Leitsatz (redaktionell)
Die Beschränkung der Sonderregelung des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 vom 1964-07-30 auf die vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins erreichte Berufsstellung überschreitet die Ermächtigung des BVG § 40a Abs 4 iVm BVG § 30 Abs 7 idF des 2. NOG KOV nicht.
Normenkette
BVG § 40a Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, § 30 Abs. 7 Fassung: 1964-02-21, § 30 Abs 3 u 4 DV § 5 Fassung: 1964-07-30, § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1964-07-30
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 1966 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezieht Hinterbliebenenversorgung nach ihrem am 14. Februar 1945 gefallenen Ehemann. Mit dem am 29. April 1964 eingegangenen Antrag begehrt sie Schadensausgleich nach dem Zweiten Neuordnungsgesetz (2. NOG), und zwar vom 1. Januar 1964 an. Ihr Ehemann als selbständiger Transportunternehmer habe von 1936 bis 1939 vor der Einberufung als Soldat 850.- bis 950.- RM monatlich verdient. Die Verwaltung gewährte Schadensausgleich zunächst nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, auf den Widerspruch der Klägerin aber nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 1965). Die Klägerin, welche das Einkommen ihres Ehemannes in den letzten 3 Jahren vor dem 2. Weltkrieg allein von einer Firma mit 850.- bis 950.- RM monatlich und nach Abzug von Steuern und Krankenkassenbeiträgen mit durchschnittlich 700.- RM monatlich Reingewinn angibt, begehrt Schadensausgleich nach § 6 Durchführungsverordnung (DVO) vom 30. Juli 1964 (BGBl I Seite 574); hierbei sei die Besoldungsgruppe A 12 bzw. A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes zugrunde zu legen. Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat mit Urteil vom 28. Juli 1965 die Klage abgewiesen, weil für die Lohnfahrten 1937/1938 nur Rechnungsbeträge von 850.- bis 950.- RM vorlägen und diese nicht den erzielten Reingewinn dieser Lohnfahrten ergäben. Auch vor dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Klägerin keinen Erfolg gehabt (Urteil vom 25. November 1966). § 6 Abs. 2 DVO vom 30. Juli 1964 setze voraus, daß der Durchschnittsgewinn aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Schädigung oder vor Beginn des militärischen Dienstes nachgewiesen werde. Die Bescheinigungen der Baufirma D vom 11. Mai 1962, die im Monatsdurchschnitt Einnahmen von 750,- bis 850,- RM bestätigten, gäben nur das Bruttoeinkommen als Fuhrunternehmer an. Zur Ermittlung des tatsächlichen Gewinns müßten die Betriebskosten (Sozialversicherung und Krankenkassenbeiträge, Benzin und Reparaturkosten, sowie Abschreibungen für das Fahrzeug) abgesetzt werden. Das zuständige Finanzamt habe mangels Unterlagen den Reingewinn des Ehemannes der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb nicht feststellen können; es habe lediglich den Jahresgewinn eines Fuhrunternehmers mit einem Lkw ohne Hilfskräfte auf 5.000,- bis 6.000,- DM für das Jahr 1962 geschätzt. Im übrigen widerspreche § 6 DVO nicht dem Gesetz; denn nach § 30 Abs. 7 Bundesversorgungsgesetz (BVG) habe die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Vergleichsgrundlagen zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens zu bestimmen. Es habe die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungsgruppen des Bundes herangezogen. Die Verwaltung habe daher zu Recht in Anwendung des § 40 a BVG und des § 5 DVO ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt, welches dem Endgrundgehalt A 7 der Besoldungsgruppe des Bundesbesoldungsgesetzes entspreche. Dieses Endgrundgehalt treffe für die Berufsgruppe zu, welcher der Ehemann der Klägerin angehört habe.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe die §§ 40 a Abs. 2 und 4, 30 Abs. 4 und 7 Buchst. a BVG idF des 2. NOG und des § 6 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF vom 30. Juli 1964 verletzt.
Da die von der Verwaltung vorgenommene Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 7 nicht dem Einkommen des Verstorbenen gerecht werde, hätte das LSG § 6 DVO anwenden müssen. Auch nach § 6 DVO müsse die Berechnung des Schadensausgleichs nach dem heutigen Durchschnittseinkommen eines selbständigen Fuhrunternehmers erfolgen. § 6 DVO enge das Gesetz insoweit ein, als es nur den vor der Schädigung erreichten Berufserfolg als Vergleichsgrundlage vorsehe. Die Bundesregierung habe dabei die Grenzen der in § 30 Abs. 7 Buchst. a BVG eingeräumten Ermächtigung überschritten. Diese Vorschrift ermächtigte die Bundesregierung nur, das Verfahren zur Heranziehung von Vergleichsgrundlagen zu regeln, nicht aber den §§ 40 a Abs. 2 und 30 Abs. 4 BVG zu widersprechen. Im übrigen müsse für die Anwendung des § 6 DVO das Durchschnittseinkommen der Berufs- und Wirtschaftsgruppe, welcher der Verstorbene ohne den Tod heute angehören würde, maßgebend sein.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Tatsacheninstanzen aufzuheben und die Bescheide der Versorgungsverwaltung vom 4. Dezember 1964 und 10. Februar 1965 abzuändern sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Schadensausgleich gemäß § 40 a BVG unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens eines selbständigen Fuhrunternehmers zu gewähren,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 6 DVO müßten von der Klägerin nachgewiesen und nicht nur glaubhaft gemacht werden. § 6 Abs. 1 und 2 DVO lasse die Möglichkeit einer Besserstellung nur für die Fälle erkennen, in denen bereits vor der Schädigung ein besonderer Berufserfolg nachgewiesen sei. Fälle einer normalen Berufsentwicklung fielen nicht unter diese Vorschrift. Es genüge daher nicht die Behauptung der Klägerin, daß der Verstorbene wesentlich mehr verdienen würde, als der Durchschnitt seines Berufskollegen. Die Sondervorschrift des § 6 DVO sei einer extensiven Auslegung nicht zugängig; sie sei gesetzeskonform.
Die zugelassene Revision der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist daher statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), jedoch nicht begründet.
Nach § 40 a Abs. 1 BVG idF des 2. NOG erhalten Witwen in bestimmten Fällen einen Schadensausgleich. Nach § 40 a Abs. 2 BVG ist zur Feststellung des Schadensausgleichs das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente mit dem Einkommen des Ehemannes zu vergleichen. Streitig ist im vorliegenden Fall, was als Einkommen des Ehemannes zu gelten hat. Nach § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG gilt als Einkommen des verstorbenen Ehemannes das Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe oder Wirtschaftsgruppe, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Das Gesetz verweist auf § 30 Abs. 4 Satz 2 und 3 BVG. Danach sind allgemeine Vergleichsgrundlagen zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Vergütungsgruppen des Bundes. Nach § 30 Abs. 7 BVG, der nach § 40 a Abs. 4 BVG entsprechend gilt, ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Die daraufhin erlassene DVO vom 30. Juli 1964 regelt das Durchschnittseinkommen der selbständigen Gewerbetreibenden in § 5.
Nach dieser Vorschrift ist Durchschnittseinkommen eines selbständig Tätigen mit Volksschulbildung ohne abgeschlossene Berufsausbildung das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, mit abgeschlossener Berufsausbildung das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (= 782,- DM und 152.- DM Ortszuschlag der Ortsklasse A = 934,- DM). Die Verwaltung hat den Ehemann der Klägerin als selbständigen Fuhrunternehmer nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 eingestuft, und das LSG hat diese Einstufung mit Recht gebilligt.
Streitig ist, ob die Klägerin die weitere Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 DVO vom 30. Juli 1964 für sich in Anspruch nehmen kann. Wie der 9. Senat des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 25. Juli 1967 - 9 RV 892/65 - und der erkennende Senat mit Urteil vom 17. August 1967 - 8 RV 913/66 - entschieden haben (ebenso BSG vom 17. Oktober 1967 - 9 RV 112/67 und 9 RV 914/65 -) trifft § 6 DVO für die Fälle eine ergänzende und abschließende individuelle Regelung, in denen der Beschädigte (Verstorbene) nachweislich vor Eintritt der Schädigung (Tod) im ausgeübten Beruf eine Stellung erreicht hat, die in § 5 DVO keine ausreichende Berücksichtigung findet. § 6 DVO behandelt also nur einen Tatbestand, in dem der bereits erreichte und nachgewiesene Berufserfolg nicht mehr rechtfertigt, den Maßstab eines pauschalen Durchschnittseinkommens anzulegen. Da § 6 DVO an die nachweislich erlangte, nicht an die wahrscheinlich erlangte Berufsstellung anknüpft, ist eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Fälle ausgeschlossen, in denen das vor dem Wehrdienst erlangte Einkommen nicht nachgewiesen wird. Der Senat hält die in § 6 Abs. 2 DVO getroffene Regelung, daß der nachgewiesene Gewinn aus dem Gewerbe oder als selbständiger Arbeiter maßgebend sein soll, für sinnvoll, so daß die Vorschrift nicht die Grenze der Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG überschreitet. Ein Mißverhältnis zwischen dem gegenwärtigen tatsächlichen Einkommen der Witwe und dem von ihrem Ehemann vor seinem Tode erzielten Arbeitseinkommen kann nur entstehen, wenn der Ehemann schon ein sehr viel höheres Einkommen erzielt hatte, nicht aber wenn er im Erlebensfall wahrscheinlich ein sehr viel höheres Einkommen erreicht hätte. Denn nur im ersten Fall ist ein sozialer Abstieg gegenüber einer schon gewonnenen Lebenshaltung gegeben. Da die Klägerin nur ein Bruttoeinkommen von 850.- bis 950.- DM glaubhaft gemacht hat, von dem noch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, Betriebsausgaben abzusetzen sind, kann schon ein bestimmter Reingewinn nicht als nachgewiesen angesehen werden. Im übrigen wäre aber dieser Reingewinn in jedem Fall geringer, als das von der Verwaltung festgestellte Durchschnittseinkommen von monatlich 934.- DM, so daß also mit der Besoldungsgruppe A 7 die Stellung des Ehemannes der Klägerin ausreichend berücksichtigt worden ist. Die Klägerin verkennt in ihrem Vorbringen auch, daß es nicht auf das Gesamteinkommen des Verstorbenen als Fuhrunternehmer ankommt, sondern nur auf das aus eigener Tätigkeit ermittelte Arbeitseinkommen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 DVO). Wie bereits dargelegt, erstreckt sich § 6 DVO nur auf die Fälle, in denen sich der Beschädigte (Verstorbene) nachweislich aus seiner Berufsgruppe, hier der Fuhrunternehmer, durch überdurchschnittliches Arbeitseinkommen herausgehoben hat. Die Voraussetzung ist aber nicht gegeben. Die Klägerin hat daher nicht Anspruch auf eine ihr günstigere Einstufung. Da schon die Voraussetzungen für die Anwendung des § 6 DVO fehlen, kommt es auf die weiteren Rügen der Klägerin in der Anwendung dieser Vorschrift nicht mehr an. Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen