Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unfallverletzter, der vor Eintritt des Unfalles keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgegangen ist (Rentner), kann arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung werden.
2. Hat die durch den Unfall bedingte Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust zur Folge, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Verletztengeld.
3. Dauert bei einem solchen Verletzten die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche an, so hat er während der Arbeitsunfähigkeit vom Tage nach dem Unfall an Anspruch auf Verletztenrente (Schließung einer Lücke in RVO § 580 Abs 2).
Normenkette
RVO § 560 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 580 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 5. Dezember 1973 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9.Januar 1973, soweit mit ihm für die Zeit vor dem 15. Juni 1971 Verletztenrente abgelehnt wurde, aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 16. März 1971 bis zum 14. Juni 1971 Verletztenrente in gesetzlicher Höhe - jedoch nicht über den Betrag von Verletztengeld hinaus - zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Die 1907 geborene Klägerin erlitt am 15. März 1971 beim Kassieren von Mitgliedsbeiträgen für den Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner (VdK) einen Unfall. Für diese ehrenamtliche Tätigkeit erhielt sie kein Entgelt. Im Zeitpunkt des Unfalls übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit mehr aus und hatte somit auch kein Erwerbseinkommen. Sie bezog nach ihrem 1945 verstorbenen Ehemann Witwenrente vom Versorgungsamt und von der Landesversicherungsanstalt (LVA) W sowie aus ihrer eigenen Rentenversicherung seit dem 1. Dezember 1967 ein - damals - vorgezogenes Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von der LVA Westfalen.
Mit Bescheid vom 16. Mai 1972 gewährte die Beklagte der Klägerin seit dem 15. Juni 1971 - dem Tage nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit - eine vorläufige Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente, die 1973 entzogen wurde; insoweit besteht kein Streit. Mit ihrer Klage gegen den Bescheid vom 16. Mai 1972 begehrte die Klägerin für die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld, hilfsweise aber Verletztenrente. Mit weiterem Bescheid vom 9. Januar 1973 lehnte die Beklagte es ab, der Klägerin während der Zeit vom 15. März bis zum 14. Juni 1971 Verletztengeld oder Verletztenrente zu gewähren, weil sie die unfallbringende Tätigkeit unentgeltlich verrichtet habe und davor keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, weshalb die Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust zur Folge gehabt habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 5. Dezember 1973 unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Januar 1973 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 15. März bis 14. Juni 1971 Verletztengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen und im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei wegen der Folgen des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig gewesen, weil sie während dieser Zeit vorübergehend nicht in der Lage gewesen sei, ihre Tätigkeit als Kassiererin von Mitgliedsbeiträgen oder eine ähnliche gleichwertige Beschäftigung zu verrichten; dabei komme es nicht darauf an, daß diese Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt worden sei, denn das Kassieren von Beiträgen könne auch als entgeltliche Beschäftigung ausgestaltet werden. Während der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin auch kein Arbeitsentgelt erhalten, denn die Rentenbezüge seien nicht als Arbeitsentgelt zu bewerten. Der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil vom 26. Juni 1973 (8/2 RU 162/71), daß Verletztengeld nur zugebilligt werden könne, wenn infolge der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein sonst zu erwartendes Arbeitsentgelt weggefallen sei, habe sich das SG nicht anschließen können. Die Entschädigungsleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung würden im Grundsatz nicht nach dem konkret eingetretenen Schaden berechnet, vielmehr werde die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit entschädigt. Das gelte jedenfalls für die Berechnung der Verletztenrenten. Es erscheine nicht gerechtfertigt, während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Entschädigungspflicht dem Grunde nach allein von einem konkret eingetretenen Schaden abhängig zu machen. Eine gegenteilige Auffassung würde auch zu unbilligen Ergebnissen führen. Wenn z.B. die Unfallfolgen überhaupt keine Arbeitsunfähigkeit bedingten, sondern nur eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Grade, so erhalte der Verletzte vom Tage nach dem Unfall gemäß § 580 Abs. 2 RVO eine Verletztenrente. Führe aber der Arbeitsunfall zu Erwerbsunfähigkeit des Versicherten, so beginne die Rente nach § 580 Abs. 1 RVO mit dem Beginn der Erwerbsunfähigkeit. Es leuchte demgegenüber nicht ein, daß der Verletzte, der durch die Unfallfolgen vorübergehend arbeitsunfähig und im Anschluß daran - wie die Klägerin - noch für längere Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei, für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne jede Geldentschädigung bleiben solle. Denn der Anspruch auf Verletztenrente sei nach § 580 Abs. 1 RVO bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit während deren Dauer auf jeden Fall ausgeschlossen. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe in BSG 27, 109 gegen den Grundsatz der sogenannten Lohnersatzfunktion des Verletztengeldes erhebliche Bedenken geäußert. Auch der erkennende 8. Senat habe im Urteil vom 29. November 1972 den Anspruch bei einem arbeitsunfähigen Arbeitslosen dann bejaht, wenn das Verletztengeld an die Stelle des Arbeitslosengeldes trete; ebenso habe er einem Studenten Verletztengeld zuerkannt. Eine andere Auslegung sei weder durch den Gesetzeswortlaut geboten noch ergebe sie sich zwingend aus dem Sinn und Zweck des § 560 Abs. 1 RVO.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte unter Vorlage einer Einverständniserklärung der Klägerin nach § 161 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Sprungrevision eingelegt. Der Grundsatz der Lohn- bzw. Entgeltersatzfunktion des § 560 RVO verlange, daß der Verunglückte grundsätzlich überhaupt in der Lage gewesen sein müsse, eine Arbeitstätigkeit zu vollziehen, zumindest müsse er Arbeitsentgelt oder Geldbezüge empfangen haben, die dem Entgelt für seine Arbeitstätigkeit im Falle seiner Arbeitsfähigkeit entsprächen. Der Wiedereintritt des Verunglückten in den Arbeits- und Wirtschaftsprozeß müsse immer, wenn auch unter Umständen nach recht langer Zeit, zu erwarten sein. Es bedürfe auch bei einem Unternehmer eines zeitweisen Ausfalls, also der Möglichkeit, zumindest der Erwartung und der Wahrscheinlichkeit, daß die unternehmerische Betätigung später wiederaufgenommen werde (SozR Nr. 3, 4, 5 zu § 560 RVO). Da die damals 63 Jahre alte Klägerin weder vor dem Unfall irgendein durch eigene Tätigkeit regelmäßig verdientes Entgelt bezogen noch nach ihrer Wiederherstellung ein solches zu erwarten gehabt habe, weil sie schon vor dem Unfall nicht mehr im Erwerbsleben gestanden habe, stehe ihr Verletztengeld nach § 560 RVO nicht zu.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie hält das SG-Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als der Klägerin zwar kein Verletztengeld, wohl aber eine Rente für die Zeit bis zum 14. Juni 1971 zusteht.
Der Anspruch auf Verletztengeld ist - ungeachtet des späteren Bescheids vom 9. Januar 1973 - schon seit Klageerhebung streitig, weil schon mit dem Bescheid vom 16. Mai 1972 Geldleistungen erst ab 15. Juni 1971 bewilligt worden sind. Trotzdem war der Bescheid vom 9. Januar 1973, da er für die Zeit bis zum 14. Juni 1971 auch Verletztenrente ablehnte, insoweit aufzuheben.
Nach § 560 Abs. 1 RVO erhält der Verletzte von dem Tage an, an dem infolge des Arbeitsunfalles eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung (KrV) eingetreten bzw. ärztlich festgestellt worden ist, Verletztengeld; durch diese Vorschrift sind die Anspruchsvoraussetzungen für das früher aus der Unfallversicherung zu gewährende Krankentage- und Familiengeld (vgl. § 559 Abs. 2, §§ 559 d, 559 e RVO a.F.) neu geregelt worden, indem an die Stelle dieser Leistungen das Verletztengeld nach § 560 RVO n.F. getreten ist. Dabei ist zur Unterscheidung von dem Krankengeld der KrV der Ausdruck "Verletztengeld" eingeführt und in Verbesserung des alten Rechts das Verletztengeld nach Anspruchsgrund und -höhe (vgl. §§ 560, 561 RVO) dem Krankengeld der KrV angepaßt worden, dem es nach Sinn und Zweck entspricht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. 11. 1972 in SozR Nr. 3 zu § 560 RVO und dortige Zitate).
Das SG hat die Klägerin als arbeitsunfähig im Sinne der KrV angesehen. Dagegen hat die Revision weder Verfahrensrügen noch rechtliche Bedenken erhoben. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV bedeutet, wie der 2. Senat in BSG 27, 188, 190 ausgeführt hat, das Unvermögen des Verletzten, seine bisherige Arbeitstätigkeit weiter verrichten zu können. Nach einer weiten Auslegung, der auch ein Teil des Schrifttums folge, seien, so hat der 2. Senat ausgeführt, auch Betätigungen nicht erwerbsmäßiger Art zu berücksichtigen. Dem stehe die mit beachtlichen Argumenten begründete Auffassung entgegen, Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV könne begrifflich nur dann vorliegen, wenn der Versicherte eine zur Zeit des Unfalls ausgeübte Erwerbstätigkeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles aufgeben mußte (vgl. dazu jeweils die in BSG 27, 190 erwähnten Zitate). Der 2. Senat hat in der genannten Entscheidung die Frage offengelassen, welche Auffassung den Vorzug verdient. Der erkennende Senat hat hingegen schon in seiner Entscheidung vom 29. November 1972 die Ansicht vertreten und mit Zitaten belegt, daß auch ein Nichterwerbstätiger (Rentner) arbeitsunfähig im Sinne der KrV werden kann (vgl. SozR Nr. 3 zu § 560 RVO, Aa 5 Rs und AN 1930, 197, 198). Daran ist festzuhalten. Nach der Lebenserfahrung kann auch ein Rentner noch erwerbstätig sein. Daß er dann auch arbeitsunfähig im Sinne der KrV werden kann, bedarf keiner näheren Begründung (vgl. § 183 Abs. 4 RVO und Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 2 II, Stand 15. 7. 74 Anmerkung 10 a zu § 182 RVO, Seite 17/298). Zweifelhaft könnte überhaupt nur sein, ob eine solche Arbeitsunfähigkeit auch bei einem Rentner, der vor Eintritt eines Arbeitsunfalls nicht gegen Entgelt tätig geworden ist, eintreten kann. Im vorliegenden Fall hat der Facharzt für Chirurgie, Dr. W, im Ersten Rentengutachten die Frage: "Von wann bis wann hat nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV vorgelegen?" dahin beantwortet, daß die durch den Unfall vom 15. März 1971 bedingte Arbeitsunfähigkeit für 3 Monate, d.h. bis einschließlich 14. Juni 1971, anzunehmen sei (vgl. Unfallakten Bl. 30 bis 32 Rs). Der medizinische Sachverständige hat mit dieser Feststellung, die im vorliegenden Verfahren nicht irgendwie streitig ist, zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin in der genannten Zeit nicht in der Lage war, eine "Arbeit" unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Zur Frage, ob es sich dabei um eine entgeltliche oder unentgeltliche Arbeit handelt, mußte er sich nicht äußern. Denn von ihm war nur das objektive "Vermögen", nicht dagegen der konkrete Wille zur Arbeitsleistung festzustellen. Anders als beim Fall der "Erwerbsunfähigkeit", die nicht nur durch Krankheit, sondern auch durch andere Gebrechen bedingt sein kann, setzt weder der Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" noch derjenige der "Krankheit" zwingend eine zuvor gegen Entgelt verrichtete Arbeit voraus, wenngleich diese Voraussetzung bei der weitaus überwiegenden Zahl der Erkrankungsfälle gegeben sein mag. Ob damit der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV für alle in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) auftretenden Fälle verbindlich umrissen ist, d.h. ob er auch z.B. bei Unfällen von Schülern, Studenten und anderen nicht berufstätigen Personen in gleicher Weise gilt, brauchte hier nicht abschließend entschieden zu werden. Denn das SG hat festgestellt, daß die Klägerin in der hier streitigen Zeit wegen der Unfallfolgen nicht in der Lage gewesen sei, ihre Tätigkeit als Kassiererin von Mitgliedsbeiträgen oder eine ähnlich gleichwertige Beschäftigung zu verrichten; dabei sei es unerheblich, daß sie diese Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt habe, denn eine solche Tätigkeit könne auch als entgeltliche Beschäftigung ausgestaltet werden (Urteil Seite 6). Diese Feststellungen sind weder von der Revision angegriffen noch begegnen sie rechtlichen Bedenken. Denn das Kassieren von Mitgliedsbeiträgen ist tatsächlich eine - mitunter sogar recht mühevolle - Arbeit, die durchaus auch in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden kann. Das genügt zur Annahme einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV. Dabei kann hier dahinstehen, inwieweit in der gesetzlichen KrV bei der Frage, ob einem Versicherten wegen einer Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld zusteht, auf eine vorausgegangene Erwerbstätigkeit (Arbeit gegen Entgelt) abzustellen ist (vgl. dazu Peters aaO). Denn abgesehen davon, daß auch beim Verletztengeld der UV ein infolge des Arbeitsunfalls eingetretener Einkommensverlust gegeben sein muß (siehe dazu weiter unten), geht es hier zunächst nur darum, ob schon der Begriff "Arbeitsunfähigkeit i.S. der KrV" zwingend eine vorausgegangene "Arbeit gegen Entgelt" voraussetzt. Das ist aus den obigen Gründen - jedenfalls im Rahmen des § 560 RVO - zu verneinen. Demgemäß ist auch Brackmann (vgl. Handbuch der Sozialversicherung, Band 2 II, Stand August 1973, Seite 562 1) der Auffassung, daß arbeitsunfähig im Sinne der KrV "begrifflich" nicht nur dann vorliege, wenn der Versicherte eine Erwerbstätigkeit aufgeben mußte (vgl. die zahlreichen dort genannten Zitate). Dies wird u.a. damit begründet, daß in der KrV nicht nur Erwerbslose gemäß § 214 RVO Anspruch auf Krankengeld haben, sondern auch freiwillig Weiterversicherte (nach § 313), die nicht mehr erwerbstätig sind und bei denen von § 215 Abs. 2 RVO kein Gebrauch gemacht ist. Auch bei ihnen müsse also Arbeitsunfähigkeit eintreten können (vgl. auch die Ausführungen von Brackmann auf den Seiten 562 m ff). Daß der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ein zuvor erzieltes Erwerbseinkommen nicht voraussetzt, ergibt sich schließlich auch eindeutig aus der Vorschrift des § 580 Abs. 4 idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (Reha AnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I, 1881 ff), wo eine besondere Regelung für den Fall getroffen worden ist, daß "bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen (§ 571) nicht erzielt" worden ist. Damit ist gesetzlich normiert, daß in der UV eine Arbeitsunfähigkeit auch dann vorliegen kann, wenn zuvor kein Arbeitseinkommen erzielt, also eine Erwerbstätigkeit nicht verrichtet worden ist. Wegen näherer Einzelheiten hierzu wird auf die weiter unten gemachten Ausführungen Bezug genommen.
Dieser Auffassung vom Wesen der Arbeitsunfähigkeit, wenn man diesen Begriff nur für sich betrachtet, steht die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zur KrV nicht entgegen. Zwar wird in BSG 19, 179, 181 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) betont, daß Arbeitsunfähigkeit vorliege, wenn der Versicherte nicht fähig sei, "seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen". Die gleiche Definition wird in BSG 26, 288, 290 verwandt und trotz der neueren Gesetzgebung aufrechterhalten. In BSG 32, 18 wurde dieser Grundsatz dahin abgewandelt, daß bei der Frage einer "weiteren Arbeitsunfähigkeit", wenn der Kläger aus freien Stücken eine andere Beschäftigung aufgenommen habe, nicht mehr von der früheren "Tätigkeit", sondern von der neuen auszugehen sei (aaO 20/21). In allen 3 Entscheidungen, bei denen es um die Gewährung von Krankengeld ging, konnte von der bisher ausgeübten "Erwerbstätigkeit" ausgegangen werden, weil dort jeweils eine solche tatsächlich vorgelegen hatte, wie sich z.T. aus der anstandslosen Gewährung von Krankengeld und z.T. aus dem wiedergegebenen Sachverhalt ergibt. Ist aber die Gewährung von Krankengeld streitig, so mußte demnach gemäß § 182 RVO, der in Abs. 4 sowie 4 a auf das "wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangene regelmäßige Arbeitsentgelt" und in Abs. 5 auf das "vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Entgelt" abstellt, der Erkrankung eine entsprechende Erwerbstätigkeit vorausgehen. In solchen Fällen kann es - wie bereits oben angedeutet - auch nach Auffassung des Senats durchaus darauf ankommen, welche Art von Erwerbstätigkeit der Versicherte bisher ausgeübt hat, d.h., ob er - gemessen an seiner bisher ausgeübten oder an einer neu aufgenommenen Tätigkeit - tatsächlich als arbeitsunfähig zu beurteilen ist (wie etwa in BSG 32, 18). Ähnliches gilt für den Bezug des Verletztengeldes. Um solche Fragen geht es aber bei den hier zunächst anzustellenden Erörterungen nicht, denn im vorliegenden Fall ist die Vorfrage zu prüfen, wann - unabhängig von den weiteren Voraussetzungen, die an den Bezug von Krankengeld bzw. Verletztengeld geknüpft sind - eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV gegeben ist bzw. ob sie im Bereich der UV schon dann zu verneinen ist, wenn zwar die medizinischen Voraussetzungen hierfür unstreitig gegeben sind und auch eine Arbeit vor Eintritt des Arbeitsunfalles verrichtet, diese aber ohne Entgelt ausgeübt worden ist. Diese Frage ist vom 3. Senat - soweit ersichtlich - aus naheliegenden Gründen, denn insoweit unterscheidet sich die gesetzliche KrV von der gesetzlichen UV beträchtlich (vgl. z.B. § 539 Abs. 1 Nr. 9 a bis c, 10, 12, 13, 14 und § 539 Abs. 2 RVO), noch nicht zu entscheiden gewesen.
Die Auslegung, die der Krankenversicherungssenat des BSG im Anschluß an die Rechtsprechung des RVA dem Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" gegeben hat, kann auch nicht deshalb im Bereich der UV schlechthin maßgebend sein, weil § 560 RVO von "Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung" spricht. Denn damit ist, wie der Wortlaut deutlich macht, die gesetzliche KrV insgesamt angesprochen, so daß also die dort entwickelten Grundsätze über den Krankheitsbegriff und die Auswirkungen der Erkrankung auf die Fähigkeit des Verletzten, eine Arbeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, entsprechend anzuwenden sind. Hätte der Gesetzgeber in § 560 RVO diejenigen Maßstäbe angewandt wissen wollen, die für den Bezug von Krankengeld im Sinne des § 182 RVO gelten, dann hätte er den Ausdruck "Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 182 RVO" verwenden oder noch bestimmter formulieren müssen: "solange der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls unfähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen" (BSG 19, 181). Dann hätte er sich aber in einen eindeutigen Widerspruch z.B. zu § 561 Abs. 3 RVO gesetzt, der bestimmt, daß bei den "übrigen gegen Arbeitsunfall Versicherten", d.h. bei denjenigen Versicherten, für die aus einer vorausgegangenen Erwerbstätigkeit - anders als in § 561 Abs. 1 durch den Regellohn oder Grundlohn - ein Jahresarbeitsverdienst nicht festgestellt werden kann, der Berechnung des Verletztengeldes der 360. Teil des Jahresarbeitsverdienstes zugrunde zu legen ist. Als solcher kommt aber bei fehlendem Einkommen das 300fache des Ortslohnes in Betracht (vgl. § 575 RVO und Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand September 1974, Anmerkung 3 a und b zu § 575 RVO). Schon dieses Beispiel zeigt, daß die genannte Rechtsprechung des 3. Senats des BSG nicht ohne Einschränkung auf die Vorschriften über das Verletztengeld übertragen werden kann; in diesem Zusammenhang wird auch auf Lauterbach aaO Anmerkung 5 a zu § 560 RVO hinsichtlich der den Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV ersetzenden Begriffe "Schulunfähigkeit", "Spielunfähigkeit" und "Ausbildungsunfähigkeit" verwiesen. Die aufgezeigten wesentlichen Unterschiede zwischen UV und KrV mögen schließlich auch eine Erklärung dafür geben, daß der Gesetzgeber in § 580 Abs. 4 idF des Reha AnglG vom 7. August 1974 - wie oben schon erwähnt - sogar gesetzlich fixiert hat, daß in der Unfallversicherung Arbeitsunfähigkeit auch bei fehlendem Arbeitseinkommen gegeben sein kann.
Der Senat ist nach allem der Auffassung, daß das SG zu Recht von einer im vorliegenden Fall bestandenen "Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV". ausgegangen ist.
Ist sonach im Falle der Klägerin diese Voraussetzung erfüllt, so scheitert das Begehren der Klägerin zwar nicht daran, daß sie ihre 3 Renten während der Arbeitsunfähigkeit weiter bezogen hat; denn diese sind kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 14. 2. 1973 - 8/2 RU 138/69). Wohl aber ist der Anspruch der Klägerin deshalb nicht begründet, weil sie durch diese Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust erlitten hat. Daß § 560 Abs. 1 RVO einen solchen Einkommensverlust voraussetzt, ergibt sich schon daraus, daß dem Versicherten das Verletztengeld nur zusteht, "soweit er Arbeitsentgelt nicht erhält". In diesem Sinne hat der erkennende Senat den § 560 RVO auch bisher im wesentlichen ausgelegt. In SozR Nr. 3 zu § 560 RVO hat er zwar einem Arbeitslosen einen Anspruch auf Verletztengeld zuerkannt, dies aber deshalb, weil das Verletztengeld an die Stelle des weggefallenen Arbeitslosengeldes, das Lohnersatzfunktion hat, getreten war. Ebenso hat er in SozR Nr. 4 zu § 560 RVO einem Unternehmer einen Verletztengeldanspruch lediglich für den "erlittenen Einkommensverlust" zugesprochen. Desgleichen wurde in SozR Nr. 5 zu § 560 RVO ein - wenn auch fiktiv zu ermittelnder - Einkommensverlust als notwendige Voraussetzung für die Gewährung von Verletztengeld angesehen, weil das Verletztengeld "den Ersatz eines Schadens" bezwecke, der jedenfalls bei einem in Betrieb voll mitarbeitenden Unternehmer durch seine Arbeitsunfähigkeit eintreten kann. In seinem - auch vom SG zitierten - Urteil vom 26. Juni 1973 - 8/2 RU 162/71 - hat der Senat im Falle einer nicht mehr erwerbstätigen Person betont, es würde im Widerspruch zu dem Sinn des Verletztengeldes stehen, wenn man diese Leistung auch Personen zukommen lassen wollte, die zur Zeit des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit bereits endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden waren, weil das Verletztengeld in solchen Fällen die ihm zugedachte Funktion eines Lohnersatzes nicht erfüllen könne. Zähle der Verletzte, insbesondere wegen hohen Alters, nicht mehr zu dem Kreis der Erwerbstätigen, so könne ein nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen UV durch Gewährung von Verletztengeld auszugleichender Schaden nicht mehr eintreten. Das weiter vom SG zitierte Urteil vom 14. Februar 1973 - 8/2 RU 93/69 - hat bei einem Studenten den Anspruch auf Verletztengeld bejaht; dieser war aber im Zeitpunkt des Unfalles in einer Blechwarenfabrik tätig und hatte demgemäß zunächst auch von dem Unfallversicherungsträger Verletztengeld erhalten. Streitig war nur der Anspruch für die Zeit einer Wiedererkrankung, ein Fall, der hier nicht gegeben ist.
Das SG hat der Rechtsprechung des 8. Senats die Entscheidung des 2. Senats in BSG 27, 188, 190 entgegengehalten. Der dort entschiedene Fall ist jedoch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die dortige Klägerin, eine Mutter von 5 Kindern, erlitt nämlich den Unfall in der Erfüllung des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses (Stundenlohn von 2,50 DM), in dem sie damals zu einem Bauern stand. Das BSG hat dazu ausgeführt, möge das Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen sie im Unfallzeitpunkt beschäftigt und deshalb bei der Beklagten nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert war, auch nur äußerst kurzfristig und von geringer wirtschaftlicher Bedeutung für beide Vertragspartner gewesen sein, so gehöre die Klägerin doch jedenfalls eindeutig nicht in die Kategorie derjenigen, die einen Arbeitsunfall völlig außerhalb jeglicher Erwerbstätigkeit erlitten haben, wie etwa in den Fällen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 und 10 RVO. Im vorliegenden Fall wurde die alleinstehende Klägerin jedoch ohne Entgelt tätig. Wenn auch der Grundsatz der Lohnersatzfunktion des § 560 RVO nicht übersteigert werden darf (vgl. BSG 27, 188, 191) und in Grenzfällen eine dem Sinn und Zweck der gesetzlichen UV gerecht werdende Lösung gefunden werden muß (vgl. dazu die zitierte Entscheidung des 8. Senats vom 14. 2. 1973 - 8/2 RU 93/69), so kann doch im vorliegenden Fall, in dem die alleinstehende Verletzte im Unfallzeitpunkt 3 Renten bezogen hat, die durch die Arbeitsunfähigkeit nicht irgendwie geschmälert wurden, der Anspruch auf Verletztengeld wegen des Fehlens eines Einkommensverlustes nicht bejaht werden. Daß dies auch der - jetzigen - Auffassung des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus der weiter unten näher dargelegten Klarstellung im Reha AnglG vom 7. August 1974.
Die Verneinung eines Anspruches auf Verletztengeld hat jedoch im vorliegenden Fall nicht zur Folge, daß der Klägerin für den streitigen Zeitraum überhaupt kein Anspruch auf Geldleistungen aus der gesetzlichen UV zustünde; vielmehr hat sie vom Tage nach dem Unfall bis zum 14. Juni 1971 einschl. einen Anspruch auf Verletztenrente.
Wenn die rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert - dies ist hier unstreitig der Fall -, so bestimmt § 580 RVO in Abs. 1, daß der Verletzte die Rente mit dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit i. S. der KrV (das bedeutet grundsätzlich nach dem Wegfall des Verletztengeldes - vgl. § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO -) erhält. Hat eine solche Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen, so beginnt die Rente mit dem Tage nach dem Arbeitsunfall. Diese durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241) - UVNG - geschaffene Regelung ist nach Auffassung des erkennenden Senats insofern lückenhaft, als für die Fälle, in denen zwar eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist, jedoch ein Anspruch auf Verletztengeld wegen Fehlens eines Einkommensverlustes nicht besteht, keine Regelung getroffen ist. Dies hat zur Folge, daß bei einer unveränderten Anwendung des § 580 Abs. 1 und 2 RVO einem Unfallverletzten, bei dem die unfallbedingte rentenberechtigende MdE über die 13. Woche hinaus andauert, für eine gewisse Zeit weder ein Anspruch auf Verletztengeld noch auf Verletztenrente zustünde. Dies würde aber dem bisher geltenden System der UV widersprechen. Wie der 2. Senat des BSG in BSG 27, 188, 190 ausgeführt hat, war unter dem bis zum Inkrafttreten des UVNG geltenden Recht der Grundsatz anerkannt, daß jedem Unfallverletzten, dessen Erwerbsfähigkeit durch Unfallfolgen über die 13. Woche hinaus beeinträchtigt wurde, vom Beginn der Erkrankung an Geldleistungen zustünden, sei es von der Krankenkasse, sei es von der Berufsgenossenschaft. Daß das UVNG diese Rechtslage zum Nachteil der Unfallverletzten geändert haben sollte, erscheine schwer vorstellbar. Die Autoren, die bei bestimmten Fallgestaltungen einen Verletztengeldanspruch gleichfalls verneinten, bestritten jedenfalls nicht, daß dann für den betreffenden Zeitraum ein Anspruch auf Gewährung der Verletztenrente nach § 580 Abs. 2 RVO begründet sei (vgl. die dortigen Zitate insbesondere AN 1930, 78, 79 und AN 1927, 450, 458). Daraus ist für den vorliegenden Fall zu folgern, daß nach den in der UV geltenden Grundsätzen der Verletzte, dem trotz Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld - früher Krankengeld aus der UV - nicht gewährt werden kann, vom Tage nach dem Unfall wenigstens eine Rente gewährt werden muß. Demgemäß hat auch das RVA am 10. Februar 1937 in EuM 41, 12 zu § 559 c RVO aF in einem ähnlichen Fall entschieden, daß bei Lehrlingen, die Krankengeld aus der KrV nicht erhalten, weil sie ohne Entgelt beschäftigt werden, die Verpflichtung zur Gewährung von Unfallrente mit dem Tage nach dem Unfall beginne. Es hat dazu ausgeführt, "insbesondere ist der Umstand allein, daß der Kläger in der ersten Zeit nach dem Unfall keinen Verdienstausfall erlitten hat, für den Beginn der Rente nicht ausschlaggebend, da es ... für die Gewährung der Rente aus der UV nicht auf den tatsächlichen Verdienstausfall, sondern auf die Einbuße an Erwerbsfähigkeit ankommt". Hier hat das RVA mit Recht nicht nur auf den zwischen dem Krankengeld (jetzt Verletztengeld) und der Rente bestehenden und zu beachtenden Unterschied hingewiesen, sondern gleichzeitig auch die den beiden Leistungen zugedachte Rolle einer gegenseitigen Ergänzung deutlich gemacht.
Daß der Gesetzgeber durch das UVNG insoweit eine grundsätzliche Änderung im Leistungsrecht der gesetzlichen UV hätte einführen wollen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dafür aus den Gesetzesmaterialien kein Anhalt. Vielmehr heißt es in der Bundestags-Drucks. IV/938 (neu) Seite 12 (ursprünglich hatte § 580 nur einen Absatz): "Mit dem einstimmig beschlossenen neuen Absatz 2 soll klargestellt werden, daß die Rente mit dem Tage nach dem Arbeitsunfall beginnt, wenn Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen hat" (siehe auch aaO Seite 58). Linthe gibt in BG 1963, Sonderheft Seite 5, 14 dazu im wesentlichen den genannten Satz wieder. Zu Absatz 1 sagt er: "Im übrigen sei der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der KrV nicht etwa nur auf Personen abgestellt, die gesetzlich krankenversichert seien; nur der Begriff der Arbeitsunfähigkeit werde für die UV aus dem KrV-Recht übernommen".
Der Senat ist daher zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gesetzgeber des UVNG bei der Neugestaltung der gesetzlichen UV übersehen hat, für Fälle der vorliegenden Art eine dem früheren Rechtszustand entsprechende Regelung etwa in dem Sinn zu treffen, daß an § 580 Abs. 2 RVO angefügt worden wäre: "oder Verletztengeld mangels Vorliegens eines durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Einkommensverlustes nicht zusteht". Diese Lücke im Gesetz war vom Senat nach den in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats des BSG vom 9. 6. 1961 in BSG 14, 238, 241, 242; ferner BSG 17, 295, 298; 20, 41, 44; 25, 6, 8) im Wege der ergänzenden Rechtsfindung zu schließen.
Dazu bestand nach Auffassung des Senats um so mehr Veranlassung, als das Reha AnglG vom 7. August 1974, das in § 21 Nr. 44 ff die Vorschriften über das Verletztengeld (jetzt "Übergangsgeld") und den Beginn der Rentenzahlung neu gefaßt hat, den seitherigen Absatz 2 des § 580 RVO - jetzt Abs. 4 - dahin geändert hat, daß an den Satz:
"Die Rente beginnt mit dem Tage nach dem Arbeitsunfall, wenn der Verletzte nicht arbeitsunfähig im Sinne der KrV gewesen ist" - dies entspricht im wesentlichen der bisherigen Fassung des § 580 Abs. 2 RVO -
folgender Halbsatz angefügt wurde:
"... oder bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen (§ 571) nicht erzielt hat "(vgl. § 21 Nr. 55 des Reha AnglG vom 7. August 1974).
Dieses Gesetz ist zwar erst am 1. Oktober 1974 in Kraft getreten (vgl. § 45) und sonach auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden. Aus den Materialien zu diesem Gesetz ergibt sich jedoch, daß der Gesetzgeber damit eine gegenüber dem bisherigen Recht neue, den Verletzten begünstigende Regelung, nicht einführen wollte. Vielmehr enthielt der Entwurf zunächst nur den der seitherigen Bestimmung des § 580 Abs. 2 RVO im wesentlichen entsprechenden ersten Halbsatz des § 580 Abs. 4 RVO. Die amtliche Begründung hatte dazu demgemäß zunächst auch lediglich gelautet: "§ 580 Abs. 4 entspricht dem bisherigen Absatz 2" (vgl. Bundesrats-Drucks. 307/72, Seite 58). Das neue Gesetz wollte jedoch hinsichtlich der die Berechnung des Verletztengeldes regelnden Vorschrift des § 561 Abs. 3 RVO eine abweichende Fassung dahingehend bringen, daß anstelle der alten Fassung:
"Bei den übrigen gegen Arbeitsunfall Versicherten ist der Berechnung des Verletztengeldes der 360. Teil des Jahresarbeitsverdienstes zugrunde zu legen"
folgender Wortlaut treten sollte:
"Die übrigen Verletzten, die bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen (§ 571) erzielt haben, erhalten Übergangsgeld ... in Höhe des 450. Teils des Jahresarbeitsverdienstes".
Damit sollte die frühere Fassung, die ganz allgemein von den "übrigen gegen Arbeitsunfall Versicherten" sprach, in dem Sinne eingegrenzt werden, daß Abs. 3 nur für Verletzte gelten sollte, "die bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen (§ 571) erzielt haben". Dabei handelte es sich nicht um eine Schlechterstellung gegenüber der seitherigen Regelung, sondern, wie sich deutlich aus den obigen Ausführungen des erkennenden Senats zur Frage der unerläßlichen Voraussetzung eines Einkommensverlustes beim Anspruch auf Verletztengeld nach seitherigem Recht ergibt, nur um eine Klarstellung. Diese beabsichtigte - und auch durchgeführte - Klarstellung machte dem Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dann aber deutlich, daß die Vorschrift des § 580 Abs. 2 (jetzt Abs. 4) in der seitherigen Form nicht belassen werden konnte, weil andernfalls der Verletzte während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit unter Umständen weder Übergangsgeld (Verletztengeld) noch eine Rente erhalten könnte. Deshalb wurde der oben erwähnte 2. Halbsatz angefügt. Dies ergibt sich ebenfalls aus den Gesetzesmaterialien bzw. aus dem sachlichen Inhalt des neu angefügten 2. Halbsatzes. Denn die Begründung dazu lautet in Bundesrats-Drucks. 517/73 Seite 68/69: Durch die Neufassung ist sichergestellt, daß Verletzte, die mangels eines Arbeitseinkommens bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Übergangsgeld haben (§ 561 Abs. 3 RVO), Verletztenrente schon mit dem Tage nach dem Arbeitsunfall erhalten, sofern die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (vgl. ebenso Bundestags-Drucks 7/1237 Seite 16).
Damit ist die in der Zeit vom Inkrafttreten des UVNG bis Ende 1974 vorübergehend bestehende Gesetzeslücke, die vom Senat zu schließen war, nun auch vom Gesetzgeber geschlossen.
Da kein Streit darüber besteht, daß der Arbeitsunfall bei der Klägerin über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus eine zu entschädigende MdE hinterlassen hat, war die Beklagte nach allem - entsprechend dem in der Vorinstanz gestellten Hilfsantrag der Klägerin - dem Grunde nach zu verurteilen, ihr vom Tage nach dem Unfall bis zum 14. Juni 1971 Verletztenrente - jedoch mit der aus dem Verbot der Schlechterstellung sich ergebenden, aus dem Urteilstenor ersichtlichen Einschränkung - zu gewähren.
Die Kostenentscheidung, bei der berücksichtigt wurde, daß die Revision im wesentlichen Ergebnis ohne Erfolg geblieben ist, beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1648965 |
BSGE, 63 |