Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Sonderzahlungen (Urlaubs-und Weihnachtsgeld) bei der Berechnung des Regellohnes
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einem Rechtsstreit über die Höhe eines Übergangsgeldes der Versicherungsträger durch ein Grundurteil iS des § 130 SGG verpflichtet worden, der Leistungsberechnung einen bestimmten Monat als Bemessungszeitraum zugrundezulegen, so erwächst diese Festlegung in Rechtskraft, wenn sie nicht durch ein Rechtsmittel angefochten wird und im weiteren Rechtszug nur andere Berechnungselemente streitig bleiben.
2. Der Senat hält an der im Urteil vom 1980-03-20 11 RA 60/79 = SozR 2200 § 1241 Nr 15 vertretenen Rechtsauffassung fest, daß bei der Berechnung des Übergangsgeldes jährlich wiederkehrende Sonderzahlungen nicht, auch nicht anteilig, zu berücksichtigen sind, wenn sie nicht im maßgebenden Bemessungszeitraum dem Versicherten ausgezahlt, dh ihm zugeflossen sind.
Orientierungssatz
1. Jährlich wiederkehrende Sonderzahlungen (zB Urlaubsgeld), die vertraglich zugesichert sind, deren Höhe und Fälligkeit von vornherein feststehen und in der Weise Bestandteile des festen Jahresgehaltes sind, daß bei Aufnahme oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Kalenderjahres die Zahlung anteilmäßig der Dauer des Arbeitsverhältnisses entspricht, sind keine einmaligen Zuwendungen iS des § 182 Abs 5 RVO, sondern gehören zum laufenden Arbeitsentgelt.
2. Sonderzahlungen, die zum laufenden Arbeitsentgelt gehören, sind nur dann bei der Berechnung des Regellohns anteilmäßig zu berücksichtigen, wenn sie im Bemessungszeitraum zugeflossen sind.
Normenkette
AVG § 18 Abs 1 Fassung: 1974-08-07; RVO § 1241 Abs 1 Fassung: 1974-08-07; AVG § 18a Abs 1 Fassung: 1974-08-07; RVO § 1241a Abs 1 Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 4 Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 5 Fassung: 1974-08-07; SGG § 130 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 22.05.1981; Aktenzeichen L 14 An 156/80) |
SG Münster (Entscheidung vom 23.07.1980; Aktenzeichen S 10 An 15/79) |
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Berechnung eines Übergangsgeldes auch Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen sind.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine Umschulung zum Bankkaufmann von Januar 1979 an; für die Maßnahme war eine Dauer von 18 Monaten vorgesehen. Die Klägerin war bis Dezember 1978 versicherungspflichtig beschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt betrug im Oktober 1978 2.406,83 DM brutto (1.515,85 DM netto), im November 2.616,04 DM brutto (1.602,35 DM netto) und im Dezember 2.796,56 DM brutto (1.675,48 DM netto); außerdem erhielt sie im Juni 1978 ein Urlaubsgeld in Höhe von 600,-- DM und im November ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,-- DM ausgezahlt. Dem Übergangsgeld legte die Beklagte das Durchschnittsentgelt der Monate Oktober bis Dezember 1978 zugrunde. Das Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ließ sie außer Betracht (Bescheide vom 12. Januar 1979 und vom 23. November 1979). Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 23. Juli 1980 ab. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 22. Mai 1981 das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, der Bemessung des Übergangsgeldes allein den Monat Dezember 1978 zugrunde zu legen; im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für eine Heranziehung des Durchschnitts der letzten drei Monate ergebe sich aus § 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO) keine Grundlage. Das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld seien nicht, auch nicht anteilig mit je einem Zwölftel, zu berücksichtigen. Diese Sonderzuwendungen seien nur - dann aber voll - berücksichtigungsfähig, wenn sie im maßgebenden Lohnzahlungszeitraum gewährt worden seien. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 18 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) sowie des § 182 Abs 4 und 5 RVO. Das LSG habe eingeräumt, daß die von ihm gefundene Regelung zu Zufallsergebnissen und Nachteilen führe. Eine befriedigende Lösung lasse sich nur durch eine sachgerechte Auslegung des Begriffs "erzieltes Entgelt" in § 182 Abs 5 RVO finden. Da wiederkehrende Sonderzahlungen beitragspflichtig und zu einem festen Bestandteil des Lebensstandards und der Planung der Arbeitnehmer geworden seien, müßten sie bei der Bemessung des Übergangsgeldes berücksichtigt werden, und zwar im Umfang der bis zum Bemessungszeitraum im Kalenderjahr erdienten Anteile (im Monat Dezember also voll).
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide
der Beklagten zu ändern und diese zu verpflichten,
bei der Bemessung des Übergangsgeldes das
Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin kann keinen Erfolg haben.
Das Übergangsgeld der Klägerin berechnet sich gem den §§ 18a Abs 1, 18 Abs 1 AVG iVm § 182 Abs 4 und 5 RVO aus dem in dem letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Kalendermonat erzielten Entgelt. Insoweit hat das LSG entschieden, daß Bemessungszeitraum allein der Monat Dezember 1978 ist. Hiergegen ist kein Rechtsmittel eingelegt. Ob die Entscheidung zu Recht geschehen ist, ist angesichts dessen vom erkennenden Senat nicht zu befinden. Die genannte Entscheidung des LSG war ein Grundurteil iS des § 130 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nach dessen Satz 1 das Gericht zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilen kann. Bei einem solchen Urteil beschränkt sich das Gericht auf die Feststellung des Leistungsanspruchs dem Grunde nach. Dies ist auch dann möglich und sinnvoll, wenn - wie hier - nur die Höhe eines Anspruchs streitig ist. Die Aufgabe des Gerichts ist es in diesem Falle, in dem Grundurteil die Merkmale zu bestimmen, auf Grund deren sich vom Versicherungsträger dann die höhere Leistung errechnen läßt. Ein solches Merkmal kann beim Übergangsgeld der zugrunde liegende Bemessungszeitraum sein, weil ihm eine wesentliche Bedeutung für die Höhe des Übergangsgeldes zukommt. Der Bemessungszeitraum ist außerdem ein Merkmal, das nicht notwendigerweise mit anderen Berechnungselementen untrennbar verknüpft ist. Demzufolge kann ein den Bemessungszeitraum festlegendes Grundurteil hinsichtlich dieser Feststellung in Rechtskraft erwachsen, wenn es - wie hier - nicht angefochten wird.
Ist hiernach von Dezember 1978 als dem maßgebenden Bemessungszeitraum auszugehen, dann dürfen, wie das LSG zutreffend entschieden hat, bei der Berechnung des Übergangsgeldes weder das schon vorher gezahlte Urlaubsgeld noch das ebenfalls schon vorher gezahlte Weihnachtsgeld berücksichtigt werden.
Dem steht nicht entgegen, daß Zahlungen dieser Art - was das LSG hier allerdings für das streitige Urlaubsgeld und das streitige Weihnachtsgeld offen gelassen hat - in der Regel nicht zu den in § 182 Abs 5 Satz 1 RVO genannten einmaligen Zuwendungen gehören, um die das im Bemessungszeitraum erzielte Entgelt stets zu vermindern ist. Nach einer schon ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (s SozR 2200 § 1241 Nrn 15 und 18; 4100 § 112 Nr 11; neuerlich Urteil vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 -; Urteil vom 16. September 1981 - 4 RJ 55/80 -; Urteil vom 26. November 1981 - 4 RJ 143/80; Urteil vom 24. Februar 1982 - 2 RU 63/80 -) stellen jährliche Leistungen des Arbeitgebers gleich welcher Bezeichnung dann keine einmaligen Zuwendungen dar, wenn der Versicherte darauf einen Rechtsanspruch hat, ihre Höhe und Fälligkeit von vornherein feststehen und die Leistungen Bestandteile des Jahresarbeitsentgelts dergestalt bilden, daß bei vorzeitigem Ausscheiden ein Anspruch auf eine anteilige Zahlung besteht (so auch BAG, AP § 611 BGB "Gratifikation" Nr 11). Auch die mit dem Zehnten Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) eingeführte Neuregelung in § 112 Abs 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) läßt erkennen, daß der Gesetzgeber jährlich wiederkehrende Leistungen nicht (oder doch nicht mehr) als "einmalige Zuwendungen" betrachtet; sie unterscheiden sich seiner Ansicht nach von dem laufenden Arbeitsentgelt lediglich dadurch, daß sie in größeren Zeitabständen als das laufende Arbeitsentgelt, und zwar zumeist jährlich, gezahlt werden (Beschlußempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - in BT-Drucks 8/4022 S 90 zu § 2 Nr 3 f; s allerdings auch Art 1 § 1 Nr 40 Buchst a cc des Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1497).
Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist indessen darum unberücksichtigt zu lassen, weil es im Bemessungszeitraum der Klägerin nicht zugeflossen ist. Nach dem Wortlaut des § 182 Abs 5 Satz 1 und 3 RVO ist nämlich das im Bemessungszeitraum "erzielte Entgelt" der Berechnung zugrunde zu legen. Im Hinblick auf diesen Wortlaut des Gesetzes hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 20. März 1980 (SozR 2200 § 1241 Nr 15) bereits auf das Zufließen im Bemessungszeitraum abgehoben, der 4., 5. und 2. Senat sind ihm darin gefolgt (SozR aaO Nr 18; Urteile aaO). Auch für den hier zu entscheidenden Fall geht der erkennende Senat davon aus, daß nach der Wortfassung der Sätze 1 und 3 des § 182 Abs 5 RVO nur darauf abzustellen ist, was der Versicherte im Bemessungszeitraum, dh im letzten maßgebenden Monat tatsächlich an Entgelt bezogen hat. Das Krankengeld orientiert sich wie das Übergangsgeld an dem Betrag, über den der Versicherte in diesem Zeitraum verfügen konnte, nicht aber an damals bestehenden, aus der Abrechnung nicht ersichtlichen Ansprüchen. Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 182 Abs 5 RVO, der in den Sätzen 1 und 3 auf den "abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum" oder "abgerechneten Kalendermonat" und auf das in diesem Zeitraum "erzielte Entgelt" oder das "Entgelt" abstellt, das "gezahlt" worden ist. Eine am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung führt zum gleichen Ergebnis. Sowohl die aus dem Referenzprinzip" abzuleitende Anknüpfung an die letzten durch die Entgeltzahlung bestimmten wirtschaftlichen Verhältnisse und den hierdurch geprägten Lebensstandard als auch das Erfordernis einer schnell zu treffenden Entscheidung machen deutlich, daß es allein auf die Mittel ankommen soll, die dem Versicherten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen und aus der Abrechnung ersichtlich sind.
Hat nach dem Sachverhalt die Klägerin das Urlaubsgeld aber schon im Juni und das Weihnachtsgeld schon im November ausgezahlt erhalten, dann hat sie dieses Entgelt nicht im Dezember 1978 erzielt. Ob sich auch mit Bezug auf "Ansprüche" sagen läßt, sie seien in einem bestimmten Zeitraum "erzielt", kann dahingestellt bleiben, weil es im Rahmen des § 182 Abs 5 RVO nicht auf erzielte Ansprüche, sondern auf das erzielte Entgelt ankommt. Darum vermögen an dem Ergebnis auch Erwägungen darüber nichts zu ändern, ob und wie das einmal im Jahr gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf das gesamte Kalenderjahr aufzuteilen sind. Auch wenn von den geleisteten Sonderzahlungen im vorliegenden Rechtsstreit auf den einzelnen Monat ein Zwölftel der Zahlungen entfällt, müßte ein solcher Anteil gleichwohl unberücksichtigt bleiben, weil im betreffenden Bemessungszeitraum tatsächlich keine Sonderzahlung zugeflossen ist. Dementsprechend hat der erkennende Senat in der Entscheidung vom 20. März 1980 (SozR 2200 § 1241 Nr 15) bereits die Frage, ob Sonderzahlungen der hier gegebenen Art ohne Rücksicht auf ihr Zufließen jeder Lohnperiode als Entgelt anteilmäßig (bei jährlicher Zahlung und Monatsgehalt also jeweils mit einem Zwölftel) zuzuordnen sind, verneint. Die mit demselben Rechtsproblem befaßten anderen Senate des BSG sind ihm darin gefolgt (SozR 2200 § 1241 Nr 18; 4 RJ 55/80, 103/80 und 143/80, 2 RU 62/80; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 -; Urteil vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 -).
Die andere Frage, in welcher Höhe Zahlungen zu berücksichtigen seien, die im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen sind, war nicht Gegenstand der Entscheidung vom 20. März 1980. In diesem Zusammenhang hatte der erkennende Senat aaO Bedenken gegen die Zufallsergebnisse geäußert, die auftreten können, wenn (wovon der Senat damals noch ausging) eine Sonderzahlung der Lohnperiode, in der sie zufließt, in voller Höhe zugeordnet wird. Zwischenzeitlich haben jedoch der 4. und 2. Senat des BSG aaO entschieden, daß bei den im Bemessungszeitraum zugeflossenen Leistungen nicht der gesamte Zahlbetrag für die Übergangsgeldberechnung herangezogen werden könne; beruhe die Berücksichtigung der besonderen Zuwendungen darauf, sie dem Grunde nach wie laufendes Arbeitsentgelt zu behandeln, so müsse diese rechtliche Bewertung auch bei der Höhe solcher Zahlungen Platz greifen. Für diese Überlegung spricht, daß ein im Bemessungszeitraum gezahltes Entgelt, wie sich insbesondere bei Nachzahlungen und Vorauszahlungen erweist, nur insoweit berücksichtigt werden darf, als es zugleich für den Bemessungszeitraum bestimmt ist. Jedenfalls hält der Senat seine aaO dargelegten Bedenken durch diese Entscheidungen für ausgeräumt. Wenn nämlich jährlich wiederkehrende Sonderzahlungen nur bei Zufluß im maßgebenden Zeitraum und dann nur mit einem Anteil von einem Zwölftel berücksichtigt werden, so hält sich das Ergebnis noch im Rahmen von Schwankungen, wie sie auch sonst beim Abstellen auf kurze Abrechnungszeiträume unvermeidlich sind; das Ergebnis ist nach der Auffassung des Senats somit - gemessen am Gerechtigkeitsgehalt der Lösung insgesamt - hinnehmbar (zur Problematik der Berechnung des Arbeitslosengeldes s BSG, Urteil vom 24. Februar 1982 - 2 RU 63/80 -).
Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen