Leitsatz (amtlich)
Bei der Gesamtentscheidung des deutschen Versicherungsträgers über den angemeldeten Rentenanspruch (- § 204 AVG iVm - § 1631 Abs 1 RVO) sind auch im Blick auf die Anrechnungsfähigkeit von (hier: polnischen Ausbildungs-) Ausfallzeiten iS von § 36 Abs 3 AVG (= § 1259 Abs 3 RVO) neben deutschen und polnischen auch solche Versicherungszeiten zu berücksichtigen, die in Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zurückgelegt worden sind.
Normenkette
RV/UVAbk POL Art. 4 Abs. 1-2, Art. 3 Buchst. a, b, Art. 2 Abs. 1; AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b, Abs. 3; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b, Abs. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.12.1984; Aktenzeichen L 6 An 2313/84) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 10.02.1982; Aktenzeichen S 2 An 923/80) |
Tatbestand
Streitig ist die rentensteigernde Anrechnung von in Polen zurückgelegten Ausfallzeiten.
Der am 18. Mai 1910 in L /Polen geborene Kläger, der seit 1961 deutscher Staatsbürger ist, besuchte vom 18. Mai 1926 bis zum 30. Januar 1930 ein Gymnasium in L . Vom 20. Oktober 1931 bis zum 15. Dezember 1935 studierte er an der Handelsakademie in P , einer Hochschule, und erwarb das Abschlußdiplom. Von März 1937 bis Juli 1938 legte er 28 Beitragsmonate zur polnischen Versicherung zurück. Nach polnischem Wehrdienst und deutscher Kriegsgefangenschaft, für die 71 Monate als Ersatzzeiten anerkannt sind, war er von April 1948 bis Juli 1952 für 51 Monate in den Niederlanden versicherungspflichtig beschäftigt. Zwischen Juli 1952 und September 1962 leistete er in der Bundesrepublik Deutschland (Inland) für 113 Monate Pflichtbeiträge, anschließend bis Mai 1975 auch freiwillige Beiträge. Seit dem 1. Mai 1975 bezieht er eine niederländische Alterspension aus den dort zurückgelegten Versicherungszeiten.
Mit Bescheid 1) vom 4. Dezember 1975 und Bescheid 2) vom 14. Mai 1976 gewährte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger ab Juni 1975 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei rechnete sie die og Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung nicht rentensteigernd an, weil ua die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, nicht mindestens zur Hälfte mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sei (sog Halbbelegung; § 36 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG). Durch Bescheid 3) vom 4. November 1976 und Bescheid 4) vom 8. März 1977 stellte sie die Rente ab 1. Juni 1975 neu fest und rechnete jetzt ua die og Ausbildungsausfallzeiten rentensteigernd an, weil die Halbbelegung unter Berücksichtigung der niederländischen Versicherungszeiten gegeben sei. Auch mit Bescheid 5) vom 9. Januar 1978, durch den die BfA ab Inkrafttreten des Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPlSVA) vom 9. Oktober 1975 (BGBl 1976 II S 396; Gesetz zu diesem Abkommen vom 12. März 1976 - BGBl II S 393) am 1. Mai 1976 (Bekanntmachung in BGBl II S 463) das Altersruhegeld neu feststellte, wurden die streitigen Ausfallzeiten rentensteigernd angerechnet.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren stellte die BfA in dem als Mitteilung bezeichneten streitigen Bescheid 6) vom 4. Juli 1978 fest, der bisherige Rentenbetrag von 1.315,40 DM sei falsch berechnet worden, weil die Ausbildungsausfallzeiten nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Für deren Anrechenbarkeit sei nach dem DPlSVA ausschließlich auf die innerdeutschen Rechtsvorschriften, nicht auf die Verordnung Nr 1408/71 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, vom 14. Juni 1971 (EWGV 1408/71; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG Nr L 149/2 vom 5. Juli 1971, ber ABl Nr L 128/22) abzustellen, so daß die niederländischen Versicherungszeiten unbeachtet bleiben müßten und die Halbbelegung nicht gegeben sei. Das sei bei Erlaß des Bescheides 5) nicht beachtet worden. Richtigerweise stehe Rente nur in Höhe von 1.125,60 DM zu. Der bisherige Betrag werde ohne laufende Anpassungen weitergezahlt, bis ihn die Erhöhungen des richtigen Betrages überstiegen. Mit Bescheid 7) vom 29. August 1979, berichtigt durch Bescheid 8) vom 12. Oktober 1979, stellte die BfA wegen teilweiser Neubewertung anderer Zeiten den Rentenbetrag auf 1.203,50 DM fest und sparte den bisherigen Zahlbetrag von der Erhöhung nach dem 21. Rentenanpassungsgesetz (21. RAG) aus. Den Widerspruch gegen die Nichtanrechnung der Ausbildungsausfallzeiten wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1980 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die Beklagte unter Abänderung der angegriffenen Bescheide zur Neubescheidung verurteilt (Urteil vom 10. Februar 1982). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlußberufung des Klägers verurteilt, höheres Altersruhegeld unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiten vom 18. Mai 1926 bis zum 30. Januar 1930 und vom 1. Oktober 1931 bis zum 30. November 1935 als Ausfallzeiten zu gewähren, weil die niederländischen, polnischen und deutschen Pflichtbeitragszeiten für die Halbbelegung zusammenzurechnen seien (Urteil vom 18. Dezember 1984).
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 36 Abs 3 AVG und des Art 3 Buchst b) DPlSVA. Sie trägt vor, über eine multilaterale Zusammenrechnung für die Bestimmung der Rentenhöhe habe der Große Senat (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) im Beschluß vom 29. Mai 1984 (BSGE 57, 23 = SozR 2200 § 1250 Nr 20) ausdrücklich nicht entschieden. Die Grundsätze dieses Beschlusses seien hier nicht einschlägig. Das DPlSVA enthalte keine ausdrückliche Regelung, daß bei Prüfung der Halbbelegung im Rahmen seiner Anwendung Versicherungszeiten aus einem EG-Mitgliedstaat berücksichtigt werden müßten. Art 3 Buchst b) DPlSVA bestimme, daß dieses Abkommen nicht Bestimmungen berührt, die von einer zwischenstaatlichen Einrichtung erlassen sind, deren Mitglied ein Staat ist. Das Konkurrenzverhältnis zum EG-Recht werde dadurch gelöst, daß bei Anwendung des DPlSVA dem EG-Recht über den in Art 2 DPlSVA genannten Bereich der Vorrang eingeräumt wird (Hinweis auf BR-Drucks 633/75, Denkschrift zum Abkommen und zur Vereinbarung S 16). Da das DPlSVA vom sog Eingliederungsprinzip ausgehe, so daß polnische Zeiten bei Wohnsitz im Inland durch Übernahme in die deutsche Leistungspflicht nicht zu deutschen Zeiten würden, seien sie den EG-Mitgliedstaaten nicht als solche mitzuteilen. Somit werde die Vermengung polnischer Versicherungszeiten mit Zeiten aus EG-Mitgliedstaaten ausgeschlossen. Zwar gehe Art 3 Buchst b) DPlSVA von der Nichtanwendung des Abkommens aus; sei aber seine Anwendung aufgrund des Begünstigungsgrundsatzes geboten, müsse die Nichtanwendung des EG-Rechts gefolgert werden. Art 3 DPlSVA enthalte eine Ausschlußklausel für die Rechtsvorschriften, mit denen das Abkommen in dem durch Art 2 aaO umschriebenen sachlichen Anwendungsbereich nicht in Berührung kommen solle. Daraus ergebe sich, daß die Vertragschließenden beim DPlSVA eine multilaterale Anwendung der Vorschriften verneint hätten. Auch aus dem EG-Recht ergebe sich nicht, daß bei einem Rentenanspruch unter Berücksichtigung des DPlSVA niederländische Zeiten bei der Prüfung der Halbbelegung zu berücksichtigen seien. Anhang VI C 2 Buchst a) EWGV 1408/71 sei nur bei Anwendung der EWG-Verordnungen zu berücksichtigen. Das Urteil des LSG stehe ferner im Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10. März 1977 (SozR 6040 EWGV III Art 28 Nr 7). Selbst wenn weder das DPlSVA noch das EG-Recht die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten ausschlössen, wäre ein rechtlicher Grund für die Zusammenrechnung noch nicht gefunden. Durch das deutsche Zustimmungsgesetz zum DPlSVA könnten inhaltliche Änderungen der zwischen- und überstaatlichen Rechtsnormen nicht bewirkt werden. Diese seien nicht über den jeweiligen Vertragsrahmen hinaus anzuwenden.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Februar 1982 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten vom 6. März 1985 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Vorlage des damals zuständigen 11a Senats des BSG hat der EuGH im Urteil vom 5. Juli 1988 in der Rechtssache 21/87 entschieden, die EWGV Nr 1408/71 lasse im Blick auf die Anrechnung von Ausfallzeiten und den Eintritt in die deutsche Versicherung die Gleichstellung nicht nur von Pflichtbeiträgen in anderen Mitgliedstaaten, sondern auch von Pflichtbeiträgen in Drittstaaten (hier: Polen) zu.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen auf die zulässige Anfechtungsklage (Aufhebungsklage) des Klägers im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
Mit dem streitigen Bescheid 6) vom 4. Juli 1978 hat die Beklagte die Feststellung getroffen, der dem Kläger durch den Bescheid 5) vom 9. Januar 1978 zuerkannte Rentenbetrag sei zu seinen Gunsten wegen der Anrechnung der Ausbildungsausfallzeiten überhöht und nehme deswegen - wie nachher mit den gleichfalls streitigen Bescheiden 7) vom 29. August 1979 und 8) vom 12. Oktober 1979 verfügt - an späteren Rentenerhöhungen nicht teil. Zu diesem Eingriff in den bindend (§ 77 SGG) festgestellten Rentenanspruch war sie jedoch nicht ermächtigt (§ 31 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB 1). Offen bleiben kann, ob - was allein in Betracht kommt - als Beurteilungsmaßstab § 45 SGB 10 - wie das LSG meint - oder - im Sinne der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG (Urteile vom 22. Juni 1988 - 9/9a RV 46/88 und 9/9a RV 41/86; Urteil vom 13. Juli 1988 - 9/9a RV 34/86; Urteil vom 15. September 1988 - 9/4b RV 15/87) - § 48 Abs 3 SGB 10 heranzuziehen ist. Denn nach beiden Vorschriften darf die Verwaltung einen Rücknahme-/Aussparungsbescheid nur erteilen, wenn der begünstigende Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Rentenhöhe ist im Bescheid 5) zutreffend festgestellt worden, soweit die hier umstrittenen Ausbildungsausfallzeiten rentensteigernd angerechnet worden sind (su).
Gemäß § 204 AVG iVm § 1631 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hat die BfA einen schriftlichen Bescheid zu erteilen, wenn ua der angemeldete Anspruch anerkannt wird. Sie muß daher eine einheitliche Rentenfeststellung unter Gesamtwürdigung aller in bezug auf den angemeldeten konkreten Anspruch rentenrechtlich relevanten Umstände treffen (BSGE 57, 23, 33 f = BSG SozR 2200 § 1250 Nr 20 S 35; 11a Senat des BSG im og Vorlagebeschluß, S 12). Den vom Kläger angemeldeten Anspruch, ihm Altersruhegeld in Höhe des für ihn maßgeblichen Jahresbetrages unter Anrechnung aller im Inland, in den Niederlanden und in Polen zurückgelegten Versicherungsjahre zu gewähren, hat die Beklagte durch den eine "Gesamtentscheidung" über den Rentenanspruch enthaltenden Bescheid 5) mit Blick auf die hier umstrittenen Ausfallzeiten richtig anerkannt.
Der Jahresbetrag des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (§25 Abs 5 AVG), dessen Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 25 Abs 5 iVm Abs 7 Satz 3 AVG) der Kläger allein schon durch die im Inland zurückgelegten Beitragszeiten erfüllt hat, ist nach § 31 Abs 1 AVG für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr iS von § 35 AVG 1,5 vom Hundert der für den Versicherten maßgeblichen Rentenbemessungsgrundlage (§ 32 AVG). Bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre iS der §§ 31, 32 AVG werden gemäß § 35 Abs 1 AVG ua die auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungszeiten und die Ausfallzeiten (§ 36 AVG) zusammengerechnet, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Dazu bestimmt § 36 Abs 1 Nr 4b AVG, daß die Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden weiteren Schulausbildung bis zur Höchstdauer von vier Jahren und einer abgeschlossenen Hochschulausbildung bis zur Höchstdauer von fünf Jahren Ausfallzeiten iS von §35 AVG sind. Nach den bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger diese Ausfallzeittatbestände, die nicht auf Schul- oder Hochschulausbildungen im Inland beschränkt sind (BSGE 56, 36 = SozR 2200 § 1259 Nr 80; BSGE 61, 35 = SozR aaO Nr 96), durch den Besuch des Gymnasiums in L und das abgeschlossene Studium an der Handelsakademie in P im Umfang von 45 bzw 50Monaten, also insgesamt von 95 Monaten, erfüllt.
Nach § 36 Abs 3 AVG werden die Ausfallzeiten nach Abs 1 aaO jedoch nur dann angerechnet, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (hier: Mai 1975), mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist; hierbei werden der Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung und der Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, nicht mitgezählt, jedoch die hierfür entrichteten Pflichtbeiträge. Dabei verkürzt sich der halb zu belegende Zeitraum gemäß Satz 2 aaO ua um die nach dem Versicherungseintritt liegenden Ersatzzeiten, Ausfallzeiten nach Abs 1 Nrn 1 bis 4 und die gesamte pauschale Ausfallzeit nach Art 2 § 14 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG).
Der Kläger ist im März 1937 mit Entrichtung des ersten Beitrags in Polen iS von § 36 Abs 3 AVG "in die Versicherung eingetreten". Ferner verkürzen die vom Kläger in Polen vor dem Krieg zurückgelegten Beitragszeiten (28 Monate) und die Zeiten des polnischen Wehrdienstes sowie der deutschen Kriegsgefangenschaft (71 Monate) den Halbbelegungszeitraum. Dies ergibt sich aus Art 4 Abs 2 und Abs 1 DPlSVA iVm Art 2 Abs 1 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 12. März 1976. Nach Art 4 Abs 1 und Abs 2 DPlSVA hat der Versicherungsträger des Staates, in dem der Berechtigte wohnt, "nach den für ihn geltenden Vorschriften" Rente zu gewähren und bei deren Feststellung "nach den für ihn geltenden Vorschriften" Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet des Wohnsitzstaates zurückgelegt worden wären. Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes bestimmt dazu, daß Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 DPlSVA in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93) zu berücksichtigen sind, solange der Berechtigte im Inland wohnt.
Eine diesen Anwendungsbefehl des deutschen Zustimmungsgesetzes zum DPlSVA aufhebende Rechtsnorm des Inhalts, der deutsche Versicherungsträger habe bei der Feststellung und Gewährung der Rente "nach den für ihn geltenden Vorschriften" Art 4 Abs 1 und 2 DPlSVA nicht anzuwenden, wenn der Berechtigte - neben deutschen und polnischen Versicherungszeiten - auch Zeiten in Drittstaaten zurückgelegt hat, die der deutsche Versicherungsträger nach Zustimmungsgesetzen zu anderen Sozialversicherungsabkommen oder übernationalem Recht zu berücksichtigen hat, gibt es nicht. Zu Unrecht weist die Beklagte auf Art 3 DPlSVA hin. Danach berührt dieses Abkommen ua nicht a) Abkommen eines Staates, die mit dritten Staaten geschlossen worden sind; b) Bestimmungen, die von einer zwischenstaatlichen Einrichtung erlassen sind, deren Mitglied ein Staat ist. Der Wortlaut dieser Vorschrift, der - wie allgemein bei zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen (BSG SozR 6850 Art 5 Nr 1 Satz 3 mwN) - der Auslegung enge Grenzen setzt, besagt, daß das DPlSVA an den Voraussetzungen und Wirkungen der anderen Regelungen nach a) und b) nichts ändert, diese vielmehr unangetastet läßt. Art 3 aaO läßt sich nicht entnehmen, das DPlSVA sei nicht anwendbar oder bewirke, daß das vom deutschen Rentenversicherungsträger auf den vom Rentenbewerber "angemeldeten Anspruch" anzuwendende sonstige Rentenrecht zwischen- oder überstaatlichen Ursprungs unberücksichtigt bleibe, diesem also im Ergebnis nur eine Teilrente allein auf der Grundlage des DPlSVA und eines Teils der für ihn verbindlichen sonstigen Vorschriften zu gewähren sei. Ob die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages ein derartiges Verbot, das die Anwendung des für einen von ihnen gültigen überstaatlichen oder Völkervertragsrechts einschränkt, ohne Zustimmung des Drittstaates oder der zwischenstaatlichen Einrichtung völkerrechtlich wirksam vereinbaren können und ob der deutsche Gesetzgeber einem solchen Abkommen ohne Widerspruch gegen das Grundgesetz (GG) und gegen auch für ihn verbindliches Europarecht zustimmen könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn nicht nur der Wortlaut des Art 3 DPlSVA, sondern auch Sinn und Zweck des Vertrages stehen der Annahme entgegen, das DPlSVA sei in Fällen der vorliegenden Art nicht anwendbar oder verbiete die Anwendung bestimmter für die Beklagte verbindlichen Vorschriften. Das Abkommen zielt - mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland - auf die Eingliederung der Versicherten mit "polnischen Zeiten" in die deutsche Rentenversicherung. Die Eingliederung wäre unvollständig, wenn die "polnischen Zeiten" nicht grundsätzlich mit allen vom deutschen Versicherungsträger zu berücksichtigenden Zeiten verbunden werden könnten. Gegenteiliges ergibt sich aus der Denkschrift zum DPlSVA (BT-Drucks 7/4310) nicht. Dort heißt es: "Um das Konkurrenzverhältnis zu Sozialversicherungsabkommen mit anderen Staaten zu lösen, die durch das Leistungsexportprinzip Verpflichtungen zur Zahlung von Renten in Drittstaaten enthalten ..." werde bei Anwendung des Art 3 ua den in a) genannten Abkommen und den in b) genannten Bestimmungen des EWG-Rechts der Vorrang eingeräumt. Da die Berechtigten, deren Rente ein deutscher Rentenversicherungsträger unter Anwendung des DPlSVA festzustellen hat, ausnahmslos im Inland wohnen, kommt ein Leistungsexport nicht in Frage. Die Vorrangsklausel des Art 3 DPlSVA entfaltet - worauf schon der Wortlaut hinweist - Wirkung in den Fällen der Regelungskonkurrenz, dh wenn ohne sie dieselben für den Rentenanspruch erhebliche Umstände nach Bestimmungen des DPlSVA und abweichend davon nach Europarecht oder anderen Sozialversicherungsabkommen zu beurteilen wären (ähnlich bereits der 11a Senat des BSG im Vorlagebeschluß an den EuGH vom 25. November 1986 S 11 bis 13).
Bei der Anrechnung der streitigen Ausfallzeiten sind außer den polnischen Versicherungszeiten auch die 51 Beitragsmonate zu berücksichtigen, die der Kläger in den Niederlanden zurückgelegt hat. Nach Art 89 EWGV 1408/71 iVm Anhang V bzw VI (idF der Verordnung Nr 1660/86) Abschnitt C (Deutschland) Nr 2 Buchst a) EWGV 1408/71 stehen für die Entscheidung, ob Zeiten, die ua nach deutschem Recht Ausfallzeiten sind, als solche angerechnet werden, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates entrichteten Pflichtbeiträge den Pflichtbeiträgen nach den deutschen Rechtsvorschriften gleich. Da die EWGV 1408/71 - wie der EuGH im Urteil vom 5. Juli 1988 in der Rechtssache 21/87 klargestellt hat - im Blick auf die Anrechnung von Ausfallzeiten und den Eintritt in die Versicherung die Gleichstellung nicht nur von Pflichtbeiträgen in anderen Mitgliedstaaten, sondern auch von Pflichtbeiträgen in Drittstaaten (hier: Polen) zuläßt, und das DPlSVA - wie ausgeführt - die Anwendung der EWGV 1408/71 nicht nur nicht ausschließt, sondern sogar "unberührt" läßt, sind auch die niederländischen Beitragszeiten bei der Ermittlung der Halbbelegung heranzuziehen. Daß die deutschen Pflichtbeitragszeiten (113 Monate) und Ausfallzeiten (15 Monate) nicht außer Betracht bleiben können, bedarf keiner Ausführung.
Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Zeiten sind die Ausbildungsausfallzeiten des Klägers iS von § 36 Abs 3 AVG anzurechnen, wie das LSG im Ergebnis richtig ausgeführt hat.
Der Bescheid 5) war daher rechtmäßig, soweit die Rentenhöhe unter Berücksichtigung dieser Zeiten festgestellt worden ist. Mithin war die Beklagte nicht befugt, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Ihre Revision mußte nach alledem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen