Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn ein Gericht allgemein bekannte Tatsachen unter Berücksichtigung der Verkehrsregeln verwertet und im Rahmen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung verwerten durfte, dann bedarf es nicht der Anhörung eines Sachverständigen. Die Schwere eines Unfalles muß eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht in den Rang einer rechtlich unwesentlichen Teilursache zurückwerfen.
2. Ist ein Arbeitnehmer infolge Trunkenheit absolut fahruntüchtig, so ist für einen Unfall auf einem Betriebsweg Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen, wenn die Trunkenheit als rechtlich allein wesentliche Ursache bewertet werden muß; sowohl eine absolute (unwiderlegbare) als auch eine relative Fahruntüchtigkeit kann in diesem Sinne wesentliche Ursache eines Unfalls sein.
3. Läßt sich ein eindeutiges Ergebnis über die Ursache eines Unfalls, der einen unter Alkoholeinfluß stehenden Verkehrsteilnehmer getroffen hat, nicht erzielen - so daß sonstige Unfallursachen nicht erwiesen sind -, dann hat nach dem Anscheinsbeweis die auf Alkoholbeeinflussung beruhende Fahruntüchtigkeit den Unfall verursacht.
Normenkette
RVO § 550 Fassung: 1963-04-30, § 589 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; StVO § 17 Fassung: 1956-03-29
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Juli 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Ehemann der Klägerin an den Folgen eines Arbeitsunfalles verstorben ist und ihr daher ein Witwenrentenanspruch zusteht.
Der Ehemann der Klägerin (B.) führte im Dezember 1965 zusammen mit einer Gruppe von Arbeitern im Auftrage seiner Beschäftigungsfirma Tiefbauarbeiten auf dem Lagergelände der Firma BP beim Petroleumhafen in H aus. Im übrigen hatte B. die Aufgabe, mit einem firmeneigenen VW-Bus die Arbeiter zur Arbeitsstelle und wieder zurückzubringen. Auch am 6. Dezember 1965 trat er gegen 16.00 Uhr die Rückfahrt an.
Das an der D-straße gelegene Tor 4 des Lagergeländes war zu dieser Zeit mit einem Pförtner besetzt, die Werksleitung der Firma BP hatte dort ein nichtamtliches Verkehrszeichen nach Bild 30a der Anlage zur Straßenverkehrsordnung - StVO - (Halt! Vorfahrt achten!) aufgestellt. Zwischen dem Lagertor und der Fahrbahn der D-straße führt ein 3 Meter breiter Rad- und Gehweg und ein anschließender 5 Meter breiter Grünstreifen entlang. B. wollte nach Verlassen dieses Tores nach links auf die dort 6,30 Meter breite D-straße einbiegen. Ohne am Tor anzuhalten fuhr er zügig in die D-straße ein. Gleichzeitig nahte von links ein von dem Zeugen H gelenkter Omnibus heran. H. riß sein Fahrzeug nach links und prallte frontal gegen die linke Seite des von B. gesteuerten Fahrzeuges, das umstürzte und quer zur Straßenrichtung auf der der Ausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite liegenblieb. Hierbei wurde B. so schwer verletzt, daß er später starb. Eine um 17.30 Uhr bei ihm entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 1,13 0 / 00 nach Widmark und 1,08 0 / 00 nach der ADH-Kontrollbestimmung. Dr. R./Dr. J. vom Institut für gerichtliche Medizin in Hamburg errechneten daraus für die Unfallzeit um 16.00 Uhr einen Blutalkoholgehalt von etwa 1,3 0 / 00 (Gutachten vom 7. Dezember 1965).
Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, vielmehr der von B. genossene Alkohol die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei (Bescheid vom 23. September 1966).
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 23. September 1966 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin "Hinterbliebenenbezüge" zu gewähren (Urteil vom 10. November 1969). Das Fehlverhalten des Zeugen H, nämlich das Herumreißen des Omnibusses nach links - anstatt nach rechts - sowie die Größe und das Gewicht dieses Fahrzeuges seien mitursächlich für den Unfall und dessen Schwere gewesen, so daß das Fahrverhalten des B. nicht die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat entsprechend dem Berufungsantrag der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin Hinterbliebenenrente begehrt. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt, der an sich nach § 550 Reichsversicherungsordnung (RVO) gegebene Versicherungsschutz sei entfallen, weil die Alkoholeinwirkung als die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall anzusehen sei. B. sei im Zeitpunkt des Unfalles fahruntüchtig gewesen. Es habe zu dieser Zeit eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 0 / 00 bestanden. Hierbei seien die im Laufe des Verfahrens vorgetragenen Umstände berücksichtigt, die zu einer niedrigeren Blutalkoholkonzentration geführt haben könnten. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 0 / 00 bleibe geringfügig unter dem Grenzwert von 1,3 0 / 00 , der nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) und des Bundessozialgerichts (BSG) absolute Fahruntüchtigkeit beweise. Das ungewöhnlich leichtfertige Fahrverhalten beweise jedoch, daß B. tatsächlich infolge seines Alkoholgenusses fahrunfähig gewesen sei. Das Tor 4 stelle zweifelsfrei eine Grundstücksausfahrt i.S. von § 17 StVO dar, was B. nicht verborgen geblieben sein konnte. Das Werksgelände der Firma BP sei mit einem 3 Meter hohen Drahtgitterzaun abgegrenzt gewesen. Am Tor habe sich ein Pförtnerhaus befunden sowie das Verkehrszeichen "Halt! Vorfahrt achten!". Die Verhältnisse seien B. genau bekannt gewesen, denn er habe schon wiederholt Arbeiter dorthin gefahren. Entgegen seiner Verpflichtung, die Ausfahrt so zu verlassen, daß eine Gefährdung des Straßenverkehrs ausgeschlossen gewesen sei, sei er ohne Halt zügig in die D-straße eingebogen. Der Omnibus des Zeugen H habe sich nur noch etwa 10 bis höchstens 20 Meter von der Ausfahrt entfernt befunden. Hieraus sei zu schließen, daß B. infolge Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen Kraftwagen im Straßenverkehr ordnungsgemäß zu führen. Ohne Alkoholeinfluß wäre B. nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt. In nüchternem Zustand wäre er schon im eigenen Interesse so langsam aus der Ausfahrt herausgefahren, daß er sein Fahrzeug erforderlichenfalls noch vor Erreichen der D-straße zum Stehen gebracht hätte, zumal die Sicht nach links durch das Pförtnerhaus kaum behindert gewesen sei. Wahrscheinlich hätte er noch vor Durchfahren des Tores in unmittelbarer Nähe den Omnibus gesehen, sein Fahrzeug abgebremst und somit den Unfall vermieden. Angesichts der Nähe des Busses hätte er unmöglich der Meinung sein können, er könne gefahrlos noch vorher nach links in die D-straße einbiegen. Das Verhalten des Zeugen H sei entgegen der Ansicht des SG für den Unfall unwesentlich gewesen. Zwar sei nicht auszuschließen, daß dieser vermieden worden wäre, wenn H sein Fahrzeug unter gleichzeitigem Abbremsen scharf nach rechts gelenkt hätte. Das sei aber nicht wahrscheinlich. Beide Fahrzeuge seien etwa eine Sekunde nach dem Passieren des Tores zusammengestoßen. H habe nicht damit zu rechnen brauchen, daß unmittelbar vor ihm ein Fahrzeug die Ausfahrt verlassen würde. Ihm sei daher eine Reaktionszeit von 0,8 Sekunden zuzubilligen. In der verbleibenden Zeit sei es kaum möglich gewesen, den Omnibus so zu lenken, daß der Unfall vermieden worden wäre, zumal H zunächst es noch für möglich halten konnte, B. werde sein Fahrzeug nach Durchfahren des Werktores auf der 8 Meter langen Strecke bis zur Fahrbahn der D-straße doch noch abbremsen oder nach rechts aus dem Gefahrenbereich hinauslenken. Schließlich müsse auch die von dem Bus ausgehende Verkehrsgefahr infolge seiner Größe und des Gewichts unberücksichtigt bleiben. Derartige Fahrzeuge benutzten regelmäßig öffentliche Straßen und die von ihnen ausgehende höhere Gefahr stelle keinen Umstand dar, der der betrieblichen Gefahr eines anderen Unfallbeteiligten zuzurechnen sei.
Die Klägerin hat die von dem LSG zugelassene Revision in rechter Form und Frist eingelegt und begründet. Sie führt u.a. aus: Wie schon das SG zutreffend angenommen habe, sei das Verhalten des Zeugen H eine mitwirkende Unfallursache gewesen. Dieser habe sich mit seinem Fahrzeug mit gleichbleibender Geschwindigkeit der Ausfahrt genähert und habe deshalb das Fahrzeug des B. beobachten können. Er sei nicht berechtigt gewesen, sich seine Vorfahrt zu erzwingen. Sein Verhalten habe also bei dem Erfolg wesentlich mitgewirkt. Unzutreffend sei das LSG davon ausgegangen, B. sei fahruntüchtig gewesen. Die vom LSG insoweit vertretene Rechtsauffassung habe zur Zeit des Unfalles noch nicht gegolten. Sie könne daher nicht der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Entscheidend sei, ob B. im Jahre 1965 absolut fahruntüchtig gewesen sei. Das treffe nicht zu. Es bestehe keine Vermutung dafür, daß derjenige, der gegen § 17 StVO oder gegen die Vorfahrtsregeln verstoße, betrunken sei. Es sei nicht angängig, aus der Tatsache der Verletzung einer Straßenverkehrsregel auf Trunkenheit zu schließen. Keinem der Beteiligten sei aufgefallen, daß B. unter Alkoholeinwirkung gestanden habe. Wäre den Mitfahrern dies aufgefallen, so hätten sie die Fahrt nicht mit angetreten. H hätte bei unbehinderten Sichtverhältnissen bei hinreichender Beobachtung feststellen können, daß das Fahrzeug des B. seine Geschwindigkeit nicht verlangsamt habe. Er hätte daher in diesem Zeitpunkt zu einer defensiven Fahrweise übergehen müssen, um den Unfall möglichst zu vermeiden. Das habe er jedoch nicht getan. Er sei vielmehr in der Erwartung, das Fahrzeug des B. würde noch halten, weitergefahren. Als er feststellte, daß das nicht der Fall war, habe er, anstatt geradeaus zu fahren, sein Fahrzeug nach links gerissen. Hätte er sich jedoch rechtzeitig auf das Fahrverhalten des B. eingestellt, wäre der Unfall nicht zustande gekommen, zumindest aber nicht in dieser Schwere. Zu Unrecht habe das LSG H eine Reaktionszeit von 0,8 Sekunden zugebilligt. Bei einer derartigen Situation sei das jedoch nicht angängig, weil der Fahrer sich sofort darauf einstellen müsse, daß das andere Fahrzeug möglicherweise vor der Einmündung nicht anhalte. Das LSG habe insoweit seine Aufklärungspflicht verletzt. In beiden Instanzen habe die Klägerin darauf hingewiesen, daß, wenn es auf diese Frage ankomme, ein Sachverständiger gehört werden müsse. Auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg habe ausdrücklich festgestellt, B. sei nicht fahruntüchtig gewesen, dann allerdings nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein so überwiegendes Verschulden festgestellt, daß eine Mitschuld des H nicht vorliege. Zur Frage der Verursachung sage diese Feststellung jedoch nichts aus. Nach dem vom SG und LSG übereinstimmend festgestellten Sachverhalt stelle jedoch das Verhalten des H eine rechtlich erhebliche Mitursache dar, so daß der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente gerechtfertigt sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Juli 1973 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an das Sozialgericht in Stade zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht einen Witwenrentenanspruch der Klägerin (§§ 547, 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO) verneint, weil die Trunkenheit des Ehemannes der Klägerin (B.) die rechtlich allein wesentliche Ursache des tödlichen Unfalles am 6. Dezember 1965 gewesen sei.
Nach den unstreitigen Feststellungen des LSG befand sich B., als er verunglückte, auf dem Heimweg von der Arbeit, also auf einem nach § 550 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) stehenden Arbeitsweg.
Nach der seit der Entscheidung des 2. Senats des BSG vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 242 ff.) ständigen Rechtsprechung dieses Senats, der sich anzuschließen der erkennende Senat keine Bedenken trägt, entfällt im Recht der gesetzlichen UV der Versicherungsschutz jedoch dann, wenn eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, daß sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist (vgl. auch BSG 13, 13, 15; 18, 101, 103; 34, 261, 262; 35, 216, 217; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: April 1974, 486 y I, II). Sowohl eine absolute, d.h. unwiderlegbare als auch eine relative Fahruntüchtigkeit kann in diesem Sinne wesentliche Ursache eines Unfalls sein (Brackmann, aaO 486 y II, 488 Buchst. f.). Es ist daher nicht von entscheidender Bedeutung, bei welchem Blutalkoholgehalt 1965 von der Rechtsprechung eine absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wurde. Die Frage der Fahruntüchtigkeit und ihrer Kausalität für den Unfallhergang ist, wie stets bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhanges im Sinne der gesetzlichen UV aufgrund genauer Prüfung aller speziellen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BSG 27, 40, 41 unten; Brackmann aaO 488a).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) stand B. im Zeitpunkt des Unfalles unter Alkoholeinfluß mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 0 / 00 . Wenn die Revision diese Feststellung des LSG mit der Begründung angreift, B. sei (relativ) fahruntüchtig gewesen, so hält sie ein anderes Ergebnis freier richterlicher Beweiswürdigung i.S. von § 128 SGG für richtig. Sie trägt insoweit zu Unrecht vor, das OLG Hamburg habe in seinem Urteil vom 23. Juni 1970 - 7 U 8/70 - ausdrücklich festgestellt, B. sei nicht fahruntüchtig gewesen. Das OLG hat vielmehr diese Frage als für seine Entscheidung rechtsunerheblich dahingestellt sein lassen. Das LSG hat dagegen aus den gesamten Umständen auf eine trunkenheitsbedingte Fahruntüchtigkeit geschlossen. Insoweit ist ein Verstoß gegen anerkannte Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetze weder von der Revision hinreichend substantiiert gerügt - das Vorbringen, keinem der Beteiligten sei eine bei B. vorhandene Alkoholeinwirkung "aufgefallen", beeinträchtigt die Bedeutung der übrigen Umstände nicht - noch sind solche Verstöße erkennbar (BSG 2, 236, 237; SozR Nr. 34 zu § 128 SGG).
Schließlich ist auch die Feststellung des LSG, die Trunkenheit des B. sei die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen, nicht zu beanstanden. Nach der das Recht der gesetzlichen UV beherrschenden Kausalitätsnorm ist nicht jede Ursache eines Unfalles im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn wesentlich und damit haftungsausfüllend. Der Begriff der rechtlich wesentlichen Ursache ist ein Wertbegriff; die Frage, ob eine Mitursache für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSG 1, 72, 76; 12, 242, 245/246). Wenn daher nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen ist, daß ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Verkehrsteilnehmer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre, so ist die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, die bei der Entstehung des Unfalles mitgewirkt hat, gegenüber den betriebsbedingten Umständen in der Regel als rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten (BSG 12, 242). Läßt sich ein klares Beweisergebnis über die Ursache eines Unfalles, der einen unter Alkoholeinfluß stehenden Verkehrsteilnehmer betroffen hat, nicht erzielen, sind also sonstige Unfallursachen nicht erwiesen, so spricht die Lebenserfahrung dafür, daß die auf Alkoholbeeinflussung beruhende Fahruntüchtigkeit den Unfall verursacht hat - Beweis des ersten Anscheins - (BSG 12, 242, 246).
Wenn die Revision und wohl auch das SG meinen, das Fahrverhalten des Zeugen H sowie die von seinem Fahrzeug ausgehende Verkehrsgefahr seien mitursächlich für den Unfall gewesen, so trifft das zwar zu, jedoch wird die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des B. dadurch nicht zur unwesentlichen Teilursache des Unfalls. Es kann dahingestellt bleiben, ob H durch eine andere Fahrweise den Unfall hätte verhindern können, ob er etwa durch Geradeausfahren oder Herumziehen seines Fahrzeugs nach rechts, das Fahrzeug des B. nicht oder in einer weniger gefährdenden Weise erfaßt hätte oder ob er, wenn er frühzeitig erkannt hätte, B. werde seine Vorfahrt nicht achten, sein Fahrzeug rechtzeitig hätte abbremsen können oder ob ihm schließlich, wie die Revision meint, eine Schrecksekunde nicht zugebilligt werden kann. In jedem Falle war die alkoholbedingte verkehrswidrige Fahrweise des B. so schwerwiegend, daß demgegenüber ein mögliches Fehlverhalten des Zeugen H derart in den Hintergrund tritt, daß es nicht als wesentlich mitwirkende Teil-Ursache gewertet werden kann. B. hat grob gegen § 17 der damals geltenden Straßenverkehrsordnung vom 29. März 1956 (BGBl I, 327) - jetzt § 10 der Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 (BGBl I, 1565) - verstoßen, indem er ungeachtet des herannahenden Omnibusses des Zeugen H ohne am Tor anzuhalten zügig in die D-straße einbog, wobei seine Sicht nach links, wie das LSG feststellte, kaum behindert war. Da auch sonstige Umstände sein Verhalten nicht erklären können, kann nur in einer alkoholischen Enthemmung die wesentliche Ursache des Unfalls gesehen werden. Es trifft zwar zu, daß H sich seine Vorfahrt nicht erzwingen durfte. Bevor aber von einem solchen "Erzwingen der Vorfahrt" die Rede sein kann, muß feststehen, daß er erkannt hatte, das seine Fahrbahn kreuzende Fahrzeug des B. werde seine Vorfahrt nicht achten. Er hatte zwar wie jeder Kraftfahrer die Pflicht, andere Verkehrsteilnehmer zu beobachten und seine eigene Fahrweise nach deren Verhalten einzurichten. Das bedeutet aber nicht, daß er grundsätzlich damit rechnen mußte, B. werde sein Vorfahrtsrecht tatsächlich mißachten. Nur wenn das für ihn rechtzeitig erkennbar gewesen wäre, wäre er verpflichtet gewesen, seine Fahrweise so einzurichten, daß eine Gefährdung des Verkehrs nicht hätte eintreten können. Dies war aber hier nach den tatsächlichen Umständen nicht der Fall. Insoweit unangegriffen hat das LSG festgestellt, H. habe sich zu diesem Zeitpunkt nur noch etwa 10 bis höchstens 20 m von der Ausfahrt entfernt befunden. Bis dahin durfte er damit rechnen, B. werde, entsprechend seiner Verpflichtung nach § 17 StVO, aus der Grundstücksausfahrt nur herausfahren, wenn dabei eine Verkehrsgefährdung ausgeschlossen war und sein Fahrzeug vor Erreichen der Fahrbahn der D-straße anhalten, um ihn zunächst vorbeifahren zu lassen. Das um so mehr, als kein Grund ersichtlich war, weshalb B. den herannahenden Omnibus nicht bemerken sollte. Wenn das LSG von einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden ausgegangen ist, und das weitere Verhalten des H, als mit der Situation durchaus vereinbar angesehen hat, sind diese Erwägungen sachgerecht. Insbesondere bedurfte es nicht der Anhörung eines Sachverständigen, weil das LSG insoweit allgemein bekannte Tatsachen unter Berücksichtigung der geltenden Verkehrsregeln. verwertet hat und im Rahmen des ihm zustehenden Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung verwerten durfte. Im übrigen hat auch das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 23. Juni 1970, auf das sich die Revision beruft, dargelegt, daß "jede Grundlage" dafür fehle, daß H angesichts der ihm zustehenden Schrecksekunde usw." noch geeignet reagieren konnte" (vgl. S. 24 des Urteils).
Zu Unrecht erblickt zwar das LSG in der von dem Fahrzeug des H ausgehenden erhöhten Gefahr keine dem Unternehmensbereich zuzurechnende "betriebliche Gefahr". Es handelt sich dabei vielmehr um eine erhöhte Gefahrenquelle des Arbeitsweges, die aber diesem eigentümlich ist, weil Fahrzeuge von dieser Größe und diesem Gewicht allgemein öffentliche Straßen befahren. Mag daher zwar wenigstens die Schwere des Unfalles durch das Fahrzeug des H. mit beeinflußt worden sein, so drängt jedoch auch sie die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als Unfallursache nicht so weit zurück, daß diese dadurch zur unwesentlichen Teilursache würde. Eine, wie das LSG meint, mögliche Abweichung von dem Urteil des 5. Senats des PSG vom 28. Januar 1971 - 5 RKnU 9/68 - liegt nicht vor, weil dort eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als Unfallursache nicht gegeben war.
Das LSG hat somit im Ergebnis zu Recht den Witwenrentenanspruch der Klägerin verneint, so daß die Revision zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen