Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des DV § 33 BVG § 15 Abs 1 S 1, Halbs 1 (Fassung: 1958-08-02 - BGBl 1 1958 567) geht über den Rahmen der Ermächtigung des BVG § 33 Abs 2 S 6 hinaus und ist daher rechtsunwirksam. Die Kinderzuschläge, die neben dem Witwengeld nach den Vorschriften für die Besoldung der Beamten gezahlt werden, gehören auch nach Inkrafttreten dieser Verordnung nicht zu dem "für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden sonstigen Einkommen" im Sinne des BVG § 47 Abs 3 (Vergleiche BSG 1958-01-14 11/8 RV 991/55 = BSGE 6, 252).
Normenkette
GG Art. 80; BVG § 33 DV § 15 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Fassung: 1958-08-02, § 33 Abs. 2 S. 6 Fassung: 1950-12-20, § 47 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Juli 1957 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Kläger sind die Kinder des in Serbien seit dem 7. September 1944 vermißten A F.. Mit Bescheid vom 7. April 1952 wurde die Waisenrente, die sie schon nach den früheren Vorschriften bezogen hatten, auch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zuerkannt und ihnen neben der Grundrente die volle Ausgleichsrente gewährt.
Auf Grund einer Mitteilung der Bezirksregierung K vom 22. Oktober 1952, daß an die Mutter der Kläger nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (GG) vom 1. Februar 1952 an ein monatliches Witwen- und Waisengeld sowie Kinderzuschläge gezahlt würden, stellte das Versorgungsamt K mit Bescheid vom 7. November 1952 die Ausgleichsrente neu fest. Die Neufeststellung, bei der außer dem Waisengeld auch die Kinderzuschläge nach beamtenrechtlichen Vorschriften in Höhe von je 20.- DM monatlich als Einkommen der Kläger angerechnet wurden, führte vom 1. Februar 1952 an zu einer Herabsetzung und vom 1. April 1952 an zum völligen Entzug der Waisenausgleichsrente. Die danach zu Unrecht gezahlten Beträge in Höhe von 490.- DM wurden zurückgefordert.
Gegen diesen Bescheid haben die Kläger Berufung eingelegt, die nach § 215 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Koblenz übergegangen ist. Das SG. hat den Beklagten am 25. Januar 1956 unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, an die Kläger Waisenrente unter Zugrundelegung eines sonstigen Einkommens von je 14.- DM monatlich vom 1. Februar 1952 an und je 16.- DM monatlich vom 1. April 1952 an zu zahlen: Empfänger beamtenrechtlicher Kinderzuschläge seien nicht die Kinder bzw. Waisen, sondern die Beamten bzw. deren Witwen. Deshalb seien diese Zuschläge dem Einkommen der Eltern zuzurechnen, nicht aber dem Einkommen der Kinder. Das SG. hat die Berufung zugelassen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG.) Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 18. Juli 1957 die Entscheidung des SG. aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 7. November 1952 abgewiesen: Kinderzuschläge seien zwar nicht Einkommen der Kinder, sondern Einkommen der Eltern. Der Begriff des für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden "sonstigen Einkommens" in § 47 Abs. 3 BVG umfasse jedoch auch diese Kinderzuschläge, da sie - wenn auch Einkommen der Witwe - für den Unterhalt der Kläger zur Verfügung stünden. Deshalb sei die Rückforderung von 490.- DM ebenfalls berechtigt. Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Die Kläger haben gegen dieses am 6. August 1957 zugestellte Urteil mit einem am 15. August 1957 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25. Januar 1956 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
In der gleichzeitig eingereichten Revisionsbegründung rügen die Kläger eine Verletzung des § 47 Abs. 3 BVG. Die Auslegung, die das LSG. dieser Vorschrift gegeben habe, finde in ihrem Wortlaut keine hinreichende Stütze. Diese Auffassung werde durch die Entscheidungen des 11. Senats des BSG. vom 14. Januar 1958 (BSG. 6 S. 252) und vom 4. September 1958 (NJW. 1958 S. 1845, DVBl. 1959 S. 69), auf deren Begründung Bezug genommen werde, bestätigt. Zwar habe die am 2. August 1958 erlassene Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG (BGBl. I S. 567) die streitige Frage inzwischen in § 15 Abs. 1 Satz 1 im Sinne des Beklagten geregelt. Die Verordnung sei aber hierbei über den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hinausgegangen. Die in § 33 Abs. 2 BVG erteilte Ermächtigung gehe dahin, durch Rechtsverordnung Ausnahmen von § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG zuzulassen und Näheres über die Berechnung des sonstigen Einkommens zu bestimmen. In § 15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung werde jedoch nicht bestimmt, wie das Einkommen der Waise zu berechnen sei, sondern der Einkommensbegriff des § 47 Abs. 3 BVG ausgelegt. Dies bedeute aber einen Eingriff in die Zuständigkeit des Gesetzgebers, so daß insoweit die Rechtsgültigkeit der Verordnung zu bezweifeln sei.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Juli 1957 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, die Verordnung zu § 33 BVG vom 2. August 1957 habe die streitige Frage nunmehr ausdrücklich im Sinne des angefochtenen Urteils geregelt. An diese Verordnung, die sich auch in ihrem § 15 im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung halte, sei das Revisionsgericht gebunden.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Satz 1 SGG) der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die der Mutter der Kläger nach beamtenrechtlichen Vorschriften gezahlten Kinderzuschläge als "für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehendes sonstiges Einkommen" im Sinne des § 47 Abs. 3 BVG bei der Berechnung der Waisenausgleichsrente zu berücksichtigen sind oder nicht. Diese Frage hat bereits der 11. Senat des BSG. in seinem Urteil vom 14. Januar 1958 (BSG. 6 S. 252) verneint. Die Entscheidung geht zunächst davon aus, daß Kinderzuschläge, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften an die Witwe gezahlt werden, rechtlich nicht Einkommen der Waise, sondern Einkommen der Witwe sind. Daß ein solcher Zuschlag - obwohl Bestandteil fremden Einkommens - bei der Ausgleichsrente der Waise anzurechnen sei, ergebe sich - so führt der 11. Senat aus - nicht schon daraus, daß dies in den Verwaltungsvorschriften zu § 47 Abs. 3 BVG bestimmt und in Erklärungen von Regierungsvertretern bei der Beratung des Entwurfs des Gesetzes in dem zuständigen Bundestagsausschuß zum Ausdruck gebracht worden sei. Verwaltungsvorschriften zur Durchführung eines Gesetzes enthielten - ebenso wie Vorgänge aus der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes - keine "authentische Auslegung" gesetzlicher Vorschriften; ihnen sei vielmehr nur zu entnehmen, wie nach Ansicht der Verwaltung ein Gesetz auszulegen sei. Die in ihnen vertretene Auffassung sei nur dann beachtlich, wenn sie auch in der gesetzlichen Vorschrift selbst zum Ausdruck komme; denn Gegenstand der Auslegung sei allein der in einer gesetzlichen Vorschrift zum Ausdruck gelangende "objektivierte Wille" des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergebe. Die den Verwaltungsvorschriften zugrunde liegende Auffassung habe aber im Wortlaut des Gesetzes selbst keinen Niederschlag gefunden. Unter dem "für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden sonstigen Einkommen" des § 47 Abs. 3 BVG könne ebenso wie unter dem "sonstigen Einkommen" im Sinne der §§ 33 Abs. 2 und 41 Abs. 4 BVG nur das eigene Einkommen einer Person verstanden werden; denn nur für das eigene Einkommen sei es selbstverständlich, daß es für den Unterhalt zur Verfügung stehe. Das Einkommen anderer Personen könne nur dann berücksichtigt werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt sei, wie z. B. in § 34 Abs. 2 BVG und §§ 141 e, 141 f des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) a. F., 149, 150 AVAVG n. F.
Dieser Rechtsauffassung des 11. Senats tritt der erkennende Senat bei. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) hat zwar in seinem Rundschreiben vom 3. März 1958 (BVBl. 1958 S. 38) in einer Stellungnahme zu dem angeführten Urteil hinsichtlich der Bedeutung der Verwaltungsvorschriften und der Gesetzesmaterialien für die Gesetzesauslegung darauf hingewiesen, daß der Bundestag anläßlich der zweiten Beratung über den Entwurf des BVG folgende Entschließung angenommen hat:
"Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) in einer Reihe von Fällen von einer Verankerung seiner Wünsche im Gesetz selbst Abstand genommen, da durch die Vertreter der Bundesregierung erklärt wurde, daß die Auslegung und Durchführung im Sinne der Ausschußbeschlüsse gewährleistet wird. Diese Erklärungen der Regierungsvertreter sind protokollarisch festgehalten worden. Sie sind damit ein wesentlicher Bestandteil der Gesetzesauslegung geworden. Der Bundestag schließt sich dem Wunsch des Ausschusses an, daß diese grundsätzlichen Erklärungen bei der Auslegung und Durchführung des Gesetzes beachtet werden."
Im Hinblick auf diese Entschließung komme - so meint der BMA - den Verwaltungsvorschriften und den Erklärungen der Regierungsvertreter bei der Beratung des Gesetzesentwurfs größere Bedeutung zu, als ihnen der 11. Senat des BSG. beimesse (vgl. auch Wilke in KOV. 1958 S. 41 ff.). Dem ist in Übereinstimmung mit einer weiteren Entscheidung des 11. Senats vom 4. September 1958 (NJW. 1958 S. 1845, DVBl. 1959 S. 69), die sich mit dem Rundschreiben des BMA auseinandersetzt, entgegenzuhalten, daß der angeführten Entschließung des Bundestages bei der Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte schon deshalb keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann, weil sie zu unbestimmt gehalten ist. Dem Rundschreiben kann ferner darin nicht gefolgt werden, daß der Gesetzgeber seinen Willen in § 47 Abs. 3 BVG selbst klar zum Ausdruck gebracht habe, weil er in dieser Vorschrift von dem "für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden sonstigen Einkommen" spreche, in den übrigen Anrechnungsvorschriften des BVG dagegen nur vom "sonstigen Einkommen" schlechthin. Diese Formulierung ist nach Ansicht des erkennenden Senats gerade ein Argument gegen die vom BMA und dem angefochtenen Urteil vertretene Auffassung. Wenn der Gesetzgeber den Begriff "sonstiges Einkommen", mit dem bei den anderen Anrechnungsvorschriften des BVG eindeutig nur das eigene Einkommen gemeint ist, bei der Waisenausgleichsrente in gleicher Weise verwendet, ihm aber im Gegensatz zu den übrigen Anrechnungsvorschriften die Worte "dem zum Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden" beifügt, so ist dieser Zusatz im Sinne einer sich innerhalb des Begriffs haltenden Einschränkung zu verstehen, nicht aber im Sinne einer Abänderung oder Erweiterung des Begriffes selbst. Eine solche Einschränkung erscheint auch verständlich; denn das Einkommen einer Waise steht nicht immer in vollem Maße für ihren Unterhalt zur Verfügung. So konnte z. B. der Vater einer Waise nach den inzwischen geänderten Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Ersatzanspruch wegen Aufwendungen haben, die er bei der Sorge für das Vermögen des Kindes gemacht hat (§ 1648 in Verbindung mit § 1649 a. F. ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Ferner müssen Einkünfte von Waisen unter Umständen zur ordnungsgemäßen Verwaltung ihres Vermögens herangezogen werden (§ 1649 BGB n. F.). Eine Durchbrechung des aus den übrigen Anrechnungsvorschriften des BVG zu entnehmenden Grundsatzes, daß nur das eigene Einkommen angerechnet werden kann, hätte ihrer Bedeutung wegen durch einen entsprechend klaren Wortlaut zum Ausdruck kommen müssen. Der Gesetzgeber hat zwar in den §§ 33 und 41 BVG nicht ausdrücklich gesagt, daß nur Einkommen des Beschädigten oder der Witwe anzurechnen ist, weil er dies offensichtlich für selbstverständlich hielt. Denn selbstverständlich ist nur die Anrechnung eigenen Einkommens, nicht dagegen die Berücksichtigung der Einkünfte dritter Personen. Schließlich findet nach § 47 Abs. 4 BVG die Vorschrift des § 33 Abs. 2 BVG, die sich eindeutig nur mit dem eigenen Einkommen des Berechtigten befaßt, auf § 47 Abs. 3 BVG Anwendung; dies deutet darauf hin, daß auch in § 47 Abs. 3 BVG nur die Anrechnung des eigenen Einkommens geregelt ist.
Der 9. Senat des BSG. hat allerdings in seinem Urteil vom 5. Dezember 1956 (BSG. 4 S. 165 (169)) anläßlich einer Entscheidung zu § 51 BVG die Ansicht vertreten, § 47 Abs. 3 BVG sei ein Beispiel dafür, daß das BVG es ausdrücklich bestimme, wenn außer dem Einkommen des Berechtigten ausnahmsweise noch das Einkommen anderer Personen zu berücksichtigen sei. Der erkennende Senat ist hierdurch jedoch nicht nach § 42 SGG genötigt, eine Entscheidung des Großen Senats herbeizuführen. Dies wäre nur erforderlich, wenn die Rechtsansicht, von der abgewichen werden soll, die wesentliche Grundlage des früheren Urteils bilden würde (vgl. Urteil des 2. Senats vom 30. 7.1958 - 2 RU 236/56; RGZ. 134 S. 17 (22)). In dem Urteil des 9. Senats war aber nicht über die Auslegung des § 47 Abs. 3 BVG, sondern über die Auslegung des § 51 BVG zu entscheiden. Nur in diesem Zusammenhang wird § 47 Abs. 3 BVG neben § 34 Abs. 2 BVG als nach Ansicht des 9. Senats zutreffendes Beispiel dafür genannt, daß das Gesetz es ausdrücklich bestimme, wenn außer dem Einkommen des Berechtigten selbst ausnahmsweise noch das Einkommen anderer Personen angerechnet werden solle. Wilke führt in einem Aufsatz (KOV. 1958 S. 41 ff.) aus, auch der 10. Senat vertrete in seinem Urteil vom 12. September 1957 (BSG. 5 S. 293 (297)) eine andere Auffassung. Dies ist jedoch nicht der Fall. In dem angeführten Urteil schließt sich der 10. Senat zwar grundsätzlich dem Urteil des 9. Senats vom 5. Dezember 1956 an, führt aber als Beispiel dafür, daß eine Anrechnung fremden Einkommens stets ausdrücklich im Gesetz geregelt sei, nur§ 34 Abs. 2 BVG an.
Der Beklagte hat sich ferner darauf berufen, daß § 15 Abs. 1 Satz 1 der inzwischen am 1. Mai 1957 in Kraft getretenen Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG vom 2. August 1958 ausdrücklich bestimme, der Kinderzuschlag nach beamtenrechtlichen Vorschriften zähle zu den für den Unterhalt der Waise zur Verfügung stehenden sonstigen Einkünften. Diese Verordnung ist zwar grundsätzlich auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 3 BVG zu beachten, da sie in § 33 Abs. 2 BVG ihre Rechtsgrundlage hat, der nach § 47 Abs. 4 BVG auch auf § 47 Abs. 3 BVG anzuwenden ist. Die Verordnung ist aber, soweit sie in § 15 Abs. 1 Satz 1 eine Bestimmung über Kinderzuschläge nach beamtenrechtlichen Vorschriften enthält, nicht rechtswirksam, weil sie, ohne durch die ihr zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung gedeckt zu sein, das Gesetz abändert. § 47 Abs. 3 BVG betrifft, wie oben dargelegt, nur die Anrechenbarkeit des eigenen Einkommens der Waise. Die Anrechnung von Kinderzuschlägen bedeutet aber eine Anrechnung fremden Einkommens und damit eine Abänderung des Gesetzes. Die umstrittene Frage, ob ein Gesetz durch Verordnung abgeändert werden kann, wenn dies in der ihrem Erlaß zugrunde liegenden Ermächtigung nach Art. 80 GG zugelassen worden ist (bejahend z. B. Wolff in Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 78 S. 194 und JZ. 1954 S. 628; a. M. Mende in DÖV. 1955 S. 625 ff. mit weiteren Hinweisen), kann hier dahingestellt bleiben; denn die Verordnung vom 2. August 1958 geht, soweit sie die Anrechnung beamtenrechtlicher Kinderzuschläge vorschreibt, über den Rahmen der Ermächtigung hinaus.
Die Ermächtigung zum Erlaß der Verordnung ist in § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG enthalten. Danach kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung Ausnahmen von Satz 1 des o. a. Absatzes zulassen und Näheres über die Berechnung des sonstigen Einkommens bestimmen. § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG besagt, daß als sonstiges Einkommen alle Einkünfte in Geld und Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle gelten. Hierunter fallen - wie oben dargelegt - nur eigene, nicht aber fremde Einkünfte. Wenn die Bundesregierung Ausnahmen von dem Begriff "Einkommen" zulassen kann, so bedeutet dies die Befugnis zu bestimmen, daß von den Einkünften in Geld oder Geldeswert einzelne Einkünfte ausnahmsweise nicht als sonstiges Einkommen gelten sollen. Die Ermächtigung deckt also Ausnahmen von dem Grundsatz, daß alle Einkünfte "sonstiges Einkommen" sind. Die auf Grund der Ermächtigung erlassene Verordnung kann demnach nur bestimmen, was kein "sonstiges Einkommen" ist, nicht dagegen - wie in § 15 Abs. 1 Satz 1 - umgekehrt, was "sonstiges Einkommen" der Waise ist. Diese Vorschrift hält sich somit nicht in dem Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung; sie besagt vielmehr, daß auch fremdes Einkommen bei der Berechnung der Waisenausgleichsrente zu berücksichtigen ist, enthält also eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß nur eigenes Einkommen anzurechnen ist. In § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG ist lediglich bestimmt, daß alle Einkünfte des Berechtigten selbst in Geld oder Geldeswert "sonstiges Einkommen" im Sinne des Gesetzes sind. Gegenstand der Ermächtigung kann nur sein, was in § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG geregelt ist.
Die in der Verordnung vom 2. August 1958 hinsichtlich des Kinderzuschlags getroffene Regelung betrifft schließlich auch nicht die "Berechnung" des sonstigen Einkommens. Darunter sind nur die Einzelheiten der rein zahlenmäßigen Berechnung des Einkommens zu verstehen. Wenn die Höhe des Einkommens nicht von vornherein feststeht, soll durch eine Verordnung die Art und Weise der Berechnung des sonstigen Einkommens bestimmt werden können. Hierzu gehört aber nicht die Frage, was anzurechnen ist, d. h. ob überhaupt ein "sonstiges Einkommen" vorliegt. § 15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung vom 2. August 1958 ist hiernach - soweit es sich um die Anrechnung von Kinderzuschlägen nach beamtenrechtlichen Vorschriften handelt - nicht rechtswirksam.
Da das Berufungsgericht § 47 Abs. 3 BVG unrichtig angewendet hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat konnte jedoch in der Sache selbst noch nicht entscheiden. Zu dem für den Unterhalt der Waisen zur Verfügung stehenden sonstigen Einkommen im Sinne des § 47 Abs. 3 BVG gehören auch Leistungen der Mutter auf Grund ihrer Unterhaltspflicht (vgl. BSG. 4 S. 267 ff. und die oben angeführten Entscheidungen des 11. Senats). In dem angefochtenen Urteil fehlen ausreichende Feststellungen darüber, in welcher Höhe solche Unterhaltsleistungen der Mutter als sonstiges Einkommen anzurechnen sind. Das LSG. führt zwar aus, daß die Kinderzuschläge, wenn man sie nicht als nach § 47 Abs. 3 BVG anrechenbares Einkommen ansehe, den Waisen doch auf dem Umwege über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen die Mutter wieder zugute kämen. Diesen Ausführungen ist aber nicht klar zu entnehmen, ob es sich lediglich um hilfsweise angestellte rechtliche Erwägungen oder um tatsächliche Feststellungen handelt. Da der erkennende Senat die tatsächlichen Feststellungen, die noch erforderlich sind, um die Höhe etwaiger Unterhaltsansprüche der Kläger gegenüber ihrer Mutter bestimmen zu können, selbst nicht treffen kann, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen