Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich des AlhiV § 2 Nr 1 und 2
Orientierungssatz
1. Die Einschränkung des AlhiV § 2 Nr 1 und 2 auf Schulen im Geltungsbereich des AFG ist mit der Ermächtigung des AFG § 134 Abs 3 vereinbar.
2. Auch bei Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (GG Art 3) ist es nicht geboten, Ausbildungen im Ausland die einen Bezug zum Inland (deutschem Arbeitsmarkt) haben in die Regelung des AlhiV § 2 Nr 1 und Nr 2 einzubeziehen.
Normenkette
AFG § 134 Abs 3 Fassung: 1975-03-18; AlhiV § 2 Nr 2 Fassung: 1974-08-07; AlhiV § 2 Nr 1 Fassung: 1974-08-07; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 22.02.1979; Aktenzeichen L 9 Al 234/77) |
SG München (Entscheidung vom 08.06.1977; Aktenzeichen S 5 Al 30/76) |
Tatbestand
Der Kläger bestand im Juni 1972 an der Technischen Universität M die Diplomhauptprüfung im Fachbereich Elektrotechnik. Vom 1. Oktober 1972 bis zum 28. März 1975 erlernte er die japanische Sprache, und zwar zunächst für die Dauer eines Jahres am Seminar für orientalische Sprachen bei der Universität B und ab September 1973 an der Naganuma-Schule in Tokio. Der Kläger erhielt für dieses Studium Stipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Nach Beendigung seines Studiums in Japan kehrte der Kläger nach Deutschland zurück; er meldete sich am 9. Mai 1975 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe (Alhi). Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18. Juni 1975 und Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 1976).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 8. Juni 1977 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab 9. Mai 1975 Alhi zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat am 22. Februar 1979 dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Bestimmung des § 2 Nr 2 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiVO) vom 7. August 1974 (BGBl I 1929), denn er habe nicht innerhalb eines Jahres mindestens 26 Wochen oder sechs Monate oder ein Semester eine der in dieser Bestimmung genannten Ausbildungsstätten im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) besucht. Der Geltungsbereich eines Gesetzes sei geographisch zu verstehen. Insbesondere würden also von § 2 Nr 2 AlhiVO nicht etwa alle Ausbildungen erfaßt, die in fachlicher und sachlicher Hinsicht als deutsche anzusehen seien. Aufgabe des Gesetzgebers sei es auch, klar umrissene Tatbestände zu schaffen. Demgemäß könne die in § 2 Nr 2 AlhiVo getroffene Regelung nicht deshalb anders ausgelegt werden, um einzelne Härtefälle deutscher Stipendiaten, die im Ausland studieren, auszuschließen. Im übrigen bestünden nach den Auskünften des DAAD und des Seminars für orientalische Sprachen bei der Universität B zwischen dem DAAD und der N-Schule in T lediglich Absprachen dahin, daß die deutschen Stipendiaten jeweils vor Beginn des Studienjahres anzumelden seien. Das orientalische Seminar unterhalte dagegen keine vertraglichen Beziehungen zur Naganuma-Schule. Lediglich die Lehrkräfte für die japanische Sprache an der Universität in B und an der N-Schule in T sollten ihre Lehrpläne aufeinander abstimmen. Damit seien die Behauptungen des Klägers, seine Sprachausbildung in Japanisch sei fachlich insgesamt vom Institut in P geleitet worden, die N-Schule habe nur eine untergeordnete Funktion gehabt, widerlegt. Die Naganuma-Schule in Tokio habe in der Gesamtausbildung des Klägers nicht nur eine Hilfsfunktion eingenommen. Während des Studiums in Japan hätten weder zwischen dem Kläger und einer deutschen Hochschule (er sei während dieser Zeit an keiner deutschen Hochschule immatrikuliert gewesen) noch zwischen der N-Schule und dem orientalischen Seminar bei der Universität B irgendwelche Beziehungen bestanden. Lediglich der DAAD habe den Ausbildungsfortgang des Klägers kontrolliert; der DAAD sei aber keine Ausbildungsstätte.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletzte § 134 Abs 1 und 4 des AFG und wende § 2 Nr 2 AlhiVO iVm § 134 Abs 3 AFG unrichtig an. Der § 134 AFG habe bei seiner Neuschaffung dahingehend erweitert werden sollen, daß nicht nur Deutsche, die unter anderem ein Semester im Ausland studiert haben, begünstigt werden, sondern auch Ausländer, wenn sie in Deutschland studiert haben. Wie auch schon früher, so habe durch § 134 AFG dem Deutschen ein Anspruch auf Alhi eingeräumt werden sollen, der unter anderem ein Semester im Ausland studiert habe. Der § 145 Abs 1 Nr 4b Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) habe in die AlhiVO aufgenommen werden sollen (Schieckel, Kommentar zum AFG § 134 S 3). § 134 Abs 3 AFG gebe nur eine Ermächtigung, durch Verordnung den schon nach § 134 AFG begünstigten Kreis zu erweitern. Demgemäß erfasse die AlhiVO nicht den hier vorliegenden Tatbestand, nämlich das Studium eines Deutschen im Ausland. Darüber hinaus habe zwischen der N-Schule, der Universität B und dem DAAD ein Vertrag bestanden mit dem Inhalt, daß für die Universität B unter deren Kontrolle der zweite Abschnitt der Sprachausbildung in Japan als von der Sache her erforderlich durchgeführt werden sollte. Das Schreiben des DAAD vom 16. Mai 1977, das vom LSG zitiert werde, sei in sich widersprüchlich; es verneine eine vertragliche Vereinbarung und sage dann aber, es bestünde eine mündliche Absprache. Nach dem mündlichen Vertrag arbeite die Naganuma-Schule im Auftrag der Universität B. Im übrigen sei § 2 Nr 2 AlhiVO dahin auszulegen, daß auch ein vom DAAD gefördertes Studium - eine Ausbildungsstätte im Ausland - dem Besuch einer Ausbildungsstätte im Geltungsbereich des Gesetzes gleichstehe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 22. Februar 1979 aufzuheben und die Berufung
der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 8. Juni 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Ermächtigung des § 134 Abs 3 AFG für die AlhiVO enthalte keine Auflagen hinsichtlich der Auswahl des zu begünstigenden Personenkreises. Der Verordnungsgeber sei deshalb frei, Tätigkeiten und Beschäftigungen, die nicht im Geltungsbereich des AFG ausgeübt würden, nicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Alhi dienen zu lassen. Die Abgrenzung des § 2 Nr 2 AlhiVO sei sachlich begründet; so wichen Schultypen außerhalb des Geltungsbereichs des AFG teilweise erheblich von den Schultypen im Geltungsbereich ab. Die Vergleichbarkeit bestimmter Schultypen außerhalb mit solchen innerhalb des Geltungsbereichs des AFG sei vielfach nicht gegeben.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Alhi zu.
Ein Anspruch des Klägers auf Alhi ist nicht gegeben, weil er keine der Anspruchsvoraussetzungen gem § 134 Abs 1 Nr 4 AFG oder der AlhiVO erfüllt. Im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung am 9. Mai 1975 hat der Kläger weder Arbeitslosengeld (Alg) bezogen oder zehn Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a und b AFG) noch insbesondere im Geltungsbereich des AFG eine der in § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO genannten Schulen besucht.
Insoweit kommt es auf die örtliche Lage der Schule an. Die Naganuma-Schule liegt in Japan. Ob und unter welchen besonderen Voraussetzungen Schulen, die ihren Unterricht im Ausland anbieten und dort auch den Sitz ihrer Verwaltung haben, als Schulen im Geltungsbereich des AFG angesehen werden können, kann hier dahingestellt bleiben. Eine solche Beurteilung mag in Betracht kommen, wenn die Ausbildungsstätte der im wesentlichen unselbständige Teil einer inländischen Schule der in § 2 Nr 2 AlhiVO genannten Art und nur ihre Außenstelle wäre. Nach den Feststellungen des LSG trifft dies für die Naganuma-Schule nicht zu. Die Sprachausbildung in Japan wird danach nicht vom Bonner Seminar geleitet. Es bestehen lediglich Absprachen dahin, daß die Lehrpläne aufeinander abgestimmt werden sollen. Diese Feststellungen des LSG hat der Kläger nicht wirksam mit Verfahrensrügen angegriffen, so daß das Bundessozialgericht (BSG) gem § 163 SGG daran gebunden ist. Mit dem Vorbringen, daß das vom LSG zitierte Schreiben des DAAD vom 16. Mai 1977 widersprüchlich sei, will der Kläger vermutlich eine Verletzung des § 128 SGG rügen. Das Schreiben ist aber nicht deshalb widersprüchlich und als Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet, weil der DAAD darin eine vertragliche Vereinbarung verneint und dann (im gleichen Satz) feststellt, es bestünde eine mündliche Absprache. Hier ist offensichtlich mit der ersten Aussage nur eine schriftliche Vereinbarung gemeint.
Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, einem Deutschen stehe der Anspruch auf Alhi auch nach einem Studium im Ausland zu. Das AVAVG hatte allerdings eine Regelung zugunsten deutscher Staatsangehöriger insofern enthalten, als grundsätzlich nur ihnen der Anspruch auf Alhi zustand. Im AFG fehlt eine solche Bestimmung. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Einschränkung auf Schulen im Geltungsbereich des AFG gem § 2 Nr 1 und 2 AlhiVO für Deutsche nicht gelten sollte.
Ebenfalls nicht durchgreifend ist der Einwand des Klägers, § 134 Abs 3 AFG gebe nur eine Ermächtigung, den schon nach § 134 AFG begünstigten Kreis zu erweitern. Die AlhiVO erweitere den Kreis der Begünstigten ua auf Ausländer, die ein Semester in Deutschland studiert haben, erfasse aber nicht den Tatbestand des Studiums eines Deutschen im Ausland, der in "§ 134 I und IV" geregelt sei. Wie dargelegt, ist nicht zu erkennen, daß § 134 AFG (einen Abs 4 hat diese Bestimmung weder im Entwurf - BT-Drucks V 2291 § 132 - noch in irgendeiner Fassung des Gesetzes gehabt) Deutsche nach einem Studium im Ausland begünstigt.
Die Ermächtigung gem § 134 Abs 3 AFG richtet sich nicht, wie der Kläger anscheinend meint, auf die Einbeziehung weiterer Personenkreise, sondern vielmehr weiterer Tatbestände, bei deren Vorliegen die Anwartschaftszeit erfüllt ist. Außerdem schließt die Ermächtigung nicht aus, daß bei der Einbeziehung weiterer Tatbestände Einschränkungen gemacht werden. Der § 134 Nr 4 AFG ist keine ausfüllungsbedürftige Norm in dem Sinne, daß eine Verordnung notwendigerweise ergehen muß. Vielmehr steht es dem Verordnungsgeber grundsätzlich frei, ob und welche weiteren Tatbestände er einbeziehen will. Er darf allerdings Tatbestände nur einbeziehen, wenn wirtschafts- oder sozialpolitische Gründe dies erfordern (§ 134 Abs 3 AFG). Die Ermächtigungsnorm hat er auch bei einschränkenden Bestimmungen zu beachten, zumindest dann, wenn die Verordnung Grundsätze und Ausnahmen von diesen Grundsätzen regelt. Der Senat neigt zu der Auffassung, daß jedenfalls in solchen Fällen entsprechend der Ermächtigungsnorm die Ausnahmen nicht aus Gründen außerhalb der Wirtschafts- und Sozialpolitik geregelt werden dürfen, dh, daß auch für die Ausnahmen wirtschafts- und sozialpolitische Gründe vorliegen müssen.
Die Bestimmung des § 2 Nr 2 AlhiVO entspricht der Ermächtigung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine vorherige entlohnte Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi nicht erforderlich ist, "wenn wirtschafts- oder sozialpolitische Gründe dies erfordern" (§ 134 Abs 3 AFG). Aus welchen konkreten Gründen der Verordnungsgeber die Bestimmung des § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO auf den Geltungsbereich des AFG beschränkt hat, ist nicht bekannt, aber auch nicht maßgebend. Als sozialpolitischer Grund kommt in Betracht, daß Ausbildungen im Ausland nicht in gleicher Weise auf den inländischen Arbeitsmarkt ausgerichtet sind, wie dies bei inländischen Schulen der Fall ist. Der Verordnungsgeber durfte schon allein aus diesem Grunde den Alhi-Anspruch nach einer Schulausbildung auf Antragsteller begrenzen, die im Jahre vor der Arbeitslosmeldung eine Schule im Inland besucht hatten. Es kommt hinzu, daß die Ausrichtung einer Ausbildung im Ausland auf den inländischen Arbeitsmarkt nicht nur nach objektiven Maßstäben, sondern auch subjektiv zweifelhaft sein kann. Bei einer Ausbildung im Ausland während der letzten Semester vor der Abschlußprüfung liegt die Möglichkeit nicht fern, daß der Schüler oder Student letztlich eine Beschäftigung im Ausland anstrebt und nicht für die Dauer in den Geltungsbereich des AFG und auf den deutschen Arbeitsmarkt zurückkehren will.
Diese Erwägungen sind sozialpolitische Gründe iS des § 134 Abs 3 AFG. Als sozialpolitische kommen in erster Linie die Gründe in Betracht, die sich aus §§ 1 bis 3 AFG ergeben, hier insbesondere die Erzielung und Erhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes, Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Mangel an Arbeitskräften sowie Sicherung und Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit der Erwerbstätigen. Durch die Gewährung von Alhi werden verfügbare Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Damit ist es vereinbar, von einer vorausgegangenen entlohnten Beschäftigung bei Schülern und Studenten nach Schulabschluß nur abzusehen, wenn die Ausbildung auf den deutschen Arbeitsmarkt ausgerichtet war. Die Zubilligung des Anspruchs auf Alhi an solche Arbeitslose schafft ferner mittelbar eine Voraussetzung für den begünstigten Schulbesuch vor allem auf dem zweiten Bildungsweg; den Schülern und Studenten wird dadurch die Sicherheit gegeben, daß sie nach dem Abschluß der Ausbildung nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, sondern die angemessene Leistung der Alhi erhalten. Dies gilt insbesondere für solche Schüler und Studenten, die vor der Schulausbildung bereits einen Anspruch auf Alg erworben hatten. Damit dient die Leistung der Alhi ebenfalls den Zielen der §§ 1 und 2 AFG, auf dem inländischen Arbeitsmarkt einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen und aufrechtzuerhalten sowie einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu vermeiden. Die mittelbare Förderung der Ausbildung auch an ausländischen Schulen wird durch diese Zweckbestimmung ebenfalls nicht zwingend verlangt. Den Schulbesuch im Ausland konnte der Verordnungsgeber von der (mittelbaren) Förderung ausnehmen, weil sein Bezug zum inländischen Arbeitsmarkt nicht regelmäßig gewährleistet ist.
Entscheidungen des Gesetzgebers außerhalb der Ermächtigungsnorm des § 134 Abs 3 AFG stehen der Beschränkung des § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO auf den Besuch von Schulen im Geltungsbereich des AFG ebenfalls nicht entgegen. Das AFG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktGAFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) enthält keinen Anhaltspunkt für oder gegen eine Beschränkung auf Ausbildungsstätten in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin, wie sie § 2 Nr 1 und 2 AlhiVO vorsieht. Die zur Erfüllung der kleinen Anwartschaft gem § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG nötige entlohnte Beschäftigung im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung kann der Arbeitslose allerdings im In- oder im Ausland ausgeübt haben (Schönefelder/Kranz/Wanka Kommentar zum AFG § 134 Anm 27). Einen Bezug zum inländischen Arbeitsmarkt verlangt das AFG bei der Erfüllung der kleinen Anwartschaft auf Alhi nicht. Es genügt die durch die entlohnte Beschäftigung im Ausland bewiesene allgemeine Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer. Daraus folgt aber nicht die Notwendigkeit der Gleichstellung eines ausländischen mit dem inländischen Schulbesuch in der AlhiVO. Zum Kreis der Arbeitnehmer gehören die Schüler und Studenten nicht; sie werden durch § 2 Nr 1 und 2 AlhiVO den Arbeitnehmern auch nicht gleichgestellt. Der Schulbesuch ist vielmehr nur eine Voraussetzung, bei deren Erfüllung eine vorherige entlohnte Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi nicht erforderlich ist (§ 134 Abs 3 Halbs 1 zweite Alternative AFG).
Als weitere Entscheidungen des Gesetzgebers, die im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO stehen können, kommen die Bestimmungen über die Förderung der beruflichen Bildung in Betracht. Das AFG in der hier maßgebenden Fassung sieht in diesen Bestimmungen keine Beschränkung auf Maßnahmen in seinem Geltungsbereich vor; Ausländern wird allerdings eine Förderung der beruflichen Ausbildung unter weiteren Bedingungen nur gewährt, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 40 Abs 2 AFG). In § 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213) war die Förderung auf Ausbildungen im Geltungsbereich des AFG beschränkt, während die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung im Ausland gefördert wurde, wenn dafür ein den arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen entsprechendes berufliches Bildungsangebot im Geltungsbereich des AFG nicht vorlag (§ 6 Abs 5 der Anordnung des Verwaltungsrats der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 - ANBA 797). Durch § 34 Abs 1 AFG idF des HStruktG-AFG wurde die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auf solche beschränkt, die im Geltungsbereich des AFG durchgeführt werden. Gagel sieht diese Bestimmung als verfassungswidrig an, weil sie mit Art 12 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbaren sei (Gagel/Jülicher, AFG, Kommentar 1979 § 34 RdNr 22). Ob diese Ansicht zutrifft und auch schon für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des HStrukt-AFG gilt, kann dahingestellt bleiben. Aus dem Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte ergibt sich kein Recht auf Gleichstellung ausländischer mit inländischen Schulen beim Anspruch auf Alhi. Der Bildungswillige wird an der freien Wahl auch einer ausländischen Ausbildungsstätte nicht dadurch gehindert, daß später sein Anspruch auf Alhi ausgeschlossen sein kann, weil er eine Schule außerhalb des Geltungsbereichs des AFG besucht und die Ausbildung deshalb keinen eindeutigen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt gehabt hat.
Ein Verbot einer Differenzierung zwischen dem Besuch von Schulen im Geltungsbereich des AFG und dem Besuch von ausländischen Schulen ergibt sich ferner nicht aus der Entstehungsgeschichte des AFG. In § 132 des Regierungsentwurfs zum AFG, dem jetzigen § 134 AFG, sollte der Anspruch auf Alhi davon abhängig gemacht werden, daß sich der Arbeitslose seit mindestens sechs zusammenhängenden Monaten regelmäßig nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich des Gesetzes aufgehalten hatte. Diese Regelung sollte für deutsche und fremde Staatsangehörige in gleicher Weise gelten (BT-Drucks V 2291 zu § 132 Abs 1). Der Ausschuß für Arbeit hat diese Einschränkung gestrichen, weil eine solche Aufenthaltsvoraussetzung für die Gewähr von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Widerspruch zum Übereinkommen Nr 118 der Internationalen Arbeitsorganisation stehe und damit die Ratifizierung dieses Übereinkommens durch die Bundesrepublik Deutschland erschweren würde (BT-Drucks V 4110 zu § 132 Abs 1). In § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO geht es aber nicht um den Wohnsitz als Aufenthaltsvoraussetzung für den Alhi-Anspruch, sondern um ein anderes Tatbestandsmerkmal, das im Inland erfüllt sein muß. Es wird keine allgemeine Voraussetzung für den Anspruch aufgestellt. Vielmehr wird geregelt, daß eine bestimmte Voraussetzung im Inland vorgelegen haben muß, wenn die kleine Anwartschaft ohne entlohnte Beschäftigung erfüllt sein soll.
Schließlich ist die Einschränkung des § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO auf Schulen im Geltungsbereich des AFG auch nicht aus einem weiteren Grunde mit der Ermächtigung des § 134 Abs 3 AFG und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen unvereinbar. Die Ausbildung des Klägers in Tokio ist vom DAAD gefördert worden; unter den Voraussetzungen des § 5 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes -BAföG- vom 26. August 1971 (BGBl I 1409) wird in anderen Fällen Ausbildungsförderung für Ausbildungen im Ausland geleistet. Indessen gelten die Gründe für eine Ausbildungsförderung nicht zwangsläufig auch für die spätere Berücksichtigung der Ausbildung beim Alhi-Antrag. Die Ausbildungsförderung soll den Schüler oder Studenten in den Stand setzen, sich frei - insbesondere ohne wirtschaftliche Zwänge - in einer qualifizierenden Ausbildung persönlich zu entfalten und auf ein Berufsleben vorzubereiten (Rothe/Blanke Kommentar zum Bundesausbildungsförderungsgesetz Einführung 2.1). Der Nutzen der Ausbildung für den inländischen Arbeitsmarkt hat dabei zumindest nicht den gleichen Stellenwert, wie er ihn bei einem etwaigen Antrag auf Alhi nach der Ausbildung haben muß. Für die Ausbildungsförderung steht die Sorge um das persönliche Schicksal des einzelnen, das sich auch im Ausland verwirklichen kann, im Vordergrund (vgl Rothe/Blanke aaO Einführung 1). Der Anspruch auf Alhi kann hingegen von einem gewissen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt abhängig gemacht werden.
Allerdings können Ausbildungen im Ausland einen Bezug zum Inland haben, wenn sie etwa hier anerkannt werden. Auch bei Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 GG) ist es aber nicht geboten, solche Ausbildungen in die Regelung des § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO einzubeziehen. Der Alhi-Anspruch würde damit von einer Differenzierung abhängig gemacht, deren Feststellung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit besitzen der Gesetz- und der Verordnungsgeber eine besonders weitgehende Gestaltungsfreiheit (Leibholz-Rinck Kommentar zum Grundgesetz Art 3 RdNr 10). Das gilt gerade auch für die Alhi, die keine Versicherungsleistung ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber ferner bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie das Recht der Sozialversicherung sie erfordert, nicht gehindert, typisierende Regelungen unter Vernachlässigung der Besonderheiten einzelner Fälle zu erlassen (BVerfG NJW 1975, 1691, 1692). Das Recht der Alhi gehört wie dasjenige der Sozialversicherung zu den Massenerscheinungen. Deshalb durfte der Verordnungsgeber Ausbildungen im Ausland von der Regelung in § 2 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO ausnehmen, ohne Besonderheiten bestimmter Ausbildungen zu berücksichtigen.
Aus allen diesen Gründen kann die Revision keinen Erfolg haben. Sie ist mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen