Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung. Berücksichtigung während des Bezuges von Übergangsgeld. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung sind nicht solche Zeiten, in denen wegen des zeitgleichen Bezugs von Übergangsgeld Versicherungspflicht bestand, wenn die Fachschulausbildung alleiniger Inhalt einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme gewesen ist, für die der Rehabilitationsträger Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat.
2. Bei gleichzeitiger Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit und eines (unzutreffenden) Anrechnungszeittatbestands besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage.
Normenkette
SGB VI § 54 Abs. 3 S. 1, § 58 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3-4, S. 3, § 71 Abs. 2, § 149 Abs. 5 Sätze 1, 3, §§ 228, 247 Abs. 2, § 252 Abs. 2; RVO § 1227 Abs. 1 Nr. 8a Buchst. c, Abs. 1a Fassung: 1974-08-07, Abs. 1a Fassung: 1982-12-20; AFG § 56; SGG § 54 Abs. 1, 4, § 86
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die teilweise Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2002 entfällt.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Zeiten vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 im Versicherungsverlauf des Klägers nur als Pflichtbeitragszeiten und nicht zugleich auch als Anrechnungszeiten vorzumerken sind.
Der im Jahre 1950 geborene Kläger, gelernter Kfz-Mechaniker, absolvierte im Zeitraum vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 an der Staatlichen Technikerschule Berlin ein Studium mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Techniker - Fachrichtung Versorgungstechnik". Träger der berufsfördernden Bildungsmaßnahme, in deren Rahmen die Umschulung stattfand, war gemäß § 56 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die Bundesanstalt für Arbeit (BA). Diese zahlte während der in Vollzeit absolvierten Maßnahme Übergangsgeld und entrichtete während des gesamten streitigen Zeitraums Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Rahmen eines erstmals im Dezember 2000 gestellten Antrags auf Kontenklärung teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 7.9.2001 mit, dass er die Anerkennung der Zeit in der Technikerschule nicht als Anrechnungszeit begehre. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 21.12.2001 die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen (Zeiten bis 31.12.1994) als für die Beteiligten verbindlich fest (§ 149 Abs 5 SGB VI). Die Zeit der Umschulung vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 wies sie sowohl als Pflichtbeitragszeit wie auch als Fachschulausbildung aus. Im Rahmen des Widerspruchs, mit dem er sich gegen die Vormerkung der Umschulungsmaßnahme als Anrechnungszeit wandte, beantragte der Kläger die Feststellung der Zeiten nach dem seit 1.1.2002 gültigen Rentenrecht. Daraufhin erließ die Beklagte den weiteren Vormerkungsbescheid vom 15.1.2002 (über Zeiten bis 31.12.1995). Die Vormerkung der streitigen Zeiten der Umschulungsmaßnahme im Versicherungsverlauf blieb unverändert. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6.5.2003). Die Beklagte führte aus, dass die Ausschlussregelung des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI nicht für vom Arbeitsamt gewährte berufsfördernde Bildungsmaßnahmen gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die schulische Ausbildung zugleich eine Pflichtbeitragszeit sei, für die vom Arbeitsamt Pflichtbeiträge entrichtet worden seien.
Auf die Klage hat das SG Berlin mit Urteil vom 19.10.2006 unter Abänderung des Bescheids vom 21.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2003 die Beklagte verurteilt, den Zeitraum vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 allein als Pflichtbeitragszeit in den Versicherungsverlauf einzustellen und die Anerkennung einer Anrechnungszeit aufzuheben. Das LSG hat mit Urteil vom 15.10.2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, den Tenor jedoch neu gefasst und die Bescheide der Beklagten vom 21.12.2001 und 15.1.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2003 insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Zeit vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 als Zeit der Fachschulausbildung vorgemerkt hat. Nach einer im Berufungsverfahren eingeholten Probeberechnung der Beklagten betrug die Rentenanwartschaft des Klägers am 5.6.2009 unter Berücksichtigung der streitigen Zeiten als Anrechnungszeit 64,3862 Entgeltpunkte (EP), während sie ohne Berücksichtigung als Anrechnungszeit 66,2982 EP ergab. Das LSG ist unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG (SozR 3-2600 § 149 Nr 6 - Juris RdNr 26) von einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ausgegangen. Nach der Probeberechnung könne die Vormerkung für die Zeit der Umschulung rentenrechtlich relevant werden und sich auf die Höhe der Rente auswirken. Streitgegenständlich sei auch der Bescheid vom 15.1.2002 geworden (§ 86 SGG). Zwar seien die Zeiten der Umschulung bereits mit Bescheid vom 21.12.2001 verbindlich als "Fachschulausbildung" vorgemerkt worden, sodass der Bescheid vom 15.1.2002 zunächst keine eigene Wirkung entfaltet habe. Da der Bescheid vom 21.12.2001 vom SG jedoch zutreffend (teilweise) aufgehoben worden sei, habe der nachfolgende Bescheid vom 15.1.2002 den streitigen Zeitraum erstmals als Anrechnungszeit vorgemerkt. Daher sei er ebenfalls (teilweise) aufzuheben gewesen.
Das SG habe zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Vormerkung einer Anrechnungszeit während des streitigen Zeitraums nicht vorgelegen hätten. Zwar erfülle die absolvierte Schulausbildung die Voraussetzungen von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI. Die Vormerkung der Anrechnungszeit sei gleichwohl gemäß § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I S 2998) ausgeschlossen. Demnach seien Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, keine Anrechnungszeiten. Das LSG teile nicht die Auffassung der Beklagten, wonach § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI lediglich auf die Tatbestände von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 3 SGB VI anwendbar sei (Anrechnungszeittatbestände wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit). Eine solche Auslegung sei nicht vertretbar, insbesondere stützten weder Kommentare noch das von der Beklagten erwähnte Urteil des Bayerischen LSG (vom 30.8.2006 - L 1 R 4008/04 - Juris) diese Rechtsmeinung. Schon der Wortlaut von § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI zeige, dass sämtliche Anrechnungszeittatbestände in § 58 Abs 1 Satz 1 SGB VI gemeint seien. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift untermauerten dieses Ergebnis. Die Gesetzesmaterialien (Hinweis auf BT-Drucks 11/4124, S 167 zu § 58) belegten, dass Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren - abgesehen von einer Übergangsphase -, vollwertige Beitragszeiten und nicht Anrechnungszeiten darstellten. Sinn der Vorschrift sei, dass dieselbe Zeit nicht zugleich als Beitrags- und auch als Anrechnungszeit berücksichtigt werde (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg vom 16.12.2004 - L 10 RA 4286/02 - Juris RdNr 28; nachgehend das unstreitig erledigte Revisionsverfahren - B 4 RA 4/05 R). Die Ausnahmevorschrift des § 252 Abs 2 SGB VI sei hier nicht einschlägig.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie meint, dass nur der Bescheid vom 21.12.2001 die streitige Vormerkung regele, und rügt die fehlerhafte Anwendung des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI auf den vorliegenden Sachverhalt. Aus der Gesetzgebungshistorie zum Rentenreformgesetz 1992 ergebe sich, dass der Gesetzgeber durch diese Vorschrift nur Anrechnungszeiten im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitslosigkeit, nicht hingegen Ausbildungsanrechnungszeiten habe ausschließen wollen (Hinweis auf BT-Drucks 11/4124, S 167). Auch wenn die vorliegende Konstellation nicht den zeitlichen Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung von § 252 Abs 2 SGB VI betreffe, seien dieser Vorschrift Anhaltspunkte zu entnehmen, dass § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI nur Zeiten der Arbeitsunfähigkeit umfasse. Der Lebenssachverhalt "Schulausbildung" habe für sich genommen zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der deutschen Rentenversicherung Beitragszeiten nach sich gezogen; anders hingegen die Lebenssachverhalte "Arbeitsunfähigkeit" bzw "Arbeitslosigkeit". Dem Sinn und Zweck der Norm entsprechend finde § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI keine Anwendung, wenn "zufällig" Pflichtbeitragszeiten wegen Sozialleistungsbezugs mit einer nicht im notwendigen Zusammenhang mit Sozialleistungsbezug stehenden Anrechnungszeit zusammenfielen. Eine generelle Regelung, dass Anrechnungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten nicht zu berücksichtigen seien, wie es gemäß dem vor dem 1.1.1992 geltenden Recht der RVO anerkannt gewesen sei, enthalte § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI nicht. Diese Vorschrift wolle verhindern, dass auf Grund ein und desselben Lebenssachverhalts Pflichtbeitragszeiten und zugleich auch Anrechnungszeiten entstehen könnten.
Soweit der Kläger Übergangsgeld während der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI erhalten habe, werde dieser Anrechnungszeittatbestand durch § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI ausgeschlossen, anders hingegen, soweit er während desselben Zeitraums eine Fachschule besucht habe. Dieser Umstand stehe dann nicht in einem notwendigen Zusammenhang mit dem Lebenssachverhalt "Teilhabe am Arbeitsleben". Der Anrechnungszeittatbestand des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI werde durch § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI nicht verdrängt. Andernfalls wäre dem Rechtsinstitut der beitragsgeminderten Zeiten ein wichtiger Anwendungsbereich entzogen. Die von der Beklagten favorisierte Auslegung zu § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI belaste die Betroffenen nicht durchgängig. Denn nach § 71 Abs 2 SGB VI sei für beitragsgeminderte Zeiten die Summe der EP um einen Zuschlag derart zu erhöhen, dass mindestens der Wert erreicht werde, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten hätten.
|
|
Die Beklagte beantragt, |
|
die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 19.10.2006 und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15.10.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
|
|
Der Kläger beantragt, |
|
die Revision zurückzuweisen. |
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere weist er darauf hin, dass kein Grund ersichtlich sei, weshalb die Beklagte den Lebenssachverhalt, der durch die Gewährung des Übergangsgelds durch das Arbeitsamt untrennbar mit der Bildungsmaßnahme verbunden gewesen sei, nunmehr trennen wolle. Im streitigen Zeitraum sei keine Ausbildung neben einer Beitragszeit erfolgt, sondern der Besuch der Technikerschule sei Inhalt einer durch das Arbeitsamt geförderten Rehabilitationsmaßnahme gewesen, für die Pflichtbeiträge als Folge des Sozialleistungsbezugs gezahlt worden seien. Auf diese Konstellation finde § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI uneingeschränkte Anwendung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Vormerkung der Zeiten vom 18.2.1980 bis zu dem 19.1.1982 als (beitragsfreie) Anrechnungszeiten "Fachschulausbildung" in seinem Versicherungsverlauf. Das LSG hat die Berufung der Beklagten daher zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist zulässig, soweit sie den Vormerkungsbescheid vom 21.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2003 betrifft.
a) Der Kläger begehrt (§ 123 SGG) die Streichung des vorgemerkten Anrechnungszeittatbestands der "Fachschulausbildung" aus seinem Versicherungsverlauf (§ 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI). Dieses Anfechtungsbegehren ist zulässig, da die Anerkennung (Vormerkung) rentenrechtlicher Zeiten der (fach)schulischen Ausbildung - und mithin ihre Aufhebung - ein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X ist (vgl BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14). Durch den Vormerkungsbescheid werden rechtserhebliche Tatbestände von beitragsfreien Zeiten für die jeweiligen Bezugsmonate verbindlich festgestellt mit der Folge, dass diese Zeiten als sog beitragsfreie Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind (BSG SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 10 mwN). Da die Beklagte den streitigen Zeitraum zugleich auch als Pflichtbeitragszeit im Versicherungsverlauf vorgemerkt hat, bedarf es keiner kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Die notwendige Beschwer ergibt sich, weil durch die Ausweisung des Zeitraums als Pflichtbeitrags- und als Anrechnungszeit im Leistungsfall beitragsgeminderte Zeiten (§ 54 Abs 3 Satz 1 SGB VI) bei der Rentenberechnung zu Grunde zu legen wären. Nach den eingeholten Probeberechnungen würde die Berücksichtigung von beitragsgeminderten Zeiten im streitigen Zeitraum die Rentenhöhe des Klägers ungünstig beeinflussen.
b) Für dieses Begehren besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger muss sich nicht auf das zukünftige Rentenverfahren verweisen lassen (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI); es geht nicht um Fragen der Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten. Er hat vielmehr Anspruch auf zutreffende Feststellung seiner im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten im Vormerkungsbescheid, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen (§ 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI). Demnach ist im Vormerkungsverfahren auf der Grundlage des im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt geltenden materiellen Rechts vorab zu klären, ob der behauptete Anrechnungszeittatbestand iS des SGB VI nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist und ob die generelle Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich relevant werden kann (vgl BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 15; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 46/02 R - Juris RdNr 28; BSG SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 10 f mit Anmerkung Wahl jurisPR - SozR 12/2005 Anm 4 unter D b).
Selbst wenn die "Fachschulausbildung" des Klägers den gesetzlichen Tatbestand einer (beitragsfreien) Anrechnungszeit (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI) nach seinen zum Feststellungszeitpunkt rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen erfüllte (vgl BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 9 S 52), wäre diese Vormerkung unzutreffend, wenn mit dem LSG - jedoch gegen die Rechtsmeinung der Beklagten - die Norm des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI griffe, wonach "Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren", nicht Anrechnungszeiten sind. In diesem Fall läge keine Anrechnungszeit vor ("sind nicht"). Schon der Wortlaut der Vorschrift legt den gesetzlichen Ausschluss einer Anrechnungszeit nahe, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (wie hier Niesel in Kasseler Komm, SGB VI, § 58 RdNr 89, Stand 2002; Löns in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 58 RdNr 40; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 58 RdNr 150, Stand 2003; Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, § 58 SGB VI Anm 10, Stand April 2003). Dann aber handelt es sich auch dem Sinn nach weder um eine Anrechnungs- noch um eine Bewertungsvorschrift iS von § 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI.
2. Die Anfechtungsklage ist allerdings unzulässig, soweit das LSG ihr das Begehren unterlegt hat, auch den zweiten Vormerkungsbescheid vom 15.1.2002 aufzuheben (und entsprechend entschieden hat). Dem LSG ist nicht darin zu folgen, dass dieser Vormerkungsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage war. Deshalb bedurfte es auch keiner teilweisen Aufhebung dieses Bescheids im Berufungsverfahren; dieser Teil des Berufungsurteils war daher durch die aus dem Tenor ersichtliche Maßgabe zu beseitigen. Gemäß § 86 SGG wäre der zweite Vormerkungsbescheid nur dann Gegenstand des gegen den ersten Vormerkungsbescheid vom 21.12.2001 gerichteten Widerspruchsverfahrens geworden, wenn er diesen abgeändert hätte. Der Vormerkungsbescheid vom 15.1.2002 hat aber nur die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen (Zeiten bis 31.12.1995) für die Beteiligten verbindlich festgestellt, soweit sie nicht bereits früher festgestellt waren. Da jedoch der Vormerkungsbescheid vom 21.12.2001 bereits die Daten für den streitigen Zeitraum festgestellt hatte, erstreckte sich die Regelungswirkung des zweiten Vormerkungsbescheids jedenfalls nicht hierauf. Entgegen der Ansicht des LSG sind die entsprechenden (nachrichtlichen) Ausführungen in dem dem Vormerkungsbescheid vom 15.1.2002 beigefügten Versicherungsverlauf auch nicht dadurch zu einer Regelung erstarkt, dass der Kläger mit seinem Klageantrag hinsichtlich des Bescheids vom 21.12.2001 obsiegt hat. Entsprechendes gälte für den von den Beteiligten im Revisionsverfahren erwähnten dritten Vormerkungsbescheid vom 14.2.2006, der während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangen ist, ohne dass die Beklagte diesen Bescheid im Gerichtsverfahren vorgelegt hätte.
3. Im zulässigen Umfang ist die Anfechtungsklage auch begründet. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Aufhebung des Vormerkungsbescheids vom 21.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2003, soweit darin der streitige Zeitraum vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 - neben der zu Recht vorgemerkten Pflichtbeitragszeit - unzutreffend gleichzeitig als (beitragsfreie) Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" im Versicherungsverlauf vorgemerkt worden ist. Dadurch ist der Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die Vormerkung ist § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI. Hat danach der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen, stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest. Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG hat der Kläger vom 18.2.1980 bis zum 19.1.1982 eine schulische Ausbildung an der Staatlichen Technikerschule Berlin in Vollzeitunterricht absolviert, sodass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI im streitigen Zeitraum an sich erfüllt sind. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Die Feststellung dieser (beitragsfreien) Anrechnungszeit im Versicherungsverlauf ist jedoch ausgeschlossen, weil der Kläger im selben Zeitraum wegen des Bezugs von Sozialleistungen (während der Fachschulausbildung) versicherungspflichtig war.
Gemäß § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI aF (in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung des RRG 1999) waren Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, nicht Anrechnungszeiten. Nach der aktuellen Fassung des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI (in der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Fassung des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21.3.2001, BGBl I S 403) ist diese Vorschrift auf den Personenkreis "nach Vollendung des 25. Lebensjahres" beschränkt worden. Da der im Jahre 1950 geborene Kläger dieses Lebensalter bereits zu Beginn des streitigen Zeitraums überschritten hatte, kann der Senat offen lassen, welche Gesetzesfassung dem Vormerkungsbescheid vom 21.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2003 zu Grunde zu legen war.
Auch im Übrigen erfüllt der Kläger für die streitige Zeit die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI (a), ohne dass diese Vorschrift durch Sonderregelungen ausgeschlossen wäre (b). Dies stimmt auch mit Sinn und Zweck des Gesetzes überein (c).
a) Dem LSG ist beizupflichten, dass der Wortlaut des Ausschlusstatbestands von § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI ("sind nicht Anrechnungszeiten") keinen Anhaltspunkt dafür enthält, ihn nicht auch auf den Anrechnungszeittatbestand von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI anzuwenden. Tragfähige Gesichtspunkte für die von der Beklagten getroffene einschränkende Auslegung von § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI finden sich weder nach der Formulierung des Gesetzes noch nach weiterer Auslegung der Vorschrift.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum im Sinne dieser Vorschrift "wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig". Wie auch nach der heutigen Rechtslage bestand nach dem Vorläuferrecht der RVO in der hier vorliegenden Konstellation Sozialversicherungspflicht wegen des Bezugs von Sozialleistungen.
Das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (≪RehaAnglG≫ vom 7.8.1974, BGBl I 1881) hatte die soziale Absicherung von Personen während der Teilnahme an Rehabilitationsverfahren verbessert. Für Personen, die wegen berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation Übergangsgeld bezogen, wurde Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung eingeführt. Im Zeitraum vom 1.10.1974 bis 31.12.1983 wurde durch den Bezug von Übergangsgeld durch einen "sonstigen Träger der Rehabilitation" und unter der Voraussetzung, dass für mindestens einen Monat Übergangsgeld gezahlt sein musste, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet (§ 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst c, Abs 1a RVO = § 2 Abs 1 Nr 10a Buchst c, Abs 1b Angestelltenversicherungsgesetz = § 29 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst c, Abs 1a Reichsknappschaftsgesetz jeweils idF des RehaAnglG; die genannten Vorschriften wurden mit Wirkung vom 1.1.1983 durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20.12.1982, BGBl I 1857 dahingehend geändert, dass die Pflichtbeiträge nur noch zu Ausfallzeiten führten, und mit Wirkung vom 1.1.1984 durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983, BGBI I 1532 vollends aufgehoben). Mit Wirkung vom 1.7.1978 war eine teilweise Übertragung der Zuständigkeiten für die berufliche Rehabilitation von den Trägern der Rentenversicherung auf die BA erfolgt (durch das 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27.6.1977, BGBl I 1040). Der Rentenversicherungsträger war für berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahmen nur noch dann zuständig, wenn Versicherte ua eine Wartezeit von 180 Kalendermonaten erfüllt hatten (vgl Ilgenfritz, ZfS 1977, 177, 181; Elsner, SozSich 1977, 261, 263).
Für den hier interessierenden Zeitraum vom 18.2.1980 bis 19.1.1982 bestand damit wegen des Bezugs von Übergangsgeld Versicherungspflicht, weshalb vollwertige Beiträge von der BA an den beklagten Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind (vgl auch BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 2 S 10 beim Bezug von Krankengeld).
b) Die Sonderregelungen des SGB VI schließen die Anwendbarkeit des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI nicht aus.
§ 228 SGB VI, mit dem der Erste Abschnitt des Fünften Kapitels des SGB VI (§§ 228 bis 299 SGB VI) beginnt, legt fest, dass die Vorschriften dieses Abschnitts, zu dem auch § 252 (Anrechnungszeiten) und § 247 (Beitragszeiten) gehören, die Vorschriften der vorangehenden Kapitel für Sachverhalte ergänzen, die von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften der vorangehenden Kapitel an nicht mehr oder nur noch übergangsweise eintreten können. Diese Sonderregelungen sind Übergangsregelungen, die lediglich ergänzende Funktion haben (vgl BSG vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - Juris RdNr 19; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 2 RdNr 6 mwN).
Zutreffend hat das LSG festgestellt, dass der Tatbestand der Sonderregelung für Anrechnungszeiten des § 252 Abs 2 SGB VI bereits wegen des hier im Streit stehenden Zeitraums nicht greift. Denn die BA hat nicht "in der Zeit vom 1. Januar 1983 … bis zum 31. Dezember 1997" für den Kläger wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge oder Beiträge für Anrechnungszeiten gezahlt. Die hier streitigen Zeiten liegen vor diesem Zeitraum. Eine erweiternde Auslegung der eindeutig formulierten Vorschrift verbietet sich schon wegen ihres Ausnahmecharakters. Die weiteren Übergangstatbestände des § 252 Abs 1, 3 bis 9 SGB VI greifen von vornherein nicht bzw treffen keine ungünstigere Regelung (Abs 7 Satz 1 Nr 1).
Ob die Sonderregelung des § 247 Abs 2 SGB VI auch den Kläger erfasst, kann der Senat offen lassen. Sie enthält für diese Konstellation jedenfalls keine im Vergleich zum Vorläuferrecht ungünstigere Regelung.
Der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen LSG vom 30.8.2006 (L 1 R 4008/04 - Juris) kann nichts Gegenteiliges entnommen werden, weil diesem Urteil ein nicht vergleichbarer Zeitraum (von September 1997 bis Mitte 1998) zu Grunde lag.
c) Dieses Ergebnis stimmt auch mit Sinn und Zweck von § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI überein. Zwar schließen Pflichtbeiträge Ausfallzeiten (Anrechnungszeiten) nicht generell aus (vgl BSG vom 19.12.1995 - 4 RA 84/94 - Juris RdNr 28), wenn auch im Rentenversicherungsrecht grundsätzlich auf ein und denselben Lebenssachverhalt nicht zugleich Regeln über verschiedene rentenrechtliche Zeiten (§ 54 SGB VI) anwendbar sein sollten (vgl BSG aaO - Juris RdNr 25 mwN). Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. In der Rechtsprechung des BSG wurde die Frage, ob Ausfall- und/oder Beitragszeiten für denselben Zeitraum zu berücksichtigen waren, danach unterschieden, ob das Absolvieren der Ausbildung Bestandteil der Arbeitspflicht des beitragspflichtigen Beschäftigungs- bzw Dienstverhältnisses ist, oder ob das Ausbildungsverhältnis und das Beschäftigungsverhältnis lediglich zeitlich nebeneinander stehen (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 107 S 287; BSGE 56, 151, 154 = SozR 2200 § 1259 Nr 82 S 227; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 90 S 242). Nach diesem Maßstab hat das BSG zB eine büropraktische Ausbildung, die Teil einer umfassenden Rehabilitationsmaßnahme (Umschulung als Bürokaufmann) war und während derer auf Grund des Bezugs von Übergangsgeld Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1227 Abs 1 Nr 8a Buchst c) RVO bestand, nicht als Ausfallzeit anerkannt (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 107).
Der Kläger hat nach den bindenden Feststellungen des LSG die Sozialleistung "Übergangsgeld" als Lohnersatz während der im Rahmen der berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme absolvierten Fachschulausbildung bezogen (§§ 56, 57, 59 AFG). Die Fachschulausbildung war Bestandteil der berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme. Wenn eine Ausbildung aber zugleich Inhalt und Pflicht einer Rehabilitationsmaßnahme ist, so kann nicht die darin absolvierte Ausbildung, sondern nur die sie umschließende berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme rentenversicherungsrechtlich ausschlaggebend sein. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die schulische Ausbildung hiervon nicht losgelöst als selbstständige Anrechnungszeit eingeordnet werden, sondern versicherungsrechtlich in diesem Fall nur das Schicksal der Rehabilitationsmaßnahme teilen (vgl BSGE 56, 5, 7 f = SozR 2200 § 1259 Nr 79 S 218 zur Fachschulausbildung im Rahmen eines militärischen Dienstverhältnisses). Dies gilt insbesondere, wenn die Fachschulausbildung - wie hier - in Vollzeit absolviert wurde; denn dann ist sie nur als alleiniger Inhalt der Rehabilitationsmaßnahme denkbar. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie meint, die Fachschulausbildung gesondert und unabhängig von der Rehabilitationsmaßnahme rentenrechtlich berücksichtigen zu müssen.
Besteht aber nach den obigen Ausführungen Anspruch auf Vormerkung einer Zeit, die insgesamt und einheitlich als berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme (in Form einer Fachschulausbildung) rentenversicherungsrechtlich zu berücksichtigen ist, so bestreitet selbst die Beklagte nicht, dass der Anrechnungszeittatbestand des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ("Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben") vom Ausschlussgrund des § 58 Abs 1 Satz 3 SGB VI verdrängt wird.
Die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten für eine Fachschulausbildung (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI) bezweckt im Übrigen regelmäßig einen Ausgleich dafür, dass Versicherte im jungen Lebensalter durch in ihrer Person liegende Umstände des Schulbesuchs gehindert sind, einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und so Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten (vgl zB BSG SozR 2200 § 1259 Nr 102 S 276; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 23 S 70; zuletzt Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 29/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Anrechnungszeiten beruhen daher - da sie ohne eigene Beitragsleistung erworben sind - überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind somit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (vgl BVerfGE 58, 81, 112). Ihr Zweck liegt im Ausgleich fehlender Pflichtbeiträge. Von einer vergleichbaren Konstellation kann aber nicht ausgegangen werden, wenn der Rehabilitationsträger - wie hier - wegen der als berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme absolvierten Fachschulausbildung vollwertige Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung aus dem Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zahlt, das dem Übergangsgeld zu Grunde liegt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2713082 |
FA 2012, 63 |
SGb 2011, 568 |