Beteiligte
Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau, G. K., Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines bei ihr aufgetretenen Pleura-Mesothelioms als Berufskrankheit zustehen.
Der Kläger war von 1964 bis Anfang 1974 als Asbestisolierer bei der Firma T. GmbH & Co KG (M.) beschäftigt. Seine am 30. September 1933 geborene und am 13. September 1992 verstorbene Ehefrau war von 1952 bis 1957 als Packerin berufstätig, danach Hausfrau. Im Februar 1991 wurde bei der Ehefrau des Klägers ein Pleura-Mesotheliom festgestellt, an dessen Folgen sie verstorben ist und das ärztlicherseits nach der Berufskrankheitenanzeige auf die Reinigung der Berufskleidung des Klägers ursächlich zurückgeführt wurde.
Zur Begründung ihres am 8. März 1991 bei der Beklagten eingegangenen Entschädigungsantrages gab die Ehefrau des Klägers an, sie habe von 1964 bis 1974 die vom Asbestspritzen stark verschmutzte Arbeitskleidung ihres Ehemannes regelmäßig gereinigt bzw vom Asbeststaub befreit. Diese nach § 539 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherte Tätigkeit habe bei ihr später die Asbesterkrankung verursacht.
Die Beklagte lehnte es ab, der Ehefrau des Klägers eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil sie in keinem Arbeitsverhältnis zur Firma T. GmbH & Co KG gestanden und somit nicht zum Kreis der gemäß § 539 Abs 1 RVO versicherten Personen gehört habe. Beim Reinigen der Arbeitskleidung ihres Ehemannes sei sie auch nicht wie eine Versicherte für dieses Unternehmen tätig geworden; das Reinigen der Arbeitskleidung habe nicht zu den Verrichtungen gehört, die dem Betrieb zuzurechnen gewesen seien; es habe sich hierbei vielmehr um Tätigkeiten gehandelt, die ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen gewesen seien (Bescheid vom 6. August 1991; Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1991).
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die noch von der Ehefrau erhobene Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 539 Abs 1 und 2 RVO nicht erfüllt seien (Gerichtsbescheid vom 17. Mai 1994). Sie habe nicht wesentlich mit der Tendenz gehandelt, für das Unternehmen der Arbeitgeberin ihres Ehemannes tätig zu werden. Vielmehr sei ihre Handlungstendenz bei der der Hausarbeit zuzurechnenden Reinigung der Kleidung wesentlich allein auf ihren privaten Haushalt gerichtet gewesen. Dies schließe auch die Annahme eines Versicherungsschutzes gemäß § 549 RVO aus.
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. Januar 1995). Die Pleura-Mesotheliom-Erkrankung der Ehefrau des Klägers, die auf die Exposition gegenüber Asbest bei der Reinigung der asbestverschmutzten Arbeitskleidung zurückgeführt werde, habe bereits deshalb keine Berufskrankheit dargestellt, weil seine Ehefrau bei dieser Reinigungstätigkeit nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei. Die Reinigungsarbeiten hätten im inneren Zusammenhang mit dem Haushalt gestanden. Die Handlungstendenz dieser durchgeführten Hausarbeit sei wesentlich auf den eigenen Haushalt gerichtet gewesen und nicht arbeitnehmerähnlich ausgeübt worden. Es sei nicht erkennbar, daß die Handlungstendenz der Ehefrau des Klägers fremdwirtschaftlich auf die Belange der Firma T. GmbH & Co KG ausgerichtet gewesen sei. Daran ändere auch nicht der Gesichtspunkt der objektiven Gefährlichkeit von Asbest. Daß dieser Umstand bekannt gewesen sei, könne nicht als Argument dafür herangezogen worden werden, daß die Handlungstendenz bei der Reinigung der Arbeitskleidung fremdwirtschaftlich auf die Belange der Firma T. GmbH & Co KG ausgerichtet gewesen sei. Auch der Umstand, daß nach § 7 der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) ab dem 1. April 1993 der Unternehmer für die Reinigung der Arbeitskleidung zu sorgen hatte, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Änderung der UVV habe keine Änderung der subjektiven Vorstellungen oder Auffassungen der Ehefrau bewirkt. Die Arbeitskleidung sei auch nach der Änderung der UVV nicht von der Firma T. GmbH & Co KG zur Verfügung gestellt oder gereinigt worden. Damit sei auch die Annahme eines Versicherungsschutzes nach § 549 RVO ausgeschlossen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht der Kläger geltend, seine Ehefrau sei bei der Reinigung der Arbeitskleidung wie eine Versicherte und sogar schließlich wie der Unternehmer tätig geworden. Ab dem 1. April 1973 habe nämlich der Unternehmer für die Reinigung der Arbeitskleidung zu sorgen gehabt. Die Arbeitskleidung habe keinen Bezug zum Familienhaushalt, sondern zum Arbeitsplatz. Außerdem habe es sich zugleich um die Instandhaltung von Arbeitsgerät gehandelt. Im Hinblick auf die Asbestbelastungen nach dem Meßbericht betreffend der Firma T. GmbH & Co KG könne die Sozialgerichtsbarkeit unmöglich davon ausgehen, daß es sich für die geschädigten Ehefrauen um eine Privatsache gehandelt habe. Dies verstoße gegen Art 3 Grundgesetz (GG) und Art 6 der Menschenrechtskonvention (MRK).
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 1995, den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Duisburg vom 17. Mai 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 1991 idG des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlaß der Berufskrankheit der Nr 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung seiner verstorbenen Ehefrau G. K. die gesetzlichen Leistungen zu gewähren;
- hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 1995 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Erkrankung seiner Ehefrau an einem (durch Asbest verursachten) Mesotheliom des Rippenfells ist nicht als Berufskrankheit der Nr 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu entschädigen. Denn die Ehefrau des Klägers stand bei der Reinigung der durch Asbest kontaminierten Arbeitskleidung ihres Ehemannes in der Zeit von 1964 bis Anfang 1974 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie erlitt somit dabei keine von der Beklagten zu entschädigende Berufskrankheit, wie der Senat bereits in dem nahezu gleichgelagerten Rechtsstreit mit Urteil vom 13. Oktober 1993 – 2 RU 53/92 – (BSG, SozSich 1994, 392 = Meso B 10/515 = HV-INFO 1993, 2626 ff) entschieden hat.
Nach der – hier für einen Unfallversicherungsschutz allein in Betracht kommenden – Vorschrift des § 539 Abs 2 RVO sind gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die wie eine nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versicherte Person – wenn auch nur vorübergehend – tätig werden. Dies erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Fremdunternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 15 mwN) und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluß, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Tätigkeit muß in einem inneren Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen stehen. Denn nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird für das Unternehmen und in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Sofern die Tätigkeit nach den objektiven Umständen arbeitnehmerähnlich ist, hat der Senat für die Frage, ob § 539 Abs 2 RVO zu bejahen ist, der Handlungstendenz der betreffenden Person eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Diese von den Motiven für den Entschluß, tätig zu werden, zu unterscheidende Handlungstendenz zeigt an, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt wird. Die notwendige Handlungstendenz kommt schon in dem von der Rechtsprechung gebrauchten Begriff der dem Unternehmen zu „dienen” bestimmte Tätigkeit zum Ausdruck. Damit die Handlung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für ein Unternehmen gewertet werden kann, muß die Tendenz der zum Unfall führenden Handlung wesentlich auf die Belange des unterstützten Unternehmens gerichtet sein. Verfolgt eine Person mit ihrem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, wird sie wesentlich allein in eigenem Interesse tätig, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung (BGH VersR 1985, 1082, 1083) und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses sondern eigenwirtschaftlich tätig. Sie steht dann daher auch nicht nach § 539 Abs 2 RVO wie ein nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG SozR 2200 § 539 Nr 119, BSG, Urteil vom 13. Oktober 1993, aaO).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG stand die Reinigung der Arbeitskleidung des Klägers als Teil der Hausarbeit im inneren Zusammenhang mit dem Haushalt der Ehefrau des Klägers. Ihre Handlungstendenz war damit sowohl nach ihrer subjektiven Auffassung als auch nach den objektiven Umständen nicht fremdwirtschaftlich auf die Belange der Firma T. GmbH & Co KG gerichtet.
Nach den Feststellungen des LSG war nicht einmal dem Kläger, der mit Asbest arbeitete, und – vermutlich – erst recht nicht seiner Ehefrau, die vom Kontakt mit diesem Stoff ausgehende hohe Gesundheitsgefährdung bekannt. Schon deshalb kann die Gefährlichkeit von Asbest nicht als Argument dafür herangezogen werden, daß die Ehefrau deshalb bei der Reinigung der Arbeitskleidung des Klägers für die Firma T. GmbH & Co KG handeln wollte. Somit kann auch dahinstehen, ob bei Kenntnis der Gefährlichkeit des Asbeststaubes die Ehefrau des Klägers nicht vielmehr die Reinigung der Kleidung aufgegeben hätte und nicht – wie die Revision meint – wegen der Gefährlichkeit der Kleiderreinigung diese Tätigkeit zwar nicht mehr für ihren Ehemann wohl aber für dessen Arbeitgeber hätte verrichten wollen.
Der Umstand, daß zum 1. April 1973 eine Änderung der UVV erfolgte, rechtfertigt demnach keine Änderung der rechtlichen Beurteilung. Nach § 7 UVV „Schutz gegen gesundheitsgefährlichen mineralischen Staub” (VBG 119) hat zwar der Unternehmer eines Betriebes, in dem gesundheitsgefährlicher mineralischer Staub auftreten kann, ua dafür zu sorgen, daß die Arbeitskleidung der Versicherten regelmäßig gereinigt wird; dabei war zu vermeiden, daß gesundheitsgefährlicher mineralischer Staub in die Atemluft gelangt. Die Ehefrau des Klägers war aber bei der Reinigung der Arbeitskleidung weiterhin nicht für die Firma T. GmbH & Co KG, sondern für ihren Haushalt tätig. Damit war ihre Handlungstendenz bei der Reinigung der Arbeitskleidung wesentlich auf ihren Haushalt gerichtet. Somit entfällt ein Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO und auch nach § 549 RVO bei einer Instandhaltung von Arbeitsgerät. Schließlich ist zu beachten, daß eine Tätigkeit wie ein Arbeitnehmer auch dem zumindest mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen muß. Daß dies aber hier angenommen werden könnte, ist nicht ersichtlich. Es kann insbesondere nicht daraus, daß der Betrieb nicht die Arbeitskleidung reinigen ließ, geschlossen werden, es entspreche seinem mutmaßlichen Willen, die Kleidung zwar nicht im Betrieb, wohl aber in den Wohnungen der Arbeitnehmer durch deren Angehörige wie durch eigene Beschäftigte des Unternehmens reinigen zu lassen.
Zumindest auch als Mitunternehmerin des Familienhaushalts war die Ehefrau des Klägers gemäß §§ 542, 543, 545 RVO nicht versichert.
Ein Verstoß gegen Art 3 GG und Art 6 MRK ist nicht ersichtlich. Die im nahezu gleichgelagerten Rechtsstreit gegen das Urteil vom 13. Oktober 1993 – 2 RU 53/92 – eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluß vom 12. Januar 1994 – 1 BvR 2143/93 –).
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen