Leitsatz (amtlich)
Die auf die Höherversicherung alten Rechts (RVO § 1389 aF, AVG § 170 a aF) entfallenden Beitragsanteile können den freiwilligen Beiträgen im Sinne des AnVNG Art 2 § 15 Abs 2 nicht gleichgestellt werden.
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Feststellung für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage iS von AVG § 32 Abs 1 nF müssen auch Höherversicherungsbeiträge alten Rechts (AVG § 170a aF RVO § 1389 aF) teilnehmen.
Die Begrenzung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage auf die für das Jahr des Versicherungsfalles geltende Beitragsbemessungsgrenze (AVG § 32 Abs 1 und 2 iVm AVG § 112 Abs 2 nF) ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
RVO § 1261 Fassung: 1957-02-23, § 1389 Fassung: 1934-05-17; ArVNG Art. 2 § 15 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 112 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 32 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1255 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AnVNG Art. 2 § 15 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 38 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1385 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 170a Fassung: 1937-12-21
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. April 1960 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Rentenberechnung Höherversicherungsbeiträge alten Rechts (§ 170 a Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - aF, § 1389 Reichsversicherungsordnung - RVO - aF) - also Beiträge mit Pflichtversicherungsanteilen und Anteilen freiwilliger Versicherung einheitlich in nur einer Beitragsmarke - in Pflichtbeitragsanteile und freiwillige Anteile aufgeteilt und letztere getrennt und gesondert wie Beiträge zur Höherversicherung neuen Rechts (nach dem Gesetz vom 14. März 1951) behandelt werden müssen.
Die Klägerin erhielt vom 1. Januar 1957 an Witwenrente aus der Versicherung ihres in diesem Monat verstorbenen Ehemannes. Die Rentenbemessungsgrundlage von rd. 14.000,- DM wurde bei der Berechnung der Rente nur bis zum höchst zulässigen Betrag von 9.000,- DM berücksichtigt; die Beiträge, die für den Versicherten als Angehörigen der Reichsfinanzverwaltung von 1929 bis 1935 in einer höheren als der gesetzlichen Beitragsklasse - nämlich in der Klasse K - entrichtet worden sind, wurden mit ihrem vollen Wert angerechnet. Die Klägerin wandte sich gegen diese Art der Rentenberechnung. Sie ist der Meinung, die Begrenzung der Rentenbemessungsgrundlage auf 9.000,- DM sei grundgesetzwidrig. Auch müßten die auf die Höherversicherung alten Rechts entfallenden Beitragsanteile nach Art. 2 § 15 Abs. 2 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) wie Beiträge zur Höherversicherung neuen Rechts behandelt und ihr hieraus besondere Steigerungsbeträge (§ 38 AVG) gewährt werden. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) ließ in seinem Urteil die Revision zu.
Die Klägerin legte Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Beklagte zur Erteilung eines neuen Bescheids zu verpflichten, in dem die für den verstorbenen Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage bei der Rentenberechnung in voller Höhe und die freiwilligen Anteile in den für ihn in einer höheren als der gesetzlichen Beitragsklasse entrichteten Beiträgen wie Beiträge der Höherversicherung neuen Rechts berücksichtigt werden. Sie rügte die Verletzung von Art. 2 § 15 AnVNG; die Begrenzung der Rentenbemessungsgrundlage hält sie für grundgesetzwidrig.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das LSG hat das Verlangen der Klägerin mit Recht als unbegründet angesehen.
Besondere Steigerungsbeträge für Beiträge der Höherversicherung (§ 38 AVG) werden für Beiträge der Höherversicherung neuen Rechts (Art. 2 § 15 Abs. 1 AnVNG) sowie für freiwillige Beiträge gewährt, die neben Pflichtbeiträgen entrichtet worden sind Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG).
Die sogenannte Überversicherung für Angestellte im öffentlichen Dienst ist ein auf dem Dienst- oder Arbeitsrecht beruhender Fall der Höherversicherung alten Rechts. Die auf sie entfallenden Beitragsanteile können nicht den freiwilligen Beiträgen im Sinne des Art. 2 § 15 AnVNG gleichgestellt werden. Der Versicherte hat zwar seinerzeit freiwillig eine höhere als die gesetzlich vorgeschriebene Leistung erbracht. Das war nach § 170 a AVG aF in Verbindung mit § 1389 RVO aF zulässig. Höherversicherungsbeiträge dieser Art werden aber von den Neuregelungsgesetzen weder in Art. 2 § 15 AnVNG noch an anderer Stelle als Höherversicherungsbeiträge bezeichnet oder ihnen gleichgestellt (vgl. auch BSG 13, 247). Der Wortlaut des Art. 2 § 15 AnVNG ist insoweit eindeutig. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber die so bekannte Einrichtung der Höherversicherung alter Art, die die Überversicherung einschließt, übersehen hat.
Die Fiktion in Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG setzt voraus, daß freiwillige Beiträge neben Pflichtbeiträgen, also als solche erkennbar, entrichtet worden sind. Der Sinn und Zweck dieser Regelung ist darin zu sehen, daß nur erkennbar zusätzliche freiwillige Beiträge gesondert behandelt werden sollen. Beiträge zur Höherversicherung alten Rechts sind wegen des damals geltenden Markenverfahrens, das nur einen einheitlichen Beitrag zuließ, in der Regel nicht erkennbar. Erst nach der Einführung des Beitragseinzugsverfahrens (durch die Zweite Lohnabzugsverordnung vom 24. April 1942) hoben sich die freiwilligen Beiträge neben Pflichtbeiträgen von diesen ab, weil regelmäßig nur für die ersteren noch Beitragsmarken verwendet wurden. Gerade die praktische Undurchführbarkeit einer Aufspaltung der einheitlichen Beitragsmarken in unterschiedliche Anteile war wohl für den Gesetzgeber der entscheidende Grund dafür, die Höherversicherung alten Rechts nicht in Art. 2 § 15 AnVNG zu erwähnen und sie damit von der Sonderbehandlung auszuschließen. Die Eigenarten der sogenannten Überversicherung und die in einem Einzelfall - wie dem vorliegenden - vielleicht mögliche Aufgliederung der zu ihr entrichteten Beitragsanteile ändern hieran nichts.
Die bestehende Rechtslage ist für die Mehrzahl der Versicherten mit Überversicherungsbeiträgen von Vorteil. Ihre Beiträge erhalten den durch die Tabelle der Anlage 1 zu § 32 AVG bestimmten, ihrer Klasse entsprechenden Wert. Auch die freiwilligen Anteile, die durch die Wahl einer höheren Beitragsklasse entrichtet wurden, werden über die Tabelle bei der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage berücksichtigt: es wird in Fällen dieser Art ein höheres Einkommen unterstellt und dadurch eine günstigere Rentenbemessungsgrundlage erreicht. Die auf freiwilliger Beitragsleistung beruhenden Rentenanteile nehmen auch - anders als die auf Höherversicherungsbeiträgen beruhenden Rentenanteile - an der Rentenanpassung bei Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage teil (§ 49 Abs. 1 und Abs. 3 AVG). Die Klägerin übersieht, daß bei der von ihr gewünschten Rentenberechnung die Beiträge nur bis zur Höhe des Pflichtanteils für die Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage berücksichtigt werden könnten, was für viele Versicherte mit Überversicherungsbeiträgen - möglicherweise auch für die Klägerin selbst, wenn sie danach nicht mehr an die Grenze der Rentenbemessungsgrundlage heranreichte - mit Nachteilen verbunden wäre (geringere persönliche Rentenbemessungsgrundlage und geringere Rentenanpassung), die durch die Gewährung der Steigerungsbeträge des § 38 AVG vielleicht nicht ausgeglichen würden.
Die Begrenzung der Bemessungsgrundlage ist nicht grundgesetzwidrig. Für sie liegt ein sachgerechter Grund vor. Bei Renten, die - wie im vorliegenden Fall - auf seit dem 1. Januar 1957 eingetretenen Versicherungsfällen beruhen, darf die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage nur bis zur Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden (§ 32 Abs. 1 und 2 AVG i. V. m. § 112 Abs. 2 AVG). Durch § 32 Abs. 1 Halbsatz 2 AVG wird erreicht, daß die Rentenbemessungsgrundlage den Betrag nicht überschreitet, bis zu dem vom Gehalt Beiträge zu zahlen sind. Beiträge und Leistungen werden dadurch aufeinander abgestimmt. Diese Regelung ist sinnvoll. Sie betrifft alle Rentner, die die Begrenzung überhaupt erreichen, in gleicher Weise und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auch von einem Verstoß gegen Art. 14 GG kann nicht die Rede sein, weil die Klägerin - wie schon das LSG zutreffend hervorgehoben hat - nach dem neuen Recht nicht eine geringere, sondern erheblich höhere Rente erhält, als sie nach altem Recht erhalten haben würde.
Die Rente der Klägerin ist richtig festgesetzt worden. Ihre Revision ist deshalb unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§§ 170 Abs. 1, 193 Sozialgerichtsgesetz).
Fundstellen