Leitsatz (amtlich)

Frühere Beamte auf Widerruf, die aus einem neuen Dienstverhältnis eine Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung erworben haben, werden hinsichtlich einer nach dem 1945-05-08 im öffentlichen Dienst als Angestellte oder Arbeiter verbrachten Beschäftigung - ebenso wie Beamte zur Wiederverwendung - rückwirkend als versicherungsfrei kraft Gesetzes angesehen (G 131 § 73 Abs 5 S 2). Deshalb gelten Beiträge zur Rentenversicherung als zu Unrecht entrichtet und können sowohl von dem Arbeitnehmer als auch von dem Arbeitgeber anteilmäßig und unabhängig voneinander zurückgefordert werden.

 

Normenkette

G131 § 73 Abs. 5 S. 2

 

Tenor

Soweit nicht die Klägerin die Revision zurückgenommen hat, werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. August 1961, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 1959, die Widerspruchsbescheide vom 28. und 30. Januar 1959 und die Bescheide der Beklagten vom 25. November, 17. Dezember, 17. Oktober, 17. Dezember und 23. Dezember 1958 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die für die Zeit nach dem 31. März 1951 geleisteten Arbeitgeberanteile aus der Arbeiterrentenversicherung der Beigeladenen J, S, W, H und Qu zu erstatten, die Beiträge für den Beigeladenen Q jedoch mit Ausnahme der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 1953.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Beigeladenen standen bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches (8. Mai 1945) als Beamte auf Widerruf (a. W.) im Dienst der Deutschen Reichspost. Zwischen 1948 und 1952 wurden sie von der Klägerin eingestellt und zunächst als Arbeiter beschäftigt. Später wurden sie erneut in das Beamtenverhältnis übernommen; aus dem neuen Dienstverhältnis haben sie Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung.

Solange die Beigeladenen noch nicht wieder als Beamte übernommen worden waren, entrichtete die Klägerin für sie Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter über den 31. März 1951 hinaus, und zwar

für den Beigeladenen J

bis 31. Januar 1952,

für den Beigeladenen S

bis 31. März 1957,

für den Beigeladenen W

bis 30. November 1951,

für den Beigeladenen H

bis 28. Dezember 1952,

für den Beigeladenen Qu

bis 31. Oktober 1953.

Unter Berufung auf § 73 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) in der Fassung des Zweiten Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 11. September 1957 forderte die Klägerin am 30. September 1958 die für die Beigeladenen für die Zeit vom Inkrafttreten des G 131 an (1. April 1951) entrichteten Arbeitgeberanteile von der Beklagten zurück. Die Beklagte lehnte durch Bescheide vom 25. November, 17. Dezember, 17. Oktober, 17. Dezember und 23. Dezember 1958 die Anträge der Klägerin ab, weil die Versicherten selbst nicht - wie das Gesetz es verlange - um Befreiung von der Versicherungspflicht nachgesucht hätten. Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Klägerin wurden durch Widerspruchsbescheide vom 28. Januar (Beigeladener J.) und 30. Januar 1959 (übrige Beigeladene) zurückgewiesen.

Die auf Aufhebung der Bescheide und der Widerspruchsbescheide sowie auf Rückzahlung der Arbeitgeberanteile - ausgenommen die bereits aus einem anderen Anlaß erstatteten Beiträge des Beigeladenen Q. für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 1953 - gerichtete Klage ist vom Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main am 17. November 1959 abgewiesen worden. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 22. August 1961 mit folgender Begründung zurückgewiesen: Für die Auslegung des § 73 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 G 131, nach dem auch bei früheren Beamten a. W. unter besonderen - hier gegebenen - Voraussetzungen "die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung der Beiträge mit der sich aus Absatz 1 ergebenden Wirkung" geltend gemacht werden könnten, sei es von Bedeutung, daß die Beigeladenen - anders als Beamte zur Wiederverwendung (z. Wv.) - keine die Anwendung der Absätze 2 und 3 des § 73 G 131 rechtfertigenden Ansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung gehabt, bis sie solche auf Grund der Wiederaufnahme in das Beamtenverhältnis erstmalig erworben hätten. Da § 73 G 131 die in der Sozialversicherung erworbenen Anwartschafts- und sonstigen Rechte der Betroffenen zu deren Verfügung halten wolle und der auf die Beigeladenen Anwendung findende Absatz 1 selbst die Befreiung von der Versicherungspflicht stets von einem Antrag der Betroffenen abhängig mache, sei nur eine den Versicherungsstatus im Zeitpunkt der Erlangung der Beamteneigenschaft aufrechterhaltende Auslegung des § 73 Abs. 5 G 131 möglich und sinnvoll. Solange den Beigeladenen keine Anwartschaft auf beamtenrechtliche Versorgung zugestanden habe, hätten sie wie jeder andere abhängige Arbeitnehmer durch Entrichtung von Pflichtbeiträgen - ebenso wie die Klägerin durch Entrichtung der Arbeitgeberanteile - zu ihrem versicherungsrechtlichen Schutz beigetragen. Den Schutz der Sozialversicherung wolle § 73 Abs. 5 G 131 dem bis zum Bestehen des beamtenrechtlichen Schutzanspruchs ungeschützten Arbeitnehmer nicht entziehen, sofern dieser nicht selbst den Schutz aufgebe. Eine solche Entziehung wider Willen des Versicherten läge aber vor, wenn die Klägerin durch Rückerlangung der Arbeitgeberanteile in das Versicherungsverhältnis eingreife. Deshalb könne eine Rückforderung der von dem früheren Beamten a. W. als Arbeitnehmer oder von seinem Arbeitgeber geleisteten Pflichtbeiträge nur in Frage kommen, wenn der beamtenrechtlich versorgte Arbeitnehmer seine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht beantrage und damit die aus der Versicherung erworbenen Rechte aufgebe. Dies ergebe sich auch aus dem Satzaufbau des Abs. 5, nämlich durch die Koppelung der Befreiung von der Versicherungspflicht mit der Beitragsrückforderung.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt: Das LSG habe § 73 Abs. 1 Satz 1 G 131 durch Anwendung und Abs. 5 Satz 2 durch unrichtige Anwendung verletzt. Bei den früheren Beamten a. W. (§ 73 Abs. 5 Satz 2 G 131) müsse - ebenso wie bei den Beamten z. Wv. - unterschieden werden zwischen denen, die vor dem Erwerb der Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung aus dem neuen Dienstverhältnis außerhalb des öffentlichen Dienstes und denjenigen, die innerhalb desselben als Arbeiter oder Angestellte tätig gewesen seien. Dies bedeute, daß - wie sich aus der entsprechenden Anwendung der Absätze 1 bis 4 ergebe - nur bei den außerhalb des öffentlichen Dienstes beschäftigt gewesenen früheren Beamten a. W. ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nötig gewesen sei. Für die anderen dagegen werde die Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes seit dem 1. April 1951 unterstellt. Dies ergebe sich insofern aus dem Wortlaut des § 73 G 131, als in Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 im Gegensatz zu § 74 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 nicht von einem "Antrag" gesprochen werde, sondern vom "Geltendmachen" der Befreiung von der Versicherungspflicht und der Rückforderung der Beiträge. Die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung der Beiträge seien nicht zwei notwendig miteinander verkoppelte Rechte, die nur zusammen geltend gemacht werden könnten, sonst spräche das Gesetz vom "Antrag". - Als weitere Stützen für ihre Auffassung führt die Klägerin den Erlaß des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 3. März 1958 - III a 2 3138/II a 2 7110/7120 - (BKK 1958, 275) und die Verwaltungsvorschriften zu §§ 72 bis 74 G 131 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 9 vom 13. Januar 1961) an.

In den Vorinstanzen und bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundessozialgericht (BSG) hat die Klage sich auch auf Arbeitgeberanteile erstreckt, welche die Klägerin für den ebenfalls beigeladen gewesenen Fernmeldewart Paul W für die Zeit vom 1. April 1951 bis 31. Mai 1953 entrichtet hat. Insoweit hat die Klägerin die Revision zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. das Urteil des LSG vom 22. August 1961 aufzuheben,

2. unter Änderung des Urteils des SG vom 17. November 1959 die Bescheide der Beklagten vom 25. November, 17. Dezember, 17. Oktober, 17. Dezember und 23. Dezember 1958 und die Widerspruchsbescheide vom 28. und 30. Januar 1959 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die für die Zeit nach dem 1. April 1951 geleisteten Arbeitgeberanteile aus der Arbeiterrentenversicherung der Beigeladenen, die des Beigeladenen Qu jedoch mit Ausnahme der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 1953, zu erstatten.

Die Beklagte und der Beigeladene S beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie pflichten dem angefochtenen Urteil bei.

Die Revision ist zulässig und begründet.

Die Beitragsanteile zur Rentenversicherung der Arbeiter, welche die Klägerin als Arbeitgeberin der Beigeladenen mit der Klage zurückfordert, sind für die Zeit nach dem 1. April 1951 geleistet worden. Der Rückforderungsanspruch ist nach § 73 G 131 in der derzeit gültigen Fassung, d. h. in derjenigen des Dritten ÄndG vom 21. August 1961 (BGBl I, 1557, 1579) zu beurteilen. Während die Absätze 1 bis 4 dieser Vorschrift die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung von Beiträgen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung für Beamte z. Wv. regeln, erklärt Abs. 5 die Absätze 1 bis 4 für entsprechend anwendbar ua auf frühere Beamte a. W., die nach dem G 131 keine Anwartschaft oder keinen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung haben, eine solche Anwartschaft jedoch - was bei den Beigeladenen seit ihrer Wiederaufnahme in das Beamtenverhältnis der Fall ist - aus einem neuen Dienstverhältnis erworben haben; die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung der Beiträge können mit der sich aus Abs. 1 ergebenden Wirkung bis zum 30. September 1958 oder, wenn das neue Dienstverhältnis erst nach dem 30. September 1957 begründet worden ist, innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Begründungsmonats geltend gemacht werden. Die unter den Beteiligten streitige Frage, ob Arbeitgeberanteile ausnahmslos nur dann zurückgefordert werden können, wenn auch der Beschäftigte die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig beantragt hat, läßt sich aus dem Wortlaut des Abs. 5 allein nicht entscheiden, vor allem nicht aus den Worten "die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Rückforderung der Beiträge können ... geltend gemacht werden". Die Verbindung der Begriffe "Befreiung von der Versicherungspflicht" und "Rückforderung der Beiträge" durch das Wort "und" beweist nicht, wie die Beklagte meint, daß ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers nicht ohne gleichzeitige Befreiung des Beschäftigten von der Versicherungspflicht gegeben sein könnte. Vielmehr läßt sich der Wortlaut des Gesetzes ohne Zwang auch in dem Sinne auslegen, daß sowohl für die Befreiung von der Versicherungspflicht, sofern eine solche im konkreten Falle in Betracht kommt, als auch für die Rückforderung der Beiträge die gesetzliche Frist - in der Regel bis zum 30. September 1958 - gilt. Anstelle des Wortes "und" konnte der Gesetzgeber nicht, wie in den Widerspruchsbescheiden der Beklagten zum Ausdruck gekommen ist, das Wort "oder" wählen, weil dies bei der Rückforderung von Arbeitnehmeranteilen den sicherlich nicht gewollten Sinn ergeben hätte, daß entweder die Befreiung von der Versicherungspflicht oder die Rückforderung der Beiträge beansprucht werden kann. Andererseits vermag der Senat auch der Klägerin nicht darin zu folgen, daß schon die Verwendung des Begriffs "geltend gemacht" - statt "beantragt" - die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung dartue.

Die Beantwortung der Frage, was die entsprechende Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 bis 4 G 131 auf frühere Beamte a. W. (Abs. 5) zu bedeuten hat, setzt eine Erörterung des Inhalts der Absätze 1 bis 4 des § 73 G 131 voraus. Das Gesetz behandelt Beamte z. Wv., die nach dem 31. März 1951 eine nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, unterschiedlich je nachdem ob dies außerhalb (a) oder innerhalb (b) des öffentlichen Dienstes geschehen ist. In den Fällen zu a) werden Beamte z, Wv. auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Die Folge davon ist, daß ihnen die zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträge erstattet werden; sowohl sie als auch die Arbeitgeber können die von ihnen geleisteten Anteile zurückfordern. Für die Fälle zu b) enthielt das G 131 bis zum Ersten ÄndG vom 19. Juli 1953 (BGBl I, 980) keine ausdrückliche Regelung. Man nahm aber schon damals an, daß dieser Personenkreis von der Rückforderung der Beiträge nach § 73 G 131 nicht ausgeschlossen werden sollte, und sah ihn deshalb - beim Fehlen einer Möglichkeit, ihn auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien - auf Grund der ihm durch das G 131 gewährten versorgungsrechtlichen Ansprüche seit dem 1. April 1951 kraft Gesetzes (§ 169 der Reichsversicherungsordnung - RVO - bzw. § 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF) als versicherungsfrei an. Diese Handhabung des Gesetzes ist durch § 73 Abs. 4 G 131 in der Fassung des Zweiten ÄndG legalisiert worden. Danach findet § 73 Abs. 1 G 131 auf die Rückforderung der Beiträge von Beamten z. Wv., die nach dem Inkrafttreten des G 131 eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst als Angestellte oder Arbeiter ausgeübt haben, entsprechende Anwendung. Nach Feststellung der Rechtsstellung als Beamter z. Wv. wird dieser Beamte also rückwirkend als versicherungsfrei kraft Gesetzes angesehen. Infolgedessen kommt eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag nicht in Betracht; die Beiträge sind zu Unrecht geleistet worden und können zurückgefordert werden. Die Möglichkeit der Rückforderung ergibt sich bereits aus § 1424 RVO; dadurch, daß in § 73 Abs. 4 G 131 auf Abs. 1 Bezug genommen wird, werden jedoch die Rückforderungsfristen entsprechend ausgedehnt. In dieser Auffassung über die Rechtslage der nach dem 31. März 1951 im öffentlichen Dienst als Angestellte oder Arbeiter beschäftigt gewesenen Beamten z. Wv. sind sich die Beteiligten einig; sie entspricht auch der allgemeinen Meinung im Schrifttum (Anders, Gesetz zu Art. 131 GG, 3. Aufl., § 74 Anm. 1; Anders-Jungkunz-Käppner, Gesetz zu Art. 131 GG, 4. Aufl., § 73 Anm. 5; Brosche, Gesetz zu Art. 131 GG, Erl. 4 zu §§ 73 und 74; Odendahl, Betriebskrankenkasse 1958, Spalte 259, 263). Die Regelung erklärt sich daraus, daß dem Beamten z. Wv. die Zeit der Beschäftigung als Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst versorgungsrechtlich voll angerechnet wird, mag er bis zu seiner Dienstunfähigkeit oder seinem Eintritt in den Ruhestand Beamter z. Wv. geblieben sein oder vorher eine Wiederverwendung als Beamter gefunden haben. Ist er Beamter z. Wv. geblieben, so ergibt sich dies aus § 35 Abs. 3 G 131, anderenfalls aus § 181 Abs. 3 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG). Für die Aufrechterhaltung einer zusätzlichen sozialversicherungsrechtlichen Versorgung für den Fall des Alters oder der Dienstunfähigkeit bestand somit kein Bedürfnis. Eine solche "Doppelversorgung" wird man sogar als unerwünscht ansehen dürfen; dies läßt sich dem § 115 Abs. 2 BPG entnehmen, der die Anrechnung eines Teiles der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen auf die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge vorschreibt. Das Gesetz gibt daher - folgerichtig - sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die entrichteten Beitragsanteile zurückzufordern.

Die Regelung des § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131, der die Absätze 1 bis 4 ua auf frühere Beamte a. W. für entsprechend anwendbar erklärt, ist nach der Auffassung des erkennenden Senats so zu verstehen, daß auch die früheren Beamten a. W., sofern sie eine Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung aus einem neuen Dienstverhältnis erworben haben; in ähnlicher Weise unterschiedlich behandelt werden wie die Beamten z. Wv., nämlich je nachdem ob sie zwischenzeitlich, d. h. in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Eintritt in ein neues Beamtenverhältnis, außerhalb oder innerhalb des öffentlichen Dienstes als Angestellte oder Arbeiter beschäftigt waren. Nur im ersten Falle bedarf es eines Antrags des Beamten auf Befreiung von der Versicherungspflicht. War der wieder eingestellte Beamte dagegen während der Zeit, in der er tatsächlich nicht Beamter war, im öffentlichen Dienst als Angestellter oder Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt, so wird er, obwohl er seinerzeit zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - und auch zu den übrigen Versicherungszweigen - geleistet hatte, nach der Erlangung einer neuen Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung als versicherungsfrei kraft Gesetzes angesehen mit der Folge, daß die Beiträge nunmehr als zu Unrecht entrichtet gelten und - mit Ausnahme der Beiträge zur Krankenversicherung - sowohl von dem Arbeitnehmer als auch von dem Arbeitgeber anteilmäßig zurückgefordert werden können; für einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ist in diesen Fällen kein Raum.

Das vom LSG zum Ausdruck gebrachte Bedenken (ähnlich Brosche aaO, Erl. 17 zu §§ 73, 74 G 131, S. 595 und Recht im Amt 1961, 353, 356), daß man dem Arbeitgeber nicht gestatten dürfe, von sich aus in das Versicherungsverhältnis des Arbeitnehmers einzugreifen, richtet sich weniger gegen die Auslegung, die der Senat der in § 73 Abs. 5 Satz 2 G 131 enthaltenen Verweisung auf Abs. 4 dieser Vorschrift zuteil werden läßt, als vielmehr gegen die sozialpolitische Konzeption der gesetzlichen Regelung und die vermeintliche Abweichung von Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts. Dabei übersieht das LSG jedoch, daß in Fällen wie dem hier zu entscheidenden für die Aufrechterhaltung der Sozialversicherung aus der Zeit vor der Wiederbegründung eines Beamtenverhältnisses in der Regel ebensowenig ein Bedürfnis besteht wie für eine sozialversicherungsrechtliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung eines Beamten z. Wv. Wenn ein Beamter a. W., der nach § 6 Abs. 1 G 131 mit Ablauf des 8. Mai 1945 durch Widerruf als entlassen gilt, später zunächst als Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst beschäftigt und dann wieder als Beamter eingestellt wird, so wird ihm die Zeit, die er als Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst verbracht hat, ebenfalls auf Grund des § 181 Abs. 3 BBG als ruhegehaltsfähige Zeit angerechnet. Daß er vom 9. Mai 1945 an bis zu seinem Wiedereintritt in das Beamtenverhältnis kein Amt bekleidet hat, ist nämlich nicht auf beamtenrechtliche Gründe zurückzuführen, sondern auf die in dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches wurzelnde Vorschrift des § 6 Abs. 1 G 131 (vgl. Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Erl. 8 zu § 181 S. 11).

Die Rechtsauffassung des Senats hat auch in der Neufassung der Verwaltungsvorschriften zu §§ 72 bis 74 G 131 vom 5. Januar 1961 ihren Niederschlag gefunden (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 9 vom 13. Januar 1961). Nach Nr. 7 Abs. 3 Ziff. 3 und 5 und Abs. 4 der Verwaltungsvorschriften zu § 73 G 131 sind in Fällen wie dem hier zu entscheidenden die Arbeitgeber für die von ihnen entrichteten Beitragsanteile selbständig rückforderungsberechtigt (vgl. hierzu Drögemeyer, Der Sozialversicherungsbeamte 1961, 100, 102). Dieser Rechtsauffassung ist auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in dem bereits angeführten Erlaß vom 3. März 1958; auf ihr beruhen ferner der Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Februar 1958 - MinBl NRW 1958, 254 - und der Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 20. August 1958 - Nds. MinBl 1958, 618 - (zustimmend Odendahl, Betriebskrankenkasse 1958, 259, 265).

Die Klage ist somit begründet. Der Senat hat daher unter Aufhebung der ergangenen Verwaltungsakte und der Entscheidungen der Vorinstanzen die Beklagte zur Erstattung der Beitragsanteile der Klägerin verpflichtet.

Die Kostenentscheidung ergeht in Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2375197

BSGE, 252

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