Leitsatz (redaktionell)
In dem Streit über die Rechtmäßigkeit des Erstattungs- oder Rückforderungsbescheides kann nicht geprüft werden, ob der in dem bindend gewordenen Bescheid angeführte Grund der Überzahlung (KOV-VfG §§ 41, 42 oder BVG § 62) zutrifft oder nicht. Beruht also zB die Überzahlung auf einem Bescheid gemäß KOV-VfG § 42 so richtet sich die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides nach KOV-VfG § 47 Abs 3.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27, § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 42 Fassung: 1955-05-02; BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1964 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Mit einem auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) gestützten Bescheid vom 12. Oktober 1961 wurde die Witwenausgleichsrente der Klägerin vom 1. Oktober 1954 an geändert, weil das seit diesem Zeitpunkt erzielte Einkommen aus Hausbesitz erstmals in dem Erhebungsbogen vom 18. April 1958 der Versorgungsbehörde angegeben worden war. Gleichzeitig wurde für die Zeit vom 1. November 1954 bis zum 30. April 1957 eine Überzahlung in Höhe von 856,- DM errechnet und gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG zurückgefordert, weil die Klägerin das Einkommen aus Hausbesitz bisher nicht angegeben habe und weil sie aufgrund der ihr erteilten Hinweise habe wissen müssen, daß ihr die vom sonstigen Einkommen abhängige Ausgleichsrente nicht in der gezahlten Höhe zugestanden habe. Ein Verzicht auf die Rückforderung nach § 47 Abs. 4 VerwVG scheide aus, da die Rückzahlung in monatlichen Raten von 20,- DM bei dem Gesamteinkommen der Klägerin keine besondere Härte bedeute. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg; das Sozialgericht (SG) nahm in seinem Urteil vom 21. März 1963 an, daß die Voraussetzungen der §§ 42 Abs. 1 Nr. 3, 43 VerwVG sowie des § 47 Abs. 1 und 3 Buchst. a VerwVG vorliegen. Die von der Klägerin zunächst ohne Einschränkung eingelegte Berufung ist dann in der Sitzung des Landessozialgerichts (LSG) vom 25. November 1964 ausweislich der Sitzungsniederschrift beschränkt worden. Die Klägerin hat beantragt, das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 12. Oktober 1961 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1962 nur insoweit aufzuheben, als mit ihm ein Betrag von 856,- DM zurückgefordert wird. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 25. November 1964 zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, die Rückerstattung der nach § 47 Abs. 1 VerwVG zu Unrecht empfangenen Leistungen richte sich nach Absatz 2 oder 3 dieser Vorschrift. Nachdem die Klage abgewiesen und die Berufung auf den - der Höhe nach nicht bestrittenen - Rückerstattungsanspruch beschränkt worden sei, stehe rechtsverbindlich fest, daß die Klägerin den Betrag von 856,- DM zu Unrecht empfangen habe. Für die Rückforderung dieses Betrages sei nicht § 47 Abs. 3, sondern Abs. 2 dieser Vorschrift maßgebend, weil die Überzahlung erst durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, denn die Feststellung der Ausgleichsrente sei in dem Bescheid vom 5. Februar 1954 noch richtig gewesen. Der Rückforderungsanspruch sei nach dieser Vorschrift auch begründet, weil die Klägerin ihrer Pflicht zur Anzeige der Änderung nicht genügt habe und mindestens habe wissen müssen, daß ihr die Rente nicht in der gezahlten Höhe zustehe. Sie sei über die Abhängigkeit der Ausgleichsrente vom sonstigen Einkommen und über ihre Pflicht zur Anzeige jeder Änderung wiederholt eingehend belehrt worden. Unerheblich sei, ob sie auch habe übersehen können, daß und inwieweit die Änderung die Höhe der Versorgungsbezüge beeinflusse. Mit den Angaben in der Postkarte vom 31. Mai 1955 habe sie nicht ihrer Anzeigepflicht nachkommen, sondern auf baldige Feststellung der durch die dritte Novelle erhöhten Versorgungsbezüge drängen wollen. Die Rückforderung stelle auch keine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von BSG 21, 27 ff der, weil die Überzahlung ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Schließlich habe der Beklagte auch das ihm nach § 47 Abs. 4 VerwVG eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft gehandhabt. Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Frage der Unzulässigkeit der Rechtsausübung von grundsätzlicher Bedeutung sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 2. Februar 1965 zugestellte Urteil des LSG mit Schriftsatz vom 23. Februar 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 24. Februar 1965, Revision eingelegt.
Sie beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des SG Dortmund vom 21. März 1963 und des LSG Nordrhein - Westfalen vom 25. November 1964 nach dem Berufungsantrag zu erkennen,
hilfsweise,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
In der Revisionsbegründung vom 22. April 1965, die innerhalb der bis zum 2. Mai 1965 verlängerten Begründungsfrist am 23. April 1965 beim BSG eingegangen ist und auf die Bezug genommen wird, rügt sie eine Verletzung des § 41 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), der §§ 12, 47 VerwVG und der §§ 103, 106, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie bringt dazu vor, der Rückerstattungsanspruch des Beklagten könne zwar nur auf § 47 Abs. 2 Buchst. a VerwVG gestützt werden, das LSG habe aber bei der Feststellung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt, es habe ferner an die Urteilsfähigkeit der rechtsunkundigen Klägerin zu hohe Anforderungen gestellt und die Verpflichtung des Beklagten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 12 VerwVG übersehen. Ihr, der Klägerin, könne auch nicht die Belehrung über die Abhängigkeit der Ausgleichsrente vom sonstigen Einkommen und über ihre Verpflichtung zur Anzeige von Änderungen vorgehalten werden, weil sie sich an die Vertragsbestimmung gehalten habe, daß die Mieteinnahmen während der Frei- und Schonjahre zum Ausbau der Siedlerstelle verwendet werden müßten. Sie habe sonach Einkünfte nicht böswillig verschwiegen. Auf Grund der Zuschrift vom 31. Mai 1955, in der die Übernahme einer Siedlerstelle im Oktober 1954 erwähnt ist, wäre die Versorgungsverwaltung vielmehr gemäß § 12 VerwVG zu weiteren Erhebungen verpflichtet gewesen, auch die Erhebungsbogen vom 14. Juni 1955 und 15. September 1956 hätten Anlaß zu Fragen über die Wirtschaftsverhältnisse der Klägerin geboten. In dem Bescheid vom 23. Juni 1955 sei die Ausgleichsrente nur unter einem Vorbehalt bewilligt worden, der trotz der Zuschrift vom 31. Mai 1955 dann mit dem Bescheid vom 23. Oktober 1956 ohne Angabe von Gründen wieder aufgehoben worden sei. Die Überzahlung falle sonach nicht in ihren Verantwortungsbereich, so daß ein Rückforderungsanspruch nicht entstanden und auf die Frage der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von BSG 21, 27 ff nicht mehr einzugehen sei.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
In seinem Schriftsatz vom 5. Mai 1965, auf den Bezug genommen wird, hält er die Anwendung des § 47 Abs. 2 Buchst. a VerwVG für zutreffend und die Angriffe gegen die Feststellungen des LSG nicht für gerechtfertigt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Im Streit ist nur noch die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12. Oktober 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1962, soweit darin die Pflicht zur Rückerstattung des Betrages von 856,- DM ausgesprochen ist. Soweit darin die Festsetzung der Witwenausgleichsrente nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG vom 1. Oktober 1954 an geändert und eine Überzahlung der Rente in Höhe von 856,- DM festgestellt worden ist, ist der Bescheid verbindlich geworden, nachdem die Klägerin insoweit, als dieser Teil des Anspruches im angefochtenen Bescheid vom Urteil des SG als rechtmäßig bestätigt worden ist, ihre Berufung gegen das Urteil des SG nicht aufrecht erhalten hat, wie aus der Beschränkung ihres Berufungsantrags in der Sitzung des LSG vom 25. November 1964 hervorgeht. Davon ist auch zutreffend das LSG ausgegangen.
Die Rechtmäßigkeit des noch streitigen Erstattungsbescheides - eines Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung - ist nach der Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen (BSG 7, 8; BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 11; Urt. des erkennenden Senats vom 19. April 1966 - 10 RV 33/64 - und vom 12. Juli 1966 - 10 RV 627/64). Auszugehen ist sonach wegen des Erlasses des Widerspruchsbescheides (letzte Verwaltungsentscheidung) am 26. Januar 1962 von § 47 VerwVG idF des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453, Art. 2 Nr. 8). Im Abs. 2 dieser Vorschrift ist die Rückerstattung einer Überzahlung geregelt, die auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht und im Abs. 3 die Rückerstattung einer Überzahlung, die infolge der späteren Berichtigung eines Bescheides nach den §§ 41 oder 42 VerwVG eingetreten ist. Im vorliegenden Fall richtet sich die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides nach Abs. 3 des § 47 VerwVG, denn die Überzahlung beruht auf einer Berichtigung der vorausgegangenen Rentenfestsetzungsbescheide gemäß § 42 VerwVG, wie unbestrittenermaßen und eindeutig aus dem Bescheid vom 12. Oktober 1961 hervorgeht, der - wie oben ausgeführt - hinsichtlich der berichtigenden Änderung früherer Rentenfestsetzungen und der Feststellung der dadurch eingetretenen Überzahlung verbindlich geworden ist. Ob der Bescheid insoweit richtigerweise auf Abs. 2 statt auf Abs. 3 des § 47 zu stützen gewesen wäre, kann, nachdem er verbindlich geworden ist, nicht mehr geprüft und anderweitig beurteilt werden. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 24. August 1965 - Az.: 10/11 RV 752/63 - (BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 17) entschieden hat, kann in dem Streit über die Rechtmäßigkeit des Erstattungs- oder Rückforderungsbescheides nicht mehr geprüft werden, ob der in dem bindend gewordenen Bescheid angeführte Grund der Überzahlung (§§ 41, 42 VerwVG oder § 62 BVG) zutrifft oder nicht. Der Senat hat keinen Anlaß, von dieser aaO näher begründeten Ansicht abzuweichen. Der Erstattungsbescheid ist demnach nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG vorliegen.
Die Nachprüfung dieser Voraussetzungen erübrigt sich nicht, weil etwa eine Verjährung oder Verwirkung ohnehin der Geltendmachung der Rückforderung in dem Erstattungsbescheid entgegenstünden. Verjährt ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht, weil der Erstattungsbescheid auf die - wie das LSG festgestellt hat - erstmals im April 1958 erstattete Anzeige der Klägerin über ihre Einkünfte aus Hausbesitz bereits nach 3 1/2 Jahren ergangen ist; dabei kann dahingestellt bleiben, ob Rückforderungsansprüche überhaupt der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren unterliegen. Die Rüge der Klägerin, mit der sie sich gegen die Feststellung des LSG über den Zeitpunkt der maßgeblichen Anzeige wendet, greift nicht durch, so daß der Senat an diese Feststellung gebunden ist. Die Behauptung der Klägerin nämlich, schon ihrer Zuschrift vom 31. Mai 1955 hätte entnommen werden müssen, daß sie Einkommen aus Grundbesitz habe, reicht nicht aus, um einen Verstoß des LSG gegen das Recht zur freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) darzutun. Die Klägerin hat nicht Tatsachen und Beweismittel dafür bezeichnet, daß das LSG gezwungen gewesen wäre, schon dieser Zuschrift eine Meldung über weiteres Einkommen der Klägerin zu entnehmen, obwohl in dieser Meldung von einem Einkommen nicht die Rede ist, sondern nur beiläufig vom Erwerb einer Siedlerstelle.
Ebensowenig wie durch eine Verjährung ist die Geltendmachung der Rückforderung aber auch nicht etwa durch eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von BSG 21, 27 in Frage gestellt. Diese Entscheidung bezieht sich zwar nur auf Rückforderungsansprüche nach § 47 Abs. 2 VerwVG; aber auch wenn gleicherweise bei Rückforderungsansprüchen nach § 47 Abs. 3 VerwVG eine Verwirkung nach dem Ablauf von vier Jahren in Frage kommt, war im vorliegenden Fall die Verwirkung bei Erlaß des angefochtenen Erstattungsbescheides noch nicht eingetreten. Die Versorgungsbehörde hat, nachdem in den Einkommensfragebogen vom Jahre 1955 und 1956 entsprechende Angaben der Klägerin fehlten, erstmals im April 1958 - wie vom LSG festgestellt - erfahren, daß die Klägerin Einkommen aus Grundbesitz hat; darauf hat sie Nachforschungen angestellt und den Rückforderungsanspruch im Erstattungsbescheid vom 12. Oktober 1961 geltend gemacht. Bis zu diesem Zeitpunkt, der rund 3 1/2 Jahre nach der Meldung der Klägerin vom April 1958 liegt, konnte die Klägerin nicht der Auffassung sein, die Versorgungsbehörde werde einen Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend machen, wie es die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nach der erwähnten Entscheidung erfordert.
Das LSG hätte sonach für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Erstattungsanspruchs das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG prüfen müssen. Das hat es nicht getan, so daß sein auf § 47 Abs. 2 VerwVG gestütztes Urteil aufzuheben war. Die Feststellungen, die das LSG bei seiner auf § 47 Abs. 2 gestützten Entscheidung getroffen hat, reichen nicht aus, um daraufhin eine Sachentscheidung gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG treffen zu können, weil diese Vorschrift ganz andere tatsächliche Feststellungen erfordert.
Die Sache war daher zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen