Leitsatz (amtlich)
Wird eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit in ein sogenanntes flexibles Altersruhegeld umgewandelt, so beginnt dieses frühestens mit dem Beginn des Antragsmonats (Anschluß an BSG 1975-04-30 5 RKn 18/74 = SozR 2600 § 82 Nr 1).
Leitsatz (redaktionell)
Die Umwandlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit in ein sogenanntes flexibles Altersruhegeld ist eine Rentenerhöhung iS von AVG § 67 Abs 3 S 1 = RVO § 1290 Abs 3 S 1.
Normenkette
RVO § 1290 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 67 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1290 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 67 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1290 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 67 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1248 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 25 Abs. 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1248 Abs. 5 Fassung: 1972-10-16; AVG § 25 Abs. 5 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1253 Abs. 3 Fassung: 1975-05-07; AVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1975-05-07; RVO § 1254 Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 31 Abs. 2 Fassung: 1972-10-16
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 1975 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 27. August 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im November 1910 geborene Kläger erhielt seit 1966 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Am 28. März 1973 beantragte er die Umwandlung in ein Altersruhegeld nach § 25 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Die Beklagte entsprach dem Antrag und setzte den Beginn des Altersruhegeldes auf den 1. März 1973 fest.
Die auf Vorverlegung auf den 1. Januar 1973 gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) ab, das Landessozialgericht (LSG) gab ihr statt. Es hat den Beginn des Altersruhegeldes allein nach § 67 Abs. 1 Satz 2 AVG (Ablauf des Monats der Erfüllung der Voraussetzungen) beurteilt. Die Sonderbestimmung in § 67 Abs. 3 Satz 1 AVG für Rentenerhöhungen (Beginn des Antragsmonats) hielt das LSG nicht für anwendbar. Denn die Umwandlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit in das sogenannte flexible Altersruhegeld stelle keine Erhöhung der Rente dar. Unter "Erhöhung" und "Wiedergewährung" könnten nur Vorgänge innerhalb derselben Rentenart verstanden werden. § 67 Abs. 3 Satz 2 AVG gestatte keinen Gegenschluß.
Das LSG hat die Revision wegen Abweichung von einem Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. April 1975 zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte
Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Sie rügt eine Verletzung von § 67 Abs. 3 Satz 1 AVG.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG beurteilt sich der Beginn des Altersruhegeldes hier nach § 67 Abs. 3 Satz 1 AVG.
Nach dieser Vorschrift kann "Erhöhung der Rente" nur vom Beginn des Antragsmonats an verlangt werden. Wie der 5. Senat des BSG in seinem Urteil vom 30. April 1975 (SozR Nr. 1 zu 2600 § 82 RKG; vgl. ferner BSG 22, 208 und SozR Nr. 3 zu 2200 § 1290 RVO) ausgeführt hat, ist unter einer Erhöhung im Sinne dieser Vorschrift auch die Umwandlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit in ein flexibles Altersruhegeld zu verstehen. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei.
Zu Unrecht macht das LSG geltend, "Erhöhung" und "Wiedergewährung" könnten nur bei der gleichen Rentenart in Betracht kommen. § 67 Abs. 3 Satz 1 AVG regelt verschiedene Tatbestände. Zu einer Wiedergewährung kann es kommen, wenn eine Rente entzogen oder weggefallen war und erneut die Voraussetzungen einer Rente erfüllt sind; dann stellt sich das Problem der Identität zwischen der früher bezogenen und der jetzt zu gewährenden Rente. An einem solchen Identitätsproblem fehlt es beim ununterbrochenen Rentenbezug, wenn die Frage einer Rentenerhöhung zu prüfen ist; hier bedarf es keines Vergleichs der früheren mit der späteren Rentenart. Betrachtungen zur Frage der Wiedergewährung einer Rente geben daher keinen Aufschluß darüber, was unter einer "Rentenerhöhung" zu verstehen ist.
Als Erhöhung der Rente kann bereits nach natürlichem Sprachgebrauch jede Verbesserung des Rentenzahlbetrages bezeichnet werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Erhöhungen, die sich aus einer Rentenumwandlung ergeben, hiervon ausgenommen sein sollten. Die Umwandlung wird zwar durch einen neuen Versicherungsfall ausgelöst, der auch einen neuen Leistungsanspruch begründet (Urteil des 12. Senates des BSG vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 100/75 -); gleichwohl ist sie im Rahmen der Vorschriften über die Zusammensetzung und Berechnung der Renten mit der Maßgabe geregelt, daß die neu berechnete Leistung den bisherigen Rentenzahlbetrag nicht unterschreiten darf (vgl. §§ 30 Abs. 2 Satz 3, 31 Abs. 2 Satz 2 AVG). Das Gesetz faßt damit die umgewandelte Rente als Fortsetzung der bereits gewährten Rente und in der Regel als deren Erhöhung auf. Das bestätigt § 67 Abs. 3 Satz 2 AVG, der die im Satz 1 getroffene Regelung für den Beginn einer Rentenerhöhung nicht gelten läßt, wenn ein Empfänger von Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit das 65. Lebensjahr vollendet. Diese Vorschrift ist nur verständlich, wenn man davon ausgeht, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers jede Rentenumwandlung - sofern sie zu einem höheren Rentenzahlbetrag führt - eine Rentenerhöhung darstellt. Die Erwägung des LSG, der Gesetzgeber habe hier für den Fall der Umwandlung in ein Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AVG nur eine Klarstellung treffen wollen, überzeugt nicht. Sie erklärt nicht, warum der Gesetzgeber, wenn er Umwandlungen nicht als Erhöhungen betrachtet wissen wollte, dies nicht allgemein ausgesprochen, vielmehr lediglich eine in ihrer Tragweite begrenzte Klarstellung für erforderlich gehalten haben sollte; wären Umwandlungen keine Erhöhungen, so wäre die Ausnahmevorschrift in § 67 Abs. 3 Satz 2 AVG überflüssig, sie würde nicht der Klarstellung dienen, sondern nur zu Zweifeln Anlaß geben. Ein derartiger Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze der Gesetzgebungstechnik kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
Es trifft auch nicht zu, daß überall dort, wo der Gesetzgeber vom Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AVG spricht, die übrigen Arten des Altersruhegeldes mit gemeint seien; ein derartiger Grundsatz ist dem vom LSG zitierten Urteil des 1. Senats des BSG vom 22. März 1968 (SozR Nr. 8 zu § 1233 RVO) nicht zu entnehmen. Davon abgesehen ist in § 67 Abs. 3 Satz 2 AVG nur von der Vollendung des 65. Lebensjahres die Rede. Daß diese Formulierung allein die Umwandlung in ein Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AVG ansprechen sollte, ergibt der Sinn der Ausnahmevorschrift. Änderungen in den persönlichen Verhältnissen, die zu einer Rentenerhöhung auch in Form einer Umwandlung Anlaß geben können, bleiben dem Versicherungsträger in der Regel verborgen; es wird darum erwartet, daß der Rentenbezieher diese Änderungen geltend macht; darauf beruht § 67 Abs. 3 Satz 1 AVG. Anders ist es dort, wo die Rentenerhöhung wie bei der Rentenumwandlung in ein Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AVG durch den Ablauf eines Kalendertages ausgelöst wird; in diesem Falle kann der Versicherungsträger sicherstellen, daß die erforderlichen Arbeiten rechtzeitig von Amts wegen durchgeführt werden; das schließt es aus, die Regelung in § 67 Abs. 3 Satz 2 AVG auf Umwandlungen in andere Arten des Altersruhegeldes zu übertragen.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen