Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiteranwendung des GAL 1957. Änderung von Rechtsvorschriften
Leitsatz (redaktionell)
Das GAL 1957 darf weder ganz noch teilweise auf den geltend gemachten Anspruch angewendet werden. Die Weiteranwendung des GAL 1957 ist hier weder nach allgemeinen Grundsätzen über die zeitliche Geltung der Rechtsnormen noch auf Grund besonderer Vorschriften zulässig.
Ein Rechtsanspruch kann nur entstehen, wenn während der zeitlichen Geltung eines Rechts alle von diesem Recht geforderten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Insoweit kommt es auf die Erfüllung der zeitlich letzten Voraussetzung entscheidend an.
Die entsprechende Anwendung des GAL (1965) Art 2 § 2 S 2 muß daran scheitern, daß die Fälle der teilweisen Unternehmensabgabe sich von in GAL (1965) Art 2 § 2 S 2 geregelten Verpachtungsfällen in einem wesentlichen Punkt unterscheiden.
Normenkette
GAL § 33 Abs. 1 Fassung: 1965-09-14, § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27; GAL Art. 2 § 2 S. 2 Fassung: 1965-09-14
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 1966 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der im Januar 1898 geborene und während des Rechtsstreits am 17. Juni 1966 verstorbene Ehemann der Klägerin beantragte im Januar 1963 das Altersgeld aus der Altershilfe für Landwirte. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 31. August 1964 ab. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts - SG - Augsburg vom 2. Februar 1965 und des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 14. Juni 1966). Mit der Revision will die Klägerin das Verfahren als Rechtsnachfolgerin ihres Mannes fortsetzen; sie hat zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft mit ihm gelebt.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG bewirtschaftete der Ehemann seit 1922 ein landwirtschaftliches Unternehmen von 10 ha. Er übergab es durch notariellen Vertrag vom 22. November 1953 zum 1. Januar 1954 dem Sohne F mit Ausnahme einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1,237 ha. Von diesen überließ er zunächst durch notariellen Vertrag vom 30. Juni 1964 dem Sohne A 90 Dezimale unentgeltlich zu Eigentum. Noch vor dem Vollzug im Grundbuch verkaufte er dann jedoch den ganzen zurückbehaltenen Teil am 15. Juni 1965 an die Bayerische Landessiedlung, wobei er sich zur Aufhebung des Vertrages vom 30. Juni 1964 verpflichtete.
Das LSG beurteilte den erhobenen Anspruch nach § 33 Abs. 1 des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte idF vom 14. September 1965 - GAL 1965 -. Nach seiner Auffassung ist die in Buchst. b geforderte Abgabe des Unternehmens frühestens am 30. Juni 1964 vollzogen worden. Bei der Unternehmensübergabe zum 1. Januar 1954 sei ein zu großer Teil zurückbehalten worden. Die zurückbehaltenen 1,237 ha hätten einen Einheitswert (Ertragswert) von 1.402,- DM; dieser Wert übersteige 25 v.H. der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Mindesthöhe von 4.500,- DM (§ 2 Abs. 7 Satz 1). Die 25-Jahresfrist des § 33 Abs. 1 Buchst. c sei daher erst vom 30. Juni 1964 zurückzurechnen; seit dem 1. Juli 1939 sei der Ehemann der Klägerin aber nur 174 Kalendermonate (bis Dezember 1953) landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 GAL gewesen, so daß die Anspruchsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 Buchst. c (180 Kalendermonate) nicht erfüllt sei. Das LSG entsprach damit nicht dem Begehren der Klage, die Unternehmensabgabe noch nach dem GAL vom 27. Juli 1957 - GAL 1957 - zu beurteilen. Zu dieser Gesetzesfassung hatte das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 20. Juni 1962, SozR Nr. 3 zu § 2 GAL aF, entschieden, daß im allgemeinen ein Zurückbehalten bis zu etwa 1/4 der bisherigen Betriebsgröße (hier: 1,237 ha von 10 ha) unschädlich sei. Das LSG meinte hierzu, der Anspruch dürfe in allen Voraussetzungen nur nach dem Recht beurteilt werden, das bei Vollendung des 65. Lebensjahres des Ehemannes der Klägerin gegolten habe. Es ließ die Revision zu; die Frage, welches Recht maßgebend sei, wenn einzelne Anspruchsvoraussetzungen unter der Herrschaft verschiedener Gesetzesfassungen erfüllt würden, habe grundsätzliche Bedeutung.
Die Klägerin beantragt mit der Revision,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung des Altersgeldes ab 1. Januar 1963 zu verpflichten.
Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Nach ihrer Meinung darf eine im Zeitpunkt ihres Vollzuges rechtlich nicht zu beanstandende Zurückbehaltung nicht nachträglich als schädlich bezeichnet werden. Sie verweist hierzu auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Dezember 1962 (BVerfG 15, 167, 168, Leitsatz Nr. 6).
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Klägerin darf den Rechtsstreit als Rechtsnachfolgerin ihres Mannes fortsetzen (§ 10 Abs. 3 GAL 1965 i.V.m. § 1288 Abs. 2 RVO). Ihre Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Unstreitig ist der Antrag auf Altersgeld (für die Zeit vom 1. Januar 1963 bis zum Todesmonat) nicht gegeben, wenn er in allen Voraussetzungen nach dem GAL 1965 beurteilt wird. Das gleiche gilt bei Anwendung der Gesetzesfassungen vom 3. Juli 1961 (GAL 1961) und vom 23. Mai 1963 (GAL 1963). Insoweit käme allein § 33 Abs. 1 GAL 1965 bzw. § 26 Abs. 1 GAL 1961 und 1963 als Anspruchsgrundlage in Betracht. Danach erhalten Personen, die am 1. Oktober 1957 nicht mehr landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des § 1 waren, Altersgeld, wenn sie
a) das 65. Lebensjahr vollendet haben,
b) das Unternehmen abgegeben haben und
c) während der 25 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, mindestens 180 Kalendermonate Unternehmer eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne des § 1 waren.
Hierzu hat das LSG zu Recht ausgeführt, daß die letzte Voraussetzung (c) nicht erfüllt ist. Bei der Prüfung der Unternehmensabgabe ist nämlich § 2 Abs. 7 S. 1 GAL 1965 bzw. § 2 Abs. 6 S. 1 GAL 1961 und 1963 zu beachten. Danach erfüllt eine teilweise Abgabe die gesetzliche Voraussetzung der Unternehmensabgabe erst dann, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teiles des Unternehmens 25 v.H. der nach § 1 Abs. 4 festzusetzenden Mindesthöhe nicht überschreitet. Demzufolge kann eine Unternehmensabgabe hier frühestens zum 30. Juni 1964 angenommen werden. In den 25 Jahren vor diesem Tage (und erst recht vor dem 15. Juni 1965) ist der Ehemann der Klägerin aber nicht, wie erforderlich, 180 Kalendermonate landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 gewesen.
Ein Anspruch auf das Altersgeld wäre dagegen gegeben, wenn der Anspruch in allen Voraussetzungen oder wenigstens hinsichtlich der Unternehmensabgabe nach dem GAL 1957 beurteilt würde. Als Anspruchsgrundlage wäre dann - ganz oder teilweise - § 25 Abs. 1 dieser Gesetzesfassung heranzuziehen. Danach erhalten ehemalige hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer Altersgeld, wenn sie
a) die Voraussetzungen gem. § 2 Abs. 1 Buchst. a und c erfüllen, d.h. das 65. Lebensjahr vollendet und nach Vollendung des 50. Lebensjahres das Unternehmen an den Hoferben übergeben oder sonst sich des landwirtschaftlichen Unternehmens entäußert haben und
b) während der 15 Jahre, die der Übergabe oder Entäußerung eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden Unternehmens vorausgegangen sind, hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 und 4 waren.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG lägen diese Voraussetzungen vor. Das GAL 1957 enthielt keine Vorschrift über die teilweise Unternehmensabgabe. Nach den vom BSG im Urteil vom 20. Juni 1962 insoweit entwickelten Grundsätzen müßte das Unternehmen jedoch schon zum 1. Januar 1954 als abgegeben (übergeben) gelten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Ehemann der Klägerin das 50. Lebensjahr vollendet; in den 15 Jahren vorher war er ständig hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen.
Wie das LSG zu Recht entschieden hat, darf das GAL 1957 jedoch weder ganz noch teilweise auf den geltend gemachten Anspruch angewendet werden. Das GAL 1957 ist mit Wirkung vom 1. Januar 1962 durch das GAL 1961 ersetzt worden. Die Weiteranwendung des GAL 1957 (der §§ 2 und 25) ist hier weder nach allgemeinen Grundsätzen über die zeitliche Geltung der Rechtsnormen noch auf Grund besonderer Vorschriften zulässig.
Wenn Rechtsvorschriften geändert werden, dann sind vom Inkrafttreten der Änderung an grundsätzlich nur noch die neuen Rechtsvorschriften maßgebend. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtswirkungen von der Erfüllung einer oder mehrerer Voraussetzungen abhängig sind. Von der Rechtsänderung an richtet sich die rechtliche Beurteilung aller Voraussetzungen nach dem neuen Recht. Wenn das neue Recht die vor seinem Inkrafttreten eingetretenen Tatsachen miterfaßt (hier: Abgabe vor dem 1.1.62), sind diese ebenfalls nach dem neuen Recht zu beurteilen. Demzufolge kann ein Rechtsanspruch nur entstehen, wenn während der zeitlichen Geltung eines Rechts alle von diesem Recht geforderten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Insoweit kommt es, wie das LSG richtig erkannt hat, auf die Erfüllung der zeitlich letzten Voraussetzung entscheidend an. Sie bestimmt das für die Entstehung des Anspruchs zeitlich maßgebende Recht. Dementsprechend hat das BSG auch für Rentenansprüche der gesetzlichen Rentenversicherung schon ausgesprochen, daß sie nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz nach dem Recht zur Zeit ihrer Entstehung zu beurteilen sind (BSG 13, 251, 252).
Von diesen allgemeinen Grundsätzen gibt es freilich (geschriebene oder ungeschriebene) Ausnahmen. Sie finden sich häufig in den Übergangsvorschriften des neuen Rechts, hier in den Überleitungs- und Schlußvorschriften in Art. 2 GAL 1961 und 1965. Für die Weiteranwendung des GAL 1957 sind die §§ 1 und 2 von Bedeutung. § 1 regelt die Weitergewährung der nach dem GAL 1957 bereits bewilligten Altersgelder. § 2 bestimmt in Satz 1, daß das GAL 1957 noch anzuwenden ist für die Personen, die die Voraussetzungen des Altersgeldes nach dem GAL 1957 bis zum 31. Dezember 1961 erfüllt und das Altersgeld bis zum 31. Dezember 1962 beantragt haben. Von Bedeutung ist ferner die Vorschrift des § 2 Satz 2. In der Fassung des GAL 1961 bestimmt sie: "Unter den Voraussetzungen des Art. 1 § 27 Abs. 1 gilt für die dort genannten Personen, die ihr landwirtschaftliches Unternehmen zwischen dem 1. Oktober 1957 und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgegeben haben, das Unternehmen auch dann als abgegeben, wenn es für einen Zeitraum von mindestens 6 Jahren an Verwandte und Verschwägerte bis zum 2. Grad oder von mindestens 9 Jahren an andere Personen verpachtet worden ist". Diese Bestimmung wurde im GAL 1963 auf die in Art. 1 § 26 Abs. 1 GAL 1961 genannten Personen - zu denen der Ehemann der Klägerin gehören würde - mit Wirkung vom 1. April 1963 erstreckt; von da an lautete Satz 2 im ersten Halbsatz: "Unter den Voraussetzungen des Art. 1 § 26 Abs. 1 und 27 Abs. 1 gilt für die dort genannten Personen, die ihr landwirtschaftliches Unternehmen bis zum 31. Dezember 1961 abgegeben haben, das Unternehmen auch dann als abgegeben, wenn ...". Dem entspricht die Fassung im GAL 1965, nur daß dort auf Grund der geänderten Paragraphenfolge die §§ 26 und 27 durch die §§ 33 und 34 ersetzt sind.
Von diesen Ausnahmen greift jedoch keine zu Gunsten der Klägerin ein. Es ließe sich allerdings fragen, ob § 2 Satz 2 der Überleitungsvorschriften im vorliegenden Falle nicht entsprechend anzuwenden wäre. Die in § 2 Satz 2 genannten Personen hatten die Voraussetzungen der Unternehmensabgabe (Übergabe, Entäußerung) durch Verpachtung nach § 2 Abs.2 GAL 1957 bis zum 31. Dezember 1961 erfüllt; sie haben sie nach den geänderten Vorschriften im GAL 1961 und 1965 (möglicherweise) nicht mehr erfüllt; der Gesetzgeber hat ihnen aber hinsichtlich der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals einen "Besitzstandsschutz" gewährt. Auch in den vorliegenden Fällen der teilweisen Unternehmensabgabe konnte unter der Geltung des GAL 1957 die Voraussetzung der Unternehmensabgabe (Übergabe, Entäußerung) nach damaligem Recht erfüllt und dann nach dem GAL 1961 und 1965 nicht mehr erfüllt sein. Ob der Gesetzgeber für diese Fälle ebenfalls einen "Besitzstandsschutz" erwogen (und dann verneint) hat, kann indessen dahingestellt bleiben. Die entsprechende Anwendung des Art. 2 § 2 Satz 2 muß jedenfalls daran scheitern, daß die Fälle der teilweisen Unternehmensabgabe sich von den in Art. 2 § 2 Satz 2 geregelten Verpachtungsfällen in einem wesentlichen Punkt unterscheiden. In den Verpachtungsfällen hat immerhin eine im GAL 1957 enthaltene Gesetzesvorschrift (§ 2 Abs. 2) ausdrücklich festgelegt, daß eine Verpachtung als Entäußerung gilt, wenn der Betrieb für einen Zeitraum von mindestens 6 Jahren bei Erbberechtigten (Verwandte und Verschwägerte bis zum 2. Grade) und 9 Jahre bei anderen Personen verpachtet wird. In den Fällen der teilweisen Unternehmensabgabe hat dagegen im GAL 1957 eine gesetzliche Regelung gefehlt; hier hat erst das Urteil des BSG vom 20. Juni 1962 (SozR Nr. 3 zu § 2 GAL aF) Klarheit geschaffen; bei Erlaß dieses Urteils war aber das GAL 1957 schon nicht mehr in Kraft. Ein gleichermaßen schutzwürdiges Vertrauen auf den Inhalt einer gesetzlichen Regelung des GAL 1957 wie in den Verpachtungsfällen hat hier demnach während der Geltung des Gal 1957 noch nicht entstehen können.
Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BVerfG vom 11. Juni 1962 (BVerfG 15, 167) läßt sich nicht für die Klägerin heranziehen. Der Leitsatz Nr. 6, auf den sie sich beruft, betrifft nur Leistungsbescheide, die vor dem rückwirkenden Inkrafttreten eines Änderungsgesetzes noch nach altem Recht erteilt worden sind (vgl. hierzu Art. 2 § 1 GAL 1961 und 1965); ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Im übrigen verkennt die Revision dabei auch, daß bei der Unternehmensabgabe zum 1. Januar 1954 ein GAL überhaupt noch nicht gegolten hat.
Nach alledem muß die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen