO damit auch die gesundheitlichen Folgen der geschützten Tätigkeit. Erst wenn die betreffenden Gesundheitsschäden alle Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. einer in der Anlage zur BKVO genannten Krankheit erfüllen und die MdE ein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht, liegt ein abgeschlossener Sachverhalt i.S. der Übergangsregelung vor, der zur Anwendbarkeit des neuen Rechts führt. In Fortführung dieser Rechtsprechung ist zu entscheiden, daß das neue Recht auch dann anzuwenden ist, wenn eine weitere in der Anlage 1 zur BKVO aufgeführte Berufskrankheit eintritt, die nicht lediglich eine Verschlimmerung der bereits zuvor anerkannten Berufskrankheit beinhaltet, sondern sich als eigenständige Berufskrankheit darstellt. Entscheidungserheblich für diese Abgrenzung ist, in welchem Verhältnis die Berufskrankheiten Silikose und Siliko-Tuberkulose zueinander stehen. Einen wichtigen Hinweis auf den eigenständigen Charakter der Berufskrankheiten bietet, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, bereits die getrennte Beschreibung zweier Berufskrankheiten im Katalog der BKVO. Diese Auffassung wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt (vgl. hierzu Brackmann, a.a.O., S. 491q ff; zur Entwicklung bis zur 5. BKVO: BSGE 6, 29).
Während die 2. BKVO vom 11. Februar 1929 (RGBl I 27), die erstmals schwere Staublungenerkrankungen (Silikose) als Nr. 16 in die Liste der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten aufnahm, noch ein Zusammentreffen von schwerer Staublungenerkrankung und Tuberkulose erforderte und die Tuberkulose als Staublungenerkrankung entschädigte, enthielt bereits die 3. BKVO vom 16. Dezember 1936 (RGBl I 1117) unter Nr. 17a und b zwei getrennte Tatbestände. Diese unterschieden sich dadurch, daß Nr. 17b - anders als Nr. 17a - nicht mehr an das Vorliegen einer schweren Staublungenerkrankung anknüpfe. Die Nachweisbarkeit erheblicher silikotischer Lungenveränderungen, denen allerdings ein wesentlicher Anteil an dem Gesamtkrankheitszustand zukommen mußte, wurde als ausreichend angesehen (vgl. die amtliche Begründung, AN 36, S. 355, 358). Die Tatbestände der Anlage zur 4. BKVO vom 29. Januar 1943 (RGBl I 85, Nr. 17a und b) und zur 5. BKVO vom 26. Juli 1952 (RGBl I 395, Nr. 27a und b) unterschieden sich hinsichtlich ihres Wortlautes von der Regelung in der 3. BKVO u.a. dadurch, daß nunmehr eine "aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose" gefordert wurde. Durch den mit der 5. BKVO eingefügten Zusatz "Siliko-Tuberkulose" wurde zudem der Charakter eines besonderen, von Nr. 27a abweichenden Krankheitsbildes betont (Begründung zur 5. BKVO, BABl 1952, S. 409, 411; Bauer, BABl 1952, S. 413, 416; Merkblatt zu Nr. 27a und b, BABl 1953, S. 291). Zudem ist in der amtlichen Begründung zur 5. BKVO ausgeführt, daß man aufgrund neuerer Forschungen zu dem Ergebnis gelangt sei, daß bereits eine verhältnismäßig geringfügige Silikose auf die Entstehung und den Verlauf der Tuberkulose ungünstig einwirken könne (BABl a.a.O.). Die Anlage zur 6. BKVO vom 28. April 1961 (BGBl. I 505), in der die Berufskrankheiten Silikose und Siliko-Tuberkulose nunmehr als Nr. 34 und Nr. 35 gesondert erfaßt wurden, verzichtete neben der klarstellenden Beschränkung auf Quarzstaublungenerkrankungen auf das Erfordernis einer "fortschreitenden" Tuberkulose (BR-Drucks 115/61, S. 6 zu Nr. 35). Die Bedeutung der Siliko-Tuberkulose als eigenes Krankheitsbild wurde dadurch verdeutlicht, daß sich die Beurteilung der Siliko-Tuberkulose nach dem Merkblatt des BMA zu Nr. 34 und Nr. 35 der Anlage zur 6. BKVO im wesentlichen nach Art und Ausmaß der aktiven Lungentuberkulose und ihrer Folgen zu richten hatte, während lediglich der Nachweis einer röntgonologisch eindeutigen Silikose erforderlich war (BABl 1966, Fachteil Arbeitsschutz, S. 311). Die Regelung der 6. BKVO wurde als Nr. 4101 und 4102 in die Anlage 1 der 7. BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl. I 721) übernommen.
Die sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende zunehmende Eigenständigkeit der Berufskrankheiten Silikose und Siliko-Tuberkulose als unterschiedliche Krankheitsbilder wird durch die Auslegung der entsprechenden Tatbestände der Berufskrankheitenliste in Rechtsprechung und Schrifttum bestätigt. Der Tatbestand der Quarzstaublungenerkrankung ist, wie der Senat in der Entscheidung vom 11. Januar 1989 - 8 RKnU 1/88 - ausführlich dargelegt hat, trotz des Wegfalls des Tatbestandsmerkmals "schwer" durch die 5. BKVO noch nicht bei beginnenden bis leichtgradigen silikotischen Lungenveränderungen ohne cardio-pulmonale Funktionsstörungen erfüllt, sondern erst dann, wenn die Quarzstaubeinlagerungen in der Lunge zu einer leistungsmindernden Beeinträchtigung von Atmung oder Kreislauf geführt haben (BSG SozR 2200 § 551 Nr. 34 m.w.N.). Hingegen sind die Entschädigungsvoraussetzungen für die Siliko-Tuberkulose schon dann gegeben, wenn die silikotischen Einlagerungen für sich genommen noch keine Entschädigungspflicht auslösen, sondern ihrer Art nach geeignet sind, einen ungünstigen Einfluß auf den Verlauf der Tuberkulose auszuüben (BSGE 6, 29, 38; 7, 89, 98; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Aufl, Stand Mai 1988, S. 152/1; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 4. Aufl, 1988, S. 830; Bonnermann, Kompaß 1987, S. 89, 94). Daraus folgt, daß nach dem Abklingen der aktiven Tuberkulose eine Entschädigung wegen der silikotischen Einlagerungen nur dann erfolgen kann, wenn das Erfordernis silikotisch bedingter Insuffizienzerscheinungen erfüllt ist (Elster a.a.O.; Bonnermann a.a.O.). Damit stellt die Siliko-Tuberkulose nicht lediglich eine Verschlimmerung der Quarzstaublungenerkrankung dar, sondern es handelt sich um ein Gesamtkrankheitsbild i.S. einer eigenständigen Berufskrankheit. Die Selbständigkeit der Tatbestände bedingt, daß das Auftreten der Siliko-Tuberkulose mit einer MdE in rentenberechtigender Höhe zum Eintritt eines "neuen" Arbeitsunfalls i.S. des Art 4 § 1 UVNG und damit zur Anwendbarkeit des neuen Rechts führt. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird dadurch belegt, daß im vorliegenden Fall die erstmals im Oktober 1974 als Berufskrankheit anerkannte Siliko-Tuberkulose die Vermutung des § 592 Abs. 2 RVO begründete. Rechtlich war die vorherige Anerkennung der Silikose hierfür unerheblich.
Damit weicht der Senat - entgegen der Auffassung der Revision - nicht von der Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 15. Dezember 1967 - 5 RKn 139/65 - (BSGE 27, 253) ab. In dieser Entscheidung ist zur Anwendbarkeit des § 75 Abs. 4 des Reichsknappschaftsgesetzes ausgeführt, daß, soweit bereits eine entschädigungspflichtige Silikose vorlag, zwar durch das Hinzutreten einer aktiven Tuberkulose ein neues, besonderes Krankheitsbild entstehe, es sich dabei versicherungsrechtlich aber um eine Veränderung der bisher vorliegenden Berufskrankheit handele, die regelmäßig zu einer erhöhten MdE und damit zu einer Rentenerhöhung führe. Der Entscheidung liegt die Erwägung zugrunde, daß für die Beurteilung der Frage, ob versicherungsrechtlich eine einheitliche Berufskrankheit anzunehmen ist, auf die gefährdende Tätigkeit (die schädigenden Einwirkungen) abzustellen ist. Es entspricht der Systematik der gesetzlichen Unfallversicherung, mehrere Gesundheitsstörungen - selbst wenn es sich um medizinisch voneinander unabhängige Gesundheitsschäden handelt - als eine einheitliche Berufskrankheit zu behandeln, wenn sie auf derselben Ursache beruhen, d.h. auf eine gefährdende Tätigkeit zurückzuführen sind (so insbesondere BSG SozR 5677 Anlage 1 Nr. 42 7. BKVO). Der Versicherungsfall ist jedoch, worauf der 2. Senat des BSG (Urteil vom 27. Juli 1989 - 2 RU 54/88 - in SozR 2200 § 551 Nr. 35 unter Hinweis auf Ecker, Das Dogma vom Versicherungsfall, SGb 1966, 289) hingewiesen hat, kein allgemein gültiger Gesetzesbegriff mit festgelegtem Inhalt, sondern er ist jeweils anhand des Sinngehaltes der einschlägigen Rechtsvorschriften zu klären. Der besondere Charakter des Art 4 § 1 UVNG als Übergangsvorschrift läßt es geboten erscheinen, den Begriff des Arbeitsunfalls für Berufskrankheiten nicht nach deren Ursache, sondern nach den selbständigen Folgen i.S. des Eintritts der in der Anlage zur BKVO bezeichneten Berufskrankheiten zu bestimmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen